zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Theodor Icklers Sprachtagebuch

Die neuesten Kommentare


Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag

Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben


27.11.2006
 

Rad fahren, eislaufen
Die revidierte Neuschreibung ist anders als 1996, aber auch anders als 1991

Ist sie begründet?

Eisenbergs Beweisführung (auch in seinem Grundriß Bd. I) zur Unterscheidung von eislaufen und Klavier spielen ist nicht stichhaltig.
ein altes Klavier spielen ist keine Expansion von Klavier spielen, vgl.
*Ich kann Klavier spielen, aber kein altes. Das klingt arg zeugmatisch.

Schon das artikellose Klavier in Klavier spielen ist als Ergänzung syntaktisch nicht konstruierbar. Nur wenn man Klavier im Sinne eines Spiels wie Schach usw. auffaßt, geht es.

Eisenberg sagt denn auch selbst: "[Sie spielt ein altes Klavier] zeigt die funktionale Nähe von Klavier zu der eines direkten Objekts, im Gegensatz zu eis." (Grundriß)

Kinder sagen: Komm, wir spielen Sand.

Die revidierte Fassung mit ihrem neuen Bündel von Ausnahmen, die man sich merken soll, hat auf viele Beobachter befremdlich gewirkt, weil sie weder einleuchtet noch einen Usus widerspiegelt. Die meisten haben es aber hingenommen, weil es im Gewirr der Neuschreibungen dann auch nicht mehr drauf ankommt.



Diesen Beitrag drucken.

Kommentare zu »Rad fahren, eislaufen«
Kommentar schreiben | neueste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Florian Bödecker, verfaßt am 27.11.2006 um 16.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=727#6805

Es wäre bestimmt hilfreich, wenn Sie überhaupt noch mal die Grundlagen in diesen Fällen von GKS erklären könnten. Mir waren sie nie klar; der Duden hat die Sache für mich auch eher verunklart. Einsicht in die grammatischen Verhältnisse würde mir Sichheit und größere Unabhängigkeit von der Normliteratur geben.

Ich verstehe z.B. schon nicht, wieso in "ich fahre Auto" Auto hier ohne Artikel stehen kann. Da es groß geschrieben ist, wird es sich doch um ein Substantiv handeln, oder? Wie nennt man die syntaktische Funktion, die es in dieser Wendung erfüllt? Wenn es kein Objekt ist, was ist es dann?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 27.11.2006 um 16.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=727#6806

Was ist hier das Kriterium für syntaktische Unkonstruierbarkeit? Es gibt ja noch eine Menge anderer Verbindungen von Verben mit artikellosen Substantiven, z. B. Bescheid geben/sagen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2006 um 17.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=727#6807

Nun, Auto, Rad, Klavier – das sind Konkreta und Individuative, und sie brauchen im Singular einen Artikel oder sonstigen Determinator. Ich will übrigens nicht behaupten, daß die eine oder andere Schreibweise falsch wäre, nur die Begründungen stimmen eben nicht. Es geht hier überall um eine Art Objektinkorporation (man hat verschiedene Bezeichnungen gefunden), die, wie Eisenberg über die Verbzusatzkonstruktion im allgemeinen ganz richtig sagt, syntaktisch noch nicht recht verstanden ist. Intuitiv haben die Leute schon immer gespürt, daß "Rad fahren" nicht etwas ist, was man mit dem Rad macht, sondern eine Art und Weise der Fortbewegung, also "radeln". Daraus folgt aber nicht zwingend Zusammenschreibung, wie uns der Duden unnötigerweise einzureden versuchte. In meinem Wörterbuch ist selbstverständlich neben der Zusammen- auch die seit je übliche Getrenntschreibung angegeben.
Die Unmöglichkeit einer abschließenden Festlegung war 1901 anerkannt. Unsere Reformer haben das Unmögliche versucht und sind gescheitert. Man sehe sich doch die neuesten Regeln, angereichert mit Eisenbergs Idiosynkrasien, einmal an! Ein Desaster! Die Lehrer werden es mit der Zeit einsehen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.11.2006 um 17.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=727#6808

Nach meinem Grammatikgefühl kann bei einem Verb ein artikelloses und präpositionsloses gleichsam "nacktes" Substantiv nur als Akkusativobjekt stehen, aber nicht, wenn es grammatisch ein Dativ- oder Genitivobjekt ist, das zum Ausdrücken dieses Falles eigentlich zwingend einen Artikel oder eine Präposition benötigt. Zusammenschreibung kann hier eine Wortgruppe ersetzen. Bei manchen Verben wie "fahren, spielen, laufen" u. a. ist Akkusativ oder Dativ (der dann für einen alten Instrumental oder Lokativ steht) möglich. Bei "Ball spielen, Karten spielen, Schlittschuh laufen, Kopf stehen, Schlange stehen" usw. ist der Kasus des Objekts nicht eindeutig. Ein undefinierbarer Kasus tut mir irgendwie weh.
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 28.11.2006 um 11.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=727#6809

Wie ist "Gassi gehen" einzuordnen?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.11.2006 um 15.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=727#6811

Ein allein stehendes einzelnes Substantiv im Singular bei einem Verb muß als "Schein-Akkusativ" bezeichnet werden: Gassi gehen, Kopf stehen, Schlange stehen, Bahn fahren (wenn man nicht der Lokomotivfüher ist) usw. In diesen Fällen handelt es sich der Funktion nach um Lokative oder Instrumentale, die es im Deutschen offiziell nicht mehr, aber tatsächlich doch noch gibt. Es gibt also den "Akkusativ mit der Funktion des Lokativs oder Instrumentals".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2017 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=727#34836

Aus aktuellem Anlaß noch einmal Eisenberg (2017):

„Der Unterschied zwischen eislaufen einerseits und Auto fahren andererseits zeigt sich beispielsweise darin, dass man sagen kann Sie fährt Auto und Sie fährt ein altes Auto, andererseits aber nur Sie läuft eis und nicht *Sie läuft ein kaltes Eis.“ (77)

Zwei Zeilen weiter hält er Sie läuft nicht Eis für möglich. (2013 war dieser Fehler vermieden.)

Das Argument ist aber auch ungültig. Erstens ist Auto fahren nicht dasselbe wie ein Auto fahren. Zweitens wäre mit derselben Begründung nur eisenbahnfahren zulässig, denn man fährt nicht eine schnelle Eisenbahn usw.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.04.2017 um 18.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=727#34838

Nur noch am Wort "Führerschein" ist erkennbar, daß jeder autofahren darf (als Mitfahrer), aber nur bestimmte Leute autoführen oder autolenken dürfen. Ähnlich ist es bei omnibusfahren. Bei der Eisenbahn wird deutlicher unterschieden zwischen führen und fahren, Zugführer und Zugfahrer. Bei der Schiffahrt wird deutlich unterschieden zwischen schifführen und schiffahren. Nach meiner Meinung ist zu genaue Sprache obrigkeitsseitig unerwünscht.
 
 

nach oben


Ihr Kommentar: Sie können diesen Beitrag kommentieren. Füllen Sie dazu die mit * versehenen Felder aus und klicken Sie auf „Kommentar eintragen“.

Sie können in Ihrem Kommentar fett und/oder kursiv schreiben: [b]Kommentar[/b] ergibt Kommentar, [i]Kommentar[/i] ergibt Kommentar. Mit der Eingabetaste („Enter“) erzwingen Sie einen Zeilenumbruch. Ein doppelter Bindestrich (- -) wird in einen Gedankenstrich (–), ein doppeltes Komma (,,) bzw. ein doppelter Akut (´´) werden in typographische Anführungszeichen („ bzw. “) umgewandelt, ferner werden >> bzw. << durch die entsprechenden französischen Anführungszeichen » bzw. « ersetzt.

Bitte beziehen Sie sich nach Möglichkeit auf die Ausgangsmeldung.
Für sonstige Diskussionen steht Ihnen unser Diskussionsforum zur Verfügung.
* Ihr Name:
E-Mail:
(Wenn Sie eine E-Mail-Adresse angeben, wird diese angezeigt, damit andere mit Ihnen Kontakt aufnehmen können.)
* Kommentar:
* Spamschutz: refresh Image CAPTCHA Image
  Bitte tragen Sie die Zeichenfolge in das Feld rechts ein. Falls Sie Schwierigkeiten haben, sie zu erkennen, können Sie sich mit einem Klick auf die grünen Pfeile eine andere Zeichenfolge vorgeben lassen.
  TESTBETRIEB; das funktioniert noch nicht! Bitte wählen Sie zur Kommentareingabe wieder die neuesten Kommentare zuoberst aus.


Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM