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02.10.2007
Systematisch „falsch“
Ein willkürlicher Eingriff zeugt weitere
In der Süddeutschen Zeitung las ich in den letzten Tagen immer wieder "am Freitag Abend" und ähnliche Angaben. Das soll nicht zulässig sein, aber wenn es "heute Abend" gibt, muß es logischerweise auch "am Freitag Abend" geben. Daneben natürlich den "Freitagabend", den es schon immer gab.
Nicht so schön sind natürlich die "tönernen Füsse" im selben Blatt, aber das wird immer so weitergehen, das ist wohl nicht mehr zu ändern.
Schlimm treiben es die Germanisten. Bei zweien von ihnen las ich am Wochenende:
"Hermann Paul kommentiert das Problem in den Prinzipien der Sprachgeschichte als ein eher Morphologisches. – Kasuszuweisung von Außen (...) – Sätze entstehen, indem man Wörter zu größeren Einheiten, so genannten Satzgliedern, zusammen fügt. Diese Satzglieder kann man weiter zu größeren Satzgliedern zusammen fügen."
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2007 um 17.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10344
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Eine kleine Beobachtung zwischendurch: Nach alter wie neuer Rechtschreibung soll es heißen "guttun". Aber man findet doch gar nicht selten die Steigerung "das würde dir besser tun" usw. Sollte man dann nicht auch im Positiv getrennt schreiben? (Oder im Komparativ zusammen, aber das gefällt mir nicht so besonders.)
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Kommentar von Mike R., verfaßt am 02.10.2007 um 19.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10345
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In einer Todesanzeige in der Stuttgarter Zeitung von gestern fand sich gar die Angabe "am Freitag Früh" (in dieser Schreibweise).
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 02.10.2007 um 19.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10346
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Eine andere Schreibweise für "am Freitagabend" wäre "am Freitag-Abend". Klare Kleinschreibung erfordert für mich "am Freitag abends". Den Fall: "am Freitag Abend" gibt es eigentlich nicht, entweder man meint "am Freitag-Abend" oder man meint "am Freitag abends", auch als "am Freitag abend" verschriftet. "Am Freitag Abend" meint vermutlich das selbe wie "am Freitag- Abend", nur wird die Durchkoppelung als Ballast empfunden und einfach weggelassen.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 03.10.2007 um 00.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10347
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Freitag abends wird natürlich nicht wahlweise auch Freitag abend verschriftet. Die beiden Wörter abend und abends sind nicht identisch.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.10.2007 um 05.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10348
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Daß man guttun früher zusammen schrieb, hätte ich aus dem Kopf nicht gewußt. Man schreibt doch weh tun, leid tun, warum dann also guttun?
Aber seit mir wegen der Reform erst richtig bewußt wurde, wie gut doch unsere alte Rechtschreibung war, fällt mir auch immer mal eine kleine Ungereimtheit darin auf.
Zum Beispiel würde ich auch gern mal die Meinung eines Germanisten zu Tag und Nacht hören, das man früher auch schon groß schrieb. Aber wenn ich heute nacht arbeite, wieso dann nicht auch tag und nacht arbeiten? Sehe ich das falsch?
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 04.10.2007 um 19.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10355
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Die Frage von Manfred Riemer scheint sich anderen vielleicht auch zu stellen. Hier der Versuch einer Antwort:
Während man im Falle von heute nacht von der Spezifizierung eines Adverbs durch ein zweites ausgeht, sieht man in Tag und Nacht einen sog. absoluten Akkusativ. Die Erweiterung den ganzen Tag und die halbe Nacht (lang) zeigt es. Sie ist den Syntagmen die ganzen Abend / den ganzen Freitagabend (lang) ähnlich. Eine Kleinschreibung von Tag und Nacht wäre also so etwas wie eine Übergeneralisierung der Schreibung des s-losen Adverbs beim Adverb.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.10.2007 um 06.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10357
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Herr Riemer schrieb: "Daß man guttun früher zusammen schrieb, hätte ich aus dem Kopf nicht gewußt. Man schreibt doch weh tun, leid tun, warum dann also guttun?"
Das ist ein Mißverständnis. Die Schreibweise guttun kam nur sehr selten vor, spontan schrieb "man" in fast immer gut tun, für das Herr Riemer aus systematischen Gründen mit Recht plädiert.
Professsor Ickler hatte geschrieben: Nach alter wie neuer Rechtschreibung soll es heißen "guttun".
Er meinte hier also nicht den Befund, welche Schreibweisen tatsächlich vorkamen und bevorzugt waren, sondern das, was jeweils als Vorschrift daherkam. Im Fall der alten Rechtschreibung war das der Duden.
Der alte Duden hat hier, wie an vielen anderen Stellen, den tatsächlichen Schreibgebrauch ignoriert: die Todsünde des Rechtschreibwörterbuchs. Zutreffender wäre die Auskunft gewesen, daß neben der üblichen Schreibung gut tun gelegentlich auch die Schreibung guttun vorkommt. Die Logik hinter der verzerrten Duden-Darstellung ist: Tatsächlich wurde überwiegend Adjektiv + Verb zusammengeschrieben, wenn es sich um eine "übertragene Bedeutung" handelte, wie es der Duden nannte. Anstatt nun schlicht und ergreifend die realistische Auskunft zu erteilen, daß das im Fall der üblichen Schreibung gut tun nicht gilt, hat der Duden seine eigene "Regel" auf diesen Fall angewendet.
Die "wörtliche Bedeutung" der Fügung (mit Akkusativobjekt) wäre: Jemand tut etwas auf gute Weise. Bei der Konstruktion mit Dativobjekt ist aber fast immer gemeint: Etwas hat auf jemanden eine gute Wirkung. Diese Verschiedenheit war dem Duden Anlaß genug, seine scheinbar einschlägige Regel zu exerzieren, anstatt sich nach dem Sprachgebrauch zu richten. Dabei bestand die Verschiedenheit offensichtlich schon in der grammatischen Konstruktion (Dativ- vs. Akkusativobjekt) und brauchte daher gar nicht durch Zusammen- bzw. Getrenntschreibung von gut + tun dem Leser verdeutlicht zu werden.
Diesen krankhaften Umgang mit Rechtschreibung hat die Reform nicht abgeschafft, sondern auf die Spitze getrieben.
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 05.10.2007 um 13.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10359
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Schon bei Grimm steht „guttun“ und ebenso in Dudens Orthographischem Wörterbuch 1880 als „gutthun“.
Die „Reform“ mußte „wehtun“ angleichen, denn sonst hätte man analog zum „Leid tun“ – noch befremdender – auch „Weh tun“ fordern müssen. Nachdem „Leid tun“ wieder zur Hölle gefahren war, hätte man „wehtun“ zurücknehmen können. Stattdessen schafft man eine neue „Systematik“ und drängt uns zusätzlich das ganz unübliche „leidtun“ auf – nur zur kultusministeriellen Gesichtswahrung und wegen des Eisenbergschen Erklärungsnotstandes der traditionellen Form.
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Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 05.10.2007 um 14.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10361
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Hier ist der Befund aus dem DWDS-Kerncorpus:
1900–1919: 6mal guttun, (34+7)mal gut tun, 15 (13) %;
1920–1939: 13mal guttun, (22+9)mal gut tun, 37 (30) %;
1940–1959: 20mal guttun, (20+3)mal gut tun, 50 (47) %;
1960–1979: 14mal guttun, (9+1)mal gut tun, 61 (58) %;
1980–1998: 21mal guttun, (5+1)mal gut tun, 81 (78) %.
Alle Flexionsformen wurden berücksichtigt. Da ich nur solche Belege zählen wollte, in denen guttun / gut tun wirklich "wohltun" bedeutet, mußte ich alle Treffer, die aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Kontext angezeigt werden können, außer acht lassen. Die Zahlen hinter den Pluszeichen betreffen Fälle wie sehr gut tun, in denen Getrenntschreibung besonders naheliegt. Fälle wie Gut tat ihm, daß ... habe ich nicht gezählt, da hier Getrenntschreibung zwingend ist. Ich habe jeweils den prozentualen Anteil der Zusammenschreibung berechnet (in Klammern steht der Wert, der herauskommt, wenn man auch Fälle wie sehr gut tun berücksichtigt).
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 05.10.2007 um 18.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10365
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Aus "Am Freitag am Abend" ist "am Freitag abend" abgeleitet, aus "am Freitag des Abends" ergibt sich "am Freitag abends".
"Ich gehe am Freitag am Abend ins Kino" bedeutet das selbe wie "Ich gehe am Freitag des Abends ins Kino". In diesem bedeutungsmäßigen Sinn war meine Formulierung "auch verschriftet als" in #10346 gemeint. Daß "abend" und "abends" natürlich unterschiedliche Flexionen sind, muß nicht extra betont werden.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 06.10.2007 um 02.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10370
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Google sagt folgendes:
ihr guttun wird 25
ihr gut tun wird 397
mir guttut 609
mir gut tut 42600
Ähnlich bei den Variationen.
Nicht ganz so deutlich ist der Häufigkeitsunterschied bei (mir) gutgetan vs. (mir) gut getan. Während gutgetan sich problemlos liest, bieten guttun oder guttut denselben Anblick wie guttural und irritieren eher das Lesen.
Es sei noch nachgetragen, daß der grammatische Unterschied von jemandem gut tun vs. etwas gut tun (letzteres ist nicht gerade häufig) nicht nur im Kasus des Objekts besteht (Dativ vs. Akkusativ), sondern zugleich darin, daß erstere Fügung meistens ein unpersönliches Subjekt und ein persönliches Objekt aufweist (es tut ihm gut), während es sich bei er tut es gut gerade umgekehrt verhält. Eine Unterscheidungsschreibung guttun vs. gut tun ist also völlig überflüssig, wenn auch nicht schädlich.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2007 um 05.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10371
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Zur Vermeidung des dudengerechten "guttun" mag beigetragen haben, daß das tt nicht gut tut. Man sollte derartige Irritationen nicht unterschätzen. Ich glaube nicht, daß ich gerne "guttat" oder "guttäte" schreiben würde.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 06.10.2007 um 10.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10372
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Genau: "guttun" drängt zur Zusammenziehung und erinnert an "Kattun" mit Betonung auf der zweiten Silbe. Hier stoßen wir auf die Geheimnisse der Sprache. Sie läßt sich nun einmal nicht normen. Wer es dennoch versucht, muß der Sprache Gewalt antun, womit sie Lebendigkeit und Fruchbarkeit einbüßt.
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Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.10.2007 um 12.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10373
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Ich habe bisher immer dudentreu guttun geschrieben, ohne das zu hinterfragen. Der Grund war einfach der, daß es so im Duden geschrieben stand, aber das darf natürlich nie Grund genug sein. guttun verleitet schnell zu der Annahme, auch wehtun, leidtun und nottun sollten besser zusammengeschrieben werden. Ich stimme dem nicht zu und bin zu dem Schluß gelangt, daß wir hier bei der Getrenntschreibung bleiben sollten, da hier tatsächlich wörtliche Bedeutung vorliegt, wir also keine Zusammenschreibung zur Kennzeichnung einer übertragenen Bedeutung brauchen. Ich werde deshalb inskünftig auch gut tun getrennt schreiben.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2007 um 15.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10374
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Um nicht mißverstanden zu werden: beide Schreibweisen kommen häufig vor, und es ist nichts dagegen einzuwenden. Ich wollte bloß festhalten, daß hier wieder einmal 100 Jahre lang gegen eine Dudenfestlegung verstoßen wurde, auch von Leuten, die der "alten" Rechtschreibung und dem Duden wohlwollend zugeneigt waren, und ich habe auch versucht, einen Grund dafür ausfindig zu machen. Aber es liegt mir natürlich fern, die eine Schreibweise zugunsten der anderen zu verdammen.
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Kommentar von Kernkompetenz, verfaßt am 18.10.2007 um 15.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10439
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Guttun erinnert vor allem an die Guttation, klimaabhängige Tröpfchenbildung an Blattspitzen (und zuweilen auch an Germanistennasen).
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 19.10.2007 um 17.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10443
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Gemäß Reform schreibt man: großschreiben, kleinschreiben, usw.
Schreibt man daher reformtreu auch großzuschreiben bzw. kleinzuschreiben?
Z. B.: Wann ist etwas großzuschreiben?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.10.2007 um 17.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10444
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Ja, selbstverständlich!
Es folgt allerdings aus keiner Regel. Aber die Reformer haben von der Zusammenschreibung nicht lassen wollen, weil sie eine Art Markenzeichen ist wie "heute Abend" und Heyse.
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 19.10.2007 um 17.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10445
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Wenn dem so ist, kennen das selbst die Erklärer der neuen Schreibweisen offenbar nicht. Siehe Kieler Nachrichten: www.kn-online.de/artikel/2239119/Von_Sprachen_bis_Tageszeiten.htm
"Nach der alten Rechtschreibung war es oft nicht nachvollziehbar, wann eine solche Wendung groß oder klein zu schreiben war. Neu gilt nun Folgendes: Bezieht sich diese Art der Paarformel auf Lebewesen, meist Menschen, so werden beide Teile großgeschrieben."
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.10.2007 um 17.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10446
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Die Reformpropaganda der Kieler Nachrichten hat mich auch schon amüsiert. Frau Hilliger ist richtig kreativ geworden und macht sich ihre eigenen neuen Regeln:
"Was haben wir, wenn Groß und Klein von nah und fern kommen, um gemeinsam durch dick und dünn zu gehen – egal ob Jung oder Alt? Wir haben einen Satz mit einer Anhäufung von sogenannten Paarformeln. Und für die gilt ab sofort eine neue Regel. Nach der alten Rechtschreibung war es oft nicht nachvollziehbar, wann eine solche Wendung groß oder klein zu schreiben war. Neu gilt nun Folgendes: Bezieht sich diese Art der Paarformel auf Lebewesen, meist Menschen, so werden beide Teile großgeschrieben. Umgekehrt gilt also: Sind es keine Lebewesen, so schreiben wir klein."
Das amtliche Regelwerk weiß nichts von Paarformeln und Sonderregeln für Lebewesen. Die leidgeprüften Schleswig-Holsteiner werden auch dies noch überleben.
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 19.10.2007 um 18.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10447
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Ich kenne Fr. Hilliger nicht, möglicherweise hat sie wirklich diese Interpretation des Regelwerks entwickelt.
Viel eher glaube ich aber, daß es seitens der Propaganda vorgefertigte "Erklärungsbrücken" gibt, aus denen Journalisten, wenn gewünscht, relativ banal schöpfen können.
Umso lustiger finde ich in diesem Kontext Gegensätze, wie im angeführten Beispiel: "klein zu schreiben" vs. "großgeschrieben".
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.10.2007 um 18.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10448
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Eine Belebtheitskategorie gab es bisher nur in den slawischen Sprachen, und da sollte sie auch bleiben, weil sie nur für Maskulina gilt, was heute wirklich nicht mehr angemessen ist.
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 19.10.2007 um 19.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10450
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Das mit den Paarformeln für Personen steht im Duden unter K 72.
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 20.10.2007 um 09.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10452
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Wieso werden eigentlich durch paarige Awendung Adjektive zu Nomen (jung, alt, groß, klein)?
Fr. Hilliger meint (10446): "Nach der alten Rechtschreibung war es oft nicht nachvollziehbar, wann eine solche Wendung groß oder klein zu schreiben war."
Jedenfalls schrieb man früher all diese Adjektive einheitlich klein. Heute tritt die angebliche Erleichterung in Kraft, daß aus Adjektiven, allerdings nur dann, wenn Lebewesen gemeint sind, schwupp-di-wupp Nomen werden. Es handelt sich dabei allerdings um seltsame Nomen, sie harmonieren nämlich überhaupt nicht mit Artikeln.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.10.2007 um 02.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10466
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Mir erscheint die Großschreibung von "Jung und Alt", "Arm und Reich" durchaus plausibel, da diese Wendungen als Subjekt oder Objekt eines Satzes auftreten können, also in typischer Substantivfunktion. Es ist ja auch schwer einzusehen, warum man einerseits "arm und reich", andererseits "Arme und Reiche" schreiben sollte.
Früher begründete der Duden die Kleinschreibung "jung und alt" mit einer angeblichen pronomialen Bedeutung ("jedermann"). Das erscheint kaum überzeugend, denn daß eine Musik Jung und Alt gefällt, heißt noch lange nicht, daß sie jedermann gefällt.
Dagegen werden Wendungen wie "von nah und fern" nur in adverbialer Bedeutung verwandt, was die Kleinschreibung rechtfertigt.
Die alte Dudenregel mit den Paarformeln und die neue Dudenregel mit der Unterscheidung zwischen Lebewesen und Nichtlebewesen erscheinen mir dagegen schief, weil sie an eher zufällige Begleitumstände anknüpfen. So ist bei "von nah und fern" nicht die Paarformel das Wesentliche, sondern der adverbiale Gebrauch, weswegen man ja auch "von fern" klein schreibt.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.10.2007 um 12.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10471
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"Jung und Alt", "Groß und Klein", "Arm und Reich" mögen zwar großgeschrieben werden, können aber keine Substantive sein, weil ihnen alle wesentlichen Eigenschaften eines Substantivs fehlen: Geschlecht (Genus), Begleiter (Artikel), Zahl (Numerus), Beugung (Deklination). Sie sind daher von dem Verdacht, Substantive zu sein, freizusprechen und "irgendwas anderes", für das es noch keinen Paragraphen gibt.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 22.10.2007 um 16.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10477
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Ich möchte zu bedenken geben, daß auch Pronomina als Subjekt oder Objekt eines Satzes auftreten können, aber das macht sie nicht zu Substantiven und rechtfertigt auch keineswegs Großschreibung (jedoch vermute ich, daß das einer der Günde für die vermehrt zu beobachtende Großschreibung in diesen Fällen ist). Obwohl die Bezeichnung "Substantivgroßschreibung" dem herkömmlichen Schreibbrauch nicht völlig gerecht wird (siehe dazu z.B. http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=220 und http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=303), ist sie doch an dieser Stelle sehr hilfreich: Weil es sich bei Pronomina nicht um Substantive handelt, gibt es a priori keinen Grund, sie groß zu schreiben; eine Großschreibung müßte separat begründet werden (wie etwa im Fall von substantivierten Adjektiven).
Ich behaupte nun, daß Pronomina ihre pronominale Funktion verlören, schriebe man sie groß, weil man sie als substantiviert ansieht. (Sähe man sie nicht als substantiviert an, gäbe es keinen Grund für eine Großschreibung. Damit folgt umgekehrt auch aus einer Großschreibung, daß sie als substantiviert anzusehen sind.) Dazu wage ich mich mal auf mir unbekanntes sprachwissenschaftliches Terrain und hoffe, daß es kein Glatteis ist: Betrachtet man die grammatische Struktur eines Satzes, so ergibt sich ein Unterschied, ob an einer bestimmten Stelle ein Substantiv steht oder nicht. Unabhängig von der konkreten inhaltlichen Aussage würde das bedeuten, daß an dieser Stelle des Satzes generell ein Substantiv stehen könnte, das dann als Subjekt oder Objekt fungiert (sofern es nicht in eine Konstruktion eingebunden ist, die diese Funktion ausschließt, etwa mittels einer Präposition). Dieses Subjekt oder Objekt stünde dann für sich selbst und nicht mehr für etwas anderes, es gäbe keine Notwendigkeit und auch keine Möglichkeit mehr, auf etwas anderes zu verweisen. Letzteres macht aber gerade ein Pronomen aus, q. e. d.
(Aus diesem Grund habe ich in meinem neuen Mietvertrag die Großschreibung bei "... so hat der Mieter den Vermieter unverzüglich Anzeige zu machen. Das Gleiche gilt, wenn ..." in "Das gleiche gilt, ..." geändert.)
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 22.10.2007 um 17.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=902#10478
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Zu Herrn Strassers Frage (#10443): Vielleicht wird großschreiben als Rückbildung aus Großschreibung angesehen? (Dann hätte es aber auch immer fertigstellen als Rückbildung aus Fertigstellung geben müssen.)
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