Kommentare zu »Den Mensch« |
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 31.01.2023 um 12.45 Uhr
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Das gehört wohl auch zum Thema "wachsende Glieder"/Trochäus.
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 31.01.2023 um 12.42 Uhr
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Teilweise werden ja solche Deklinationsendungen abgeworfen. Interessant ist die Ungleichbehandlung des gleichen Worts in einem Satz. Aber es entspricht möglicherweise dem Inhalt. Das erste Wort "Mensch" bezeichnet einen anderen Menschen als das zweite. Auf der rhetorischen Ebene ergibt das vielleicht Sinn, das ganze Satz ist ja eh nur Rhetorik.
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Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 31.01.2023 um 01.17 Uhr
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Mir ging es ähnlich, ich mußte tatsächlich erst mal überlegen, was hier schiefläuft. Die fehlende Beugung kann ich in vielen Fällen gut vertragen, der Schmerz kommt erst, wenn man es sich grammatisch klarmacht und dann eine Weile hineinfühlt.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.01.2023 um 23.44 Uhr
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Es erinnert mich rein vom Sprechrhythmus her an die häufig gebrauchte Redewendung "den Bock zum Gärtner machen". Vielleicht haben die Autoren diese Redewendung auch unterbewußt im Kopf: Bock zum Gärtner – Mensch zum Menschen. Der Rhythmus ist irgendwie gefälliger, wenn das erste Wort nur einsilbig ist, was natürlich den Fehler nicht rechtfertigen soll.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.01.2023 um 19.21 Uhr
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Was den Mensch zum Menschen macht (Thomas Suddendorf: Der Unterschied. Berlin 2014, Untertitel und Vorwort)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.12.2015 um 06.03 Uhr
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Kritiker Brüsseler Flüchtlingspolitik und vor allem Berliner Entscheidungen sollen wohl eingehegt werden. (FAZ 28.12.15)
Wie bei dem mehrmals besprochenen aus aller Herren Länder glaubt der Verfasser, seiner Kasusverpflichtung genügt zu haben, ohne zu erkennen, daß die "Genitivendung" gar nicht dem Anschluß des Attributs dient. Eigentlich ein kapitaler Fehler, aber weitgehend unbemerkt.
Dieselbe Mechanik führt Feministen dazu, die Lautfolge -er in einem Pawlowschen Reflex zu gendern: Mitgliederinnen, Erstsemesterinnen.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.12.2013 um 20.29 Uhr
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Wer hat Angst vor dem Weißen Hai?
Begegnung mit einem Dämonen
So 2mal auf Seite 78 von ARTE Magazin 12/2013.
Im Original-Untertitel des gesendeten Dokumentarfilms und auf www.arte.tv jedoch: ... mit einem Dämon.
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Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 12.09.2013 um 06.31 Uhr
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In der gedruckten Ausgabe ist aus dem "Platzhirschen" wieder ein "Platzhirsch" geworden. Dafür hat das Korrektorat manche Reformschreibung erzwungen, auf der der Redakteur nicht bestanden hatte. Immerhin hat "behende" den Fleischwolf überlebt ...
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Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 01.08.2013 um 21.48 Uhr
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Das möchte ich durchaus nicht ausschließen, siehe auch die vielen Autos, die gegen einen Masten fahren.
Hinzu kommen noch die vielen Gasthöfe "Zum Hirschen". Diesen Punkt hatten wir schon mal.
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Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 01.08.2013 um 08.40 Uhr
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Der Redakteur einer Schweizer Zeitschrift hat jüngst in einem von mir geschriebenen Artikel "an den Platzhirsch weiterreichen [...]" in "an den Platzhirschen [...]" geändert.
Ich habe natürlich nichts dagegen, denn die Zeitschrift wird für Kunden in der Schweiz produziert, aber ginge das in Deutschland in irgendeiner Publikation noch durch, vor allem wenn der "Platzhirsch" nur als Metapher auftaucht?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2013 um 06.15 Uhr
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Bewunderung für den Mensch und das Wirken des Berthold Beitz (WAZ online 1.8.13, Überschrift)
Es ist anzunehmen, daß den Mensch allein nicht unflektiert geblieben wäre. Die Gruppe Mensch und Wirken verändert die Bedingungen, intuitiv läßt man den Ausgang -en für das Ganze gelten.
Ähnlich ist die "falsche" Konstruktion aus aller Herren Länder entstanden, nur in umgekehrter Richtung. Man könnte von perseverativer vs. antizipativer Ellipse sprechen.
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Kommentar von Pt, verfaßt am 17.10.2012 um 14.53 Uhr
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Meinen die Beispiele wirklich alle dasselbe?
von jemand anderem – von einer anderen Person
von jemandem anders – Dies wurde von jemandem anders gemacht!
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2012 um 12.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#21725
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Erstaunlich ungefestigt ist der Sprachgebrauch in Fälle wie diesem:
von jemand anders
von jemand anderem
von jemandem anders
von jemandem anderen
von jemandem anderem
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2012 um 17.19 Uhr
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Dazu noch ein Nachtrag: Unsere alte Freundin Andrea Nahles versichert, keiner der drei SPD-Kandidaten werde jemals in ein Kabinett Merkel unter einer Großen Koalition eintreten. „Wir wollen gewinnen und den Kanzler stellen. Dann kann Frau Merkel gucken, was sie mit ihrer Freizeit macht.“
Nun, sie wird ihrem Mann das Frühstück bereiten wie bisher, das ist nicht das große Problem für Merkel. Aber mal im Ernst: wie unklug sind doch solche ehernen Thesen! Was sollen denn die Wähler machen, die sich ein Kabinett Merkel mit dem einem oder anderen SPD-Minister recht gut vorstellen können und unter dieser Perspektive gerade noch die SPD wählen würden?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2012 um 16.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#21512
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Gabriel ist ein Politiker mit extremen Stärken und eklatanten Schwächen. Als Vorsitzender gelingt es ihm, seine Partei geradezu besoffen zu reden, und so fährt er gute Parteitagsergebnisse ein. Als Kanzlerkandidat hat ihn indes noch nicht ein einziger Bundestagsabgeordneter empfohlen. (Welt 18.9.12)
= als Vorsitzendem .... als Kanzlerkandidaten ...
Übrigens spekuliert die Rheinische Post:
"Wenn zum Ende der nächsten großen Koalition die Umfragewerte für die SPD besser sein sollten, könnte Gabriel Kanzlerkandidat 2017 werden. Sollte allerdings Hannelore Kraft dann immer noch Ministerpräsidentin in NRW sein, wird der Parteichef möglicherweise ihr die Kanzlerkandidatur antragen müssen."
Die Annahme, daß Gabriel 2017 noch irgend jemandem in Erinnerung sein könnte, ist reichlich kühn. Schon die Überschrift Gabriel noch im Rennen liest sich ja wie eine Grabinschrift.
Bemerkenswert ist allerdings auch die Hilflosigkeit der Journalisten angesichts der Bundeskanzlerin. Ihr jüngster Auftritt sei "kohlesk" gewesen, meint der SPIEGEL, und dieser und andere wortreiche Artikel lassen sich ungefähr so zusammenfassen: Gegen Merkel kann man nicht viel einwenden, aber das kommt schon noch.
Das erinnert an die Süddeutsche Zeitung, in der besonders Nico Fried und Heribert Prantl seit Merkels Amtsantritt versuchten, das unmittelbar bevorstehende Ende ihrer Kanzlerschaft zu beschwören. Seit dies wirklich nur noch lächerlich wirkt, haben sie es beinahe ganz aufgegeben.
Andere Zeitungen haben eingesehen, daß Merkel von außen nicht gestürzt werden kann, meinen aber, sie habe innerparteiliche Kritik nach Art Höhlers zu fürchten. Das ist auch ganz lustig.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.04.2012 um 09.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#20325
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Tatsächlich. Peinlich ... Deshalb vielen Dank für diese Erläuterung :-)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2012 um 09.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#20324
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Herr Wrase dekliniert im Diskussionsforum dieses Paragraphs. Bevor jemand auf den Gedanken kommt, ihm das anzustreichen, möchte ich auf die Regelhaftigkeit hinweisen, der er – vermutlich unbeabsichtigt und darum noch interessanter – gefolgt ist. Die schwache Deklination ist tatsächlich der Tendenz nach auf die Bezeichnung belebter (beseelter, agentischer) Wesen eingeschränkt. Paragraphen gehören nicht dazu, ziehen daher die "normale" starke Deklination auf sich.
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Kommentar von Edelgard Mank, verfaßt am 05.11.2009 um 02.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#15217
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Bürgermeister ehrt Polizist
Diese Überschrift, von uns Korrektoren im Spätdienst routiniert abgesegnet, brachte anderntags den Ressortchef Rhein-Main auf die Palme und wutschnaubend zu uns: Es hätte doch "Bürgermeister ehrt Polizisten" heißen sollen. Nein, denn dann wären es mehrere gewesen.
(Aus den lieben guten Tagen der FAZ, hier: Rhein-Main-Zeitung)
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Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 04.11.2009 um 20.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#15216
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Vielleicht meiden die Wörterbücher diese differenzierende Darstellung auch deshalb, weil hier noch sehr viel im Fluß ist. Was bei Typ wie beschrieben zutrifft, löst sich schon bei Prototyp offenbar in Luft auf.
Vor Jahren hatte ich einmal den Usus per Suchmaschine zu ermitteln versucht, weil mir des, den, dem Prototypen so verwirrend oft begegnet war. Das habe ich nun wiederholt und sehe den Befund bestätigt:
einen Prototypen -einen Prototyp: 40.900 Treffer,
einen Prototyp -einen Prototypen: 29.300 Treffer.
Dieses Ergebnis kann m.E. – bei aller Google-Skepsis – kein reiner Irrläufer sein, zumal es sich ganz mit der Erfahrung im Sprachalltag deckt. Das genannte Kriterium (belebt/unbelebt) ließe sich also zu keiner allgemeinen Regel schmieden und wäre schon darum den Dudenleuten keiner Erwähnung wert.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.11.2009 um 17.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#15215
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Die Affinität von schwachen Maskulina zu Belebtem bzw. sogar zu Personen kann man auch daran erkennen, daß das Wort Typ, wenn es eine Person bezeichnet, überwiegend schwach dekliniert wird (dem Typen, den Typen). Die Dudenwörterbücher stellen diese Verteilung nicht deutlich genug dar.
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 16.11.2007 um 15.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10703
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Manfred Riemer schrieb (912#10650):
»Ich habe ja meine Meinung schon zweimal geschrieben, aber daß sich sonst niemand dazu äußert, macht mich wieder nachdenklich.
Handelt es sich dabei also um Fehler oder um "Fehler" (d.h. um richtige Bildungen bzw. zumindest solche, die man legalisieren sollte)?
Nur wenn dies klar ist, kann man ja Buchtitel wie "Sprache oder Was den Mensch zum Menschen macht" richtig beurteilen
(Ich würde diesen Titel auf den ersten Blick eher für einen absichtlichen Witz / ein Wortspiel als für ein Versehen halten.)«
Auch mich befallen von überallher Zweifel, ob heutzutage in einem Syntagma, Satz oder Text nach Gutdünken die (noch) tolerierte traditionelle und die (schon) zu tolerierende revolutionäre Flexion wegen political correctness durcheinandergewürfelt werden müssen. Dann wäre der Titel ein bedeutendes Zeichen der endgültigen Befreiung aller Schreiber von den Resten (bürgerlicher!) Schreibkonvention.
Rolf Thieroff meint zur Einordnung revolutionärer Flexion von Mensch u.ä. Nomina:
»Und statt von "anerkannter Unterlassung der Deklination" (was einen liberalen Klang hat und sich so anhört, als sei hier etwas nur erlaubt, nicht etwa geboten), sollte man von "nicht anerkannter unterbliebener Unterlassung der Deklination" (was einer "nicht anerkannten Deklination" gleichkommt) sprechen.«
Richtig, sollte man, solange man noch darf.
Der Hirschen und weitere solche (süddt.) Fälle sollten ebenfalls in den Gesichtskreis geraten, wenn Entwicklungsklassen, -tendenzen usw. zu ermitteln bzw. zu vorauszusagen sind. Und auch Texte wie "[...] des Namen sollst du Jesus heißen. [...]" in Mariä Verkündigung.
Eine semantische Subklasse belebter schwach flekierter Nomina gibt es gewiß, nur neben ihr auch eine unbelebter schwach flekierter, so daß das Belebtheitskriterium flexionsmorphologisch keine Scheidungen ergibt. Ein auch nur schüchterner Blick in ein rückläufiges Wörterbuch läßt das rasch klar werden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2007 um 08.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10677
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Heute schreibt die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel über die Jägerei über einen "Hirschen", und auch der Bayer Hans Altmann gebraucht diese schwache Form in seinem Buch "Topologie fürs Examen" ohne Kommentar. Man hört sie gelegentlich, aber meist liest man sie in bayerischen Wirtshausnamen.
In der Süddeutschen steht heute neben dem beinahe schon wieder selbstverständlichen "aufwendig" auch "placieren", was noch hinter "plazieren" zurückgeht. Der Rückbau bei den Laut-Buchstaben-Entsprechungen geschieht inzwischen auf so breiter Front, daß ein verantwortungsbewußter Rechtschreibrat davon Kenntnis nehmen müßte.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 12.11.2007 um 02.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10674
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U. a. schwache Substantive
"Einen Tag, nachdem der spanische Royal dem Präsident gebeten hatte 'den Mund zu halten', bringt Chavez einen neuen Aspekt in die Diskussion." Und: "In einem Kommentar, den die spanische Zeitung 'El Mundo' veröffentlichte, wiederholte der Präsident seine Zänkerei mit dem König: 'Sie mussten ihn Zügeln wie einen Stier, er wurde richtig verrückt', wird Chàvez zitiert." (Welt online, 11.11., 22:41)
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 07.11.2007 um 20.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10652
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Planquadrate
Im Aufsatz von Rolf Thieroff begegnen wir unter anderem in Punkt 2.1 dem Vorurteil, daß der Dichter kein Deutsch kann. Richtiges Deutsch ist nämlich für den Autor das, was einer wissenschaftlichen Untersuchung standhalten kann, letztlich aber auch das, was der Nagezahn des Sprachwandels stehenläßt.
Punkt 3.2 des Aufsatzes enttarnt sich als Suggestionskapitel. Hier konfrontiert der Autor seine Leser dreimal hintereinander mit dem Satz: „Kann und soll man das verbieten?“ Daß derartige Flüsterpassagen nichts mit sauberer Beweisführung zu tun haben, dürfte klar sein.
Um was geht es im Aufsatz? Es geht nicht etwa um „richtig oder falsch“, sondern es geht um das Finden einer Schablone (siehe Punkt 3.1 / Tabelle mit drei Spalten und drei Zeilen), die das Wissen ins Auge springen lassen soll.
Ich persönlich vermisse bei der Tabelle einen Eintrag im neunten Feld (c 3). Hier reicht offensichtlich die Vorstellungskraft nicht aus, um das System mit Leben und Beispiel zu füllen.
Für tauglich halte ich den Aufsatz an den Stellen, an denen Sprachmuster angesammelt, betrachtet und gruppiert werden. Das entspricht dem Handwerk eines Grammatiklehrers in allgemeinbildenden Schulen.
Die Auswertung und Analyse der Sprachfälle empfinde ich allerdings als engstirnig und unvollständig. Sie frönt einer Erwartungshaltung, und sie grenzt ein, anstatt zu öffnen. Intuition und Sprachästhetik werden zu keinem Zeitpunkt erwähnt.
Genau genommen haben wir es hier mit bornierter Wissenschaft zu tun, die zunächst diffamiert, dann den Wandel beschwört und schließlich gänzlich scheitert.
Das war bei der Rechtschreibreform nicht anders.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.11.2007 um 15.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10650
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Wenn mich nicht alles täuscht, dann geht es in dem Aufsatz "Die Bedienung des Automatens durch den Mensch" nur um Standardhochdeutsch.
Es müßte also, wie in den Schulen, möglich sein, die darin angesprochenen Flexionssuffixe hinsichtlich ihrer Richtigkeit zu bewerten. Mir scheint, daß dies (neben der Suche nach Ursachen) auch das Anliegen des Autors war.
Handelt es sich dabei also um Fehler oder um "Fehler" (d.h. um richtige Bildungen bzw. zumindest solche, die man legalisieren sollte)?
Ich habe ja meine Meinung schon zweimal geschrieben, aber daß sich sonst niemand dazu äußert, macht mich wieder nachdenklich.
Nur wenn dies klar ist, kann man ja Buchtitel wie "Sprache oder Was den Mensch zum Menschen macht" richtig beurteilen.
(Ich würde diesen Titel auf den ersten Blick eher für einen absichtlichen Witz/ein Wortspiel als für ein Versehen halten.)
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Kommentar von Tante Hulda (Osnabrück), verfaßt am 07.11.2007 um 08.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10647
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Die RSR hat vor allem dies gebracht:
a) Viele behaupten, sie schrieben nun, wie sie wollten (allerdings dann inkoheränt, etwas ss, dann wieder altes, also in völliger Verständnislosigkeit gemischt);
b) Auf Fehlerhinweise erhält man immer öfter die zunehmend aggressive Antwort, man solle nicht so kleinlich sein, wer sei schon fehlerfrei usw.
Daraus kann man schließen, daß die persönliche Schreibsicherheit gesunken ist und daß die 08/15-Schreiber auf diesen Punkt nicht angesprochen werden wollen.
Man kann aber auch schließen, daß genau dies vielleicht der eigentliche Zweck der ganzen RSR war: Heute schreibt man nicht mehr "richtig" oder "falsch", sondern frei, demokratisiert, proletarisiert. Das Herrschaftsinstrument Rechtschreibung wurde zerschlagen, vom Internet her geht ein Sturzsee aus Schreibfehlern über sie hinweg.
Da dieses Ziel also erreicht ist, geben die Reformbetreiber nun auch den Rückbauwünschen nach, denn hin ist hin.
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 06.11.2007 um 21.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10646
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In Sonderheit: „Der regionale Mensch“
Es gibt im deutschen Sprachraum ja tatsächlich Sonderlichkeiten, die sich der jeweiligen Sprachsituation demütig beugen (dann ist Hochdeutsch angesagt); aber es gibt auch solche, die über alle Lebenssituationen erhaben sind. Im Volksmund sagt man dann: „Da haut der Bauer drauf.“
Als Unterfranke und zugleich Halbhesse kann ich davon ein Lied singen. Viele Menschen habe ich kennengelernt, die ihre Herkunft zu leugnen versuchten, aber dann von der Sprache eiskalt erwischt wurden.
Und auch ich war oft genug für andere eine Lachnummer, nämlich dann, wenn ich dereinst im Rechtschreibunterricht einigen phonetischen Richtlinien zu entsprechen versuchte. Das muß für meine damaligen Schüler eine dauerhafte Belustigung gewesen sein.
Wie das ist mit der Mundart und mit deren lehrhafter Unterbreitung, wissen am wenigsten diejenigen, die im Lehrplan eine Unterweisung in Hochdeutsch und (in Ergänzung) auch in der jeweiliger Mundart einfordern. Jene – es handelt sich um Mimen aus der Kaste der Politiker und Kultusbeamten – täten besser daran, allen Lehrpersonen den Gebrauch ihres Dialektes auf schulischem Geläuf ein für allemal zu verbieten.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.11.2007 um 17.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10645
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Was die Schüler lernen sollen, ist Standardhochdeutsch oder Standarddeutsch, eine Sprache, die nur geschrieben, aber nirgends rein gesprochen wird, außer in klassischen Theaterstücken. Hochdeutsch enthält sprachwissenschaftlich auch die mittel- und oberdeutschen Dialekte und Umgangssprachen. Bei Googel findet man Standard- und Umgangsdeutsch gemischt. Auch in manchen Büchern unserer Dichter findet man Umgangssprachliches. Wollte man das den Schülern vorenthalten, müßte man die deutsche Literaur danach trennen oder Warnhinweise draufschreiben: Dieses Buch enthält auch Umgangssprache. Meist meint man mit Umgangssprache nur deren Wortschatz, aber sie wirkt auch in der Grammatik. Der Rechtschreib-Duden ist da sehr konservativ, im Vergleich von älteren und neueren Grammatiken sieht man die Weiterentwicklung der Sprache eher. Übrigens ist "die Jungens" eine gute Unterscheidung von "die Jungen" als Gegensatz zu "die Alten".
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.11.2007 um 13.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10642
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Man findet mit Google eine Menge Jungens und Mädchens, sogar ein paar Entchens sind dabei.
In der Schule habe ich gelernt, daß ich immer nur entweder richtig oder falsch schreibe. Ich konnte mich weder damit herausreden, daß ich soundsoviele Belege für meine falsche Schreibweise gefunden habe (damals zählte nur der Duden), noch daß irgendeine Tendenz besteht, zum Beispiel eine schwache durch eine starke Beugung zu ersetzen. Hätte ich irgendeine regionale Ausdrucks- oder Schreibweise benutzt, dann hätten meine Lehrer mit Sicherheit gesagt, wir lehren und lernen hier nur Hochdeutsch.
Auch heutzutage ist es meines Wissens noch so, daß Lehrer "Fehler" entweder als richtig oder als falsch bewerten. Weder der alte noch der neue Duden geben einen "Grad der Richtigkeit" für eine bestimmte Schreibweise (zum Beispiel in Kilo- oder Megagoogle) an.
Was soll überhaupt das ganze Gerede von alter und neuer Rechtschreibung, wenn doch sowieso eine "Tendenz" in fast jede beliebige Richtung besteht, mit der man alles rechtfertigen kann? Ein einzelner Hörbeleg reicht in dem hier besprochenen Aufsatz schon aus, den bisher einzig richtigen Genitiv des Automaten in Frage zu stellen.
Man kann gar nicht mehr falsch schreiben. Die Sprache verändert sich eben ständig.
Sicher, die Sprache verändert sich. Aber doch hoffentlich nicht dadurch, daß wir Fehler künstlich multiplizieren, und nicht dadurch, daß niemand mehr wagt, einen Fehler auch als solchen zu bezeichnen?
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 05.11.2007 um 18.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10637
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Der Mensch ganz anders!
Gerne verzichte ich auf das Wissen, das im vorhergehenden Beitrag durch Herrn Schatte vor uns ausgebreitet wurde. Vermutlich verstehe ich das nicht, weil ich wahrscheinlich geistig blockiert bin durch eine andere wissenschaftliche (philosophische) Abhandlung, die mir zudem verständlicher erscheint.
Ich möchte diese hiermit empfehlen: Arnold Gehlen, „Der Mensch“, ISBN 3-8252-1995-X (UTB).
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 05.11.2007 um 15.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10636
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Alle aus Hermann Pauls Werk, diversen Wörterbüchern usw. (Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl., 1885-1892) angeführte Zitate belegen, daß der Terminus Suffix näher zu bestimmen ist, weil unter ihn angehängte Flexeme und Derivateme fallen. Rolf Thieroff hat uns nochmals die linguistischen Minimaldifferenzierungen geduldig dargelegt, die mit dem Terminus Suffix unausführbar sind.
Im Gegenstandsbereich Derivation sollte also von (Derivations)suffixen gesprochen werden, im Rahmen von Flexion von Flexionssuffixen oder gar von Flexemen (im Deutschen hinten, im Griechischen reduplikativ auch vorn); im Gegenstandsbereich der primären Zerlegung von Morphemketten (in Texten, Wörterbüchern etc.) in Basismorpheme und andere, die vorn, hinten, dazwischen oder als Zirkumfix zu den ersten treten.
Von Paul "werden Endungen als Flexionssuffixe bezeichnet". Also nicht als Suffixe?
Rolf Thieroff gibt den Benennungsrat "Wo erforderlich, kann man die einen Flexionssuffix nennen, die anderen Derivationssuffix und damit jeweils eine Aussage(?) über die Funktion des jeweiligen Suffixes machen". Man muß es also – wie Paul glauben machen will – nicht. Und man kann es, "falls erforderlich". Bis dahin bleibt alles Suffix, im Lexikon und anderswo.
"Dass damit eine `Oberklasse für Flexeme und Derivateme mit dem Namen Suffix´gebildet würde, ist nicht zutreffend, zumal da es auch präfigierte Derivateme gibt." Die Oberklasse der Suffixe enthält Flexeme und Derivateme, d.h. prozessual und operational inkompatible Elemente. Im Ausdruck "Oberklasse für Flexeme und Derivateme" ist übrigens kein Allquantor enthalten, er wurde interpretativ oder kreativ in diesen hineingelesen ("zumal da ...").
Bleiben wir beim äußerst umfassenden Begriff des Suffixes, werden deutsche Nomina, Adjektive und Verben in ihrer Flexion suffigiert, und zwar sowohl die suffigierten als auch die nicht suffigierten.
Im "Kritischen Kommentar ..." von Theodor Ickler lesen wir:
"Die Erwähnung von 'Suffixen und Endungen' stellt den Sprachwissenschaftler vor ein kleines Rätsel; wahrscheinlich sind Wortbildungssuffixe einerseits und Flexionssuffixe andererseits gemeint."
Damit bleibt das Wort Endung in seiner Erwähnung eindeutig. Mehrdeutig indessen ist der Terminus Suffix, solange er nicht durch ein Bestimmungsglied präzisiert wird.
"Im Deutschen können Flexionsformen nur durch Suffixe (und Zirkumfixe) gebildet werden. Lexeme können im Deutschen durch Präfixe und Suffixe (und Zirkumfixe) gebildet werden."
Ja, eben. Die einen funktionieren im Lexikon, die anderen in der syntaktischen Funktionalisierung der dort gebildeten Einheiten. Also liegen unumkehrbar nacheinander liegende Prozesse recht verschiedener Art vor, deren Unterscheidung, die uns Rolf Thieroff noch einmal in Erinnerung ruft, der Name Suffix nicht zuläßt.
Die Flexion bestimmter belebter Nomina hat etwas Gemeinsames in den ihren (angehängten!) Flexemen bzw. Flexionssuffixen oder gar – mit Verlaub – Endungen. Die Genitivform des Bürgerlichen vom Adjektivnomen der / das Bürgerliche ist mit zwei Suffixen ausgerüstet. Diese Erkenntnis ist wissenschaftlich wie didaktisch fundamental, weil allgemein und across über die Ebenen und das Lexikon geworfen.
"Oder vielleicht doch nur die simple Unterscheidung von Form und Funktion, wie sie auf allen anderen Ebenen der Sprachbeschreibung üblich ist?" Ja, eben. Der quer über die Systemebenen und das Lexikon (als Beschreibungsebene?) gebreitete Begriff des Suffixes vermag dies nicht zu scheiden, aber alles abzudecken und einiges zu verdecken.
Freilich wurde und wird die Bezeichnung Endung in Grammatiken mißbraucht; so z.B. wenn von Infinitivendungen gesprochen wird. Diese Beschreibungs(un)sitte spricht jedoch nicht gegen die evtl. wenig wissenschaftliche Bezeichnung Endung, sondern gegen einige ihrer Verwendungen / Verwender. Falls diese Bezeichnung inzwischen zu volkstümlich geworden sein sollte, ist sie in richtig linguistischen Texten zu ersetzen durch
(a) Suffix
oder vielleicht besser doch durch
(b) Flexionssuffix bzw. Flexem (im Deutschen immer hinten)?
In ein und demselben Text sollte allerdings entweder die problematische Bezeichnung Endung (im volkstümlichen Text) oder der linguistisch allein tolerable Terminus Suffix (im richtig linguistisch Text) erscheinen. "Wo erforderlich, kann man" diesen dann Flexionssuffix nennen. Dann ist alles wieder klar außer
"Der Terminus Suffix bezeichnet eine Formeigenschaft". Man hätte denken können, er bezeichne ein Element.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.11.2007 um 14.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10635
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Herrscht Einigkeit darüber, was eine schwache Substantiv-Deklination ist? In älteren Büchern findet man: "Außer dem Nominativ Singular enden alle Fälle auf -(e)n." Das wird nur von Maskulina erfüllt. Alle Feminina gehören dann zur gemischten Deklination. Aber schwache Beugung nur bei belebten Substantiva (der Automat, des Automaten usw.)? Tatsache ist aber die Tendenz, 1.) allen männlichen und sächlichen Substantive ein zusätzliches Genitiv-s "anzugeneralisieren" (des Automat{en}s) und 2.) das niederdeutsche Plural-s zu verbreiten (die Jungens), sodaß die schwache Deklination von zwei Seiten verkleinert wird.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.11.2007 um 22.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10622
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Also mal ehrlich, der erste Diskussionsteil war wirklich Käse, und im zweiten geht es stattdessen um Schall und Rauch.
Das eigentliche Thema ist doch, ob diese Fehler tatsächlich nur "Fehler" sind, wie Herr Thieroff schreibt, und ob man das verbieten kann und soll?
Mein erstes Beispiel hat wohl nicht so gut gepaßt, weil niemand so redet. Aber ich habe schon sehr häufig Kinder und auch Erwachsene, wenn sie mit Kindern sprechen, den Nom./Akk. Plural "die Entchens" sagen hören. Wenn "des Automatens" in Ordnung ist, dann werde ich wohl demnächst mit meinen Enkeln (so sie denn hoffentlich bald kommen) auch an den See die Entchens füttern gehen.
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Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 04.11.2007 um 19.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10621
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Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl., 1885-1892 (verfügbar unter http://susi.e-technik.uni-ulm.de:8080/Meyers2/index/index.html):
"Flexion (lat.), 'Beugung, Biegung', besonders im grammatischen Sinn die Veränderung eines Wortes zur Bezeichnung seines Verhältnisses zu den übrigen Satzgliedern. [...] Je nachdem die sinnbegrenzenden Silben vorn, am Ende oder in der Mitte des Wortstammes beigefügt werden, nennt man sie Präfixe, Suffixe oder Infixe. [...] Dagegen wenden die uralaltaischen Sprachen, die drawidischen und überhaupt die meisten Sprachen ausschließlich oder vorherrschend Suffixe an, und die Suffixbildung ist auch in den indogermanischen (z. B. Haus-es, lieb-te) und semitischen Sprachen die Regel. [...]"
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.11.2007 um 18.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10619
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Wie Walter Porzig in "Das Wunder der Sprache" ausführt, konnten die Inder beim Sanskrit zwei Arten von Ableitungssilben unterscheiden: Die Ableitungssilben erster Art bilden mit der Wortwurzel den Wortstamm. Sie wurden von den europäischen Gelehrten "Suffixe" genannt. Die Ableitungssilben zweiter Art bilden mit den so entstandenen Wörtern bestimmte Formen wie z.B. den Nominativ Plural oder die 3. Person des Singulars im Präsens. Sie wurden von den europäischen Gelehrten "Endungen" genannt. Franz Bopp wandte diese Art, Wörter zu zerlegen, auf das Griechische, Lateinische und die germanischen Sprachen an und fand heraus, daß die Formen des Verbums ebenso durch Suffixe und Endungen ausgedrückt werden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.11.2007 um 17.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10618
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Die begriffliche Einengung durch Herrn Schatte ist mir unverständlich. Ich habe "Suffix" in meiner Ausbildung und Berufspraxis nie anders als so kennengelernt und gebraucht, wie auch Herr Thieroff es versteht.
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Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 04.11.2007 um 17.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10617
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Bereits in Hermann Pauls "Prinzipien der Sprachgeschichte" werden Endungen als Flexionssuffixe bezeichnet. Es handelt sich also nicht um ein "Novum" (so Herr Schatte in #10564), sondern um ein "Vetus" oder sogar "Veterrimum".
Im "Glossar" in Herrn Icklers "Normaler deutscher Rechtschreibung" heißt es: "Suffix – Endung, Nachsilbe, z. B. in sagST, ärmLICH, FünkCHEN" (im Original Unterstreichung statt Großschreibung).
Zur Formulierung "Wortstämme, Präfixe, Suffixe und Endungen" im amtlichen Schlechtschreibregelwerk von 1996 (Kapitel "Laut-Buchstaben-Zuordnungen", Abschnitt "Vorbemerkungen", Absatz 2.2) schreibt Herr Ickler in seinem "Kritischen Kommentar": "Die Erwähnung von 'Suffixen und Endungen' stellt den Sprachwissenschaftler vor ein kleines Rätsel; wahrscheinlich sind Wortbildungssuffixe einerseits und Flexionssuffixe andererseits gemeint."
Herrn Thieroffs Doktorvater Peter Eisenberg schreibt im ersten Band seines "Grundrisses der deutschen Grammatik" (3. Aufl. 2006):
"Zur Einführung der letzten Konstituentenkategorie, der Affixgruppe (AfGr), beziehen wir uns auf eine spezielle Eigenschaft bestimmter Flexionsaffixe wie in Brüder+n, fuhr+st oder klein+es. Solche Suffixe [...]" (S. 219).
"Nichtsilbische Suffixe werden generell in die Syllabierungsdomäne des Stammes integriert. [...] Ham-mer – Ham-mer+s, Kun-de – Kun-de+n, leg – leg+st, mü-de – mü-de+s" (S. 330).
Thordis Hennings analysiert in ihrer "Einführung in das Mittelhochdeutsche" (de Gruyter 2001) die ahd. Verbform habêt und spricht hierbei vom "formbildende[n] Suffix (-t)"; dieses sei "die übliche Flexionsendung für die 3. Sg. Indikativ" (S. 3).
Herrn Schatte scheint zu erwägen, zwar Endungen als Flexionssuffixe zu bezeichnen, aber unter Suffixen nur Wortbildungssuffixe zu verstehen. Das wäre widersprüchlich; wer von "Flexionssuffixen" spricht, muß diese als Teilklasse der Suffixe anerkennen.
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Kommentar von Rolf Thieroff, verfaßt am 04.11.2007 um 15.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10616
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Der Terminus Suffix hat mitnichten "rein derivationsmorphologische Bedeutung". Mag sein, dass Christoph Schatte das gerne so hätte, aber deshalb und dadurch wird das noch lange nicht richtig. Der Terminus Suffix bezeichnet eine Formeigenschaft: Suffixe sind – rein formal – gebundene Morpheme, die an Stämme suffigiert werden. Punkt. Wie andere sprachliche Elemente auch, können Suffixe verschiedene Funktionen haben: Es gibt solche Suffixe, die Flexionsformen bilden, und andere Suffixe, die Stämme bilden. Wo erforderlich, kann man die einen Flexionssuffix nennen, die anderen Derivationssuffix, und damit jeweils eine Aussage über die Funktion des jeweiligen Suffixes machen. Eine "besonders hohe Abstraktionsleistung"? Oder vielleicht doch nur die simple Unterscheidung von Form und Funktion, wie sie auf allen anderen Ebenen der Sprachbeschreibung üblich ist?
Dass damit eine "Oberklasse für Flexeme und Derivateme mit dem Namen 'Suffix'" gebildet würde, ist nicht zutreffend, zumal da es auch präfigierte "Derivateme" gibt. Die Trennung von Form und Funktion erlaubt Aussagen wie die folgenden:
– Im Deutschen können Flexionsformen nur durch Suffixe (und Zirkumfixe) gebildet werden.
– Lexeme können im Deutschen durch Präfixe und Suffixe (und Zirkumfixe) gebildet werden.
Das sind Aussagen über Form-Funktions-Zusammenhänge, die mit der Schatteschen Terminologie offensichtlich nicht möglich sind.
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 04.11.2007 um 14.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10615
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Wenn die eindeutige Bezeichnung Endung nicht mehr wissenschaftlich genug ist, müßte sie durchgängig, d.h. immer und überall durch den rein wissenschaftlichen Terminus Flexionssuffix ersetzt werden, auch wenn er etwas unökonomisch ist.
Der Terminus Suffix funktioniert nach wie vor als derivationsmorphologischer und kann daher nicht stehen für Flexionssuffix. Das Partizip suffigiert ist in dieser wissenschaftlichen Neuterminologie nicht mehr allein auf Bildungen wie menschlich bezogen, sondern auch auf Formen wie Menschen. Zu sprechen ist also von einem suffigierten Stamm (wie etwa Mensch-), wenn etwas an ihm dranhängt. Eine besonders hohe Abstraktionsleistung.
Eine Oberklasse für Flexeme und Derivateme mit dem Namen "Suffix" zu bilden, ist vielleicht nicht unbedingt sinnvoll, weil die einen an gegebenen Lexemen operieren, die anderen Lexeme bilden, ableiten adaptieren usw. Was ist gewonnen mit einer gemeinsamen Klasse für Elemente, die einerseits im Lexikon und andererseits in der Morphosyntax fungieren? Läßt sich diese Klasse überhaupt hinlänglich sauber konstituieren?
Gewiß ist jedoch schon jetzt folgende Errungenschaft: Der eindeutige derivationsmorphologische Terminus Suffix gewinnt den von nun an hoffentlich konsequent gewahrten Bezug auf etwas Angehängtes. Manche Suffixe dieser Oberklasse lassen nichts mehr anhängen, andere indessen schon. In welchem Bereich das "Suffix" operiert, ist eher sekundär, denn das Namensgebende ist, daß das Benannte dranhängt. Der (ästhetisch etwas störende, weil nicht latinistische) Termnius Endung ist von nun an durch den allein wissenschaftlichen Terminus Flexionssuffix zu ersetzen, d.h. ausschließlich durch diesen, und nicht nur hin und wieder de gusto durch Suffix, denn dieser Terminus hat immer noch rein derivationsmorphologische Bedeutung.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.11.2007 um 06.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10608
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Kollege Thieroff (wenn er es wirklich selbst ist, der sich hier meldet) hat natürlich recht, und die bisherige Diskussion im Anschluß an meinen Literaturhinweis war wohl auch nicht besonders ernst gemeint.
Ich möchte nur erwähnen, daß dort, wo die Sprachwissenschaft "belebt" sagt, sehr oft "beseelt" stehen müßte und dies wäre natürlich im Sinne von "personhaft" auszulegen. Personen sind Wesen, mit denen man kommunikativ und nicht nur manipulierend umgehen kann. In der Sprache spielt diese Besonderheit eine große Rolle.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.11.2007 um 01.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10607
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Unter anderem vor allem die mehrfach wiederholte Frage: "Kann und soll man das verbieten?", die ja genau deswegen nicht explizit beantwortet wird, weil sie rhetorisch gemeint ist, also die Antwort des Autors – nein – bereits einschließt, zeigt mir, daß dieser Aufsatz nicht einfach nur nach dem Warum fragt, sondern daß er fehlerhafte und (nach meinem Empfinden teilweise schon ans Lächerliche grenzende) Schreibweisen rechtfertigt und geradezu zu deren Nachahmung ermuntert.
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Kommentar von Rolf Thieroff, verfaßt am 03.11.2007 um 20.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10600
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Tja, wenn Worte reden könnten! Oder Leser lesen könnten! Darf man auch die Käse sagen? Nein. Weil kein Mensch die Käse sagt! Und was kein Sprecher sagt, das "darf" man nicht sagen. Aber den Mensch sagen viele Menschen. Und dafür gibt es GRÜNDE. Und der Thieroff hat sich erlaubt, die Frage zu stellen, WARUM das gesagt wird und hat ein paar Antworten darauf gefunden. Ist das denn so abwegig, mal die Frage zu stellen, warum gewisse "Fehler" gemacht werden? (Während andere vorstellbare Fehler [wie die Käse] ja eben nicht gemacht werden?)
Sind Käse und Bäume belebt? Vielleicht. Aber Männer sind sicher belebt, und Pferde und Kellner und Lehrer und Hunde und viele viele andere Maskulina, die stark flektiert werden. Da hat der "Germanist" nicht aufgepasst: Niemand (auch Thieroff nicht) hat je behauptet, dass alles Belebte schwach flektiere. Sondern dass alles schwach Flektierte Belebtes bezeichnet! Und das ist was ganz ganz anderes. Aus A folgt B. Aber das heißt nicht, dass aus B auch A folgte. Oder anders: Aus "Sokrates ist ein Mensch" folgt nicht "Jeder Mensch ist Sokrates". Die ganze Käse-Bäume-Diskussion ist also Käse.
Und was, bitte, ist ein Suffix? Das, lieber Kollege Schatte, können Sie in jedem sprachwissenschaftlichen Lexikon nachschlagen. Bei Bußmann ist sogar explizit von Flexions- und Ableitungssuffixen die Rede. Das "Novum" dürfte wohl doch eher sein, dass Flexionssuffixe plötzlich irgendwas anderes als Suffixe sein sollen.
Ich muss gestehen, dass ich mit der bisher vorgetragenen Kritik an meinem Aufsätzchen herzlich wenig anfangen kann.
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 01.11.2007 um 18.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10566
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Die sog. semantischen Merkmale bzw. Eigenschaften der Grammatik wie der Sprachwissenschaft (z.B. [+belebt]) sind keine der Weltbeschreibung, sondern solche der Sprachbeschreibung. Daß die Sprachen nicht nach den neuesten Erkenntnissen der Biologie, Mikrobiologie etc. kategorisieren, d.h. einfach nicht ganz up to date sind, müssen wir ihnen nachsehen, selbst wenn wir es nicht möchten. Wir können nicht anders.
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Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 01.11.2007 um 18.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10565
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Daß auch Endungen als Suffixe ("Flexionssuffixe") angesehen werden – z.B. von Herrn Ickler –, ist kein "Novum".
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 01.11.2007 um 17.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10564
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Etwas irritierender als die Schreibung ist in dem Aufsatz von Rolf Thieroff (http://www.linguistik-online.de/16_03/thieroff.html) der Umstand, daß bei ihm Deklination bzw. Flexion mit Suffixen stattfindet. Das ist wahrlich ein Novum.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.10.2007 um 23.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10552
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Danke für die Anführungszeichen bei "lebt".
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.10.2007 um 15.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10546
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Vor Jahren gab es juristischen Streit, ob französischer Rohkäse, der noch eine ganze Zeit bei bestimmter Temperatur und Luftfeuchte ausreifen muß, bevor er verkaufsfertig ist, schon als "Käse" nach Deutschland importiert werden darf. Insoweit "lebt" Rohkäse noch.
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Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 30.10.2007 um 15.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10545
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Lebewesen im biologischen Sinne sind die Bakterienkulturen, Hefen und Pilze, aber nicht der Käse selbst. Der ist, wie das Vogelhäuschen, nur ein Behältnis. (Höchstens daneben noch Nahrung und Stoffwechselprodukt.)
Wenn man im Laden nur das "Behältnis" verkauft bekäme, wären sicherlich nicht nur die Gourmets enttäuscht, oder? Der Käse ist doch eigentlich schon das Gesamtprodukt?
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.10.2007 um 11.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10544
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Vielleicht ist der Ausdruck "belebt" in der Sprachwissenschaft nicht exakt. Aber Sie wissen doch, was damit gemeint ist, lieber Germanist, wie sagt man denn in Fachkreisen richtig?
(Siehe das Beispiel mit den "unbelebten" Substantiven auf -e.)
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.10.2007 um 09.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10543
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Bäume können sterben, wenn sie nicht vorher gefällt werden. Haben sie bis dahin nicht logischerweise gelebt?
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.10.2007 um 09.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10541
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Oh, meine Bemerkung war auch völlig ernst gemeint.
Lebewesen im biologischen Sinne sind die Bakterienkulturen, Hefen und Pilze, aber nicht der Käse selbst. Der ist, wie das Vogelhäuschen, nur ein Behältnis. (Höchstens daneben noch Nahrung und Stoffwechselprodukt.)
Als "belebt" im grammatischen Sinne bezeichnet man nicht nur Ausdrücke für lebendige Menschen und Tiere, sondern auch für tote. Nicht nur wirkliche Lebewesen, sondern auch Fabelwesen (der Kobold, die Hexe). Bezeichnungen für lebendige Pflanzen werden im grammatischen Sinne normalerweise nicht als belebt betrachtet.
Bitte korrigieren, falls ich was Falsches schreibe.
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Kommentar von GL, verfaßt am 30.10.2007 um 02.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10539
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Belebter oder unbelebter Käse?
#10537 / Herr T. Bluhme vom 29.10.2007 um 18.12 Uhr
Zur Herstellung des bekannten Vacherin Mont-d'Or, welcher in gewerblichen Käsereien nur im Winter in den Waadtländer Bezirken La Vallée (de Joux) und Morges (beides Schweiz) hergestellt wird:
Der Vacherin Mont-d'Or wird mit einer auf Magermilch gezüchteten Betriebskultur fabriziert, welche eine schnelle Absenkung des pH-Wertes im Käse herbeiführt und die Reifung in die gewünschte Bahn lenken soll. Im Käsekeller werden die jungen Käse mit Hilfe von Oberflächenkulturen gepflegt, die dem Schmierewasser beigefügt werden. Sie enthalten Hefen, Schimmelpilze und die rötlich pigmentierten Brevibakterien.
Die Beschreibung zur Herstellung ist natürlich unvollständig, jedoch kann ein Käser Käse nicht herstellen, ohne diesen nicht zu beleben. Somit ist diese Frage m.E. durchaus nicht lächerlich.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.10.2007 um 23.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10538
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Ich würde sagen, im grammatischen Sinne genauso unbelebt wie ein Vogelhäuschen.
("Unechte" Beispiele wie der Name/Same/Funke/Gedanke/... habe ich hier nicht mitgerechnet, weil sie Doppelformen auf -e und -en haben. Aber es spielt in diesem Zusammenhang sowieso keine Rolle, ob eine Ausnahme für genau ein Wort gilt oder für einige wenige.)
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Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 29.10.2007 um 18.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10537
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Ernst gemeinte Frage: Ist Käse unbelebt?
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.10.2007 um 16.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10536
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Na ja, das ändert aber nichts daran, daß Käse das einzige männliche unter all diesen Wörtern ist, also eine recht deftige Ausnahme.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.10.2007 um 15.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10535
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Die vielen Familiennamen auf "Käs" oder in Zusammensetzungen mit "-käs-" belegen, daß "der Käs" zuerst da war und das "-e" erst später dazukam.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.10.2007 um 11.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=912#10534
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Thieroff plädiert dafür, Deklinationsfehler bei Ausnahmewörtern zu tolerieren, wenn sie dem "normalen" Bildungsmuster entsprechen.
Ein anderes Ausnahmebeispiel:
Auf schwaches e auslautende, unbelebte Substantive sind meist weiblich, wenige sächlich. Dann darf man also auch die Käse sagen, weil es sonst keine männlichen Substantive dieser Art gibt? "Kann und soll man das verbieten?"
Ich meine, ja, denn sonst kann man auch gleich Deutsch durch Esperanto ersetzen, wo alles "normal" und ohne Ausnahmen ist.
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