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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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20.05.2005
 

Die KMK und der Rat
Zunehmende Chaotisierung

Gestern haben wir in der Arbeitsgruppe Zeichensetzung/Silbentrennung konstruktiv weitergeredet.
Was nicht nur mich beunruhigt: Die KMK will, wie ausgeplaudert wurde, am 3. Juni beschließen, daß die Teile der Reform zum 1. August verbindlich werden, die der Rat bis dahin revidiert hat. Der Rat wird aber, wenn überhaupt, auch erst am 3. Juni zu einer Vorlage Stellung nehmen, die bis dahin nur in einer provisorischen Fassung vorliegen wird. Die KMK müßte ihre Tagung so lange hinauszögern, bis sie wenigstens telefonisch und im Umriß erfährt, was der Rat beschlossen hat, und dann müßten innerhalb von Minuten auch noch die "Verbände", die ebenfalls nichts wissen, angehört und – vor allem! – die anderen deutschsprachigen Staaten sowie die Minderheitsvertretungen von Rumänien bis Chile und Namibia konsultiert werden.
Wahrscheinlicher ist, daß Stillemunkes und Funk bereits eine Beschlußvorlage ausgearbeitet haben, die den Rat übergeht oder nur formal erwähnt, im übrigen aber, wie seit Jahrzehnten, allein die Vorstellungen der Ministerialräte enthält.

Es wird also möglicherweise zur Verbindlichmachung eines doppelten Provisoriums kommen. Infolgedessen wird es auf absehbare Zeit auch keine Wörterbücher geben, denn die Verlage werden abwarten, was im Abstand einiger Wochen jeweils von Rat und KMK verlautet.

Das Ganze kann nur in einer zunehmenden Chaotisierung enden. Was glaubt man eigentlich den Lehrern und Schülern noch alles zumuten zu können?



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Kommentare zu »Die KMK und der Rat«
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Kommentar von glasreiniger, verfaßt am 20.05.2005 um 08.29 Uhr   Mail an
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Das sehe ich im Prinzip auch so.

Ein Aspekt scheint mir aber übersehen: Nichts hält so lange wie ein Provisorium. Diesem Umstand verdankten wir die lange Ruhe in der Rechtsschreibfrage ebenso wie die glückliche Lösung der Hauptstadtfrage (Bonn) bis zu jenem unglücklichen Tag, als man die Deutschen mit Berlin beglückte. Wir verdanken ihm ferner das Grundgesetz in seiner jetzigen Form.

 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 20.05.2005 um 09.20 Uhr  
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Wie schon gesagt: Die Schulen sollen sehen, wie sie zurechtkommen. Die Frustrationstoleranz von Lehrern ist unbegrenzt. In den Ministerien ist schon immer einkalkuliert worden, daß das Fußvolk irgendwie weiterlatscht. Es fragt ja auch nie einer ehrlich nach, wie es mit der Umsetzung all der schönen Ideen von oben im rauhen Alltag klappt. Es ist ein bißchen so wie im Krieg.
 
 

Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 20.05.2005 um 09.59 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=94#202

Streik-Vorschlag für die Lehrer: Rechtschreibung ab 1. August überhaupt nicht mehr korrigieren, bis es wieder endgültige Rechtschreibregeln gibt.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 20.05.2005 um 12.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=94#205

Ja, Herr Koch, darauf wird es hinauslaufen: Im Zweifelsfall lieber keinen ("mutmaßlichen" muß es jetzt wohl heißen bei dem rasanten Wechsel zwischen richtig und falsch...) Rechtschreibfehler anstreichen. Wie im Kriege geht es für den Schützen A....darum, mit heilen Knochen davonzukommen, sprich kein Schulaufsichts- oder gar Verwaltungsgerichtsverfahren an den Hals zu bekommen.
 
 

Kommentar von rrbth, verfaßt am 20.05.2005 um 13.32 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=94#206

Gibt es eigentlich im Netz eine Sammlung von Vorschlägen, wie an der Schule (von Lehrern) Widerstand gegen die Rechtschreibreform geleistet werden kann?
 
 

Kommentar von Jean M. Wittolsheimer Schweiz, verfaßt am 21.05.2005 um 21.53 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=94#210

Eine sicherlich erfolgversprechende Möglichkeit ist der Klageweg gegen die versch(r)obenen Inhalte der Reformgraphie. Das deutsche Grundgesetz garantiert die Freiheit der Meinungsäusserung. Die sogenannte Reform nimmt erhebliche Möglichkeiten durch Tilgung von Worten, Einführung von Beliebigkeiten, eben dem ganzen Seich, was da Reform sein soll. Wie soll denn ein Fall behandelt werden, wenn ein Maturant in einem Aufsatz genau diese Differenzen, auseinandersetzen und auseinander setzen, subtile Kommasetzung usw., in kluger, verständlicher und eben auch bewährter Weise benutzt, und seine Leistung wegen der angestrichenen "Rechtschreibfehler" dazu führt, dass er ein Studium nicht beginnen kann. Selbstverständlich wird hier geklagt, weil ja nicht mangelhafte Kenntnisse, sondern gerade das Gegenteil zum Studienausschluss führt. Wird der Beweis der unrechtmässigen Bewertung inhaltlich kongruent geführt, bin ich mal gespannt, wie die Gerichte bis zum BGH entscheiden. Das hat erstmal gar keine Verfassungsrelevanz für die gesamte Reform, sondern es geht um den konkreten Fall, der ja gut zu bewerten ist. Dann klagt der nächste, usw. Auf diese Weise wird eine Urteilssammlung entstehen, die die Reform langsam aushöhlt, oder besser, auf die sprachliche und schriftliche Realität zurückwirft. Die Reformer sind schon ziemlich naiv, wenn sie davon ausgehen, dass die Gerichte nicht angerufen werden.
 
 

Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 25.05.2005 um 20.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=94#241

Die KMK hat sich heute zu der Erklärung durchgerungen, daß die »Neuregelung der deutschen Rechtschreibung« am 2. und 3. Juni »im Mittelpunkt der Beratungen« stehen werde (zusammen mit drei weiteren Themen). Vor nicht allzu langer Zeit hätte sie nicht einmal zugegeben, daß es da überhaupt noch etwas zu beraten gibt.
 
 

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