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Blüthen der Thorheit

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20.04.2006
 

Aus! Aus! Aus!

Hunderttausend englische Biertrinker werden zu den Weltfußballspielen in Deutschland erwartet.

Die Daily Mail versucht ihnen ein paar Brocken Doitsh beizubringen. Das geht daneben, genauer gesagt: ins Aus. Denn daß Geoff Hurst 1966 neben das Tor geschossen habe, ist bislang wohl noch nie behauptet worden.




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Kommentare zu »Aus! Aus! Aus!«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.06.2016 um 23.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1787

Obwohl beide Pfosten des Tores gleich lang sind, ist der kurze Pfosten perspektivisch (vom Torschützen aus) gesehen der längere.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.06.2016 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1788

Stimmt, kurz ist die Entfernung zum Pfosten, nicht der Pfosten selbst.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.06.2016 um 10.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1789

Meistens heißt es ja, das Runde müsse ins Eckige.
Aber manchmal trifft das auch auf einen Eckball zu.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.06.2016 um 13.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1790

Meine Familie ist tief beeindruckt, wenn ich ihr zum hundersten Male erzähle, wie ich die Kugel einmal ins lange Eck geschlenzt habe.
Die Sportsprache ist, wie anderswo angemerkt, der tägliche Beweis, daß Metaphern keine "Erkenntnismodelle" sind. Sport ist ein Spiel, und Metaphern sind auch ein Spiel.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.11.2016 um 22.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1886

Der Ball ist rund, heißt es. Gemeint ist üblicherweise der Fußball, und das eher in einem übertragenen Sinne: Man weiß nie genau, wohin er rollt. Nimmt man den Spruch hingegen wörtlich und verallgemeinert ihn auf alle möglichen Bälle, so zeigt sich, dass er keineswegs immer stimmt. Der Erdball ist zum Beispiel mitnichten rund. Grund ist die Zentrifugalkraft, die den rotierenden Planeten um den Äquator herum in die Breite drückt. So ist die Erde also keine Kugel, sondern ein sogenannter Rotationsellipsoid.

Tja, und Rotationsellipsoide sind bekanntlich nicht rund, sondern eckig.

Weil praktisch alle Objekte des Weltraums mehr oder weniger schnell vor sich hin rotieren, ist kein Himmelskörper in einem streng naturwissenschaftlichen Sinne rund.

Und so weiter, siehe SZ, 18.11.2016, Seite 1 oder auf http://www.sueddeutsche.de/wissen/weltraum-dieser-stern-ist-zu-rund-um-wahr-zu-sein-1.3253952

Da wir nun wissen, daß Ellipsoide streng naturwissenschaftlich gesehen nicht rund, sondern eckig sind, nur Kugeln sind richtig rund, wäre noch interessant, ob eine kleine Kugel eigentlich runder als eine große Kugel ist, oder ob vielleicht beide genau gleich rund sind (streng naturwissenschaftlich gesehen, versteht sich).




 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.11.2016 um 00.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1888

Ist nun die ganze Welt irre oder bin ich es?

Warum sind die Sterne rund? Eine einfache Antwort auf diese Frage lautet: Sie sind es nicht.

Das ist schon mal keine Antwort auf die Frage, aber egal, die gestrige FAZ (23.11.2016, Seite N1) meint jedenfalls, natürliche Sterne seien nicht etwa deswegen nicht rund, weil sie alle wie der Herrnhuter Weihnachtsstern aussehen, sondern sie stößt in das gleiche Horn wie die SZ:

Ohne das Wirken weiterer Kräfte [zusätzlich zur Gravitation] wäre ein Stern tatsächlich vollkommen sphärisch. ... Die dabei entstehenden Zentrifugalkräfte drücken das Gas ... der Stern wird leicht abgeplattet.

Bei einer Messungenauigkeit von nur einem Kilometer darf Kepler 11145123 damit als fast perfekt rund angesehen werden.

Rund ist also das gleiche wie sphärisch? Es geht auch in der FAZ nicht etwa um minimale Unebenheiten, diese werden selbstverständlich vernachlässigt, sondern es geht genau wie in der Süddeutschen darum, daß nur eine Kugel rund ist, ein Rotationsellipsoid jedoch nicht.

Kann mir jemand helfen? Meiner Ansicht nach haben Eier weder Ecken noch Kanten noch flache Seiten und sind deshalb überall perfekt rund. Das ändert sich noch nicht einmal zu Ostern.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 24.11.2016 um 12.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1890

»Im schärfsten Verstande ist eine Fläche rund, wenn alle Puncte der Oberfläche gleich weit von dem Mittelpuncte abstehen, und da findet freylich keine Comparation Statt. Allein im gemeinen Leben ist auch ein Körper schon rund, wenn er sich dieser mathematischen Ründe nur nähert, da denn allerdings Grade möglich sind.« (Adelung)

Natürlich sind Ellipsen nicht eckig, aber man würde sie wohl eher als rundlich denn als rund bezeichnen.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.11.2016 um 12.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1891

Die Sphärische Geometrie (sphaira = Kugel) gilt nur für Kugeln und daher genau genommen nicht für die Erd"kugel", Gibt es Korrekturfaktoren für die Wirklichkeit?

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.11.2016 um 21.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1892

"Rund" ist nicht fachsprachlich, zumindest kein mathematischer Begriff (außer beim Runden von Zahlen, was aber mit dem Thema hier nichts zu tun hat). Man spricht in der Mathematik von Geraden (die nicht umgangssprachlich "gerade" sein müssen), von Kurven, Kreisbögen oder -linien, von Kugelflächen, Krümmung usw. Der Ausdruck "rund" ist nicht üblich, was sicher für Physik und Astronomie genauso zutrifft.

"Rund" gehört also nur der Allgemeinsprache an. Daher ist es auch nicht fest definiert, etwa nur im Sinne einer Kreis- oder Kugelform, sondern wird ganz unterschiedlich verwendet. Ein Kiesel, der im Fluß rund geschliffen wurde, ist noch lange keine Kugel. Eine Schaufel mit rundem Blatt weist nicht unbedingt eine konstante Randkrümmung (mit festem Radius) auf.

Wenn "rund" immer genau dasselbe wie "kreisrund" oder "kugelrund" bedeuten würde, dann wären diese häufigen Zusammensetzungen doppelt gemoppelt, genau wie ein runder Kreis. (Mit "Kugelrund" ist übrigens auch der zuletzt genannte Artikel in der FAZ überschrieben.)

Widersprüchlich ist es, einerseits den entdeckten Stern als das "rundeste Objekt im bekannten Universum" (vielfach im Netz) zu bezeichnen, andererseits aber alle demzufolge weniger runden Objekte gleich als überhaupt nicht rund zu betrachten.


 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.11.2016 um 04.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1893

Wer hätte gedacht, daß nicht einmal Elektronen vollkommen rund sind? (http://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/news/2011/wie-rund-ist-das-elektron/)

Das u in rund ist passenderweise gerundet, das Wort also lautsymbolisch. Die Runde könnte nicht Rinde heißen, bei der das breite i schon andeutet, daß sie flach anliegt. Eine runde Sache.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.11.2016 um 14.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1894

Von geradezu vollkommener Rundheit sind für mich u. a. auch Spiralen, siehe z. B. die logarithmische Spirale bei Wikipedia.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.11.2016 um 15.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1895

Es kommt darauf an, ob man unter "rund" eine stetige Kurve mit nur einem einzigen Krümmungsradius verstehen will oder mit mehreren wie z.B. bei einer Ellipse. (Eine Ecke ist keine stetige Kurve.)

 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 25.11.2016 um 21.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1896

Zur Diskussion über das Runde, hier auch ein Verweis auf Giotto's O:

https://100swallows.wordpress.com/2007/09/14/giottos-o/

Da die italienische Redensart "rund wie Giotto's O" geistige Beschränktheit bezeichnet, schließt sich der Kreis zum Thema der "Blüten der Thorheit".

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.11.2016 um 01.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1897

Die Redensart ist schon doppeldeutig. Das kommt wohl daher, daß tondo nicht nur rund, sondern auch plump, schwerfällig, tölpelhaft bedeuten kann.
Sagt jemand, Das ist so rund wie Giottos O, drückt er damit Lob für größte Perfektion und Vollkommenheit aus, sagt er aber, Du bist so rund wie Giottos O, macht er sich über jemanden lustig.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.11.2016 um 03.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1898

Unsere heitere Diskussion über das Runde hat ja einen ernsten, geradezu weltgeschichtlichen Hintergrund. Den Alten kam schon der Gedanke, daß es weder die vollkommen gerade Linie oder den Kreis noch die Kugel in unserer Welt gibt, daß sie also irgendwo anders, in einer nur mit dem Auge des Geistes erfaßbaren Welt existieren müssen, damit man darüber reden und seine mathematischen Beweise führen kann. Ein harter Brocken bis zum heutigen Tage, das Universalienproblem.

„Das Wort Existenz (lateinisch existentia 'Bestehen, Dasein') bezeichnet in der Philosophie das Vorhandensein eines Dinges ohne nähere Bestimmung, ob es sich um einen materiellen oder ideellen Gegenstand handelt.“ (Wikipedia)

Da haben wir's! Ganz selbstverständlich wird angenommen, daß es jene beiden Welten gibt, und schon steckt der Karren im Dreck.

Dahinter steht die „eleatische“ Auffassung, daß man „über“ etwas nur sprechen kann, wenn dieses Etwas existiert – als wäre das Reden „darüber“ eine wirkliche Beziehung zwischen dem Sprecher und dem Gegenstand. Aber nicht jedes Sprachverhalten wird von den Gegenständen gesteuert, die darin „erwähnt“ werden. Sie müssen darum auch nicht „im Geiste“ (in der Vorstellung usw.) existieren, damit die sprachlichen Zeichen sinnvoll sind. Skinner zeigt ausführlich die „mehrfache Verursachung“ des Sprachverhaltens, womit dieser zeichentheoretische Irrtum beseitig wird. Das beginnt mit dem Sprechen über Abwesendes und geht weiter in die „intraverbale“ Steuerung durch erzählende Verkettung, die uns von Julius Caesar wie von Odysseus sprechen läßt, ohne daß wir mit ihnen in Berührung kommen müssen.

 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 26.11.2016 um 15.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1899

Selbstverständlich ist auch eine Ecke eine stetige Kurve. Allerdings ist sie nicht differenzierbar.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.11.2016 um 18.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1900

https://de.wikipedia.org/wiki/Stetigkeit#/media/File:WeierstrassFunction.svg

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.11.2016 um 01.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1901

Wir treiben ja hier nicht reine Mathematik, sondern benutzen eher anschauliche sprachliche Mittel für Sachverhalte, die sich mathematisch exakt beschreiben lassen. Darum stimme ich Germanists allgemeinsprachlicher Formulierung durchaus zu.

Es gibt zwar den Begriff der Kurvendiskussion, meiner Ansicht nach ein eher schulmathematischer Ausdruck, aber ansonsten sprechen Mathematiker nicht von "Kurven", sondern von Funktionen oder ggf. Graphen.

Als Kurve könnte man allgemeinsprachlich einfach die Richtungsänderung bezeichnen (was mathematisch schon der ersten Ableitung, also einer Differentiation entspricht), und Germanist hat ganz recht damit, daß diese Kurve, also die Richtungsänderung, stetig verlaufen muß, damit die Ausgangslinie keine Ecke (Knick) hat.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.11.2016 um 01.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1902

Zum Begriff der Kurve möchte ich mich korrigieren, der wird auch in der Mathematik benutzt, allerdings wie gesagt, dies ist kein mathematisches Forum, Kurve kann hier durchaus anderes gemeint sein.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 27.11.2016 um 10.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1903

Alltagssprachlich kann ein Kreis auch oval sein.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.11.2016 um 12.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1904

Eine "richtige" Kurve hat in jedem Punkt eine Krümmung, also eine zweite Ableitung. Eine Ecke ist der Schnittpunkt zweier Halbgeraden mit je einer Geradengleichung und zwei verschiedenen Steigungen, also ersten Ableitungen. Geraden haben keine zweite Ableitung, also keine Krümmung.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.11.2016 um 15.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1905

Wir sollten es mit der anschaulichen Sprache auch nicht übertreiben, auf Dauer kann da nichts Gutes herauskommen. Wir sind davon ausgegangen, daß auch "runde", nicht nur "gerade" Linien "abknicken" ("Ecken" haben) können.

 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 28.11.2016 um 07.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1906

Geraden haben keine zweite Ableitung, also keine Krümmung.

Aua... Natürlich haben Geraden eine zweite Ableitung und daher auch eine Krümmung; sie ist eben 0.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.11.2016 um 13.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1907

Das haben wir auch so gelernt. Es ist 55 Jahre her, und ich habe mich die ganze Zeit nicht mehr damit beschäftigt. Wie ist es möglich, daß die wabbelige Masse in meinem Schädel solche Einzelheiten so lange "aufbewahrt"? Das Jahrzehnt des Gehirns ist vorbei? Ich glaube eher, daß das Jahrhundert des Gehirns erst noch bevorsteht.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.11.2016 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1908

Dann sind Geraden ausgedehnte Wende"punkte".

 

Kommentar von A.B., verfaßt am 03.12.2016 um 13.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=112#1909

Darf ich dazu noch anmerken, daß f''=0 nur notwendig, aber nicht hinreichend für Wendestellen ist. Außerdem ist die zweite Ableitung einer Funktion nicht identisch mit der Krümmung der zugehörigen Kurve.

 

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