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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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29.07.2005
 

Der Halleysche Komet

Die Sache mit dem Kometen ist wohl noch komplizierter, als ich sie bisher dargestellt habe.
Der Apostroph ist ein Auslassungszeichen. Die Neuregelung führt eine fürs Deutsche ungewohnte Verwendungsweise ein:
„Von dem Apostroph als Auslassungszeichen zu unterscheiden ist der gelegentliche Gebrauch dieses Zeichens zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung -s oder vor dem Adjektivsuffix
-sch:
Carlo’s Taverne, Einstein’sche Relativitätstheorie“
Diese im Englischen übliche Abtrennung der Genitivendung war auch im Deutschen „gelegentlich“ zu sehen. In der Neuregelung ist sie auf eigentümliche Weise mit der Groß- und Kleinschreibung verschränkt. Neuerdings sollen ja die Gedichte Goethes in Kleinschreibung, als goethesche Gedichte, erscheinen. Wahlweise darf man sie weiterhin groß schreiben, dann aber mit obligatorischem Apostroph: Goethe’sche Gedichte. Dies hat viele Sprachwissenschaftler befremdet, denn der Apostroph hat mit der Großschreibung eigentlich nichts zu tun, und überhaupt scheint die ganze Änderung schlecht motiviert.
Was heißt „gelegentlich“ innerhalb einer Schreibregel? Nach der neuen Regel wären korrekt: Ich muß noch mal schnell zu Karl’s Eltern. Hast du schon Manfred’s neues Auto gesehen?
Ein Anruf beim IDS über die eigens zur Beeinflussung des schleswig-holsteinischen Volksentscheids eingerichtete „Hotline“ ergab am 14.9.1998 die spontane Antwort, die Regierungszeit Adenauer’s sei eindeutig falsch. Mit § 97 E konfrontiert, mußte der Sprachberater zugeben, daß es dem Wortlaut nach richtig sein könnte, doch hätten die Reformer das keinesfalls intendiert. Die Episode bestätigt den Klärungsbedarf.
Kompliziert wird es, wenn der gesamte Ausdruck als Eigenname anzusehen ist. Das gilt nach Auffassung der Reformer vom Halleyschen Kometen, nicht aber vom Linnéschen System. Der Komet würde also nach der neuen Grundregel zunächst klein geschrieben: halleyscher Komet; weil es aber ein Eigenname ist, wird er groß geschrieben: Halleyscher Komet. Diese Herleitung ist wichtig, denn nur sie erklärt, warum in diesem Falle trotz Großschreibung kein Apostroph zu setzen ist. Das ebenfalls nun klein geschriebene linnésche System kann kein solches Privileg für sich in Anspruch nehmen, sondern muß, wenn man es denn groß schreiben will, den Apostroph zulassen: Linné’sches System. Der aufmerksame Leser wird jedoch bemerkt haben, daß schon die Grundform des Halleyschen Kometen in zweierlei Gestalt erscheinen kann: neben dem halleyschen steht auch der Halley’sche Komet zur Wahl. Die eigennamentypische Großschreibung ändert hier natürlich nichts mehr, denn der Ausdruck ist ja bereits groß geschrieben. Aber davon haben die Wörterbücher nichts mitbekommen, sie wissen nichts von der ebenfalls korrekten Form Halley’scher Komet.




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Kommentare zu »Der Halleysche Komet «
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Kommentar von Jens Stock, verfaßt am 29.07.2005 um 14.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#821

Ihre Ausführungen sind gänzlich korrekt, Herr Ickler. – Nur als Ergänzung:

In der bewährten Rechtschreibung wird ja unterschieden zwischen dem groß geschriebenen Genitiv (z.B. Ohmsches Gesetz, also Gesetz von Ohm) und dem klein geschriebenen Adjektiv (z.B. ohmscher Widerstand, genau wie kapazitiver und induktiver Widerstand). Ich finde diese Unterscheidung auch in Ordnung, und in vielen Lehrbüchern wird sie – obwohl nicht mehr verpflichtend – weiterhin praktiziert, wobei der Genitiv jetzt leider mit Apostroph geschrieben wird.

Allerdings muß man sagen, daß unterschiedliche Lehrbücher die Sache verschieden handhaben. Es gibt auch solche, die nun beide Formen groß oder beide Formen klein schreiben. Insgesamt ist das für die Schüler sehr verwirrend. Sie finden in einem Lehrbuch z.B. die keplersche Fassregel und in einem anderen z.B. den Ohm'schen Widerstand. – Und nicht selten entsteht bei den Schülern dann eine kepler'sche Fassregel.

Übrigens: Was passiert bei der Worttrennung? Kann man dann schreiben: der Halley'- sche Komet?
 
 

Kommentar von Pavel Nemec, Praha 4, verfaßt am 29.07.2005 um 15.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#822

In mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Lehrbüchern wimmelt es von Gesetzen und Formeln, welche nach ihren Entdeckern benannt und bisher ganz ohne Apostroph geschrieben sind, egal ob groß- oder kleingeschrieben. Schulbücher könnten bald eine andere Rechtschreibung als Hochschullehrbücher haben, weil für diese keine Schulbuchzulassung nötig ist.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 02.08.2005 um 12.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#848

Da muß man sich also auch fragen, ob die Alzheimersche Erkrankung insgesamt als solche gesehen werden kann oder, wie jetzt schon zu lesen, eine Alzheimer'sche Erkankung ist. Oder ringt man sich dann noch zu alzheimerscher Erkrankung durch?
Andererseits liest man allenthalben, wohl in allzu treuer oder vermeintlich treuer Übersetzung von "Morbus Alzheimer", "Alzheimer Krankheit" ohne Bindestrich, so als würde man sich die Krankheit im Ort Alzheim holen. Genauso ist von Alzheimer Forschern die Rede. Die scheinen alle im fiktiven Ort Alzheim zu sitzen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 02.08.2005 um 12.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#849

Alzheim, als Alisinza 1103 erstmals bezeugt, ist heute ein Stadtteil von Mayen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.08.2005 um 16.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#850

Die Beobachtungen von Herr Stock und Herrn Nemec decken sich mit den meinigen, und ich bin auch schon in meinem Fachsprachenbuch "Die Disziplinierung der Sprache") darauf eingegangen. Es handelt sich in der Regel um Bezugsadjektive, so daß sich ein prädikativer Gebrauch im allgemeinen verbietet. Aber in einigen Fällen sind es eben auch Qualitätsadjetive, z. B. kann eine Menge die Eigenschaft haben, "steinsch" zu sein, und das wird dann auch klein geschrieben und prädikativ gebraucht, wie eben von mir. Aber die Schreibweise ist nicht einheitlich, das ist wahr. Allerdings stört es nicht, wenn doch Großschreibung eintritt. Was mich neulich sehr störte, war in dem schönen Buch von Detlev Ganten ("Leben, Natur, Wissenschaft", bei Eichborn) die ständige Rede vom "planckschen Wirkungsquantum" usw. (Das Buch gefällt mir auch deshalb, nebenbei bemerkt, weil es auf dezente Weise mit dem mystischen Getue von Ernst Peter Fischer in seinem ebenfalls sehr bekannten, aber bei weitem nicht so guten Buch "Die andere Bildung" aufräumt. Beide Bücher sind in Neuschrieb, leider.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.07.2013 um 04.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#23557

Aus einer CD-Besprechung der FAZ vom 5.7.13:

die schumannschen Klavierwerke, das debussysche Jugendwerk

Daran werde ich mich nie gewöhnen, es sieht einfach falsch aus.

Im selben Beitrag liest man, Ravels G-Dur-Konzert sei Everybody‘s Darling. Ist das nun englisch oder was?

(Wenn dies hier ein richtiges Tagebuch wäre, würde ich ihm anvertrauen, daß ich, sentimental genug, nach Ravels D-Dur-Konzert für die linke Hand süchtig bin.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.07.2013 um 22.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#23626

Dr. Michael Sarcander, Astronom und seit 25 Jahren technischer Leiter des Planetariums, zeigt den Besuchern "spektakuläre Bilder von spektakulären Objekten", unter anderem von den Magellanschen Wolken, die bereits Seereisenden vor 500 Jahren aufgefallen sind, die jedoch nur von der Südhalbkugel aus zu beobachten sind.
(Mannheimer Morgen, 2.7.2013)

Wie kommt es, daß der MM die Magellanschen Wolken herkömmlich, d.h. ohne Apostroph geschrieben hat? Im Duden stehen sie nicht drin, der enthält nur die Magellanstraße. Wahrscheinlich haben die Zeitungsleute im Ickler nachgesehen, der führt beide Begriffe an.

Wie wollen dann eigentlich die Reformer das geschrieben sehen? Ist ohne Apostroph auch reformiert richtig? Ist es ein ähnlicher Fall wie der Halley(')sche Komet?
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 12.07.2013 um 08.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#23629

Lieber Herr Riemer,

Sie haben die freie Auswahl: § 60 (2), § 60 (3), § 60 (5), § 64, § 97. Klare Antworten dürfen Sie aber angesichts des obwaltenden Durcheinanders nicht erwarten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2014 um 21.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#27335

Die FAZ rezensiert Stachs Kafka-Biographie und hat einen Fehler gefunden:

„Der Halleysche Komet zog nicht in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1911 am Prager Himmel vorüber, sondern in der darauf. Kafka hatte das Datum erst später bei der Durchsicht seiner Aufzeichnungen notiert und sich dabei um einen Tag vertan.“

Der Rezensent scheint Kometen für eine Art Sternschnuppen zu halten, die in einer bestimmten Nacht vorbeizischen. In Wirklichkeit war Halley schon die ganze Woche vorher zu sehen gewesen, aber das Ganze ereignete sich 1910!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.11.2014 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#27337

Über diesen einen besonderen Tag und den genauen Ort ("am Prager Himmel") hatte ich mich auch gewundert. Jetzt sehe ich in Wikipedia, daß am 19. Mai 1910 die Erde den Schweif des Kometen durchquerte. Dann dürfte man allerdings gerade in dieser Nacht nicht viel vom Kometen gesehen haben. Es muß wohl damals im vorhinein eine Art Weltuntergangsstimmung gegeben haben, weil man noch Angst vor giftigen Gasen im Kometenschweif hatte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.11.2014 um 12.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#27338

Der Schweif ist lang genug, das Durchqueren hat wohl die Sichtbarkeit des Kerns nicht berührt. Die meisten von uns werden sich noch an Hale-Bopp erinnern, ich weiß auch noch, wie wir Arend-Roland beobachtet haben, das war ein besonders feiner Kerl. Als Kind habe ich, wie anderswo schon gesagt, eine besondere Vorfreude auf Halley entwickelt, dessen Wiederkehr in sagenhafter Zukunft lag: 1986; und wie lange ist das nun schon wieder her! Ernst Jünger, der in diesem Zusammenhang oft erwähnt wird, fand beide Halley-Sichtungen ziemlich fad, was aber angesichts der Schilderungen von 1910 nicht ganz begreiflich ist.
Wir haben schon erlebt, daß Nachbarn, die sich sonst kaum kannten, abends in einem Garten zusammenkamen, weil einer von ihnen ein gutes Fernrohr aufgebaut hatte. Man merkte, daß doch immerhin einige sich interessierten und einige andere gern mehr über diese aufregenden Dinge gewußt hätten. Wenn ich nicht im Gymnasium eine freiwillige Astronomie-AG besucht hätte – in der Schule wurde praktisch überhaupt keine Astronomie gelehrt, und das ist wohl heute noch so. Meine Töchter haben jedenfalls keine Silbe davon gehört. Allgemeinbildung sieht anders aus.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.11.2014 um 14.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#27339

Der Kometenschweif zeigt ja immer von der Sonne weg, d. h. wenn die Erde ihn durchquert, befindet sich der Komet genau zwischen Erde und Sonne. D.h. der Kometenkern wäre dann nur am Tage zu sehen, was mit bloßem Auge wohl unmöglich ist. Ob man in der Nacht beim Durchqueren des Schweifs noch einen Hauch davon sehen kann, eine Art großen Nebelfleck am Nachthimmel entgegengesetzt zum Kometen – ich bin nicht sicher, habe aber sehr große Zweifel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.04.2016 um 14.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=199#32373

Unter "Thomas Edmondson" findet man einen Eintrag über die nach ihn benannte Fahrkarte, aber ob Edmondsonsche Fahrkarte im Sinne der Reformschreibung richtig ist? Duden hat es nicht.

Daß die altbewährten Fahrkarten so benannt waren, habe ich seinerzeit gar nicht gewußt.
Bekanntlich ging es mit der Fahrkartenausgabe früher schneller, weil der Beamte für die normalen Fahrten nur neben sich in den Schrank zu greifen brauchte (den man heute für 1000 Euro gelegentlich noch kaufen kann). Nur die komplizierten Sachen erforderten einige Handarbeit. Heute dauern auch die normalsten Fahrtwünsche ihre Zeit, und für die Buchung unserer Urlaubsreise (von Erlangen nach Juist, ihr wißt es schon) haben wir heute über eine Stunde gebraucht. Die Schalterangestellte war hilfsbereit und hatte Geduld, aber die brauchte sie auch, weil die Eingaben ins System zwar schnell gingen, dessen Antworten aber auf sich warten ließen. Am Ende waren immer noch nicht alle unsere bescheidenen Wünsche erfüllt, aber wir konnten einfach nicht mehr.
 
 

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