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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.07.2009
 

Irgendwie schief
„Mit Werten überzeugen“

Sprache ist ein seltsam Ding. Ich radele jeden Tag an einem Wahlplakat vorbei, auf dem Herrn Steinmeiers Kopf zu sehen ist. Drunter steht: "Mit Werten überzeugen."
Mir kommt das jedesmal verfehlt vor, aber was stimmt eigentlich nicht? Vielleicht dies: Man kann sich vorstellen, daß ein Parteigremium sich vorgenommen hat, den Wähler mit Werten zu überzeugen. Statt nun aber dies auch zu tun (wie früher, als noch solche Werte wie "Solidarität" verkündet wurden), hat man den Vorsatz selbst aufs Plakat gesetzt. Der Wähler ist aber dafür nicht der richtige Adressat, das sind vielmehr die Parteigenossen und Werbestrategen. Ich möchte Herrn Steinmeier zurufen: Dann mal los, welche Werte sollen es denn sein? Aber da ist nichts weiter, nur Leere, passend zum Gesicht.



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Kommentare zu »Irgendwie schief«
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Kommentar von Zeitgeist, verfaßt am 17.07.2009 um 12.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1191#14785

Ja, die SPD! Auf einem Plakat in München kürzlich gesehen:

"Feiern Sie Mit: ..."

Und das in englischen Anführungszeichen (ist das hier uber die Tags <ldquo> ... <rdquo> möglich darzustellen?)!

Wahrscheinlich ein Ausdruck der "modernen" Gesinnung
 
 

Kommentar von Thomas Paulwitz, verfaßt am 17.07.2009 um 13.36 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1191#14786

Wenn Schuldenmacher „mit Werten überzeugen“ wollen, ist Vorsicht geboten. Da sie ja an unsere erarbeiteten Werte wollen, um die Zinsen zahlen zu können, ist eine solche Aussage im Grunde wertlos und wenig überzeugend.
 
 

Kommentar von califax, verfaßt am 24.07.2009 um 00.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1191#14838

Es gibt in der deutschen Politik einen Trend zur Metasprache.
Wenn eine unpopuläre Maßnahme vertreten werden soll, werden Interviews geführt, in denen alle möglichen Parteifunktionäre klarstellen, daß man die Gründe für die Maßnahme "kommunizieren" müsse. Die zu kommunizierenden Gründe selbst werden natürlich nicht genannt.
Das setzt sich an Infoständen fort. Ganze Parteiorganisationen sind dermaßen damit beschäftigt, dem Wähler anzukündigen, was sie ihm sagen wollten, daß sie gar nicht mehr auf die Idee kommen, es dann auch mal sagen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 24.07.2009 um 19.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1191#14842

Gut beobachtet von Califax. Ich frage mich aber, ob der Vorgang als „metasprachlich“ – Kommunikation von Kommunikationsversäumnissen bzw. -erfordernissen – hinreichend erfaßt ist. Es ist ja nicht so, daß die Adressaten ernsthaft erwarten, auf die Mitteilung eines entsprechenden Defizits hin werde jetzt die Mitteilung des Mitzuteilenden folgen, also der Politiker z.B. sagen, welche Werte er im Schilde führt oder gar, wie er sie an den Mann bringen will. Vielmehr scheinen die Überbringer solcher Botschaften auf das stillschweigende Einverständnis der Empfänger zu setzen, von Inhalten verschont zu bleiben.

Ausdrücklich vorausgesetzt wird dieses Einverständnis bei Wahlkampfaussagen des Typs, dies oder das (z.B. die Rente) dürfe man auf keinen Fall zum Thema machen, nämlich um „die Menschen“ nicht zu verunsichern. Die Aussage ergibt nur dann einen Sinn, wenn alle Beteiligten darin übereinstimmen, daß die Wähler nicht verunsichert werden dürfen, und zwar in erster Linie diese selbst (und dann auch die politische Konkurrenz, die weiß, daß das Beharren auf einer Diskussion des betreffenden Themas zu Stimmverlusten führen würde).

Da zeichnet sich ein seltsames Bild vom Staatsbürger ab. Er zeigt seine Mündigkeit nicht, indem er mitreden will, nicht einmal durch sein Abstimmungsverhalten bei Wahlen. Statt dessen begrüßt er es noch, wenn wichtige Angelegenheiten seinem Votum entzogen werden. Reife erweist sich hier paradoxerweise in der zustimmenden Selbstwahrnehmung als Objekt pädagogischer Bemühungen. Ähnlich ist gelegentlich von Rauchern zu hören, ihr Laster sei schließlich eine Sucht, weshalb man es „uns“ verbieten müsse.

Das Muster schimmert auch in der ansonsten rätselhaften Erklärung der FAZ im Jahr 2006 für ihre künftige orthographische Folgsamkeit durch: Man fühle sich „der Öffentlichkeit verpflichtet“. Altkluges Kopfnicken zur eigenen Entmündigung. Daran erkennt man in einer sich selbst infantilisierenden Gesellschaft die Erwachsenen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 04.08.2009 um 11.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1191#14882

Ich habe - und in bald 50 Tage ist Wahl - noch gar kein Plakat mit Herrn Steinmaier wahrgenommen, nicht einmal ein so werthaltiges. Daß er wahlkämpft, ist mir aber aufgefallen.
Fasziniert beobachte ich das Ausbleiben jedes Ansatzes von Wahlkampf bei seinem Koalitionspartner. Wie lange hält das noch an?
Oder wird Frau Dr. rer.nat. ADM gar urlaubserholt vor die Mikrophone treten und ankündigen, daß man angesichts der Wirtschaftskrise Ausgaben für Plakate u. dergl. nicht verantworten könne?
 
 

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