zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Theodor Icklers Sprachtagebuch

Die neuesten Kommentare


Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag

Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben


02.06.2009
 

Kühnles Werther
Mitnahmegewinn durch Rechtschreibreform

Unter www.wissen-im-netz.info kann man klassische Literatur lesen, z. B. Goethes Romane, aber Vorsicht! Der Betreiber der Website warnt:

"Dieser Roman wurde von mir überarbeitet und der aktuellen Rechtschreibung angepasst und unterliegt damit wieder dem Urheberrecht."

Noch krasser zum Briefwechsel mit Schiller (Originalschreibweise und -grammatik):

"Hinweis: Die allgemeinen HInweise wurden von mir überarbeitet und der aktuellen Rechtschreibung angepasst und unterliegt damit wieder dem Urheberrecht."

Und auf der Homepage:

"Ich besitze einige Bücher, die ich gerne öfters lesen möchte, aber auf Grund ihres Alters zu empfindlich sind."

Kann man sich vorstellen, daß ein erwachsener Mensch sich hinsetzt und die deutschen Klassiker auf Reformschreibung umstellt – um dann das Urheberrecht zu beanspruchen? Geht die Bearbeitung etwa über die Orthographie hinaus – worauf das "und" ja hindeutet? Die eigentümliche Handhabung der deutschen Grammatik durch den "Bearbeiter" läßt Schlimmes befürchten.



Diesen Beitrag drucken.

Kommentare zu »Kühnles Werther«
Kommentar schreiben | älteste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 09.06.2009 um 19.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14609

Beim deutschen Ableger von Gutenberg stört mich die philologische Laxheit sehr. Übersetzer werden in der Regel nicht genannt. Man erfährt zudem nicht, welche Fassung eines Textes als gemeinfrei zur Verfügung gestellt wird. Ohne diese bibliographischen Angaben habe ich aber lediglich einen Lesetext zur Verfügung, in dem ich eine Volltextsuche durchführen kann. Zitierfähig sind die Texte nur sehr selten.

Anders sieht das bei den öffentlich zugänglichen Texten der ehemaligen "Digitalen Bibliothek" aus. Hier wird stets die Ausgabe mit bibliographischer Angabe Seitenzahl genannt, so daß ein Zitat problemlos nachgewiesen werden kann (http://www.zeno.org/Bibliothek). Ein Problem gibt es dort ebenfalls mit ausländischer Literatur, die leider ausschließlich in Übersetzungen frei ist. Die Übersetzer werden hier auch nicht immer genannt.
 
 

Kommentar von Hans-Hermann Schwab, verfaßt am 09.06.2009 um 14.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14608

Meinen Dank für die erheiternden Kommentare. Aber der Webseitenbetreiber hat wohl nicht das Urheberrecht an diversen Klassikern für sich beanspruchen wollen, sondern nur das an den von ihm bearbeiteten Texten auf seiner Website. Sonst könnte ich den Kram ja runterladen, auf meine Website stellen, und mich mit gänzlich fremden Federn schmücken ;-)

Freie Texte, auch deutsche, gibt es auf gutenberg.org, <a href="http://www.gutenberg.org/wiki/Gutenberg:No_Cost_or_Freedom%3F">gutenberg.org: Gratis oder frei?</a>

Das deutsche Gutenberg-Projekt hat mit dem US-Original nichts zu tun und verwendet ein Copyright, seine Texte sind nur für den Privatgebrauch frei.
< a href="http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=22">gutenberg.spiegel.de: Copyright </a>

Und zuguterletzt meinen Dank fürs Blog, ganz allgemein.
 
 

Kommentar von Wolfgang Romey, verfaßt am 07.06.2009 um 00.06 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14596

Ich verwende statt "Reformschreibung" "Untertanenschreibung", wenn es paßt auch "Bertelsmann-Untertanenschreibung".

Vielleicht eine Anregung.

Wolfgang Romey
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 04.06.2009 um 09.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14559

Vorsicht, liebe Frau van Thiel, vielleicht sollte man den Schwaben Schiller nicht noch künstlich auf schwäbische Folklore trimmen. Das Ergebnis kann nur furchtbar sein.

Bekanntlich ist ja der historische Schiller seine Mundart nie losgeworden, was vor allem im Jenaer Romantikerkreis für so manche Erheiterung gesorgt hat. Ob er freilich jemals 's Glöckle vorgetragen hat, ist schwer nachzuweisen. "Über ein Gedicht von Schiller, das Lied von der Glocke, sind wir gestern Mittag fast von den Stühlen gefallen vor Lachen, es ist à la Voss, à la Tieck, à la Teufel, wenigstens um des Teufels zu werden." (Caroline Schlegel, 1799)

Auch im Pasquill mischen sich Dichtung und Wahrheit.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 03.06.2009 um 23.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14555

Das klingt plausibel. Da müßte sich dieser Schöpfer von Dichtkunst doch etwas mehr bemühen, beispielsweise Schiller folkloristisch-schwäbisch umarbeiten.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 02.06.2009 um 19.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14548

»Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, werden unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbständige Werke geschützt. Die nur unwesentliche Bearbeitung eines nicht geschützten Werkes der Musik wird nicht als selbständiges Werk geschützt.« (UrhG § 3) Kühnles rein orthographische »Bearbeitung« würde ein Gericht vermutlich auch als »unwesentlich« ansehen.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 02.06.2009 um 19.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14547

Ich habe meiner Sammlung eine weitere Version hinzugefügt:

A. Gewiß Du hast recht, Bester: (1774)
B. Gewiß, Du hast recht, Bester: … (Ältere Version v.?)
C. Gewiß, du hast recht, Bester, … (Gutenberg)
D. Gewiß, Du hast recht, mein Bester … (Reclam UB 67/67a, 1956)
E. Gewiss, du hast Recht, mein Bester …(Reclam UB 67, Ausgabe 2001)
F. Gewiss, du hast recht, Bester, … (Kühnle ab 2006?)

Kühnle hat leicht „modernisiert“ („recht“), das spießige „so genannt“, das Goethe schon 1774 nicht mehr verwendete, aber nicht beseitigt. Weder bei Goethe 1774 noch bei Reclam 2001 ist zu finden: „Die Base sah mich mehr als ein Mal mit einem spöttischen Näschen an, …“
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 02.06.2009 um 18.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14546

Hat dieser Hinweis auf das Urheberrecht am verquarkten Schiller/Novalis/Lessing/Heine etc. tatsächlich irgendeine rechtlich bindende Wirkung?
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 02.06.2009 um 18.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1168#14545

Ich kann mir das eigentlich nur vorstellen, wenn besagter erwachsener Mensch zugleich stark mit dem Klammerbeutel gepudert worden wäre und zudem so rein gar nichts zu tun hätte, um diesem seltsamen Freizeitvergnügen nachzugehen.

Ich selbst besitze übrigens auch zwei bis drei Bücher, habe davon mindestens zwei schon gelesen und dabei festgestellt, daß in jedem Fall eines davon auch schon sehr alt ist. Besonders schön finde ich ja immer wieder die Werke eines gewissen William Shakespeare. Der ist nun zufällig sogar schon länger als 70 Jahre tot. Ist das nicht toll, denn nun kann ich den einfach mal durch den Grammatik- und Orthographiefleischwolf drehen, schreibe vielleicht noch ein bis zwei launige Zeilen dazu (wer wollte schließlich im Schatten von Kenneth Branagh stehen!) und schon gehören mir die Urheberrechte am Werke Shakespeares!

Da kann sich die RADA schon mal warm anziehen, wenn sie dann demnächst bei ihren Aufführungen immer angeben muß: [Titel des jeweiligen Stücks ist noch einzusetzen], re-written, and corrected by Oliver Höher.

Besucht mich denn auch mal jemand der hier mitlesenden Damen und Herren in meiner Gummizelle in der Klapsmühle? Dienstag und Donnerstag ist immer Besuchstag. Aber meistens bin ich ja mit Umschreiben, Neuschreiben und Anpassen von Weltliteratur beschäftigt, natürlich streng urheberrechtlich geschützt...
 
 

nach oben


Ihr Kommentar: Sie können diesen Beitrag kommentieren. Füllen Sie dazu die mit * versehenen Felder aus und klicken Sie auf „Kommentar eintragen“.

Sie können in Ihrem Kommentar fett und/oder kursiv schreiben: [b]Kommentar[/b] ergibt Kommentar, [i]Kommentar[/i] ergibt Kommentar. Mit der Eingabetaste („Enter“) erzwingen Sie einen Zeilenumbruch. Ein doppelter Bindestrich (- -) wird in einen Gedankenstrich (–), ein doppeltes Komma (,,) bzw. ein doppelter Akut (´´) werden in typographische Anführungszeichen („ bzw. “) umgewandelt, ferner werden >> bzw. << durch die entsprechenden französischen Anführungszeichen » bzw. « ersetzt.

Bitte beziehen Sie sich nach Möglichkeit auf die Ausgangsmeldung.
Für sonstige Diskussionen steht Ihnen unser Diskussionsforum zur Verfügung.
* Ihr Name:
E-Mail:
(Wenn Sie eine E-Mail-Adresse angeben, wird diese angezeigt, damit andere mit Ihnen Kontakt aufnehmen können.)
* Kommentar:
* Spamschutz:   Hier bitte die Zahl einhundertvierundfünfzig (in Ziffern) eintragen.
 


Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM