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15.12.2004
 

„Hans Zehetmair hat noch Änderungsvorschläge“
(sowie auch Signale „von Springer“)

Der Mannheimer Morgen hat Hans Zehetmair interviewt.

Und der Mannheimer Morgen zählt zu den Fundamentalisten der Reformorthographie. Er hört, wie seine Kommasetzung zeigt, Zehetmair nicht einmal zu. Hans Zehetmair aber läßt sich nicht beirren. »Unebenheiten« müssen »geglättet«, Reformverweigerer auf sanftem Wege bekehrt werden.

»„Sprache braucht Sinnhaftigkeit und Disziplin“

INTERVIEW: Hans Zehetmair, künftiger Vorsitzender des Rats für deutsche Rechtschreibung, hat noch Änderungsvorschläge

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Groß


Der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmaier (68) soll den Vorsitz des Rats für deutsche Rechtschreibung übernehmen, der sich am Freitag in Mannheim konstituieren wird. Der Vorstandsvorsitzende der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung ist überzeugt, dass der Rat noch manches Detail der Rechtschreibreform überarbeiten kann - und muss.

Herr Zehetmair, Sie sagten, der Rat soll die größten Schwachstellen der Rechtschreibreform beseitigen. Welche sind das?

HANS ZEHETMAIR: Wir können nicht das Rad neu erfinden und es geht auch nicht um Alles oder Nichts. Der Reformprozess hat seine Geschichte und man muss mit Behutsamkeit an Verbesserungen herangehen. Die Glättung der Unebenheiten bezieht sich im Besonderen auf die Bereiche Groß-, Kleinschreibung sowie Auseinander- und Zusammenschreibung. Zum Zweiten auf die Frage der Interpunktion - da denke ich auch an Ihre Zeitung, die ja mehr Kommata setzt, als jetzt für die Schule vorgesehen ist. Es ist zu wenig beachtet worden, dass die Frage des Schriftbildes auch mit dem Leser zu tun hat: Zusammenhänge sollen leicht erfassbar sein. Drittens möchte ich eine besondere Handhabung in der Eindeutschung von Fremdwörtern erzielen, was ebenfalls ein paar Korrekturen zur Folge haben wird. Der vierte Punkt ist die Frage der Trennung: Silbentrennung soll gelten, es muss der Sinnzusammenhang erkennbar sein; die Trennung "E-sel" oder heruma-ckern" sollte nicht möglich sein. Die Sprache braucht Sinnhaftigkeit und die Disziplin des Verwenders.

Die zwischenstaatliche Kommission für Rechtschreibung, welche die Umsetzung der Reform begleitete, hat noch die umstrittene Getrennt- und Zusammenschreibung modifiziert. Zum Teil existieren nun alte und neue Schreibungen nebeneinander. Ist das ein akzeptabler Weg?

ZEHETMAIR: Die Frage des Zusammen- oder Auseinanderschreibens darf keine Beliebigkeitsantwort erfahren; es ist ein Unterschied zwischen "auseinander setzen" im Lokal oder "sich auseinandersetzen" im übertragenen Sinne. Das muss die Orthografie deutlich machen.

In welchem Verhältnis sehen Sie Ihre Arbeit zu derjenigen der Kommission?

ZEHETMAIR: Ich sehe die Aufgabe des Rates und auch seine Botschaft nicht in einem Zwischenscharnier zwischen Staat und Bevölkerung; er soll der Sprache gegenüber Verantwortung tragen und sie besonnen begleiten, die Entwicklung analysieren. Man sollte nicht nur aufs Datum 1. August 2005 schauen, wenngleich bis dahin ein tüchtiges Stück Arbeit geleistet sein muss, um erwähnte Unebenheiten zu glätten. Die Begleitung, Betreuung und Begutachtung der Sprache ist eine längerfristige Aufgabe, die übrigens auch vom Politikgeschäft möglichst fern gehalten werden sollte. Sprache ist ein dynamischer Prozess, sie ist das wertvollste Kommunikationsgut zwischen den Menschen und so muss sie dann auch gesehen und behandelt werden.

Die Politik hat sich zuletzt besonders die Sache der Reformkritiker zu Eigen gemacht. Fürchten Sie Versuche der Politik, Einfluss auf Ihre Arbeit zu nehmen?

ZEHETMAIR: Ich glaube, dass ich die Politik außen vor halten kann. Ich war lange genug selber Politiker und habe dabei immer meine eigene Meinung kundgetan. Wenn man mich nun zum Vorsitzenden des Rates vorgeschlagen hat, dann doch sicher nicht deshalb, weil man glaubt, mir leicht hineinreden zu können. Außerdem hat man es mit einem Rat von 36 Mitgliedern zu tun, deren Kompetenz ja nicht zu bezweifeln ist. Es bedarf keines parlamentarischen Auftretens und keiner aktuellen Stunde im Bundestag zu Fragen der Rechtschreibung.

Allerdings dürfte es bei einer so großen Mitgliederzahl schwierig werden, Einigkeit zu erzielen . . .

ZEHETMAIR: Diese auch für mich hohe Zahl ist vorgegeben. Grundsätzlich sollten wir in wesentlichen Fragen um Konsens bemüht sein, aber es wäre eine Verarmung, wenn man bei der Frage der Wertung eines Wortes oder eines Satzgefüges nur eine bestimmte Meinung haben könnte. Allerdings sollte man bei einer Formulierung wie "es tut mir Leid" doch zusammenfinden und einsehen, dass sich die Reformer verlaufen haben: "Leid" ist kein greifbares Ding, sondern eine Umschreibung - also bitteschön wieder "es tut mir leid".

Reformkritische Institutionen wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung oder auch der deutsche PEN haben angekündigt, im Rat nicht mitarbeiten zu wollen - suchen Sie dennoch einen Dialog?

ZEHETMAIR: Einige Institutionen hatten das kundgetan, bevor ich damit befasst wurde. Es ist mir ein großes Anliegen, dass ich mit beiden Gremien, die ich für besonders wichtig halte, Kontakt aufnehme; ich möchte alles tun, was vertretbar ist, um eine kompetente Mitwirkung zu erreichen.

Nachdem Ministerpräsidenten und Kultusminister bestätigt haben, dass es kein Zurück mehr gibt, ist es stiller um die Rechtschreibreform geworden. Glauben Sie, dass sie nun so akzeptiert wird, wie sie - von wenigen Modifikation abgesehen - ist?

ZEHETMAIR: Ich werde jedenfalls alles dazu beitragen, dass der Rat diese Frage, die die deutsche Nation zu spalten drohte, zu einer Klärung bringt. Die Kultusministerkonferenz hat in Übereinstimmung mit den österreichischen und schweizerischen Gremien formuliert, dass sich der Rat für deutsche Rechtschreibung so bald wie möglich konstituieren soll, damit etwaige Änderungen zum 1. 8. 2005 in Kraft treten könnten; das zeigt doch, dass es nicht darum geht, möglichst wenig zu ändern.

Zuerst ist die FAZ zur alten Orthografie zurückgekehrt, vor kurzem haben Springer, Spiegel und Süddeutscher Verlag ein Gleiches angekündigt, was nur Springer vollzogen hat. Wie bewerten Sie das alles?

ZEHETMAIR: Ich habe unmittelbar aus der Umgebung von Springer übermittelt bekommen, man sei von den Vorstellungen, wie ich sie formuliert habe und sie der Ministerpräsidentenkonferenz zu Grunde lagen, sehr angetan; ich gehe davon aus, dass wir wieder zusammenfinden können - sofern wir das Thema Prestige subordinieren.

Und wie ist Ihr persönliches Verhältnis zur Rechtschreibreform?

ZEHETMAIR: Ich schreibe in der neuen Rechtschreibung, habe, als klassischer Philologe, meine Probleme, wenn ich "Orthografie" mit "f" schreibe, und ich setze mehr Satzzeichen, als ich in der Zukunft müsste. Eindeutschungen liebe ich gar nicht, schon gar nicht, wenn ich ein "Restaurant" glaube eindeutschen zu müssen - mit "o" als letztem Vokal. Mein Verhältnis zur reformierten Rechtschreibung ist kein kriegerisches und kein emotional belastetes - es ist ein von der Ratio her mit einem reifen Fragezeichen versehenes.«


( Mannheimer Morgen, 15. 12. 04 )



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Kommentare zu »„Hans Zehetmair hat noch Änderungsvorschläge“«
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 15.12.2004 um 15.06 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=167#126

Herr Zehetmair bekundet, daß er die Entscheidungen rund um die Sprache möglichst fernhalten möchte vom Politikgeschäft. Wie will er jedoch ohne jeden politischen Druck Springer und FAZ dazu bringen, wieder reformiert zu schreiben?
Daß hier hinter den Kulissen bereits verhandelt wird, ist klar. Und wieder ist die Unterwerfungsrichtung schon im voraus festgelegt. Man werde wieder "zusammenfinden", sofern "wir das Thema Prestige subordinieren". Mit anderen Worten: Allein die Presse kann und muß Zugeständnisse hinnehmen, muß sich mit einem eventuellen Prestigeverlust abfinden; den Anstiftern des Unheils selbst, also den Reformern und Politikern, ist dies nicht zuzumuten. Also, laßt uns diskutieren. Nur das Diskussionsergebnis steht schon von vornherein fest. Wie bei früheren Schauprozessen. Man kann Herrn Dr. Döpfner wünschen, daß er sich gegen diese Zumutung standhaft hält.

Wieviel Anläufe werden noch gemacht, um das störrische Sprachvolk endlich unter die orthographische Knute zu bringen?
Schlimm, diese Heuchelei. Schlimmer aber, daß Scheinheiligkeit immer wieder mit Heiligkeit verwechselt wird. Am schlimmsten, daß die breite Öffentlichkeit wohl auf alles hereinfällt, und sei es noch so plump angerichtet ...

Wenn man die Politik heraushalten möchte, weshalb wird dann ein ausgerechnet ein ehemaliger Politiker mit der Aufgabe betraut, das Unternehmen Rechtschreibreform zu retten? Stünde diese Rolle nicht besser einem unparteiischen, also unpolitischen Fachmann zu? Und außerdem: Zehetmair zählt mit seinen fast 70 Jahren zweifelsfrei zu den "alten Männern", die doch eigentlich gar nicht mehr mitreden dürften, weil sie bereits verkalkt, geistig unbeweglich und nicht mehr lernbereit sind – haben das die Befürworter der Rechtschreibreform uns nicht oft genug gesagt?

Nachtrag: Beim Lesen befielen mich Augenjucken und Niesreiz. Unsinnige Groß- und Getrenntschreibungen lenken nolens volens vom Inhalt des Textes ab.



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