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14.12.2004
 

Fernziel Kleinschreibung
– ansonsten allenfalls »ein paar kleine Änderungen«

Die österreichische Nachrichtenagentur APA hat die österreichischen Delegierten im kultusministeriellen »Rat für Rechtschreibung« befragt.

Das Ergebnis ist eine Art Museum der orthographischen Wandersagen. Für Karl Blüml etwa (allmählich muß man annehmen, daß er wirklich daran glaubt) folgt die Reform der »Entwicklung der Schreibpraxis«. Für Kurt Scholz »reduziert« Orthographie allerdings generell »die Kreativität der Kinder«. Und Helmut Zilk hielte eine Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung für »unsinnig«.

Es kann eigentlich nichts herauskommen bei dieser Ratsbesetzung, und das soll es wohl auch nicht. Kurt Scholz erwartet, »dass der Rat zumindest bis Anfang August ein Mal [sic!] pro Monat zusammen trifft [sic!]«. Sprachwissenschaft kann so einfach sein.

»Rechtschreib-Rat: Österreicher dämpfen Hoffnung auf große Änderung
Konstituierende Sitzung des neuen Rats am Freitag in Mannheim - Blüml: Korrekturen bei Getrennt- und Zusammenschreibung möglich

Wien - Der neu geschaffene "Rat für deutsche Rechtschreibung" tritt am Freitag (17. Dezember) in Mannheim zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Dem Gremium gehören 18 Deutsche sowie je neun Experten aus Österreich und der Schweiz an. Es soll die Entwicklung der neuen Schreibweise, die am 1. August 2005 verbindlich in Kraft tritt, beobachten und Änderungen vorschlagen. Österreichische Mitglieder des Rates dämpften im Gespräch mit der APA etwaige Hoffnung auf große Änderungen bis zum offiziellen Inkrafttreten: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass mehr als ein paar kleine Punkte geändert werden", sagte etwa Karl Blüml, Leiter der Zwischenstaatlichen Rechtschreib-Kommission, die vom "Rat" nun abgelöst wird.

Die Aufgabe der Kommission, der Blüml seit 1998 angehört hat, sei mit Abgabe ihres vierten Berichts Anfang dieses Jahres erfüllt gewesen. Darin hat das Gremium einige Änderungsvorschläge gemacht, die auch umgesetzt wurden. Blüml ist überzeugt, dass es auch in Zukunft noch Korrekturen geben muss, "die Schreibpraxis entwickelt sich, das muss beobachtet und da muss darauf reagiert werden, damit nicht ein Stau entsteht."

Doch bis 1. August 2005 würden das sicher nicht mehr als einige umstrittene Teilbereiche sein. "Weil es grundsätzliche Beschlüsse in allen beteiligten Ländern gibt, dass es kein Zurück zur alten Rechtschreibung geben kann, und eine Radikalveränderung, etwa die Einführung der allgemeinen Kleinschreibung, von der einige Anhänger im Rat sitzen, in dieser Zeitspanne nicht erfolgen kann", sagte Blüml.

Ein konkreter Punkt, der möglicherweise bis August geändert wird, betrifft die Getrennt- und Zusammenschreibung. Bei Partizipien gibt es laut Blüml eine beschränkte Zahl an Fällen, in denen sowohl Getrennt- als auch Zusammenschreibung möglich ist, beispielsweise "Rat suchende" bzw. "ratsuchende Bürger". Vorstellbar wäre hier eine generelle Klausel für solche Fälle.

"Jeder wie er will ..."

Auch Rats-Mitglied Helmut Zilk kann sich nicht vorstellen, dass es jetzt zu einer Totalreform kommt, und es sei auch "unsinnig anzunehmen, dass man nun alles zurücknimmt". Für ihn steht aber auch "außer Frage, dass es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, die Weichen so zu stellen, dass im Laufe der Entwicklung vieles reguliert und korrigiert wird", so Zilk gegenüber der APA. So wie es in der Vergangenheit immer wieder von Zeit zu Zeit gewisse Korrekturen gegeben habe, so solle man auch in Zukunft "sinnvoll weitertun".

Zilk, der aus seiner Enttäuschung über das "Reförmchen" nie ein Hehl gemacht hat, fürchtet ohnedies, dass sich die Leute "an nichts mehr halten. Wenn man den Alltag beobachtet, schreibt ja jeder wie er will, die einen nach den alten, andere nach den neuen Regeln. Das kann es ja nicht gewesen sein, das zeigt, dass die Sache nicht gut auf breiter Basis vorbereitet war."

Größenverhältnisse

Als "Geste des Vertrauens" würde es der ehemalige Wiener Stadtschulratspräsident Kurt Scholz werten, wenn die sechsjährige Vorsitzführung im neuen "Rat für deutsche Rechtschreibung" zu gleichen Teilen zwischen Deutschland, der Schweiz und Österreich geteilt wird. Dies würde - ohne Änderung der Mehrheitsverhältnisse den "Eindruck der deutschen Befehlsausgabe ein wenig relativieren", sagt Scholz. Bereits im Vorfeld der konstituierenden Sitzung wurde der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair als Vorsitzender des Rates designiert.

Inhaltlich will Scholz im Rahmen des Rates auf die Diskussion zwischen Rechtschreibreformern und Autoren hinweisen, die seiner Meinung nach in Österreich konstruktiver als in Deutschland verlaufe: "Niemand schreibt den Autoren ihre Rechtschreibung oder Interpunktion vor, die Freiheit der Autoren war in Österreich immer unmissverständlich." Aus diesem Grund wehrt sich Scholz auch gegen alle Vorhaben und Aktionen, in Schulbibliotheken "rechtschreibmäßig veraltete" Texte zu entfernen - eine Tendenz die es laut Interessengemeinschaft (IG) Autoren gibt: "Dass etwa Erich Hackls 'Abschied von Sidonie' nicht mehr gelesen wird, nur weil es noch in der alten Rechtschreibung vorliegt, ist ein Unsinn höchster Sorte."

Weitere Gesichtspunkte

Scholz will im Rat auch kritisierten, dass die vorliegenden allgemeinen Informationsmittel über die Reform für Fachwissenschafter und Linguisten geeignet, aber im Alltagsleben nur schwer handhabbar seien. Hier bestehe die Herausforderung, auch für die Verlage, verständliche Unterlagen vorzulegen. Der ehemalige Schulpolitiker fordert auch eine "ehrliche Diskussion des Stellenwerts der Rechtschreibung in der Praxis des Deutschunterrichts". Die Orthografie dürfe nicht Hauptmaßstab für die Leistungsbeurteilung gemacht und damit die Kreativität der Kinder reduziert werden. Als Befürworter einer gemäßigten Kleinschreibung, für deren Umsetzung bei der nun vorliegenden Reform "der politische Mut gefehlt hat", hofft Scholz, dass man sich im Rat der Entwicklung zu dieser Schreibweise auf Dauer nicht entziehen könne. Außerdem müsse auf die veränderte Rechtschreibpraxis verbunden mit der massenhaften Anwendung des Internets Rücksicht genommen werden. "Als Norm der Jugend kann und darf man sich dem nicht entziehen", sagte Scholz, der davon ausgeht, dass der Rat zumindest bis Anfang August ein Mal pro Monat zusammen trifft, "alles andere wäre Augenauswischerei".

Die österreichischen Ratsmitglieder Neben Scholz, Zilk und Blüml gehören der ehemalige Kultur-Ressortleiter der "Presse", Hans Haider, der Germanistik-Professor Richard Schrodt (Uni Wien), der Autor Ludwig Laher, der Geschäftsführer des Schulbuchverlags öbv&hpt, Georg Glöckler, Günter Lusser von der Pädagogischen Akademie Feldkirch sowie Ulrike Steiner, Redakteurin des Österreichischen Wörterbuchs, zu den österreichischen Vertretern im Rechtschreib-Rat. (APA)«



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