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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.01.2006
 

Püschelduden – wiedergelesen
Eine Stilfibel und ein Übungsbuch

Aus einem bestimmten Grunde habe ich ein Dudenbuch, das ich schon mal besprochen hatte, nochmals gelesen und möchte meine Lesefrüchte nicht für mich behalten.
Leider fehlt mir wieder die Zeit für Kursivierungen, aber der verständige Leser kann das ja leicht ergänzen.


Duden: Wie schreibt man gutes Deutsch? Eine Stilfibel. 2., völlig neu bearb. Auflage von Ulrich Püschel. Mannheim 2000.

Duden: Wie schreibt man jetzt? Ein Übungsbuch zur neuen deutschen Rechtschreibung. 2. Aufl. von Ulrich Püschel. Mannheim 1999.

Das erste Buch ist eine Sammlung plattester Bemerkungen über Stil. Immer wieder heißt es, jeder sei letzten Endes selbst für seinen Stil verantwortlich, was vielleicht zutrifft, aber sicher nicht zu besserem Deutsch verhilft. Keine Banalität, die nicht mehrmals ausgebreitet würde. Der Ratschlag zum Beispiel, daß man beim Erzählen eines Erlebnisses die Hauptsache, also das Erlebnis, nicht vergessen soll, ist sicher nicht besonders hilfreich (S. 35). Eine Wegbeschreibung orientiert sich an den Ortschaften, Kreuzungen und Abzweigungen, die nacheinander zu passieren sind (S. 92). Darauf muß man erst einmal kommen! Und wenn man ein entlaufenes Tier sucht: Je genauer die Beschreibung ausfällt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand das Tier identifizieren kann, wenn er ihm begegnet. (S. 93) Der dankbare Leser erfährt, daß man teuer auch intensivieren kann: sehr teuer (S. 187). Aussagen kann man mit nicht verneinen (ebd.). Diese Beispiele sind repräsentativ für das ganze Werk.

Man findet nicht einen einzigen Abschnitt, der als stilistisch besonders gelungen oder gar glänzend auffiele. Für Püschels Ungeschicklichkeit im Formulieren einfachster Sachverhalte nur wenige Beispiele:

Wenn schon nicht mehr in der Schule auf gutes Deutsch geachtet wird, dann doch zumindest auf richtiges. (S. 11) – Hier ist der Fokus der Einschränkung falsch gesetzt, es müßte heißen: Wenn in der Schule schon nicht mehr auf gutes Deutsch geachtet wird, dann doch zumindest auf richtiges. Ebenso: Für mich hat dann ein Ratgeber sein Ziel erreicht, wenn ... (S. 22) Richtig: Für mich hat ein Ratgeber sein Ziel dann erreicht, wenn ...
Ein konkreter Fall wäre ein Brief, den wir an die Hausverwaltung schreiben, da sie die Nebenkosten nicht termingerecht abgerechnet hat. (S. 31) – Hier muß es natürlich weil und nicht da heißen. Das ist eine Frage der persönlichen Haltung zu dem, was man schreibt, aber auch zu dem, wie man schreibt. (S. 33)
Gleichermaßen unangemessen sein und den Leser abstoßen können eine komplizierte Darstellung, ein unkontrolliertes Abschweifen, ein hochgestochenes Vokabular. (S. 34) – Kein Kommentar.
das Objekt muss einem potenziellen Käufer schmackhaft gemacht werden, indem seine Vorzüge herausgestellt werden (S. 94 – ähnlich des öfteren; ein Brief lässt sich sehr übersichtlich gestalten, indem den einzelnen Themen eine Überschrift vorangestellt wird (S. 69); vgl. auch S. 128 oben)
auf was wir achten und vor was wir uns hüten sollten (S. 161) – Besser: worauf und wovor.
mit was hätten sie sich sonst küssen sollen? (S. 194f.) – Besser: womit; vgl. aber konzentrieren wir uns darauf, was in den einzelnen Artikeln geschrieben steht (S. 208) – Besser: auf das. Sachverhalte, für die ein sachzugewandter Stil angemessen ist (S. 56, statt denen). Püschel möchte ausdrücken, daß sowohl Männer als auch Frauen schreiben; das liest sich dann so: dass Frauen wie Männer schreiben (S. 64). Es bedeutete keinen Zufall, den Wortschatz dazu heranzuziehen (S. 162). Fräulein, das noch am Ende der Sechzigerjahre die Standardanrede für eine unverheiratete Frau gewesen ist (S. 162, statt ... war). David Crystal äußert in einem Handbuch den Stoßseufzer ... (S. 204; ein Seufzer wird nicht „geäußert“). Die Angemessenheit bemißt sich vielmehr an unterschiedlichen Kriterien (S. 205, statt nach).
An Wendungen wie der preisliche Rahmen bewegt sich zwischen ... (S. 106) findet Püschel nichts auszusetzen. Ein Faible für den Charme des Spröden (S. 121) ist auf deutsch eine Schwäche für den Reiz des Spröden. Ausdrücke wie Mode kreieren (S. 206) wird sich ein stilistisch anspruchsvoller Autor ebenfalls versagen. In der gesprochenen Sprache beheimatet sein (S. 127) ist so schwerfällig wie das beliebte beinhalten. Der folgende Beispielsatz wird hin und her gewendet, aber seine eigentliche Schwäche erkennt Püschel gar nicht: Es sollte zwischen Fällen unterschieden werden, in denen die Ausklammerung unser Sprachgefühl verletzt und in denen sie uns akzeptabel erscheint. (S. 133)

Der schulmeisterlich-betuliche Stil des Buches ist durch solche vollkommen ernst gemeinten Wendungen zu kenzeichnen: Herr Christoph schüttelte sinnend den Kopf. (S. 13); der wirklich sorgende Schreiber (S. 109). Vielleicht fällt jemandem das Wort Kuhfladen gerade nicht ein, er möchte jedoch nicht Kuhscheiße schreiben, also greift er zu einer Umschreibung: „Herr Meyer ist in das getreten, was eine Kuh auf der Wiese hinterlassen hat.“ (S. 172) Die Leute in den Beispielsätzen heißen Heinrich und reden einander so an: Stell dir vor, lieber Freund ... Immer wieder heißt es, man müsse pfleglich mit dem Leser oder der Sprache umgehen. Und natürlich muß man die sprachlichen Mittel gezielt auswählen – das ist ein weiteres Lieblingswort, wie man es auch in Deutschdidaktiken und Rahmenrichtlinien so häufig findet.
Das fingierte Gespräch am Anfang ahmt Reiners nach, der ebenfalls so beginnt; gleichwohl macht Püschel sich gelegentlich über den ungenannten Reiners lustig, weil der sich auf Bismarcks Briefe und auf die schöne Literatur als Vorbilder beschränke. Auf S. 180 wird Reiners ausdrücklich erwähnt, weil er sich zusammen mit Eduard Engel und Broder Christiansen „undifferenziert“ und „radikal“ gegen die Hauptwörterei gewandt habe. Zumindest für Engel, dem weder die beiden Genannten noch gar Püschel das Wasser reichen können, trifft das nicht zu. In unendlichen Wiederholungen wird dargelegt, daß man an seinen Texten arbeiten müsse. Und immer wieder, daß jeder die stilistische Entscheidung selbst treffen müsse, mit dem Zusatz, er trage dafür die Verantwortung: „Wir selbst sind in der Verantwortung für die stilistische Qualität unserer Texte.“ (S. 37) Aber was heißt das eigentlich, und wer hat denn je etwas anderes erwartet? Die vielstrapazierte Verantwortung ist sogar mit dem Bindestrich verbunden, dessen Setzung „ein zusätzliches Stück Verantwortung“ bedeute, „denn der Bindestrich sollte wohl überlegt verwendet werden“ (S. 186; gemeint ist wohlüberlegt). Übrigens bringt Püschel selbst immer wieder literarische Vorbilder, um dann hinzuzufügen, sie seien „natürlich kein Vorbild für das alltägliche Schreiben“, z. B. ein langes Zitat von Thomas Mann, das er so einführt: „Wie das Zusammenspiel der Wörter einem Text sein stilistisches Flair verleiht, zeigt auf wunderschöne Weise der Beginn des Romans 'Lotte in Weimar' von Thomas Mann.“ (S. 199)

Die vielbestaunten, wenn auch banalen Griceschen Konversationsmaximen versucht Püschel anzuwenden, obwohl er weiß, daß es wenig Sinn hat (32ff.). Die oberste Maxime formuliert es so um: „Schreibe so, wie es sich gehört!“ Die Maxime der „Angemessenheit“ ist leer, sie besagt nur, daß man schreiben soll, wie man schreiben soll.

Den Prestigewert der Fremdwörter nutzen wir laut Püschel, „um zu signalisieren, dass wir mit unserem Text einen gewissen Anspruch verbinden.“ (S. 174) – Das ist heiße Luft, mehr nicht.

Püschel behauptet, bei einer Einleitung mit zum einen wisse man, daß nur noch ein zweiter Punkt folge und dann nichts mehr (S. 109). Das entspricht nicht dem tatsächlichen Gebrauch.

Zu dem Satz Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde sagt Püschel, „dass Am Anfang als bekannt gilt, Gott dagegen als weniger bekannt und den Himmel und die Erde als neu.“ (S. 151) Der Übersetzer Luther habe sich „dafür entschieden, den Anfang und beispielsweise nicht Gott als bekannt vorauszusetzen“ (S. 150). Das ist natürlich Unsinn. Der Anfang wird nicht deshalb zuerst erwähnt, weil er „bekannt“ wäre – was immer das heißen mag –, sondern weil der ganze Satz die interessante Frage beantwortet, wie eigentlich alles angefangen hat. Er könnte ebensogut mit zuerst beginnen, und das würde man wohl kaum als etwas „Bekanntes“ kennzeichnen wollen.

Zu Bier brauen sie dort wirklich gutes meint Püschel in schlechter grammatischer Tradition, hier seien Attribut und Bezugswort „auseinander gerissen“ (S. 156). An Bier brauen sie keines würde er sehen, daß diese Theorie nicht stimmt.

Daß bei übertragenem Gebrauch „zwischen dem ersetzten Ausdruck und dem ersetzenden eine 'reale Beziehung'“ bestehe (S. 168), gilt für die Metapher gerade nicht. Die Wiedererwähnung einer Größe mit dem Oberbegriff (Giovane Elber – der Brasilianer) kann nicht als rhetorische Figur angesehen werden (S. 169f.).

Zu den Abtönungspartikeln: „Der Schreiber (...) kann beispielsweise mit einem doch zum Ausdruck bringen, dass ihm an einer weiteren Zusammenarbeit liegt und dass er die Hoffnung hegt, dem Adressaten gehe es ebenso: Diese kleine Unstimmigkeit sollte doch unsere weitere Zusammenarbeit nicht gefährden.“ (S. 190) – Aber dieser Inhalt wird nicht durch die Partikel zum Ausdruck gebracht, sondern steckt im Rest des Satzes. Auch die weitere Darstellung der Modalpartikeln ist schief.

Unter der Überschrift „Brisante Wörter“ werden nach schlechtem Vorbild des Instituts für deutsche Sprache Wörter abgehandelt, an denen keine Spur von Brisanz ist: Präposition, Drehmoment usw.

Der Begriff des „inneren Objekts“ wird falsch angewendet (S. 195).

Eine Wortfolge von S. 11 wird auf S. 13 falsch zitiert: „des den durch in“ statt „des durch den in“.

Auf die Bemerkung eines Gesprächspartners, er habe richtiges Deutsch und gutes Deutsch für ein und dasselbe gehalten, antwortet der andere: „Ist es auch, zumindest in gewisser Hinsicht, denn richtiges Deutsch, also die Beherrschung der Grammatik, ist eine notwendige Voraussetzung, um gutes Deutsch zu schreiben.“ (S. 11) Aber wenn es die Voraussetzung ist, dann es gerade nicht dasselbe, und außerdem kann richtiges Deutsch sich unmöglich auf die Beherschung der Grammatik beschränken. Hier mangelt es an einfachster Logik.

Das Buch folgt natürlich der reformierten Rechtschreibung. Püschel schreibt also ganz kunstgerecht:
Ars bene Dicendi, Ars bene Scribendi, Ars recte Dicendi (S. 11); Pluralis Modestiae, Pluralis Auctoris (S. 49). Grammatisch falsch, aber orthographisch „richtig“ schreibt er: Sie haben völlig Recht (S. 21); das ziemlich abstrakt und nichts sagend klingt (S. 87). Leider mutet er dem Leser, auf den doch stets Rücksicht zu nehmen sei, die folgende Silbentrennung zu: beo-bachten (S. 49). Konservative Silbentrennung: wenig-stens (S. 59).

Die reformierte Kommasetzung nach § 77 (5) beherrscht er so wenig wie andere Autoren und der ganze Dudenverlag:

Es wäre allerdings ein Irrtum zu glauben, ... (S. 23)
wobei es gar nicht darauf ankommt zu sagen ... (S. 49)
in denen es wünschenswert ist zu differenzieren (S. 63)
die den Leser dazu anregen sollte weiterzulesen (S. 70)
Es geht lediglich darum zu prüfen ... (S. 80)
Es wäre aber ein Missverständnis zu glauben ... (S. 204)
und viele andere Fälle.

Zusammen mit Püschels schwerfälligem Satzbau führt die fehlerhafte Kommasetzung zu solchen Gebilden: Neben der Eigenschaft konventionell zu sein, hat Stil die weitere Eigenschaft individuell zu sein. (S. 212)

Ein Komma fehlt auch hier: dann nämlich wenn es eine Tagesordnung gibt (S. 107)

Falsch sind nach der Reform:

jedesmal (S. 44)
So leid es mir tut (S. 50)
sogenannten (S. 51)
von Unbekannt (S. 54)
hartgesotten (S. 59; laut amtl. Verzeichnis falsch)
frischgekeltert (S. 76)
von Verschiedenerlei (S. 84)
verlangt Dreierlei (S. 95)
auseinandergerissen (S. 105)
was werde ich als nächstes tun? (S. 113)
(Der nach Doppelpunkt fälschlich groß geschrieben S. 115)
noch mal (S. 144)
läßt (S. 150)
festgefügt (S. 153)
kleingewachsen (S. 196, 198)

(Einiges davon ist durch die Revision im Juni 2004 wieder zulässig geworden, aber davon konnte Püschel noch nichts wissen.)

Falsch ist auch weiterhin: um Gottes Willen (S. 18). Der erste und der zweite Vorsitzende (S. 90) müßten weiterhin groß geschrieben werden. den Text als Ganzen (S. 109) – hier wird weiterhin klein geschrieben, ebenso: Argumente ... ein Einziges (S. 119). Er will dem Adressat zeigen ... (S. 117). Abu Dabi (zweimal S. 116) ist nicht korrekt.

Alle Zitate aus älteren Quellen (Thomas Mann, Franz Kafka usw.) sind in Reformschreibung konvertiert.

Bezeichnend für die Dudenstrategie ist folgender Abschnitt:

„Bis vor kurzem haben wir gerade im Brief über ein besonderes Mittel verfügt, besonders hervorzuheben, dass auch mit dem Gebrauch von du und ihr Höflichkeit und Respekt verbunden sind. Wir haben die beiden Pronomen im Brief großgeschrieben. Doch mit der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung von 1996 ist uns diese Besonderheit genommen worden, indem diese Konvention abgeschafft worden ist.“ (S. 52)

Kein Wort davon, daß die staatliche Rechtschreibung nur für die Schule verbindlich ist und „uns“ natürlich gar nichts genommen werden kann. Außerdem ist der Text sehr schlecht formuliert, falsches Tempus, Wortwiederholung und wieder jenes ungeschickte indem, das Püschel bei jeder Gelegenheit verwendet: Allgemeine einsprachige Wörterbücher wie die des Dudenverlags berücksichtigen das, indem in ihnen die Gruppenzugehörigkeit der einzelnen Wörter angegeben ist. (S. 173)
An einer anderen Stelle behauptet Püschel, daß die herkömmliche Rechtschreibung „in offiziellen Texten nicht verwendet werden“ kann (S. 61).

Druckfehler: eine optimalen Pressemitteilung (S. 15), verletztende Weise (S. 43), ein Streitpunkt (S. 58 statt einen Streitpunkt), ein anderes Textmuster, bei der ... (S. 69), Fankfurter (S. 79) (S. 95 unten ist der ganze Satz zerrüttet: eine größere Anschaffung sparen), Moccassin (S. 94 statt Mokassin), schon langen (S. 105 statt schon lange), Protkolls (S. 107), alsobeispielsweise (S. 111), zwischen einfachen Sätze (S. 127), was ein einfachen Grund hat (S. 154), die Planung sind bereits angelaufen (S. 159), ein Teil (S. 169, statt einen Teil), Fau (statt Frau S. 170), andere besonderen Eigenschaft (S. 208), Beleidsbekundungen (S. 214), Chrystal (S. 204, statt Crystal). Auf S. 22 scheint etwas ausgelassen oder durcheinandergeraten zu sein: Friedrich ist ja ausschließlich ein Nachname. Die feministische Formulierung S. 61 ist typographisch mißlungen.

Großmut ist kein Maskulinum (S. 73); Gaudi ist dort, wo man es täglich gebraucht, ebenfalls feminin (S. 132).

Der Stilkünstler Püschel war mir schon früher aufgefallen: durch ein genus proximum und ein differentiam specificam (Ulrich Püschel: Semantisch-syntaktische Relationen. Tübingen 1975, S.116)



Sehr mangelhaft ist auch sein Buch: „Wie schreibt man jetzt?“ (2. Aufl. Mannheim 1999).

S. 20: Karamelle ist keine Flexionsform von Karamel oder karamelisieren. Messner hat nichts mit Messe zu tun; was immer man von den Augstschen Volksetymologien hält, ein Buch aus dem Hause Duden darf nicht wissentlich falsche Behauptungen über sprachliche Tatsachen verbreiten. Das gilt auch für belämmert, einbläuen, Quäntchen (S. 21). Was der Schneewechte recht ist, nämlich das Beharren auf der richtigen (wenn auch aus lautlichen Gründen problematischen) Etymologie, sollte dem Quentchen billig sein.
Was ist an Stopp, Steppdecke neu? Bei Stopp doch allenfalls die Ausdehnung auf die Tennissprache, die aber insgesamt englisch ist. Erwähnenswert ist übrigens, daß das amtliche Wörterverzeichnis vorschreibt: Twostepp, aber Onestep. Nur der neue Bertelsmann hat sich die Freiheit genommen, diesen Unsinn zu korrigieren, offenbar in Absprache mit der Rechtschreibkommission, die zwar an der Neuregelung kein Jota ändern darf, die Wörterbuchmacher aber so berät, als seien die von den Kultusministern verbotenen Korrekturen dennoch in Kraft.

S. 21: Was ist an Schnäpper/Schnepper neu? (Im Duden 1991 war allerdings zu beanstanden, daß der Verweis auf schnäppern blind endete.) - Eltern und schwenken sind nur zwei von sehr vielen Ausnahmen. (Das ganze Buch erzielt übrigens seinen propagandistischen Nebenzweck durch Minimieren der unendlich vielen Ausnahmen und Sonderregeln. Die vereinfacht dargestellten Hauptregeln schmückt es gern mit dem Epitheton „konsequent“. Dabei ist doch klar, daß das Haus Duden die als weitgehend absurd durchschaute Reform auch nur erlitten haben kann, so daß der Jubel falsch klingt.)
S. 27: Bei Zierat war kein r weggefallen.
S. 31: Die Anekdote vom kaiserlichen Thron sollte man allmählich weglassen, damals ging es um das th in deutschen Wörtern.
S. 37: Getrenntschreibung von Wörtern war auch im alten Duden der Normalfall. Es ist irreführend, dies als Errungenschaft der Reform herauszustellen.

S. 39: In irreführen, wettmachen stecken keineswegs verblaßte Substantive.
S. 49: weit reichend soll getrennt geschrieben werden. Das ist inzwischen überholt.
S. 81: In heute Mittag usw. soll Mittag „eindeutig ein Substantiv“ sein, hat aber keines der Merkmale, die im amtlichen Regelwerk als Kriterien für Substantive angeführt werden.
S. 82: Die Großschreibung des Pronomens Sie wird zu Unrecht mit Höflichkeit begründet, es ist eine reine Differenzschreibung. Daher entfällt auch die Begründung der Kleinschreibung von du.
S. 86: Die Beschränkung klassifizierender und daher groß zu schreibender Bezeichnungen auf Botanik und Zoologie ist aus dem Wortlaut der amtlichen Regel nicht herzuleiten, wo eindeutig nur Beispiele gemeint sind. Selbstverständlich haben andere Disziplinen ebenfalls ihre mehrwortigen Termini. Dadurch eröffnet sich ein unabsehbares Feld der Großschreibungen, und mit der „Konsequenz“ der neuen Regel ist es nicht weit her.
S. 90: In leid tun, not tun, pleite gehen stecken keine Substantive, die verordnete Großschreibung ist daher falsch.

S. 100: Der Begriff der „Paarformel“ hat in der Neuregelung keine Grundlage.
S. 123: Beispielsatz: Es ist lange daran gearbeitet worden, die Rechtschreibung neu zu regeln. Das Komma ist nicht wegen des rotgedruckten Es, sondern wegen daran obligatorisch!
S. 129: ck ist nicht mit ch vergleichbar, weil es laut § 3 für kk steht. Die Bemerkungen über Software sind hinfällig, weil jedes Trennprogramm mit ck leichter zurechtkommt als mit der neuen Silbentrennung, die wegen ihrer vielen unerwünschten Optionen die Softwarefirmen vor die größten Schwierigkeiten stellt.

Fazit: Die Mischung aus dürftig aufbereiteten Regeln und reformpropagandistischen Ladenhütern ist wenig ansprechend. An die grundsoliden früheren Dudenbücher von Wolfgang Mentrup usw. darf man gar nicht denken.

Nachtrag: Das Buch ist offensichtlich in großer Menge an Schüler verschenkt worden. Auf diese Aktion des Konzerns bezog sich eine Anfrage des Abgeordneten Schultz SPD vom 19.12.97 an die Bayerische Staatsregierung, vgl. Landtagsprotokoll Drucksache 13/10986 23.04.98/27.04.98.



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Kommentare zu »Püschelduden – wiedergelesen«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2011 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=356#18623

„Ein Gespräch entwickelt sich nicht von selbst, sondern die Beteiligten müssen gemeinsam sein Zustandekommen und seinen Fortgang bewerkstelligen.“ (Ulrich Püschel in: Fritz Hermanns/Werner Holly, Hg.: Linguistische Hermeneutik. Tübingen 2007:287)

Und ich hatte immer gedacht, ein Gespräch entwickele sich ohne Zutun der Beteiligten ganz von selbst! (Das ganze Buch ist so geschrieben und fast frei von Inhalt, was bei 426 Seiten auch eine Leistung ist.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.01.2006 um 23.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=356#2259

Die "Verneinungsprobe" beweist: Getrenntschreibung verändert die Sprache: Südd. Zeitg. v. 18. Jan. 2006, Immobilien: "Die Last tragenden Ballen von den nicht Last tragenden unterscheiden."
 
 

Kommentar von Calva, verfaßt am 18.01.2006 um 23.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=356#2258

Bei "da" statt "weil" bin ich unempfindlicher als bei "weil" statt "denn". Aber sowas liest man zum Glück (noch) nicht, man hört es nur.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 18.01.2006 um 02.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=356#2253

So schreibt man jetzt!

Beim Surfen bin ich auf eine Empfehlung des Buches "Wie schreibt man jetzt?" von Ulrich Püschel gestoßen. Ein Schriftsteller namens Dieter Wunderlich empfiehlt es auf seiner Homepage (angeblich 2,6 Millionen Besucher pro Jahr) als einen seiner "persönlichen Buchtipps". Und zwar mit den Worten: Wer die am 1. August 1998 eingeführte neue deutsche Rechtschreibung im Selbststudium üben möchte, dem sei diese Broschüre aus der Dudenredaktion empfohlen. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung und Trennung werden erläutert, und nach jedem Kapitel ebenso wie am Ende des Buches kann man mittels einer Übung prüfen, wie sicher man sich fühlt.

Um diese Werbung zu untermauern, steht in einem zweiten Kasten eine Liste von Beispielen: Man schreibt jetzt: Blut saugend, blutstillend; Pflanzen schädigend, bakterienvernichtend; nichts sagend, vielsagend; schief gegangen, schiefgelacht; voll besetzt, vollklimatisiert; wohl geordnet, wohlgeraten; jemand Feind sein, jemand spinnefeind sein; die allein Erziehende, die Ratsuchende; es tut mir Leid, ich bin es leid.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 17.01.2006 um 22.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=356#2249

Zur Frage von Glasbaum: Wenn Sie selbst hierauf die Antwort formulieren sollten, dann würden Sie sicherlich sagen: "Weil ..." und nicht "Da ...".

Weil (!) man zwar den Sinn genauso versteht, wenn man stattdessen da verwendet, wäre die Formulierung "Hier muss es natürlich weil und nicht da heißen" für sich genommen eine Spur zu autoritär, aber es geht hier um ein Lehrbuch namens "Wie schreibt man gutes Deutsch?", um eine "Stilfibel" (Untertitel), und hier ist diese Kritik angemessen. da anstelle von oft besserem weil wird heute inflationär gebraucht, deshalb verschieben sich vielleicht auch die stilistischen Kriterien mit der Zeit. Aber von minderwertigem Stil wird man immer noch reden können. Suchen Sie einmal, beispielsweise in dem obigen Tagebucheintrag, alle weil und ersetzen Sie sie durch da. Dann werden Sie merken, daß das regelmäßig zumindest schlechter klingt.

Interessant wäre die Frage, ob die Stilfibel aus dem Hause Duden auf die Frage eingeht, inwiefern da und weil nicht beliebig austauschbar sind.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 17.01.2006 um 15.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=356#2235

Von „Wie schreibt man jetzt?“ gibt es seit einem Jahr die dritte Auflage, als Koautor ist – na, wer wohl? – richtig: Christian Stang hinzugekommen.
 
 

Kommentar von glasbaum, verfaßt am 17.01.2006 um 13.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=356#2232

Ein konkreter Fall wäre ein Brief, den wir an die Hausverwaltung schreiben, da sie die Nebenkosten nicht termingerecht abgerechnet hat. (S. 31) – Hier muß es natürlich weil und nicht da heißen.

Wieso??
 
 

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