Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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18.01.2005
Wolfgang Steinbrecht
„Diese Auffassung kann nicht auf Recht erhalten werden.“
Rechtschreibreform und Lehrerschaft
»Man muß sich immer wieder vor Augen halten, daß die Schreiber [solcher Gebilde] Gymnasiallehrer, Professoren, Bildungsjournalisten und Angehörige der Kultusbürokratie waren, Leute also, die man üblicherweise als gebildet bezeichnet.«
In der Ausgabe 1/04 der Zeitschrift »GYMNASIUM in Niedersachsen. Die Zeitschrift des Philologenverbandes« erschien der Aufsatz »Recht schreiben« von Wolfgang Steinbrecht, den wir
hier mit freundlicher Erlaubnis des Autors wiedergeben.
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Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 22.01.2005 um 12.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=186#186
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Daß "ausgerechnet" Mitglieder der sogenannten "Bildungsschicht" die RSR erfunden haben und durchsetzen wollen, erscheint so seltsam nicht, wenn man sich die Haltung vieler "68er" vor Augen führt:
Die Intellektualität vieler "progressiver" Mitbürger erschöpft(e) sich mehr oder weniger im Hochhalten von Symbolen, da sie die Inhalte sozialer Reformen nicht oder nur teilweise verstehen bzw. verstanden: Belege sind etwa die Kleider- und Haarmoden, aber auch der blinde Glaube daran, daß angeblich Neues eben deshalb modern = besser sei, weil es neu ist. Und es ist immer wieder zu beobachten, daß solche Zeitgenossen ihre Mitbürger mit der Attitüde des Schlaueren aufklären, daß ein Wort "jetzt so geschrieben" werde. (Journalisten z. B. finden Spaß daran, das dumme Volk auf der Straße mit dem Mikrofon in der Hand zu fragen, ob sie schon die richtige Schreibung gewisser Wörter kennen.)
Die Ausführungen von Herrn Steinbrecht sind gut analysiert und sogar amüsant - etwa bei der "weiter führenden" Schulform. Allerdings möchte ich nicht behaupten, man sei "als Gymnasiallehrer [...] gehalten, unseren Lernstoff – und Rechtschreibung ist ein solcher – glaubwürdig zu begründen." Gerade am Gymnasium sollten sich Lehrer die Freiheit nehmen, in der Tradition der Freiheit der Forschung und Lehre die Regeln der "Rechtschreibreform" als falsch vorzuführen. Spätestens in einer Linguistik-Reihe in der Oberstufe sollte man die Falschheit der "Reform" auch sprachwissenschaftlich begründen.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 26.01.2005 um 12.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=186#192
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Der schreckliche Termin 1. 8. 2005 hat endlich ein Nachdenken über Grundsatzfragen erzwungen, die bislang nur beiläufig behandelt wurden. So schält sich jetzt allmählich als Einsicht heraus, daß "Schreibung" und "(normierte) Rechtschreibung" nicht ein und dieselbe Sache sind. Das Wesen der Rechtschreibung ist Einheitlichkeit. Aus ästhetischen Gründen, aber auch zur Sicherung eines eindeutigen Verständnisses und in neuester Zeit zur Erleichterung der automatischen Textverarbeitung wird für alles professionelle und amtliche Schreiben der Verzicht auf Varianten verlangt. Die Normierung besteht im Kern darin, aus dem Arsenal der in der allgemeinen Schreibpraxis anzutreffenden Schreibformen jeweils eine auszuwählen und für die "Rechtschreibung" als Muster vorzuschreiben.
Dabei kann die tatsächlich herrschende Uneinheitlichkeit zwei Gründe haben: individuelle Abweichung von Regularitäten, die sich längst herausgebildet haben, manchmal aber für normale Schreiber nicht leicht verständlich sind, und andererseits Unsicherheit in Bereichen, in denen sich Regularitäten erst herausbilden. Der erste Fall ist dem pädagogischen Rotstift besonders geläufig, natürlich auch dem vornehmen Spott über angeblich ungebildete Mitmenschen, während die im Gange befindlichen orthographischen Entwicklungen selbst die Schreibvirtuosen ins Schleudern bringen – von der Begründung ihrer jeweiligen Wahl ganz zu schweigen. Die deutsche Rechtschreibung hat inzwischen nämlich einen solchen Höhenflug erreicht, daß selbst ein Germanistikstudium nicht zur vollständigen Beherrschung führt. Der Versuch der Reformer, das Rad zurückzudrehen und dabei selbst Schreibungen aufzugeben, die längst Allgemeinbesitz geworden sind, hat sich als Irrweg erwiesen. Unsere "sophistizierte" Rechtschreibung (um Herrn Augsts Ausdruck aufzugreifen) bereitet niemandem Leseschwierigkeiten, ist von dieser Seite her gesehen also keineswegs undemokratisch. Was jedoch nicht auf das Schreiben zutrifft. Eine Rechtschreibung, die selbst professionelle Schreiber nicht bis ins letzte beherrschen, kann nicht der gesamten Schreibgemeinschaft als Norm vorgeschrieben werden.
Die ursprüngliche Lösung dieser Problematik vom Anfang des 20. Jahrhunderts, nämlich die Unterscheidung von Schreibungen, die für den allgemeinen Gebrauch empfohlen werden, und solchen, die von professionellen Schreibern zu beachten sind, hat ihren Vorbildcharakter nicht verloren. Der neue Rat für deutsche Rechtschreibung würde sich verdient machen, wenn nach dem 31. 7. 2005 wieder so verfahren würde. Daß im Rahmen dieser Neuregelung die Verhöhnungen der deutschen Sprachgemeinschaft durch Herrn Augst und seine Gesinnungsgenossen wieder zu verschwinden haben, versteht sich von selbst. Das gilt auch für das Regelwerk. Heute weiß niemand, wem die Neufassung anvertraut werden könnte. Am besten wäre es, man beschränkte sich auf die Vorbildwirkung richtig geschriebener Texte. Leicht verständliche Erklärungen, die auf die dort anzutreffenden Regularitäten abhöben, könnten nicht schaden. Hochgestochene linguistische Beschreibungen sollten sich auf die Innenkommunikation des entsprechenden Berufstandes beschränken. Die deutsche Schreibgemeinschaft möge man in Zukunft mit dergleichen verschonen.
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