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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.12.2010
 

Besorgnis erregend
Antiantiantisemitismus oder: Die Entlarvung der Heuchler

„Der Einstellungsantisemitismus ist noch immer und seit einigen Jahren schon wieder zunehmend ein Besorgnis erregendes Phänomen.“ (Monika Schwarz-Friesel u. a., hg.: Aktueller Antisemitismus – ein Phänomen der Mitte. Berlin: de Gruyter 2010)

Die Sprachwissenschaftlerin Monika Schwarz hat einige schlechte Bücher geschrieben, seit einigen Jahren widmet sie sich der Erforschung und vor allem Bekämpfung des Antisemitismus. Warum sie sich überhaupt für einschlägig kompetent hält, geht aus folgender Äußerung hervor: „Antisemitismus wird primär über Sprache transportiert.“ (Friedrich-Schiller-Universität Jena. Pressemitteilung 2007) Da sie auch über kognitivistische Metapherntheorie geschrieben hat, müßte ihr auffallen, daß diese Transportmetapher irreführend ist.
Die von ihr aufgespürten Antisemiten in der Mitte unserer Gesellschaft tun zwar sonst nichts Böses (außer daß sie Schwarz-Friesel die finanzielle Unterstützung verweigern, die sie dann vom Sarnat Institute der Brandeis University bekommen hat), aber sie reden antisemitisch. Das findet die Forscherin mit textwissenschaftlichen Methoden heraus. Wenn man allerdings „ca. 5.000 Briefe und E-Mails aus den Jahren 2004-2007, die an den Zentralrat der Juden in Deutschland sowie die israelische Botschaft in Berlin gesandt wurden“ untersucht, sind die Ergebnisse vorhersehbar.
Angeblich ist es ganz leicht herauszufinden, wer antisemitisch und wer nur israelkritisch ist.
„Eine strikte Abgrenzung und klare Trennlinie, die von den ‚Israel-Kritikern‘ stets bestritten wird, ist ohne Probleme möglich: Anti-Israelismus basiert auf einer antisemitisch motivierten Negativ-Konzeptualisierung des jüdischen Staates und hat nichts gemeinsam mit Israel-Kritik. Legitime Israel-Kritik ist nicht destruktiv, sie fordert ausgewogene Lösungen, sie verdammt nicht einseitig und irreal nur Israel, sie berücksichtigt beide Konfliktparteien, sie verzichtet auf Dämonisierung, Doppel-Moral und NS-Vergleiche. Sie wird nicht mit Wut, Hass und überschäumender Empörung vorgetragen.“ (S. 5)
Schwarz-Friesel hält nur „konstruktive“ Kritik an Israels Politik für zulässig, d. h. man muß zugleich mit der Kritik auch Lösungswege für den Nahost-Konflikt vorschlagen. Wahrscheinlich darf man nicht einfach sagen, daß die isrealische Siedlungspolitik gegen das Völkerrecht verstößt.
Natürlich beruft sich Schwarz-Friesel auch auf den Einstellungsforscher Wilhelm Heitmeyer, der ja ebenfalls seit vielen Jahren die fürchterliche Mitte der Gesellschaft im Visier hat, der er zunehmenden Rechtsextremismus nachzuweisen versucht. Schwarz-Friesel spricht auch gern im Plural von "Antisemitismen". Das trägt ebenso zum Verschwimmen des Gegenstandes bei wie die ständige Rede vom „Phänomen“ des Antisemitismus, das es zu bekämpfen gelte.
„Wie kann man das uneingeschränkte Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit erhalten, ohne einen Raum zu gestatten, in dem Antisemitismen legitim sind?“
Das kann man überhaupt nicht. Schwarz-Friesel fordert ausdrücklich und immer wieder die „Tabuisierung“ (bzw. Wieder-Tabuisierung) von Antisemitismus. Wenn man aber in so feinsinniger Weise Antisemitismus aufspürt, der nicht gleich am Textinhalt zu erkennen ist (sonst brauchte man ihn ja nicht „textwissenschaftlich“ aufzuspüren), dann bleibt für die Meinungsfreiheit nicht mehr viel Spielraum. Das zeigt sich gleich am konkreten Beispiel: „Fabian Köhler ist noch heute Chefredakteur des Blattes.“ So Schwarz-Friesel über den in Anführungszeichen als „Redakteur“ bezeichneten Redakteur einer Studentenzeitschrift, der den Hamas-freundlichen Journalisten Khalid Amayreh interviewt und auch sonst schon „einseitige“ Israel-Kritik geäußert habe. Schwarz-Friesel hätte wohl seine Entlassung lieber gesehen. Er hatte etwas nicht „Legitimes“ getan.
Es gibt Gesetze in Deutschland; sie bestimmen, was legal ist. Schwarz-Friesel bestimmt, was „legitim“ ist, und an diesem selbstgesetzten Maßstab mißt sie ihre Mitbürger und möchte ihnen gegebenenfalls den Mund verbieten.
Wenn ich abschließend sage, daß ich Antisemitismus schon immer für einen gemeingefährlichen Wahn gehalten habe (die Leser meines Tagebuchs wissen es), mache ich mich wahrscheinlich verdächtig, denn solche „anti-antisemitischen“ Bekundungen sind für Schwarz-Friesel typische Schutzbehauptungen von heimlichen Antisemiten. Die Entlarvung der Heuchler ist ihrer Natur nach grenzenlos, hat mal jemand gesagt, und der Tugendterror brachte alsbald auch Robespierre selbst aufs Schafott.
Die Herausgeber verstehen ihr Werk ausdrücklich als Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus. (Vgl. den Schluß der Einleitung.) Es ist erstaunlich, daß der Verlag solche pseudowissenschaftlichen Kampfschriften veröffentlicht.



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Kommentare zu »Besorgnis erregend«
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Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 17.12.2010 um 11.13 Uhr  
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Müßte eine so professionelle Antiantisemitistin wissen, daß Gänsefüßchen ein beliebtes Verleumdungsmittel der Nazis waren, wenn es galt, Titel von Juden als unverdient zu diskreditieren? Doch, ja, besser wärs.
 
 

Kommentar von Jean walder, verfaßt am 21.12.2010 um 10.03 Uhr   Mail an
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Dass Antisemitismus primär über die Sprache transportiert wird, stellt einen sehr schönen Schutzreflex dar, sich mit der Materie nicht befassen zu müssen. Primär bedeutet ja wohl, zuerst, von Beginn an. Vor dem Reden steht aber (unabhängig von der Qualität) primär das Denken. Wenn Frau Schwarz-Friesel mit primär aber haupsächlich meint, dann ist dies eine Verhöhnung der Opfer, die ja nicht an Worten gestorbern sind, sondern an Gewehrkugeln, Gas, Hunger. Die Vorstellung vom eigenen Gutsein als allgemeiner Massstab... So hat sich Kant das nicht gedacht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.12.2010 um 10.49 Uhr  
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In den USA hat George Lakoff Aufsehen erregt, als er seine (ohnehin windige) Metaphern-Theorie dazu benutzt oder vielmehr mißbrauchte, seine politischen Ansichten unter die Leute zu bringen. Darüber waren sogar seine Anhänger nicht glücklich, weil es natürlich die ganze Theorie in Mißkredit bringt.
Bei uns ist Schwarz-Friesel keineswegs die einzige, die ihre Wissenschaft in diesem Sinne für den politischen Kampf mißbraucht. Nun, wenn es der "kognitiven Linguistik" schadet – um so besser!

Bei der Lektüre ihres Beitrags zu dem erwähnten Sammelband habe ich mich sehr unbehaglich gefühlt, weil mir der Gedanken nicht aus dem Kopf ging: Wie kann man ihrer wissenschaftlichen Argumentation widersprechen, ohne sofort mit dem Vorwurf des verkappten Antisemitismus konfrontiert zu werden? Es ist praktisch unmöglich. Die Psychoanalyse hat vorexerziert, wie man die Kritiker mundtot macht, indem man sie gleich mitanalysiert ("Widerstand", "Abwehrmechnismus" usw.). So auch hier die total immunisierte Rechthaberei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2010 um 14.42 Uhr  
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Wer die Aufdeckung böser "Einstellungen" zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, wird natürlich überall fündig. Dafür liefert neben Schwarz-Friesel auch Wilhelm Heitmeyer reiche Belege. Das Ergebnis steht sowieso fest: Das Böse ist "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen. Was richtet man an, wenn man das Tag für Tag verkündet?

Es muß sehr befriedigend sein, überall das Böse aufzudecken, nur bei sich selbst nicht. Bei manchen Theorien muß man wirklich stets fragen, was für ihre Verfechter dabei herausspringt. Das ist dann freilich keine Einstellungsforschung mehr, sondern Ideologiekritik, nicht wahr? Einziger Trost: Einstellungen sind noch keine Taten. Der Mensch ist nun mal böse im Herzen, aber es sind nicht die Herzen, die zusammenleben, sondern die Menschen.

Vor langer Zeit habe ich mich mal mit der sogenannten "Friedensforschung" beschäftigt. Mir fiel auf, daß sie sich mit denselben Dingen befaßt wie die Kriegsforschung, aber um Fördergelder zu erhalten, muß sie natürlich "Friedensforschung" heißen. Die Welt will betrogen sein.
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 22.12.2010 um 14.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#17618

Dazu eine treffliche Glosse von Johannes Gross: „Schöner Beruf: Friedensforscher. Eine Ausbildung ist kaum vonnöten, keine Prüfung, kein Diplom. Den Titel verleiht man sich selbst durch sein Engagement und trägt ihn, wenn die Medien mitmachen. Er ist auf Deutschland beschränkt. Peace-researcher wäre lächerlich. Irenologe wäre überall verwendbar, wo ein Bedürfnis besteht, klingt aber gegen Friedensforscher kalt, strahlt keine Herzenswärme ab und signalisiert auch nicht die Gewissenskompetenz, die dem Friedensforscher Immunität verleiht.“
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.12.2010 um 16.33 Uhr  
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Lächerlich oder nicht, das Journal of Peace Research gibt es immerhin schon seit 1964.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.12.2010 um 12.51 Uhr  
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Antisemitische Schweineställe:
Der Zentralrat der Juden in Deutschland stellt fest, daß weder der Landwirt noch die Genehmigungsbehörden noch das deutsche Baurecht, nach welchem einem vorschriftsmäßigen Schweinemaststall die Baugenehmigung nicht versagt werden kann, antisemitisch sind, aber der Schweinemaststall trotzdem antisemitisch ist, weil er in der Nähe eines jüdischen Friedhofs steht.
(Südd. Zeitg. v. 24.12.10, Bayern)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.12.2010 um 07.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#17643

Die spektakulären Ergebnisse der Einstellungsforschung erscheinen in einem anderen Licht, wenn man folgendes berücksichtigt. Die Verhaltenspsychologie unterscheidet zwischen der Wahrscheinlichkeit und der Stärke einer Reaktion. Ich hatte mal eine Dissertation zu begutachten, in der die Einstellung von 651 Probanden zu Sprechern mit ostslavischem Akzent ermittelt wurde. Nur einer davon weigerte sich, ein Sympathie/Antipathie-Urteil über Menschen abzugeben, deren (teilweise simuliert fremdartige) Rede er vom Tonband vorgespielt bekam. Dabei kam mir der Gedanke, daß selbst ein weit verbreitetes Vorurteil harmlos sein kann, wenn es nicht sehr stark ist. Zum Vergleich: Die Chinesen galten lange Zeit und gelten vielleicht immer noch als "kollektivistisch", eben "blaue Ameisen". Dieses Klischee läßt sich in entsprechenden Befragungen wohl mit hoher Reaktionswahrscheinlichkeit hervorlocken ("elizitieren" sagen die Psychologen). Aber der vermutete Kollektivismus der Chinesen brannte den Deutschen nicht gerade auf den Nägeln, sie hatten im normalen Alltagsleben wenig Grund, damit hervorzutreten. (Unser Sinologie-Professor, Hans O. H. Stange, schärfte uns vor vierzig Jahren ein, nicht die Chinesen, sondern die Japaner seien kollektivistisch. Inzwischen habe ich zuviel von Anna Wierzbicka gelesen, um an solchen Begriffen noch Gefallen zu finden.)

So müßte man auch heute vorsichtig sein, wenn wieder einmal verkündet wird, diese oder jene böse Gesinnung sei "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen. Die Untersuchungsmethode schafft sich ihre (gewünschten) Ergebnisse selbst, denn der Zwang, gewisse Testbögen auszufüllen usw., erzeugt eine künstliche Situation, in der die Menschen sich anders verhalten als in natürlicheren Situationen.
 
 

Kommentar von Patrick Schneider, verfaßt am 08.01.2011 um 12.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#17751

»So müßte man auch heute vorsichtig sein, wenn wieder einmal verkündet wird, diese oder jene böse Gesinnung sei "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen. Die Untersuchungsmethode schafft sich ihre (gewünschten) Ergebnisse selbst, denn der Zwang, gewisse Testbögen auszufüllen usw., erzeugt eine künstliche Situation, in der die Menschen sich anders verhalten als in natürlicheren Situationen.«

Wenn man als habilitierter Germanist einen solch unreflektierten Unsinn über die Methode der Forschung von Prof. Schwarz-Friesel öffentlich kundtut, müsste man sich zunächst einmal explizit mit selbiger auseinandersetzen. Der methodologische Vorteil der kognitiven Linguistik besteht nämlich gerade darin, dass keine künstlichen Situationen geschaffen werden, in der Einstellungen elizitiert werden (z.B. suggestive Fragebögen), sondern Einstellungen unbeeinflusst und unaufgefordert geäußert werden (wie in Briefen und E-Mail, aber auch Blogs und Kommentaren im Internet – wie das hier der Fall ist), d.h. geäußert wird, was in der mentalen Einstellungsrepräsentation wie konzeptualisiert ist.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.01.2011 um 13.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#17752

Patrick Schneider: Der methodologische Vorteil der kognitiven Linguistik besteht nämlich gerade darin, dass […] Einstellungen unbeeinflusst und unaufgefordert geäußert werden (wie in Briefen und E-Mail, aber auch Blogs und Kommentaren im Internet – wie das hier der Fall ist) […]

Herr Ickler: Wenn man […] „ca. 5.000 Briefe und E-Mails aus den Jahren 2004-2007, die an den Zentralrat der Juden in Deutschland sowie die israelische Botschaft in Berlin gesandt wurden“ untersucht, sind die Ergebnisse vorhersehbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.07.2012 um 09.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#20981

Interessant auch, was Schwarz-Friesel zu Grass sagt:

www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1726338/

Einerseits wirft sie Grass Antisemitismus vor, andererseits nimmt sie das gleich wieder zurück und beschränkt sich auf den Vorwurf, er habe sich nur unachtsam ausgedrückt, so daß sein Gedicht als antisemitisch verstanden – also mißverstanden – werden könnte. Das kommt davon, wenn man sich nicht entscheiden kann, ob man Sprachwissenschaftlerin oder Antisemitismusenthüllerin sein will.

Wenn es an Mut oder Einsicht oder beidem fehlt, drückt man sich so aus: "X bedient antisemitische Klischees." Irgend etwas wird schon hängenbleiben.
 
 

Kommentar von franz piwonka, verfaßt am 07.03.2014 um 20.16 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#25337

um welch intellektuelles feuerwerk es sich bei der brillanten wissenschaftlerin frau prof. dr. schwarz-friesel handelt, geht aus folgender aussage hervor: sie kritisiert den ns-vergleich und schreibt dann allen ernstes:

"Man stelle sich vor, ein Linienbus in Deutschland wird durch eine Bombe zerfetzt – und in der ausländischen Presse würden die polizeilichen Maßnahmen als „Vergeltung mit NS-Methoden“ kritisiert. Oder an der Grenze zu Belgien käme es dauerhaft zu Raketenbeschuss auf deutsches Territorium, und die deutschen Schutz- und Abwehrhandlungen würden als „unverhältnismäßiger Staatsterror“ angeprangert. Israel gegenüber sind solche verbalen Grenzüberschreitungen an der Tagesordnung"
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2014 um 12.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#25860

Kürzlich konnte man lesen, wie sich der Konzern Procter in die Nesseln gesetzt hat. Das Waschmittel Ariel 88 wurde gar noch mit neuer Konzentration beworben. Also das geht gar nicht! "Ariel" ist Arier, geht also nicht, "88" ist Hitler, geht erst recht nicht, "Konzentration" ist KZ, geht nun wirklich überhaupt nicht.
Je weiter das alles zurückliegt, desto empfindlicher wird man. Nur in der Mitte der Gesellschaft wäscht man noch mit diesem Vollwaschmittel, aber ob das genug Umsatz bringt?
(Vor 20 Jahren erschien übrigens in Jerusalem die Zeitschrift "Ariel Nr. 88" ...)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2014 um 16.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26427

Jüngste Ereignisse lassen es vermuten, nun bestätigen Internet-Forscher: Die Feindschaft gegenüber Juden nimmt in Deutschland zu. Im Netz sei eine moderne antisemitische Sprache entstanden, die jedoch alte Stereotype bedient - und Schreiber aller Schichten vereint.
Judenfeindliche Äußerungen haben nach Einschätzung der Antisemitismus-Forscherin Monika Schwarz-Friesel ein neues Ausmaß erreicht. „Wir beobachten im Internet eine riesige Flut antisemitischen Schreibens“, sagte die Wissenschaftlerin von der Technischen Universität Berlin der Nachrichtenagentur dpa. Gerade ist unter ihrer Leitung ein Forschungsprojekt angelaufen, in dem moderne antisemitische Sprache in sozialen Medien, Online-Kommentarspalten, Chats und Foren untersucht wird. 
„Als antisemitisch bezeichnen wir Äußerungen, die auf alte Stereotype zurückgehen“, erläuterte Schwarz-Friesel. Der Forscherin zufolge geht es um Begriffe wie „Wucherer“, „Kindermörder“, „Schacherer“ oder „große Weltverschwörung“. Ziel des Projekts sei nicht nur eine quantitative Auswertung: „Wir wollen zum Beispiel auch die Dynamiken beobachten, die auf einzelne Kommentare hin entstehen.“ 
In einem früheren Projekt hatten Schwarz-Friesel und ein US-Historiker rund 14.000 Zuschriften an den Zentralrat der Juden und die israelische Botschaft in Berlin ausgewertet. „Der Hass auf Israel vereint Schreiber aller Schichten“, bilanziert die Wissenschaftlerin. Ein Großteil von ihnen entstamme der politischen Mitte und agiere mit vollem Namen. „Drei Prozent der Zuschriften waren anonym und kamen aus der rechtsradikalen Szene.“ Typischerweise werde aktueller Antisemitismus als Problem geleugnet.
(focus.de 29.07.2014)

Wie man nochmals sieht, ist "Sprachwissenschaft" nur ein Vorwand, wahrscheinlich um an Forschungsgeld zu kommen. Schwarz-Friesel weiß ja im voraus, was das Ergebnis sein wird. und wir wissen es auch. Dazu braucht man keine Sprachwissenschaft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2014 um 16.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26428

Ich hatte seinerzeit vergessen, auf http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#17619 zu antworten.
Ungefähr 1970 kannte ich Leute, die in Frankfurt "Friedens- und Konfliktforschung" betrieben. Ich habe mich jetzt erinnert, daß das damals wohl ein Import aus Skandinavien war, wo die Tugenhaftigkeit besonders gepflegt wurde. Tatsächlich erschien das von Herrn Markner genannte Organ in Oslo, wo auch das herausgebende Institut sitzt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 29.07.2014 um 16.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26430

Frau Schwarz ist übrigens verheiratet mit Evyatar Friesel, einem Historiker an der Hebräischen Universität Jerusalem.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.07.2014 um 18.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26432

Es fehlen einfach geeignete Begriffe für die Kritik am israelischen Staat, die von Kritik an Juden klar unterscheidbar sind. Die vorhandenen völkerrechtlichen Begriffe sollen anscheinend nicht verwendet werden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.07.2014 um 20.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26434

Eigentlich müßten Juden Angehörige einer Religion und Israelis die Bürger des Staates Israel genannt werden. Aber Israel vereinnahmt selbst den größten Teil seiner Bürger als Juden, wenn auch theoretisch Religionsfreiheit besteht. Kein Wunder, wenn immer wieder auch in Deutschland Israelkritik mit Judenhaß verwechselt wird. Deutschland wird noch lange an seiner schweren Schuld tragen, und man darf sie auch nicht vergessen. Aber Israel nutzt dieses Schuldbewußtsein schamlos für seine Aggressionspolitik aus, und es gibt leider zu viele bei uns, die darauf hereinfallen.

 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 29.07.2014 um 21.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26436

In Israel besteht nicht nur theoretisch Religionsfreiheit.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 29.07.2014 um 23.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26437

Es verstößt gegen alte Gewohnheiten und das von den Medien für allzeit als richtig erkannte Schema von Gut und Böse, daß antisemitische Parolen und offener Judenhaß von denen ausgehen, die nach alter Lesart Opfer sind: muslimische Einwanderer.
Ein Mittel, um das, was nicht sein darf, nicht sein zu lassen, ist es, Judenhaß und sachliche Kritik an der Politik des Staates Israel zu vermischen; dann haben sich die Migranten eben nur im Ton vergriffen, während ihre Kritik verständlich ist.
Ein anderes Mittel ist es, von indigenen deutschen Rechtsradikalen zu sprechen, die antisemitisch auffallen; egal, ob sie es tatsächlich tun.

In den arabischen Staaten werden Christen und Juden systematisch verfolgt, entrechtet und drangsaliert; in Westeuropa werden junge Männer dafür rekrutiert, und viel Geld fließt aus allen möglichen Quellen den Islamisten zu.
Das alles und auch die judenfeindlichen Demonstrationen von muslimischen Immigranten in Deutschland sind nicht neu. Früher aber ist das nur von denen gesagt worden, die per se die Bösen und damit unglaubwürdig sind; jetzt hat der Zentralrat der Juden es bemerkt, jetzt plötzlich können die Mainstream-Medien das Thema nicht mehr ignorieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2014 um 06.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26438

Versteht sich, daß ich hier keinen politischen Kommentar zum Konflikt (herkömmlich "Friedensprozeß" genannt) im Nahen Osten abgebe. Mir geht es um den Mißbrauch angeblich sprachwissenschaftlicher Untersuchungen für solche Zwecke. Auch um die Unbrauchbarkeit einer Linguistik, die sich "kognitiv" nennt und gegen die ich im Laufe der Zeit so viele Argumente vorgebracht habe, daß ich nicht verstehe, wie ein damaliger Doktorand Schwarz-Friesels in dieser Spalte die "methodologischen Vorteile der kognitiven Linguistik" so naiv rühmen kann.
(Auch anderswo habe ich schon erlebt, daß kritisch rezensierte Kolleginnen einen ihrer Schüler von der Leine lassen, um sich an meinen Waden zu schaffen zu machen.)
Die Selbstgerechtigkeit der kleinen Truppe von Erforschern "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" springt sehr in die Augen.Es erinnert an manche Evangelikalen, die sich für die einzig Guten halten und überall sonst die Sünde am Werk sehen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 30.07.2014 um 16.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26444

Die führende Gestalt der frühen „Friedensforschung“, vielleicht auch ihr Erfinder war der Norweger Johan Galtung. Schon 1959 gründete er ein Institut für Friedensforschung in Oslo. 1964 rief er die International Peace Research Association ins Leben. 1974 schuf er das Journal of Peace Research. Schon 1969 wurde er zum Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der Universtät Oslo berufen.

Galtung ist sehr umstritten, auch in seinem Heimatland. Er soll den leicht zu mißbrauchenden Begriff der „strukturellen Gewalt“ geprägt haben. Er äußerte sich z.T. sehr antiamerikanisch, dagegen eher milde über kommunistische Diktaturen. Seit 2011 ist ihm Antisemitismus vorgeworfen worden.

Wie viele andere Erfindungen der skandinavischen Weltverbesserer ist die Friedensforschung später auch zu uns gekommem, noch viel später ins allgemeine Bewußtsein gedrungen.

Nachdem auch amtliche Stellen auf diesen Zug aufgesprungen waren, wurde die Friedensforschung zur Modewissenschaft. Um staatliche Forschungsförderung zu erhalten haben, haben Historiker, Politologen und Soziologen auf alle ihre Forschungsanträge die Etikette „Friedensforschung“ aufgeklebt.

Es scheint ein Naturgesetz zu sein, daß früher oder später die ganze Welt die neuesten Weltverbesserungsideen aus Skandinavien übernimmt.

Bereits Anfang der 80er Jahre verfügte Norwegen über ein Gesetz gegen die Diskriminierung von Homosexuellen.

Ein Beispiel in Deutschland war das „Waldsterben“. Jahrelang hatten die Skandinavier die angebliche Übersäuerung ihrer Seen beklagt und die Schuld daran den SO2-Abgasen aus den Industrieländern Zentraleuropas gegeben. Dies wurde in Deutschland kaum wahrgenommen, von amtlicher Seite geleugnet oder heruntergespielt.

Bis dann mit der Gewalt einer Naturkatastrophe die Waldsterbens-Hysterie in Deutschland einbrach. Skeptiker wurden mit geradezu religiösem Eifer diffamiert.

Der Erfinder der CO2-Klimaerwärmung, Svante Arrhenius, war übrigens ein Schwede.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2014 um 17.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26445

Da kommen viele Erinnerungen wieder hoch. In Deutschland war Dieter Senghaas damals ein bekannter Vertreter. Ich selbst habe, wenn ich mich recht erinnere, auch mal was dazu geschrieben und einen Preis dafür bekommen, aber mich bald auf Nimmerwiedersehen davon verabschiedet.
Der Ableger "Friedenspädagogik" scheint in viele Rahmenlehrpläne eingegangen zu sein. Seine Vertreter stellen es gern so dar, als seien Kriege eine Art von Ungezogenheit, der man schon im Kindergarten entgegenwirken müsse und könne.
Ob die vielen Friedensforscher mit ihren akademischen Graden in Friedensforschung etwas Gutes bewirken, weiß ich nicht; es wird wahrscheinlich auch nicht nachgeprüft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2014 um 06.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26488

Die DFG finanziert ein weiteres Projekt der Antisemitismus-Forschung unter Leitung der Linguistin Schwarz-Friesel. Es geht um antisemitische Inhalte im Internet. Ich erbiete mich, den Abschlußbericht schon jetzt zu verfassen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2014 um 13.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26489

"Judenfeindliche Äußerungen haben nach Einschätzung der Antisemitismus-Forscherin Monika Schwarz-Friesel ein neues Ausmaß erreicht. "Wir beobachten im Internet eine riesige Flut antisemitischen Schreibens", sagte die Sprachwissenschaftlerin von der Technischen Universität Berlin." (Spiegel online 29.7.14)

Wie gesagt: Ausgangsthese und Endergebnis stimmen überein, das kann bei dieser "Forschung" nicht anders sein, davon lebt das Ganze ja.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 06.08.2014 um 20.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26490

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht eigentlich eine ziemlich unpräzise Formulierung.
Weil Araberfeindlichkeit, die sind neben anderen auch Semiten, wird sie wohl nicht meinen …
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2014 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#26491

Terminologisch geht sowieso alles durcheinander: Antisemitismus (rassistisch, teils mit wahnhafter Begrifflichkeit), Judenfeindschaft (überwiegend religiös, lange Zeit hauptsächlich als christliche wirksam), Israelkritik und -vernichtungsideologie. Alles noch kompliziert durch die Selbstauffassung der Juden als Volk.
Unsere Antisemitismusforscher behaupten zwar, sie könnten Antisemitismus von Israelkritik ganz leicht unterscheiden, aber ihre eigene Praxis widerlegt sie. Ihr Hauptproblem dürfte aber die geballte Judenfeindschaft vieler Muslime werden. Die griffige These vom Antisemitismus in der Mitte der deutschen Gesellschaft ist schwer durchzuhalten, denn dort sitzen die Muslime ja gerade nicht.
Wird der Antisemitismus nicht längst durch Abneigung gegen die Muslime abgelöst? Es gibt sogar nicht wenige, die den Muslimen gerade wegen ihres Judenhasses ablehnend begegnen. Wollen die Leute um Schwarz-Friesel das herausrechnen, oder halten sie es mit der Konkurrenz von der "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit", die dann auch den Judenhaß der Muslime, den Islamhaß einer wachsenden Minderheit und den Haß der Islamisten auf die westliche Welt einschließen müßte? Jeder haßt jeden, in der Mitte und am Rand der Gesellschaft. Man sollte schon mal neue Forschungsmittel beantragen, solange das Thema noch Konjunktur hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2015 um 04.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#30023

Wolfgang Benz: "Rechtsextremismus beginnt in der Mitte der Gesellschaft" (Tagesspiegel und ZEIT 17.9.15)

Der „Vorurteilsforscher“ Benz mag ja recht haben, aber sein Beitrag ist größtenteils eine Allerweltspsychologie, für die man keine Vorurteilsforschung zu treiben braucht. Das Ergebnis steht ohnehin vorab fest; es ist ja die Lebensgrundlage dieser Disziplin.

(Hat ein Vorurteilsforscher aus der Mitte der Gesellschaft je den Gedanken gewagt, daß er selbst auch nicht über jeden Verdacht erhaben ist?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2016 um 04.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#33635

Wilhelm Heitmeyer hat nach der "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" nun den "übergriffigen Kapitalismus" erfunden. Jetzt könnte auch Frau Schwarz-Friesel wieder mitmachen. Denn während die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch bei den Zuwanderern weit verbreitet ist, haben wir den übergriffigen Kapitalismus weitgehend für uns.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2017 um 12.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#37087

Jetzt auch auf englisch:

Monika Schwarz-Friesel/Jehuda Reinharz: Inside the Antisemitic Mind: The Language of Jew-Hatred in Contemporary Germany. Boston: University Press of New England, 2017.

(Diese Verbindung von Language und Mind ist typisch für Kognitionsforscher und besonders für Schwarz-Friesel.)

Ob nun auch der muslimische Judenhaß berücksichtigt ist? Bisher unterbelichtet, obwohl er den deutschen Juden mehr Angst macht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.02.2019 um 11.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#40895

Informationen am Abend,
DLF, 19.2.2019, 18.10 Uhr, Autor Jürgen Zurheide, Reporter Jürgen König
(meine Mitschrift nach dem AUDIO-Stream der DLF-Mediathek)

Zurheide:
In Frankreich gibt es in diesen Tagen erschreckende antisemitische Vorfälle [...]
Antisemitismus, das war in der jüngeren Vergangenheit immer eher so unter der Überschrift diskutiert worden, na ja, das sind Muslime, die sich da artikulieren. Wie tief ist das jetzt auch in anderen Teilen der Gesellschaft verankert, zum Beispiel bei den Gelben Westen? Ich glaube, da hat der eine oder andere auch erschreckende Erweckungserlebnisse, oder wie immer man das nennen möchte?


König:
Ja, also der Premierminister Édouard Philippe sagte heute, der Antisemitismus sei tief in der französischen Gesellschaft verankert, und ich fürchte, er hat recht. Die Juden gaben in vielen Phasen der französischen Geschichte ein Feindbild ab in ganz unterschiedlichen Formen. Da gab es den Neid auf erfolgreiche jüdische Geschäftsleute, da gab es einen christlichen Antisemitismus, da gab es das Vichy-Regime, das mit den Nazis kollaborierte und in den Juden antifranzösische Kräfte meinte erkennen zu müssen. Der israelisch-palästinensische Konflikt hat seine Spuren in Frankreich hinterlassen. Dann kam jüngst ein islamistisch geprägter Judenhaß hinzu. Und was die Gelbwesten, Herr Zurheide, angeht, die Sie angesprochen haben, da muß man sagen, gerade bei ihnen finden Verschwörungstheorien, ich glaube, jedweder Art, großen Zulauf, auch eben die Theorie von der zionistischen Weltverschwörung. Also das alles ist ja schon, ja, eine historische Konstante in Frankreich.

Der Reporter behauptet einfach ohne Belege, die Gelbwesten seien anfällig für Verschwörungstheorien. Aus dieser vagen Behauptung folgert er sogleich, sie seien auch an den aktuellen antisemitischen Vorfällen beteiligt und mit schuld, und er stellt sie in eine Reihe mit dem mittelalterlichen, dem nationalsozialistischen sowie mit dem aktuellen islamistischen Judenhaß.

Der einheimische europäische Antisemitismus ist nach Kriegsende sehr erfolgreich bekämpft worden, er ist in Frankreich wie in Deutschland stetig zurückgegangen. Heute verbreitet sich ein ganz neuer importierter islamistischer Judenhaß, aber das zu sagen ist eben nicht politisch korrekt, es muß unbedingt kaschiert werden. Also bastelt man irgendwie eine große imaginäre "historische Konstante" zusammen.

Aufgabe der Reporter wäre es eigentlich aufzudecken, wer wirklich hinter diesen aktuellen antisemitischen Vorfällen steckt. Aber das dürfen sie nicht, sie möchten ja ihren bequemen Job behalten.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.02.2019 um 15.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1383#40896

So sieht »Framing« aus, Journalisten können das längst und brauchen dazu keine Nachhilfekurse.

Der herkömmliche Antijudaismus mußte in Frankreich im Grunde nicht eigens bekämpft werden. Er verschwand in dem Maße, wie das durch Vichy kompromittierte katholisch-konservative Element in der Nachkriegszeit durch den Gaullismus politisch und gesellschaftlich marginalisiert wurde.
 
 

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