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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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13.10.2007
 

Das Ding
Eine Stilkritik

Der Verlag Hoffmann und Campe schreibt auf seiner Internetseite zu Doris Lessing:

„Im September erschienen Ihr (!) neuer Roman ‚Die Kluft‘ und die ersten beiden Bände der auf 15 Bände angelegten Werkausgabe.“

Der Roman ist in Reformschreibung gesetzt: „ohne Weiteres“ usw. – das ist nicht schön. Aber was soll man erwarten, wenn der Geschäftsführer zum Lob seiner nobelpreisgekrönten Autorin sagt: „Die hat immer ihr Ding gemacht.“ Wie man so etwas schreibt, ist dann ja ziemlich gleichgültig.



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Kommentare zu »Das Ding«
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 17.10.2007 um 13.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=909#10436

Empfehlung an die FDS: Ganz schnell das Wort "Spitzen-Rechtschreibung" für die Icklersche Rechtschreibung schützen lassen! (In Anlehnung an die "Spitzen-Unis")
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 17.10.2007 um 16.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=909#10438

Frankfurter Buchmesse: natürlich gibt es viele "brave" Verleger, die ihre Bücher freiwillig verhunzen.
Hierzu ein typisches Gespräch – es hat sinngemäß so stattgefunden. (Der Verleger von religiösen Büchern soll ungenannt bleiben.)

Ich: Weshalb verwenden Sie eigentlich die neue Rechtschreibung? Sie müßten das nicht – wie z.B. ich als Verleger von Druckwerken für die Schule.
Verleger: Man muß sich dem Markt anpassen.
Ich: Aber wer ist denn das, der Markt? Will der Markt das denn?
Verleger: Ich nehme an, ja!
Ich: Ich meine, wollen Ihre Kunden das denn?
Verleger: (verlegen) Man muß mit der Zeit gehen. Außerdem gibt es wirtschaftliche Zwänge.
Ich: Sie meinen, die Kunden würden Ihre Bücher nicht mehr kaufen, wenn sie in guter Rechtschreibung gedruckt wären?
Verleger: (noch verlegener) Kann sein.
Ich: Haben Sie das denn untersucht? Haben Sie es probiert?
Verleger: Nein.
Ich: Und dann machen Sie es also trotzdem? Sozusagen auf Verdacht?
Verleger: Das ist halt eben so.
Ich: Und Sie meinen, Sie würden wirtschaftliche Einbußen haben?
Verleger: (unwillig werdend) Das ist halt jetzt eben so! Man muß da realistisch sein (er sagte sicher "muss"). Man kann sich nicht gegen die Zeit stemmen.
Ich: Wieso realistisch? Wenn etwas schlecht ist? Müssen wir es dann machen? Und Sie wissen doch gar nicht, ob Ihre Kunden tatsächlich ...

Da war das Gespräch zu Ende.

Das ist das eine. Das andere: Es gibt sie noch, die guten und schönen Werke in einwandfreier Qualität! Oft dort, wo man sie niemals vermutet hätte. Und in der Stadt Frankfurt, ob in Straßenbahn oder sonstwo, sah ich häufig das vertraute Schluß-Eszett in "muß" oder "daß" oder "Schluß". Nur das Autobahnschild leitete uns auf den "Anschluss Süd", es waren schon die Schildermacher am Werk.

Anläßlich der Buchmesse bin ich endlich losgeworden, was ich meinen Lehrern schon lange auf unserer Homepage sagen wollte. Wen es interessiert, hier ist der Link:

http://www.stolzverlag.de/de_blog_permalink_137.html

Never despair, but if you do, work on in despair.
Edmund Burke
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 27.10.2007 um 13.28 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=909#10515

Doris Lessing, die natürlich nicht dafür verantwortlich ist, daß ihr deutscher Verleger sie in entstelltem Deutsch druckt, ist nun allerdings nicht die einzige diesjährige Preisträgerin. Denn heute wird der bedeutendste deutsche Literaturpreis an den Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach (56) verliehen.
Nach dem letztjährigen Büchner-Preisträger, dem inzwischen verstorbenen Lyriker und Übersetzer Oskar Pastior, der allzu bereitwillig seine Kleinschreibung der konkreten Poesie mit Heysescher s-Schreibung tränkte, schreibt Mosebach konsequent in klassischer Orthographie. Und nicht nur das, er insistiert neben der ph-Schreibung in "Photographie" und "Telephon" auch auf dem "Elephanten" und sogar auf dem – inzwischen zur gerne zitierten Kuriosität gewordenen – "Sopha".

Die literarhistorisch ungebildete Literaturkritik – Frau Pfeiffer-Stolz würde sie wohl "mittelmäßig" nennen – hat nun gequält versucht, dies als Schreibung des späten 19. Jahrhunderts zu erklären. Die viel näheren Bezüge zu Wieland und vor allem zu Crébillons 1742 erschienenem Roman Le Sopha wurden leider nicht immer erkannt. Schließlich finden sich in Mosebachs letztem Roman Der Mond und das Mädchen (August 2007) nicht einfach nur Bezüge zu Shakespeares A Midsummer Night’s Dream, sondern vor allem zu Wielands sprachgewandter Übersetzung Ein St. Johannisnachts-Traum von 1762.

Aber man mag nun zu Mosebachs sprachlichen Manierismen und seiner Selbstverliebtheit stehen, wie man will. Für mich ist jedenfalls die Verleihung des Büchner-Preises an einen Sprachkünstler, der auf elegante und phantasiereiche Weise der offiziellen Falschschreibung gegen das Schienbein tritt, ein auffälliges Zeichen.
Ob heute wohl alle anwesenden, wichtigen und vermeintlich wichtigen Kulturschaffenden und sogenannten Kulturpolitiker wissen, was für ein sprachliches Niveau sie im diesjährigen Preisträger auszeichnen und feiern? Wohl nicht, denn hier dürfte wieder das Motto der Mittelmäßigkeit gelten: Hauptsache, man ist dabeigewesen und kann es nachher den Nachbarn erzählen. Auf Einladungskarten zu Merz-Vortragsabenden druckte Kurt Schwitters in den 20er Jahren den Satz "Sagen Sie es nachher allen, wie nett es gewesen ist" und trat auch damit dem vermeintlich kunstinteressierten, neureichen Publikum der Weimarer Republik gegen das Schienbein.
 
 

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