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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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20.11.2005
 

Die bösen Buben
Aus der Versenkung geholt

Die KMK hatte dem Internationalen Arbeitskreis verboten, die Groß- und Kleinschreibung zu bearbeiten.
Er tat es trotzdem und jubelte den Ministern die Wüstersche Großschreibung unter. Horst H. Munske, damals noch dabei, aber schon Dissident, schreibt: "Die gegenwärtig geplante vermehrte Großschreibung holt gerade jene Schreibtendenzen wieder aus der Versenkung, die durch die Schulorthographie des 19. Jahrhunderts und in ihrer Nachfolge durch die Rechtschreibeinigung im Jahre 1901 zurückgewiesen wurden." (Lob ... S. 91) Und etwas früher stellt er fest, daß eine "Reformklamotte aus der Kiste geholt wurde", ohne daß die Kultusminister es gemerkt haben.

Der geschichtliche Hergang ist inzwischen durch Munskes Schülerin Karin Rädle mitsamt Dokumenten dargestellt worden.

Im "Rat für deutsche Rechtschreibung" gibt es fast niemanden, der die klare und einfache Darstellung Munskes zu begreifen in der Lage wäre. Auch deshalb wäre es dringend erwünscht, die Verhandlungen des Rates entweder öffentlich abzuhalten oder in einer Dokumentation zu protokollieren, wie es bei der Ersten und Zweiten Orthographischen Konferenz selbstverständlich war. Stattdessen haben wir - "Vertraulichkeit"! Das entspricht dem heutigen Politikstil. Alles wird in Hinterzimmern vorbereitet und entschieden. Nur durch Zufall bekommt man mal etwas zu sehen und zu hören, und es graust einen.



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Kommentare zu »Die bösen Buben«
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 20.11.2005 um 07.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=291#1623

Vertraulichkeit, Hinterzimmer ... genau dies ist der Punkt, an dem – hoffentlich bald – der ganze Reformbetrug zerbröseln wird. Mit welchem Recht wird hinter geschlossenen Türen über Sprache und Schrift einer Millionensprachgemeinschaft verhandelt, so als gehöre sie nur einer Handvoll Leuten? Welch ungeheure Anmaßung! Das ist, als ob sich eine verschworene Gruppe von Ärzten treffen und darüber entscheiden wollte, welche Krankheiten dem einzelnen Menschen künftig "erlaubt" und welche "verboten" seien, damit sich die Pharmafirmen auf eine lukrative Produktionslinie einstellen können. Da lacht der liebe Gott!
Der Sprache zu befehlen ist wie das Wetter machen wollen.

Unglaublich, mit welch ignorant-schnoddriger Kungelei einige Wichtigtuer im Rat über Dinge abstimmen, die sie nichts angehen, von der sie nicht die Bohne verstehen, und die sie auch nicht festzulegen haben.
Da kann man nur sagen: stimmt doch weiter ab, was ihr wollt! Wir, das Schreibvolk, kümmern uns nicht mehr darum! Immer mehr dürften heute erkennen, welcher Wahnsinn hinter dieser Pseudoreform steckt. Immer mehr werden sehen, daß es so nicht funktioniert. Da lese ich auf einer Packung für Hundefutter: "... hat eine speziell für kleine Hunde angepaßte Größe der Brocken." Drei Zeilen darüber steht: "Aus jahrelanger Erfahrung wissen wir, dass die gesündesten und schmackhaftesten Zutaten ..." Die Herstellerfirma: Pedigree. Die Packung: aufwendiger Druck, aufwendig Werbung. Überall im Handel erhältlich.

Oder: Ein großes Schuhgeschäft schickte mir neulich Werbepost. In der Firmenanschrift am Briefkopf "Straße". Meine Adresse erscheint als "Strasse". Die neue Kollektion sei da, mit freundlichen "Grüssen".
Manch ein „gebildeter“ Zeitgenosse bedankt sich immer häufiger "im Vorraus". Mit der s-Schreibung geht es wild drunter und drüber. Früher hieß es: Sprich, wie du schreibst. Und so ist die Hochsprache entstanden. Heute arbeitet jeder sein Idiom in die Schrift ein, weil die Reformer ihm das eingeblasen (eingeblaßen) haben. Schreib, wie du sprichst. Das Ergebnis ist kreativ in jeder Hinsicht.

So etwas sei unwichtig – man könne es doch "lesen", meinen fortschrittliche Geister. Dazu ist in diesem Forum schon genügend gesagt worden. Man darf darauf setzen: Es werden immer mehr Zeitgenossen erkennen, wohin die sog. Rechtschreibreform auf lange Sicht führt. Die Mehrheit der Leute mag zwar träge sein, aber ganz so dumm sind die vielen doch nicht. Die beim Lesen irritierenden "Pressspanplatten" (panplatten) und "Essstörungen" (törungen) werden niemals Gegenliebe beim Leser finden. Am großen „Recht haben“ stößt sich jeder gebildete Leser, wie man sich an einer Tischkante stößt. Es tut richtig weh, auch noch nach Jahren. Welche "Beweiße" wären besser, als das Nichtfunktionieren der Reformschreibung in der täglichen Praxis? Wir kommen der Sache immer näher, je länger das Experiment andauert. Wir haben es satt, uns von einer selbsternannten „Expertengruppe“ an der Nase herumführen zu lassen, die doch nur ihre wirtschaftlichen Vorteile im Blick hat.

Die Leser werden aufwachen und das ganze Theater um die Rechtschreibreform als das betrachten, was es ist: ein Treppenwitz. Schallendes Gelächter würde erlösend wirken. Dann könnten wir uns erleichtert abwenden und wieder zur normalen Schreibung übergehen. Noch ist das Wissen und Können dazu in der Gesellschaft vorhanden. Soll doch der Mannheimer Geheimbund weitere fünfzig Jahre nach eigenem Gusto an unserer Sprache "herumreformieren" und wie bei Wahlen darüber abstimmen, was groß und was klein zu schreiben sei. Man sollte sich nicht mehr darum kümmern. Wen interessiert denn, was der sozialistisch angehauchte Rechtschreibrat beschließt, der sich in amtlich angemaßtem Größenwahn um Dinge kümmern will, die sich naturgemäß jeglicher Einmischung durch technokratische Manipulation entziehen.

Dank gilt Herrn Ickler, der nach wie vor die Mühe auf sich nimmt, Licht in diese Verschwörungssache zu bringen. Wir wünschen ihm Kraft und Durchhaltevermögen.

Die Wahrheit ist die Tochter der Zeit. Einige Ratsmitglieder werden sich später einmal, wenn der Spuk vorüber ist – schämen müssen. Falls sie eines solchen Gefühls überhaupt mächtig sind.

 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.11.2005 um 19.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=291#1638

»Die beiden waren nicht die Einzigen.« (NZZ am Sonntag, 20. 11. 2005) Die Ratsmehrheit sieht keinen Änderungsbedarf bei der GKS, weil alles wünschenswert klar geregelt ist.
 
 

Kommentar von Carsten Thumulla, verfaßt am 04.12.2005 um 14.35 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=291#1872

Richtig!
Die Arroganz kennt keine Grenzen. Mit dem Internet hätten wir aber Mittel in der Hand, die demokratiefeindlichen Tendenzen anzuprangern. Die Verantwortlichen sollten genannt werden, um dem Wähler widerzuspiegeln, wen oder was er da gewählt hat. Diese Verschleuderung des Volksvermögens zur Durchsetzung primitiver Ideologien, die kulturzerstörend wirken, kann nur beendet werden, wenn /alle/ Verantwortlichen genannt werden. Die Wähler vergessen viel zu schnell. Die Politiker und deren Taten gehören im Zusammenhang gespeichert. Ich würde niemanden mehr wählen, der solchen "Projekten" seine Zustimmung gab.
Ich wage eine Voraussage: Sollte die Reform offiziell scheitern, dann waren wieder alle dagegen – wie immer.

Carsten Thumulla
 
 

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