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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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08.01.2011
 

Statistik
Vom hilflosen Umgang mit Thilo Sarrazin

Die SZ bringt heute einen ganzseitigen Artikel über und gegen Thilo Sarrazin. Ich habe Sarrazins Buch nicht gelesen und kann dazu nichts sagen, sondern beschränke mich auf besagten Artikel.
Die Zeitung hat untersuchen lassen, wie sich die Sarrazin-Leserschaft vom Durchschnitt der Bundesbürger unterscheidet. Das ist schon der erste Fehler, man hätte den durchschnittlichen Käufer von Sachbüchern, besonders politischen Sachbüchern heranziehen sollen. Daß "Bestseller" sonst eher von Frauen gekauft werden, Sarrazin eher von Männern und für Männer, wäre dann weniger auffällig gewesen.
Die Ergebnisse ingesamt erlauben es nicht, den typischen Sarrazin-Leser unterscheidbar dingfest zu machen. Der Verfasser Tobias Kniebe schreibt gegen Ende: "Die Widersprüche, die sich insgesamt zeigen, sind bemerkenswert." Und: "Die Grundhaltung könnte im Gegenteil eher Anlass sein, eine gewisse Schizophrenie zu diagnostizieren." Das ist wohl die ärmlichste aller Ausreden. Nicht Millionen schizophrene, in sich widersprüchliche Bundesbürger, sondern die gescheiterte Deutung eines sinnlosen Datenmaterials wäre zu diagnostizieren. Amateursoziologen haben sich wieder mal übernommen, das ist alles.

(Schizophrenie ist bekanntlich eine schwere Krankheit; man sollte die klinischen Metaphern mit Vorsicht oder gar nicht gebrauchen.)



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Kommentare zu »Statistik«
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 08.01.2011 um 10.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17750

Der Fehler fängt noch früher an. Warum wird gefragt, wie der typische Sarrazin-Leser aussieht? Und: Sind die Käufer auch die Leser? Sind die Leser auch die Anhänger? Interessant wäre doch eher, wie der typische Sarrazin-Anhänger aussieht.

Erstens ist nicht garantiert, daß ein Käufer das Buch auch liest. Nur wenige lesen es ganz, die meisten lesen es nur zum Teil, viele kaum oder gar nicht.

Schon die Motive der Käufer sind vielfältig. Der eine kauft das Buch aus reiner Neugier, der zweite kauft das Buch, weil es so viele andere kaufen, der dritte kauft es, weil er Sarrazins Äußerungen in Interviews gut gefunden hat, der vierte kauft es, weil ihn die politische Korrrektheit in den Medien und in den Parteien ankotzt und er mit dem Kauf einen Protest realisieren will, der fünfte kauft es, weil er in seinem Umfeld kompetent mitreden können will, der sechste kauft es, weil er aus beruflichen Gründen (z. B. Journalisten) informiert sein sollte.

Unterstellt wird, daß Sarrazin-Käufer auch Sarrazin-Leser seien und daß es möglich sein müßte, eine bestimmte Grundhaltung als Motiv des Kaufes auszumachen, sprich: daß Sarrazin-Leser auch Sarrazin-Fans seien. Dabei gibt es sehr viel mehr Sarrazin-Anhänger als Sarrazin-Käufer.

Es ist ziemlich eindeutig, daß sich die breite Zustimmung zu Sarrazin – unabhängig vom Kauf seines Buches – vor allem aus solchen Empfindungen speist: "Endlich macht mal einer den Mund auf. Endlich sagt mal einer etwas, was schon lange gesagt werden sollte. Diese blöden Politiker mit ihrer arroganten Besserwisserei und ihren lächerlichen Tabus haben doch überhaupt keine Beziehung mehr zu uns. Sie beleidigen das Volk, anstatt sich endlich mal um die Folgen ihrer eigenen Fehlentscheidungen zu kümmern und überfällige Aufgaben zu erledigen. Mit Deutschland geht es schon lange bergab. Unsere Zukunft ist in Gefahr."

Wenn aber ein sehr großer Teil der Bevölkerung – unabhängig von Sarrazin – über Jahre und Jahrzehnte so oder so ähnlich empfindet und dies ein wesentliches Motiv innerhalb der Käuferschaft ist und wenn es darüber hinaus auch noch ganz andere Haltungen der Buchkäufer gibt, bis hin zur überzeugten Gegnerschaft, dann wird mit der Stichprobe "Sarrazin-Käufer" letztlich nur eine Stichprobe aus der Mehrheit der Bevölkerung gezogen. Wer hat sich nicht schon tausendmal über Politiker geärgert, über das Unverhältnis von stolzen Worten und ungenügender Leistung? Und was ist Besonderes daran, daß man sich über ein heiß umstrittenes Thema informieren möchte? Daß sich in einer Auswahl aus der Mehrheit der Bevölkerung keine einheitlichen Merkmale zeigen, ist nicht überraschend.

Die Diagnose "Schizophrenie" bedeutet, daß die Arbeitshypothese "Das müßte eine homogene Gruppe sein" aufrechterhalten wird, obwohl sie sehr wahrscheinlich falsch ist.
 
 

Kommentar von Marconi Emz, verfaßt am 09.01.2011 um 06.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17753

Das liest sich bei Stern Online zusammengefaßt wie folgt: "Eine Studie zeigt, wer den umstrittenen Bestseller von Thilo Sarrazin gekauft hat: Es sind Männer, die gern zu Hause bleiben und auch sonst recht scheu sind." Klar, was damit den Lesern suggeriert werden soll: Die typischen Sarrazin-Gegner, also vor allem die roten, grünen und rotgrünen Multikulti-Befürworter, sind Frauen (idealerweise jung und schön, das zieht immer und überall) und sportliche, beruflich wie sexuell aktive und erfolgreiche Männer. Auf diese höchst subtile Weise kann man politische Gegner diskreditieren, ohne sich dabei die Hände schmutzig machen zu müssen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 09.01.2011 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17756

Diese Tendenz ist sogar plausibel. Männer, weil sie sich mehr für politische Streittthemen und für Statistiken interessieren als Frauen. Scheue Menschen, weil scheue, zurückgezogene Menschen gegenüber Fremden nun mal mißtrauischer sind und auch sonst sorgenvoller eingestellt sind als Extrovertierte. Aber was besagt das?

Der Skandal besteht darin, daß die politische Klasse die Probleme des Landes auf eine sinnvolle Weise lösen sollte und dabei in vielen Fällen kläglich versagt. Zu dem Versagen gehört es, daß man die Probleme verleugnet und diejenigen lächerlich macht, die sie aussprechen, oft unterstützt von Journalisten, denen es zu anstrengend ist, sich mit der komplizierten Materie zu befassen. Das ist bei der Rechtschreibreform auch so gewesen, als zum Beispiel protestierende Schriftsteller von der Journaille als lernfaule alte Säcke hingestellt wurden.

Selbst wenn diejenigen, die Sarrazin unter dem Strich zustimmen, allesamt scheue männliche Nesthocker wären, dann sollte das Land froh sein, daß es auch scheue männliche Nesthocker gibt, die die Politik an ihre Versäumnisse erinnern.

Man könnte auch so fragen: Wer stimmt Sarrazin zu? Antwort: Realisten, also mehrheitlich die Bevölkerung. Wer lehnt Sarrazin ab? Ideologen und professionelle Gutmenschen, also vor allem Politiker.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 09.01.2011 um 13.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17757

Nein und nochmals nein, es darf und darf und darf nicht recht sein. Wir sind aufgeschlossen, deshalb hat Sarrazin unrecht, und wo er trotzdem recht hat, ist das umso unrechter. Er ist ein Spalter und Menschenfeind, ein Ausländerhasser, der mit dem Feuer spielt, der dem Pöbel volksverhetzend Wasser auf die Mühlen gießt. Und stellt sich heraus, daß das böse Buch gar nicht von aggressiven, frustrierten Massen gekauft wird, sondern vorzugsweise von gebildeten, erfolgreichen, politisch interessierten Leuten, dann sind das eben ängstliche Spießer.

Wir sind aufgeschlossen, und im Dienste der Aufgeschlossenheit ist jede Engstirnigkeit recht.
 
 

Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 14.01.2011 um 13.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17795

"Nicht Millionen schizophrene, in sich widersprüchliche Bundesbürger, sondern die gescheiterte Deutung eines sinnlosen Datenmaterials wäre zu diagnostizieren. Amateursoziologen haben sich wieder mal übernommen, das ist alles."

Millionen verunsicherte Bundesbürger suchen Orientierung, die Ihnen verwehrt wird oder in verqueren Informationen dargeboten wird. Dann liest man halt diesen "Amateursoziologen", was ist daran verwerflich? Wenn studierte Soziologen (zu meiner früheren Frage einmal, lieber Germanist, was man in der Uni so macht) nichts sagen, oder eben nichts Glaubwürdiges hervorbringen, dann macht sich halt irgend jemand dran, na und? Sinnlos sind Daten niemals, siehe Wikileaks, und Statistiken sind eindeutig. Allein die emotionale statt argumentative Art, wie über diesen Hobbyautoren geredet wird, spricht Bände. Und bitteschön, nur echte "Wissenschaftler" dürfen in unserer Bildungs=Meinungs-Talkshow-Republik etwas sagen, am besten auf Englisch, dann klingt es ja gleichzeitig "weltmännisch", äh, wie sagt man das jetzt korrekt?

Ja, die Tage hörte ich vom ZDF-Intendanten, daß die so vielen Informationen der Deutung, der Auslegung bedürfen (Hinblick auf Wikileaks und dergleichen Daten), natürlich von den Qualitätsmedien, die die "Deutungshoheit" haben. Ruhe ist des Bürgers Pflicht, fürwahr.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.01.2011 um 14.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17798

Mit den "Amateursoziologen" war nicht Sarrazin gemeint, sondern jene, die herausfinden wollten, "wie sich die Sarrzin-Leserschaft vom Durchschnitt der Bundesbürger unterscheidet". Sie erhoben sinnlose Daten und scheiterten mit ihrer Deutung. Ich war zunächst demselben Mißverständnis aufgesessen wir mein Vorredner.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.01.2011 um 16.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17799

Zuerst dachte ich, auf die falschen Diagnosen des Amateursoziologen Kniebe sollte ich einen Leserbrief schreiben, aber dann war ich sicher, daß andere das erledigen würden, und tatsächlich erschien auch ein Leserbrief, der haargenau meine Einwände formulierte. Es muß aber unzählige Leser geben, die das Haltlose sofort durchschaut haben.
 
 

Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 15.01.2011 um 15.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17821

Oh, Sie haben recht, wie peinlich. Ich bin nur äußerst gereizt und etwas ungehalten, man möge mir verzeihen, die Sache bauscht sich ins schier Unermeßliche, wie mir scheint; und jetzt fängt auch noch jener Augstein-Sohn, seineszeichens Hobbygärtner, an, sich mit einem Wust von Geschrei an der Diskussion zu laben – wo mag das hinführen?!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.01.2011 um 11.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17836

Welt-online verkündet: Fast ein Drittel der Muslime in NRW lebt vom Staat.
Genauer gesagt: 28,1 %, was ja näher an einem Viertel als an einem Drittel liegt. Und wie viele Nichtmuslime leben vom Staat? Irgendwo steht, daß 40 % der Bevölkerung staatliche Transferleistungen bekommen, andere Quellen sagen wieder etwas anderes. Jedenfalls ist ohne Vergleichspunkt die ganze Aussage wertlos, wenn auch nicht wirkungslos.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 17.01.2011 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17837

Vielleicht sind diese 28,1% der Muslime Beamte, die leben nämlich zu 100% vom Staat ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.02.2011 um 09.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#17936

Heute morgen kann man das Spiel mit der Statistik auch wieder sehr gut beobachten. Laut Überschriften ist die Zahl der Arbeitslosen gestiegen, aber auch gesunken. Anschließend werden die Tatsachen korrekt dargestellt, aber es sind die Überschriften, die für Stimmung sorgen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.03.2011 um 16.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18387

Der "Stern" hat den Forsa-Chef Manfred Güllner zum Wahlausgang interviewt:

„Kurt Beck hat sich nach seinem katastrophalen Gastspiel in Berlin wieder etwas gefangen. Er hat in Rheinland-Pfalz 22 von 100 Wahlberechtigten auf seiner Seite. Bei Kretschmann sieht es viel schlechter aus, er hat nur knapp 16 von 100 Stimmen der Wahlberechtigten bekommen. Das heißt: 84 Prozent wollten ihn nicht! Er wird die schwächste Legitimation haben, die ein Ministerpräsident in Deutschland je hatte."

So machen es sonst die unterlegenen Politiker: Stimmenanteile der Gewinner auf die Wahlberechtigten beziehen (nicht etwa hochrechnen). Danach würde aber auch Beck von 78 Prozent abgelehnt, und das sieht nicht gerade prächtig aus. Güllner vermeidet diese Angabe – er ist selbst SPD-Mitglied.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 28.03.2011 um 21.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18390

Nach dieser Rechnung haben sich bei der Bundestagswahl 2009 auch über 76 Prozent der Wahlberechtigten gegen »Frau Merkel« entschieden, und bei der Landtagswahl in Bayern 2003, bei der die CSU mit einem Gesamtstimmenanteil von 60,7 % triumphierte, haben 65 % der Wahlberechtigten die Partei nicht gewählt!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.03.2011 um 08.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18392

Und das drücken Sie, lieber Herr Metz, noch schonend aus, denn der Forsa-Chef spielt ja noch mit der Reichweite der Negation (Skopus): "nicht wollen" ist zweideutig: 1. = nicht wollen, daß; 2. wollen, daß nicht.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 30.03.2011 um 18.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18406

Ich halte die Aussage von Manfred Güllner für nicht gar so kritikwürdig.

Er hat ja durchaus recht, daß es in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte zumindest sehr ungewöhnlich ist, daß ein Politiker mit gut 24% der abgegebenen Stimmen Aussicht auf das Amt des Ministerpräsidenten hat.

Seit der Festigung des Dreiparteiensystems und der Vorherrschaft der beiden großen Parteien im Verlauf der 50er Jahre hat es so etwas wohl nicht gegeben. Seit der Wiedervereinigung und der Enstehung eines Fünfparteiensystems ist die Lage natürlich grundlegend anders, vor allem in den neuen Bundesländern.

Daß Güllner als Vergleichsmaßstab die Wahlberechtigten und nicht die Wähler nimmt, dürfte daran liegen, daß er nur so behaupten konnte, daß Kretschmann die schwächste Legitimation haben werde, die ein Ministerpräsident in Deutschland je gehabt habe. Denn Reinhold Maier (FDP) als erster Ministerpräsident Baden-Württembergs hat sich seinerzeit wohl nur auf einen noch geringeren Anteil der abgegebenen Stimmen stützen können.

Die Versuchung, etwas als historisch einzigartig darzustellen, ist nun einmal groß und in diesem Fall auch nicht gänzlich irreführend.

Es ist ja schließlich eine weitverbreitete Behauptung, daß die Legitimierung der jeweils Regierenden durch den Rückgang der Wahlbeteiligungen geringer geworden sei. Das kann man natürlich auch bezweifeln.

Für kritikwürdig halte ich allerdings sein Aussage: "84 Prozent wollten ihn nicht!" Da hat der Versuchung einer Überdramatisierung der ansonsten schon bemerkenswerten Entwicklung nicht widerstehen können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2011 um 07.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18705

Wenn statt der errechneten 120 nur 80 Vogelarten ausgestorben sind, wird der Artenschwund um das Eineinhalbfache überschätzt. (SZ 19.5.11)
Das Eineinhalbfache von 80 ist 120, aber der Schwund wird nicht um 120 überschätzt, sondern um 40, also die Hälfte. Die Schätzung liegt um 50 %, nicht um 150 % über dem wirklichen Wert.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.05.2011 um 11.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18721

In Brasilien ist die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes im März und April um fast das Sechsfache auf insgesamt 593 Quadratkilometer gestiegen. ... Im Vorjahreszeitraum lag die Fläche bei 103.5 Quadratkilometern.
(Mannheimer Morgen, 20.5.11, S. 15)

Die Abholzung ist also um fast das Fünffache auf fast das Sechsfache gestiegen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2011 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18810

Statt wie bisher 24 Cents sollten die Arbeiter künftig wenigstens 61 Cents pro Stunde bezahlt bekommen: Noch immer nicht viel, aber immerhin zweieinhalb Mal mehr als zuvor. (SZ 7.6.11)

Die Rechnung stimmt nicht, und das "Mal" ist auch seltsam.
 
 

Kommentar von MG, verfaßt am 07.06.2011 um 14.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18813

| Statt wie bisher 24 Cents sollten die Arbeiter künftig
| wenigstens 61 Cents pro Stunde bezahlt bekommen

Der Unterschied zwischen "2 1/2mal mehr" (plus 250%, zusammen also 350%) und "das Zweieinhalbfache"(250%) verschwindet in den Medien immer mehr.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.06.2011 um 20.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#18853

Für ihr erstes Berufsjahr erwarten [polnische Studenten der Betriebswirtschaftslehre] ein Gehalt von höchstens 9385 Euro. ... Schließlich sind deutsche Absolventen der Betriebswirtschaftslehre für die Arbeitgeber viereinhalb Mal teurer; sie verlangen im Durchschnitt 43100 Euro als Einstiegsgehalt, ...
(FAZ/FASZ 11./12. Juni 2011, Seite C3)

Nach diesen Zahlen sind deutsche Absolventen rund viereinhalbmal so teuer wie polnische bzw. dreieinhalbmal teurer als polnische.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.09.2011 um 09.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#19210

Zu den Analphabeten kommen noch die "funktionalen Analphabeten", und wenn man das weitertreibt, geht es ähnlich wie bei den Kranken: Gesund ist jemand, der noch nicht gründlich genug untersucht worden ist. Die Analphabeten werden vor allem vom Volkshochschulverband hochgerechnet. Das schafft Arbeitsplätze.
Dazu paßt die jüngste Meldung:
"38 Prozent der Europäer sind psychisch krank."
Wenn ich mir das überlege, gibt es in meinem Dorf 750 psychisch Kranke, und es sind mindestens 5 Millionen zusätzliche Psychiater nötig, um die Grundversorgung allein in Europa sicherzustellen.
Auch die Zahl der Legastheniker entwickelt sich so, daß in einigen Bundesländern etwa um das Jahr 2020 ausschließlich Legastheniker eingeschult werden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.09.2011 um 20.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#19216

Diese "Meldung" ist mir auch aufgefallen, und ich habe mich ebenfalls gefragt, wie viele Therapeuten im Sinne dieser Statistik nötig wären. In Wirklichkeit taugt Psychotherapie so gut wie gar nichts, jedenfalls wenn jemand wirklich bitter leidet. Ganz stereotyp heißt es doch, wenn zum Beispiel von den Folgen einer Vergewaltigung die Rede ist: "Das Opfer befindet sich seit xy Jahren in psychotherapeutischer Behandlung und kann immer noch nicht an den Arbeitsplatz zurück / erlebt immer noch intensiven Horror / kann immer noch nicht die Nähe von Menschen ertragen" oder ähnliches. Damit soll die Scheußlichkeit der Tat illustriert werden. Die andere Schlußfolgerung – Psychotherapie nützt in solchen Fällen nichts – ist ebenso naheliegend, wird jedoch nie ausformuliert. Unterstellt wird immer, daß es dem Opfer noch schlechter ginge, wenn es nicht in "fachlicher" Behandlung wäre. Aber dafür gibt es keinen Beweis. Es könnte genauso gut sein, daß es den Opfern im Schnitt besser ginge, wenn sie gezwungen wären, auf eigene Faust zurechtzukommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2012 um 12.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#20746

Man hat ja schon oft gesagt, daß die bekannteren Schriftsteller sonderbarerweise nicht einfach weitere Bücher herausbringen, sondern von vornherein neue "Bestseller", auch wenn noch kein einziges Exemplar bestellt oder gar verkauft worden ist. So könnte Bestseller als neues Synonym für "Buch" in Gebrauch kommen.

Daran erinnert mich heute der "FOCUS": Thilo Sarrazin meldet sich mit einem neuen Skandal-Buch zurück: „Europa braucht den Euro nicht“ heißt der Titel.

Das Buch liegt dem FOCUS vor, sonst kennt es bisher niemand – woher will man dann wissen, daß es ein Skandalbuch ist? Übrigens soll der Verfasser nach demselben Bericht durchaus sachkundig argumentieren, was bei einem Finanzfachmann dieses Formats ja auch zu erwarten ist.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 19.05.2012 um 18.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#20747

Der Stern weiß es noch genauer: "Neues Buch, alte Masche: Wie Brandstifter Sarrazin mit schrillen Thesen Millionen macht". Hätte Bild nicht besser hinkriegen können.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.05.2012 um 19.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#20749

Bild schreibt normalerweise nicht so brachial gegen die Mehrheitsmeinung der eigenen Leser an.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.07.2012 um 16.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1400#21003

Jetzt liest man wieder in allen Zeitungen, die Geburtenrate sei zurückgegangen, und zwar um 2,2 Prozent. In Wirklichkeit ist die absolute Zahl der Geburten um 15 000 = 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.
 
 

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