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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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31.03.2006
 

Die Formel
Die Geiselnahme an den Schülern funktioniert

„Wir wollen nicht, daß das, was Schüler in unseren Medien lesen, in der Schule als Fehler gilt.“
So Mathias Döpfner zum bevorstehenden Einknicken des Axel Springer Verlags. Ähnliche Überlegungen scheint es bei der FAZ zu geben. Erstaunlich, daß die Geiselnahme an den Schülern auch nach zehn Jahren noch perfekt funktioniert! Es scheint fast so, als hätten die Drohungen von Dirk Metz, Bodo Hombach, Karin Wolff gewirkt, die Medien sollten sich nicht einbilden, selbst Politik machen zu können. Nun machen sie zwar auch Politik, aber Regierungspolitik! Dagegen kann ja keiner was haben.



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Kommentare zu »Die Formel«
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Kommentar von Lost, verfaßt am 03.04.2006 um 23.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=478#3665

Ich habe von Herrn Döpfner einen Brief erhalten, in dem er zugibt, daß sich die Springer-Zeitungen der Staatsräson beugen werden, wohlwissend, daß die Rechtschreibreform falsch sei.

Hat jemand von Ihnen auch diesen Brief erhalten?

Meiner Meinung ist dieser Brief ein Skandal. In ihm gibt Döpfner zu, der Politik aus einem Sachzwang heraus auf einem falschen Weg zu folgen.

Sollte es nicht die Aufgabe der Medien sein, falsche Entwicklungen zu kritisieren und zu bekämpfen?

Wer den Brief lesen möchte, möge sich per Mail bei mir melden!
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 01.04.2006 um 19.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=478#3621

Lange Schatten

Vor Jahren spielte ein führender Reformer mit dem "verlockenden" Gedanken, die Reform über die Schule einzuführen, ehe dann wirklich dieser Weg beschritten wurde. Er scheint seine Deutschen recht gut eingeschätzt zu haben. Die Konditionierung durch die eigene Schulzeit erweist sich als überaus wirksam und verläßlich. Dem "pädagogischen Wahn" (Prof. Ickler) kann sich im Zusammenhang mit der Rechtschreibreform kaum jemand entziehen. Die Logik des ganzen ist eigentlich einfach: Die Schule war einmal die Autorität zu Zeiten des eigenen Rechtschreiberwerbs. Was liegt näher, als ihr ein Leben lang die Gefolgschaft zu bewahren?
 
 

Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 01.04.2006 um 15.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=478#3617

„Wir wollen nicht, daß das, was Schüler in unseren Medien lesen, in der Schule als Fehler gilt.“

Also sorge man beharrlich mit Überzeugungskraft und der großen Mehrheit der Bevölkerung im Rücken dafür, daß in der Schule das gelehrt wird, was in der Erwachsenenwelt und ihren Medien gilt - würde ich da spontan sagen. Ist denn das nicht selbstverständlich? Natürlich ist es das, dennoch ist die Sache nicht so einfach:

Vielen Menschen ist unwohl bei dem Gedanken bzw. Gefühl, sich gegen die Mehrheit zu verhalten - dies ist wohl dem Sozialverhalten des Menschen, seinem Herdentrieb geschuldet. Da der zivilisierte Mensch zugleich an soziale Hierarchien gewöhnt ist, kommt es oft gar nicht auf die tatsächliche Mehrheit an, sondern auf die "gefühlte": Wenn Regierung und Wirtschaft etwas forcieren, sind viele Menschen zunächst geneigt, dem zu folgen. Dieses Mitläufertum findet man nicht nur auf unteren Hierarchieebenen, sondern auch und, wie es interessanterweise scheint, vor allem auf oberen: Eine Streiterin für die deutsche Rechtschreibung meinte vor Jahren, die orthographische Rückgradlosigkeit sei gerade um so größer, je höher jemand in einer Organisation angesiedelt sei. Es geht mehr um Gefühl und Machtinstinkt als um rationale Entscheidungen, und bei der F.A.Z. scheint es daher weniger ähnliche "Überlegungen" als ähnliche Gefühle bzw. Instinkte zu geben.

Wer hingegen ernsthaft glaubt bzw. gar überzeugt ist, er (bzw. sie) müsse die Medien der Schule anpassen, der müßte erklären können, warum eine viele, viele Millionen zählende Leserschaft weniger wichtig sein soll als eine kleine Minderheit von Minderjährigen, die ja wohl kaum zur vorrangigen Zielgruppe der WELT oder F.A.Z. zählt, und warum diese Minderheit, einmal erwachsen geworden, nicht z. B. die F.A.Z. ebenso leicht lesen könnte wie die Literatur im Bücherschrank der Eltern. Aber nicht nur das:

Wer sich orthographisch als vermeintlicher Kinderschützer geriert, der setzt sich dem Verdacht aus, daß er diese Pose auch in anderen Fällen annehmen würde:
- Wenn die KMK die Evolutionsbiologie per Beschluß durch den (in den USA einflußreichen) Kreationismus ersetzte, würde oder müßte dann der Springer-Verlag nicht auch auf diese Linie umschwenken, damit nicht, was "Schüler in unseren Medien lesen, in der Schule als Fehler gilt"?
- Und für diejenigen, die Orthographie für eine Äußerlichkeit halten: Wenn die KMK bundesweit Schuluniformen einführte, würden oder müßten die Medien dann nur noch Bilder uniformierter Menschen abdrucken, um die lieben Kleinen nicht zu verwirren?
Ich bin davon überzeugt: Wer Kindererziehung so versteht, gehört zur Gruppe derjenigen, die ihre Kinder lieblos und mit unnötiger Härte bis hin zu Prügeln "erzieht" mit dem sattsam bekannten "Argument", wenn man jetzt zu nachsichtig sei, werde es der Nachwuchs "später nur unnötig schwer haben" - sprich: an seiner Renitenz scheitern. Wer Kindererziehung als Hilfe zur Unterwerfung begreift, der unterdrückt in einem totalitären Staat auch Aufklärungsliteratur (oder z. B. das "Westfernsehen") mit der "gutgemeinten" Absicht, den Menschen die "Qual" des Vergleichs mit besseren Verhältnissen zu ersparen.

Da nicht alle Menschen so primitiv sind, bin ich nicht überzeugt, daß der angegebene Grund für das Einknicken des Springer-Verlages echt ist. Schon Ende 2005 hatte ich telefonisch aus Verlagskreisen erfahren, daß Mathias Döpfner im eigenen Verlag unter Druck geraten sei: Manche Mitarbeiter waren wohl von Anfang an mit der Rückkehr zur deutschen Rechtschreibung unzufrieden und redeten die Änderungen des Rechtschreibrates schön oder zitierten die eine oder andere Elterbeschwerde, ihre Kinder würden bei der Lektüre eines Springerblattes verwirrt, man würde deshalb evtl. auf eine andere Zeitung ausweichen etc. Eine prozentuale Erhebung der Abonnentenhaltung oder gar offene Leserbefragung hat es meines Wissens jedoch - wie in allen anderen Fällen auch - nie gegeben, so daß man getrost einen Vorwand annehmen darf. Die Schwächung Döpfners im Zusammenhang mit den gescheiterten Übernahmeplänen für einen Fernsehsender werden ein übriges getan haben - Manager denken wie die meisten Politiker (Wulff, Rüttgers etc. etc.) zuvörderst an sich selbst.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 31.03.2006 um 17.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=478#3596

Die andere Formel:

„Was aber die Schreibgemeinschaft nicht annimmt, wird die Schule wieder aus ihrem Lehrplan streichen. So war es auch nach dem Erlass von 1902.“

(Verweis auf die Quelle siehe hier.)
 
 

Kommentar von Buchenstock, verfaßt am 31.03.2006 um 15.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=478#3592

... und für diese liquid men wurde einstmals die "Preßfreiheit" erkämpft - hart und blutig!
 
 

Kommentar von jms, verfaßt am 31.03.2006 um 13.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=478#3586

Da kann man sehen, was Zehetmair bei seiner PR-Tour durch die widerborstigen Redaktionsstuben angerichtet hat. Als nächstes muß er die Verlagshäuser besuchen, in denen Schriftsteller ihre Texte noch in klassischer Orthographie drucken dürfen. Ob er dort auf solche Willfährigkeit stoßen wird, ist allerdings fraglich.

 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 31.03.2006 um 13.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=478#3585

Pervers
Eine freie, selbstbewußte, der jungen Generation sich wirklich verpflichtet fühlende Presse würde sagen: Wir wollen nicht, daß die Schüler in der Schule etwas lernen, was außerhalb, in seriösen Druckerzeugnissen als falsch gilt. Aber sie sind ja alle ewige Schüler und kuschen vor der KMK bis ins fromme Nachbeten der irren Latrinenparolen.
 
 

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