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23.01.2008
Gut gebrüllt
Aber auch am IDS ändern sich die Zeiten
Am 22.1.1979 veröffentlichte die "Welt" einen Leserbrief des IDS-Mitarbeiters Manfred Hellmann. Darin wurde dargelegt, daß die Abkürzung BRD keineswegs kommunistischen Ursprungs war und der Diffamierung der Bundesrepublik diente, sondern aus Westdeutschland stammte und dort auch in amtlichen Texten lange in Gebrauch war, bevor sie in Mißkredit geriet.
Vier Jahre später, am 8.8.1983, reagierte die bayerische Staatsregierung und forderte Hellmann und mit ihm das IDS auf, das Kürzel als "Ausdruck einer Spalterideologie von der Existenz zweier sich als Gegner gegenüberstehender deutscher Staaten" in Zukunft zu meiden und auch nicht mehr zu verteidigen: „Die Bayerische Staatsregierung hat schon vor geraumer Zeit für die staatliche Verwaltung angeordnet, daß dieses Kürzel nicht verwendet werden darf, da diese Abkürzung der Ausdruck einer Spalterideologie von der Existenz zweier sich als Gegner gegenüberstehender deutscher Staaten ist.“ (Aktenzeichen B14-415-1, Ministerialdirigent Dr. Jaquet) Hellmann und die beiden IDS-Direktoren, Stickel und Wimmer, wiesen das Ansinnen zurück, teils aus wissenschaftlichen Gründen, teils mit dem Hinweis, es gehe nicht an, staatliche Sprachregelungen auf die Mitarbeiter einer wissenschaftlichen Institution zu übertragen. (Schreiben vom 16.8. bzw. 19.8.1983) Hellmann schrieb u.a.: „Verboten war die Abkürzung 'BRD' bis Dezember 1969 nur in der DDR.“ Bemerkenswert ist, daß das Ministerium genau den Punkt, den Hellmann empirisch-wissenschaftlich widerlegt hatte, per Anordnung wiederum behauptete.
Einige Jahre später übernahm das Institut nicht nur die aus wissenschaftlicher Sicht noch viel unsinnigere staatliche Schreibregelung, sondern setzte sich höchst aktiv für ihre umfassende Durchsetzung ein. Es ist nicht bekannt, daß Mitarbeiter des IDS sich gegen die Reformschreibung wehren konnten oder können, sie wird in allen Veröffentlichungen des Instituts durchgesetzt.
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 20.02.2016 um 21.58 Uhr
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Vor dem Bau der Sundbrücke sagten die Fehmaraner, wir fahren „nach Europa“.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 20.02.2016 um 20.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31725
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Auch die Sprachregelungen in bezug auf die DDR hatten schon einen provisorischen Charakter, so daß an der Ersetzung von nicht mehr aktuellen Begriffen durch neue die jeweilige Anpassungsbereitschaft der Sprachteilnehmer gemessen werden konnte: Sowjetzone, SBZ, Zone, Pankoff, Mitteldeutschland, DDR mit und ohne Anführungsstriche usw. – Political correctness braucht ständige Updates.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.02.2016 um 16.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31724
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Wir haben seinerzeit sehr wohl gespürt, daß "BRD" vornehmlich aus einer bestimmten Ecke ertönte (mit sächsischem Zungenschlag, so habe ich es immer noch im Ohr). Die Nachweise von Hellmann u. a. waren mir insofern wirklich neu. Spiegelbildlich wußten wir, daß "DDR" mit und ohne Anführungszeichen eine Konnotation hatten. Was haben wir zu diesem Thema alles hören und lesen müssen! Warum sollte es Political correctness ante verbum nicht gegeben haben?
"Verwerflich" oder "politisch unerwünscht", darüber will ich nicht streiten. Etwas durfte nicht verwendet und sollte nicht veteidigt werden, das genügt mir. Worauf es ankommt, ist der Übergriff einer staatlichen Stelle auf den Sprachgebrauch und die wissenschaftlichen Ergebnisse eines Forschungsinstituts (dazu noch außerhalb Bayerns und vier Jahre später!). (Daß ich für das IDS keine besondere Sympathie hatte und habe, tut nichts zur Sache.)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.02.2016 um 16.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31723
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Wenn die Juister einkaufen wollen, fahren sie mit der Fähre "nach Deutschland".
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 20.02.2016 um 15.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31722
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Der Vergleich mit der Politischen Korrektheit ist ein Anachronismus und auch sachlich verfehlt. Die Verwendung der Abkürzung BRD galt seinerzeit auch nicht als „verwerflich“ sondern als politische „unerwünscht“ – und das unter CDU- wie unter SPD-Regierungen.
Die „Macht“ der staatlichen Stellen, Sprachregelungen durchzusetzen, beschränkt sich auf die staatlichen Einrichtungen, was ja strenggenommen auch für die Rechtschreibung gilt. Was die Rechtschreibung angeht, hat sich die IDS ja selbst gleichgeschaltet. Das ist eben „progressiv“.
Ansonsten ist die Kabbelei zwischen der bayerischen Staatsregierung und dem IDS ohne Kenntnis der erwähnten Schriftstücke nicht zu beurteilen.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.02.2016 um 13.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31713
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Mitte der 80er Jahre wurden wir in Karlsbad (CSR) von DDR-Bürgern mit der Frage "Sind Sie Bundesdeutsche?" angesprochen.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 19.02.2016 um 11.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31710
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Westdeutschland ist mehr oder minder die ehemalige preußische Rheinprovinz, Ostdeutschland gehört seit 1945 zu Polen. Diese Begriffe auf BRD und DDR anzuwenden war immer schon schräg. In West-Berlin pflegte man zu sagen »Ich fahre nach Westdeutschland«, wenn man eine Fahrt nach München plante. Dagegen hätte sich die Bayerische Staatskanzlei auch auflehnen können.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.02.2016 um 11.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31709
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Das Wort Zone war in der DDR natürlich offiziell sehr verpönt, aber auch im Privaten von den 60er Jahren an nicht sehr gebräuchlich. Gegenüber Gästen aus dem Westen wurde es häufiger verwendet, man wollte sich damit dem westlichen Sprachgebrauch anpassen und zeigen, daß man eigentlich gleichgesinnt war. Wer es sonst im Privaten benutzte, wollte damit besonders explizit und mit offenem Trotz betonen, daß er die DDR nur für ein Übergangsgebilde hielt. Wenn, dann hieß es nach meiner Erinnerung eher Ostzone. Aber es ging nicht immer nur um Politik, im Alltag wurde meistens einfach DDR gesagt, egal, wie man darüber dachte.
Auch das Wort Ostdeutschland durfte man offiziell nicht benutzen, denn es klang ja auch nach vorübergehender Teilung. Und daraus folgte natürlich, daß Westdeutschland auch nicht so recht paßte, obwohl man sich damit nicht gleich als Staatsfeind offenbarte.
Deutschland oder deutsch zu sagen, wenn man damit nur das Nachkriegs-Westdeutschland oder westdeutsch meinte, war dagegen schon ein Sakrileg. Deshalb war BRD für die Machthaber im Osten die ideale Bezeichnung, damit befand man sich als DDR auf gleicher Stufe und grenzte sich gleichzeitig gut ab. Die Leute im Osten wußten schon, daß das Kürzel BRD dem Westen nicht gefallen konnte, weil es den Gedanken der Wiedervereinigung nicht gerade förderte. Aber wie gesagt, man war auch nicht ständig politisch, und so wurde es zur gängigen Bezeichnung im Osten.
Für mich war es nach der Wende einerseits eine Erlösung, kostete aber auch etwas Zeit der Gewöhnung, ganz unbefangen Deutschland und deutsch sagen zu dürfen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2016 um 05.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31704
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Das Interessante ist doch gerade, daß die These, ein Ausdruck sei verwerflich, sich selbst erfüllt. So arbeitet die Politische Korrektheit. Das "Wörterbuch des Unmenschen" prangerte Wörter als nazistisch an, die es nicht waren, aber dieser Nachweis war ganz vergeblich. Etwas bleibt immer haften. Man kann ja auch nicht mehr "Reichskristallnacht" sagen oder "bis zur Vergasung". Heute ist es das angeblich diskriminierende generische Maskulinum. "Völlig unerheblich" – ganz recht, das sagt ja auch die Staatskanzlei. Wer die Macht hat, dekretiert oder versucht es wenigstens. Wissenschaftlern dreinzureden ist allerdings bei uns nicht üblich. Die ganze Geschichte des Gebrauchs von "BRD" nachzuweisen war eine verdienstvolle Arbeit. Das Ergebnis mit einem Machtspruch wegwischen zu wollen finde ich nicht so gut.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 18.02.2016 um 19.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31703
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Ob die Abkürzung BRD in grauer Vorzeit nun kommunistischer oder westdeutscher Herkunft war, ist völlig unerheblich. Bis in die 60er Jahre hinein war es doch im Westen noch weithin üblich, von der Sowjetzone oder der Zone zu sprechen. In der westlichen Welt war es ohnehin klar, wer für Deutschland als ganzes sprach. Ein Bedürfnis, dies auch terminologisch hervorzuheben, bestand daher noch gar nicht.
Erst in der Folge des Linksrucks der 60er Jahre, der Ostpolitik und der Anerkennung der DDR durch immer mehr Staaten ist dieses Bedürfnis entstanden.
Die Einlassungen aus dem IDS zeugen daher entweder von mangelndem politischem und sprachlichem Gespür oder von einer bestimmten politischen Einstellung.
Übrigens: Als im Westen die Bezeichnung Sowjetzone schon so gut wie ausgestorben war, man sich damit zumindest als unverbesserlicher Reaktionär entlarvte, war ich bei einem Besuch in der DDR Mitte der 80er Jahre höchst verblüfft zu hören, wie die Verwandtschaft dort von der Zone sprach.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2016 um 16.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=955#31702
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Ich habe den Haupteintrag etwas erweitert. Die erwähnten Schreiben liegen mir vor, sind aber ein bißchen lang zum Abschreiben. Der rabiate Ton aus der Staatskanzlei ist jedenfalls erstaunlich.
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