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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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04.07.2009
 

Passiv – persönlich und unpersönlich
Auch zur Grammatik der Inkorporation

Die Wendungen Karten spielen und Sprüche klopfen sehen ja ziemlich ähnlich aus, sind aber doch sehr verschieden. Im Passiv wird daraus nämlich: Es wurde Karten gespielt, aber Es wurden Sprüche geklopft. (Hier ist das Substantiv also tatsächlich Subjekt, wie man an der Verbform sieht, während es im ersten Fall Akkusativ bleibt.)

Bei Wert auf etwas legen findet man beides, aber das unpersönliche Passiv viel häufiger: Auf die künstlerische Ausgestaltung der Details wurde großen Wert gelegt. Ganz selten bei Witze reißen.



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Kommentare zu »Passiv – persönlich und unpersönlich«
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Kommentar von R. M., verfaßt am 05.07.2009 um 19.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#14732

Laut Google ist wurde großer Wert gelegt etwa doppelt so häufig wie wurde großen Wert gelegt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 06.07.2009 um 08.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#14734

Lieber Herr Markner,
wie haben Sie denn genau bei Google gesucht?
Bei Google-Suchen treten manchmal ganz merkwürdige Erscheinungen auf. Zu Anfang der Suchergebnisse werden häufig sehr hohe Zahlen von Fundstellen angegeben. Geht man ans Ende der Liste, schrumpft diese Zahl aber ganz erheblich, manchmal um Größenordnungen. Bei sehr vielen Fundstellen ist es allerdings nicht praktikabel, ans Ende der Liste zu gehen.
Bei meiner Suche nach "wurde großen Wert gelegt" gibt Google zuerst 43.100 Fundstellen an. Im Endergebnis schrumpfen diese aber auf 316 zusammen!
Für "wurde großer Wert gelegt" werden zunächst 1.790 Funde angegeben, am Ende aber nur 445.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.07.2009 um 11.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#14735

Bei "Karten" wird mit Attribut das Passiv persönlich: "Es wurden französische und altdeutsche Karten gespielt." Dann sind die Karten Subjekt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.07.2009 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#14736

Ja, man muß die Zahlen skeptisch betrachten, und ich hätte gründlicher recherchieren sollen. Es hängt auch davon ab, wie die Wortstellung ist. Fängt man mit Großer Wert wurde ... an, dann ist dies bestimmt häufiger als das unpersönliche Passiv usw.

Auch das mit den Karten stimmt, ich hatte etwa ähnliches schon mal irgendwo erwähnt: Einen Kilometer wurde schnell gelaufen gegenüber Der erste Kilometer wurde in drei Minuten gelaufen usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2013 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#24203

Der deutsche Verteidigungsminister sagt anläßlich des Truppenabzugs aus Kundus/Afghanistan:

Hier wurde aufgebaut und gekämpft, geweint und getröstet, getötet und gefallen.

Das unpersönliche Passiv ist an sich schon zu Verschleierung geeignet, um so mehr in dieser Reihung, die alles in ein pathetisches Ungefähr taucht. Dazu paßt, daß der afghanische Präsident die Natotruppen mit einem wohlgezielten Tritt in den Hintern verabschiedet.

Hier muß getröstet werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2019 um 07.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#41744

Bevor sich Gedanken um die Absicherung im Alter gemacht wird, gilt es zunächst existenzielle Risiken abzusichern. (FAS 23.6.19)

Die schulgrammatisch verpönte Konstruktion füllt eine Lücke, denn warum sollte man auf das unpersönliche Passiv verzichten, nur weil des Verb reflexiv ist?
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 23.06.2019 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#41747

Weil es weniger häßlich und dafür verständlicher geht, oder?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.06.2019 um 18.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#41748

Gedanken wird sich gemacht.

Der vereinfachte Satz mit dem unpersönlichen Passiv klingt gewöhnungsbedürftig. Man ist schon eher versucht, das normale Passiv zu verwenden:

Gedanken werden sich gemacht.

Aber ist das wirklich besser? Eigentlich sagt das normale Passiv nichts über den Handelnden aus. Es ist unveränderlich nach der Person des Handelnden (ich, du oder er).
Also: Gedanken werden sich von wem gemacht?

Die Antwort
Gedanken werden sich (von mir) gemacht
geht nicht, denn es heißt nicht, Ich mache sich Gedanken, sondern Ich mache mir Gedanken. Also müßte das normale Passiv mit reflexivem Verb hier lauten: Gedanken werden mir (von mir) gemacht.[i] Analog die 2. Person. Nur in der 3. Person ([i]Er macht sich Gedanken) ginge Gedanken werden sich (von ihm) gemacht.
Alles analog im Plural.

D.h. bei reflexiven Verben wäre das Passiv, anders als bei nichtreflexiven) von der Person des Handelnden abhängig, der aber meist gar nicht im Passivsatz genannt wird.

Also nur das unpersönliche Passiv wäre bei reflexiven Verben konsistent mit der Grammatik von nichtreflexiven Verben:
Es wird sich Gedanken gemacht
oder eben der Ausgangssatz
Gedanken wird sich gemacht.

Klingt aber schon seltsam. Ich würde es so auch nicht verwenden.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.06.2019 um 20.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#41749

Wenn der Text einen weiblichen Verfasser hat, handelt es sich wohl um den Versuch, das man zu umgehen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.06.2019 um 22.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1182#41750

Da fällt mir noch auf, daß das stilistisch Unschöne an dem kurzen Satz im unpersönlichen Passiv gar nichts mit reflexiven Verben zu tun hat, z. B. auch:

Pilze [Akk.] wird gesammelt.

In solchen Sätzen ohne Subjekt kann man leicht das Akk.objekt mit dem Subjekt (Nom.) verwechseln, und dann vermißt man irrtümlich beim unpersönlichen Passiv die Numerus-Kongruenz.

Pilze [Nom.] werden gesammelt.

Also noch ein Grund, das unpers. Passiv, wenn es in längeren Sätzen nicht zu holprig klingt, auch bei reflexiven Verben gelten zu lassen.
 
 

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