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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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08.11.2010
 

Politischer Druck
Seltsame Auskunft über den Rechtschreibrat

"Da dem Rechtschreibrat von politischer Seite nur gut ein Jahr für Korrekturen an dem Regelwerk von 1998 zugestanden wurde, konnten weitere störende Elemente (etwa Fremdwort-Eindeutschungen in der Schreibung; falsche Etymologisierung, Dreifachkonsonanz; ß-Schreibung als halbe Lösung) nicht beseitigt werden. Sie bleiben Bestandteil des Regelwerks von 2006."
(Werner Besch/Norbert Richard Wolf: Geschichte der deutschen Sprache. Berlin 2009:237)
Die Revision von 2004 ist nicht erwähnt, vielleicht ist sie Besch, dem Verfasser dieses Kapitels, gar nicht recht bekannt, obwohl er ebenso wie Wolf Mitglied des Rechtschreibrates ist.

Die erste Amtsperiode des Rates dauerte sechs Jahre. Vor einer Begrenzung der Arbeit auf "gut ein Jahr" war offiziell niemals die Rede, aber es ist schon wahr: von politischer Seite wurde entsprechender Druck ausgeübt, die Arbeit mußte abgebrochen werden, und das war der Anlaß für meinen Austritt. Der Vorsitzende Zehetmair hatte dunkle Andeutungen gemacht, daß solcher Druck auf ihn ausgeübt werde, aber Genaueres wurde nie bekannt.
In einer späteren Erklärung schloß Zehetmair weitere Korrekturen nicht aus und sprach das schmähliche Wort von der "Marktberuhigung", die man nun erst einmal eintreten lassen wolle.



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Kommentare zu »Politischer Druck«
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Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 30.09.2014 um 08.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1362#26890

Kleine Notiz vom diesjährigen Nordseeurlaub: Die Fährverbindung zu meiner Lieblingsinsel (es nicht dieselbe wie Herrn Icklers) wird von einem Unternehmen sichergestellt, das sich als "Dampfschiffahrtsgesellschaft" bezeichnet. In einem Gebäude in der Nähe des Hafens, das "Schiffahrtsmuseum" genannt und geschrieben wird, sind Dokumente aus der Gründungsphase des Unternehmens (Ende des 19. Jahrhunderts) ausgestellt, in denen es als "Dampfschifffahrts-Gesellschaft" (ohne ff-Ligatur in Antiqua) bzw. Dampfschi(ff)fahrts-Gesellschaft" (in Fraktur; die Klammern deuten die ff-Ligatur an) fungierte.

Auf der Website der Gemeinde bzw. der Kurverwaltung findet man meist die herkömmliche Orthographie, manchmal aber auch ein bißchen Heyse sowie das eine oder andere Reformversatzstück, das irgendwie, vielleicht während einer Sturmflut, über den Deich geschwappt ist. Norddeutsche Gelassenheit eben.

Weitere Notiz von einem Besuch in der hessischen Landeshauptstadt: In dem legendären Fischimbiß, in dem halb Wiesbaden sein Mittagsmahl einzunehmen scheint, stand auf ein und derselben Getränkewerbung "Faßbrause" und "Fassbrause".

Mein Dank an alle Reformer für die Modernisierung und Vereinfachung der deutschen Orthographie.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 18.11.2010 um 12.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1362#17224

Das war mir schon klar.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.11.2010 um 12.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1362#17223

Ja, gemeint ist komplementär.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 18.11.2010 um 11.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1362#17222

"Du und Sie sind komplimentär verteilt.“

Nur zum besseren Verständnis: Der Verfasser will also mitteilen, daß man niemanden gleichzeitig mit du/Du und Sie anreden kann?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.11.2010 um 09.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1362#17184

Inzwischen habe ich das Buch von Besch und Wolf durchgelesen.
Es ist in reformierter Schreibung gehalten, aber extrem fehlerhaft.

Die ss-Schreibung ist durchgeführt, alles andere geht durcheinander:
letzteres immer klein, um so, im esentlichen. als erstes und notwendigstes, 30jähriger Krieg.
... dass Abschlussarbeiten Englisch angefasst werden ...
Bei Diphthong und Monophthong fehlt manchmal ein h.
Im letzten Kapitel (von Wolf) gehen zahlreiche Literaturhinweise ins Leere, die Werke fehlen im Literaturverzeichnis.
Der Text leidet an zahllosen Druckfehlern und vielen Versehen, die beim Korrekturlesen hätten bemerkt werden müssen: die Kontinuanten von der ahd. Diphthonge; Sätze brechen einfach ab, Buchstaben fehlen, es gibt falsche Trennungen u. ä.
Du und Sie sind komplimentär verteilt.“
Die Transkriptionen aus dem Altindischen sind teilweise falsch. Wenn "Vater" auf sanskrit patar hieße, wäre die ganze Indogermanistik umzuschreiben.

Saussures Zeichenbegriff wird übernommen:
„Die Wahl der Lautkette ist letztlich beliebig (arbiträr), man vergleiche etwa deutsch Baum, englisch tree, lateinisch arbor. Ein sprachliches ‚Zeichen‘ wird sie erst, wenn eine Sprechgemeinschaft sich verbindlich auf diese eine Bedeutung festlegt. Dazu bedarf es der Absprache, der Übereinkunft.“
Aber solche Wahlen und Absprachen hat es nie gegeben, der wirkliche Gang der Semantisierung ist ganz anders. Übrigens sind gerade die Bezeichnungen für Baum etymologisierbar, also zumindest relativ motiviert.

Das Buch ist großenteil in einem schwerfälligen Stil geschrieben, der Stoff ist gerade für Anfänger schlecht geordnet. Gelegentlich wird es allerdings sehr persönlich, etwa in Erinnerungen Beschs.

„Gesprochene Sprache ist dem Sprachwandel – einer Universalie aller Sprachdefinitionen – sogar stärker ausgesetzt als geschriebene Sprache.“ Wie kann gesprochene Sprache einer „Universalie aller Sprachdefinitionen“ ausgesetzt sein? Der Verfasser wollte in diesem Satz noch unterbringen, daß alle Definitionen der Sprache deren Wandelbarkeit erwähnen, aber das hätte anderswo gesagt werden müssen. (Und es stimmt auch nicht einmal.)
„Extreme räumliche Distanz zeitigt Fremdheit, entsprechend eigene Idiome. Das ist die historische Realität. Regionalität ist ihr Signum.“
Der nachgeschobene Satz mit dem „Signum“ ist überflüssig und macht die gespreizte Darstellung nicht klarer.

„Sprache ist ein faszinierendes Element, Gruppenidentität zu signalisieren.“ – Seltsame Konstruktion!
„Von Kreolsprachen spricht man, wenn eine Behelfssprache (Pidgin) zur Muttersprache einer Bevölkerung wird (z. B. auf Haiti, Jamaika und anderswo).“ Diese These wird inzwischen stark angezweifelt. (Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=966#20237)

Das Buch besteht im wesentlichen aus drei Teilen. Der erste zeichnet die äußere Sprachgeschichte nach, der zweite gibt knappe Bilder des Alt-, Mittel- und Frühneu- und Neuhochdeutschen, der dritte Teil behandelt die Lautgeschichte.
Die Wiederholungen, zu denen es bei diesem Aufbau kommt, werden im Vorwort als beabsichtigt dargestellt. So wird mehrmals auf die Erste und Zweite Orthographische Konferenz als Ursprung der genormten Rechtschreibung eingegangen (mit Überschätzung der Ersten!). Zweimal wird die Zukunft des Deutschen in der Konkurrenz mit dem Englischen behandelt (I, 3 und II, 4). Das scheint wenig sinnvoll.
Da Besch über Anredeformen und ihren Wandel gearbeitet hat, ist ein Kapitel von 15 Seiten über dieses Spezialthema eingeschaltet. Dieser Teil liest sich flüssiger als die meisten anderen.
 
 

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