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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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07.05.2007
 

Ewig gestrig
Was heißt da „progressiv“?

Bekanntlich haben einige Verlage sich dafür entschieden, im Zweifelsfalle jeweils die „progressive“ Varianten zu wählen. Das sind fast immer die Schreibweisen von vorgestern.

Es war ja anscheinend das Ziel der Rechtschreibreformer, die orthographischen Zustände früherer Jahrhunderte wiederherzustellen, als ob die ganze Entwicklung ein Irrweg gewesen wäre, der die Schreibnorm mit unbegreiflichen Schwierigkeiten übersät hätte:
1. Großschreibung der Nominationsstereotype (Erste Hilfe)
2. Kleinschreibung rein formaler Substantivierungen (des öfteren, bei weitem)
3. Zusammenschreibung der Verbzusätze (aufwärtsgehen, auseinandersetzen)
4. grammatisches Komma (die Aussicht, allein zu bleiben)

Vorige Woche fiel mir die kostenlose Zeitschrift einer hiesigen sozialistischen Studentengruppe in die Hände, und ich stellt nicht ohne Schmunzeln fest, daß sie in Aufmachung und Stil noch genauso aussah wie vor vierzig Jahren. Man hat alles durchschaut und belehrt den Rest der Welt in schneidendem Tonfall über die kapitalistischen Hintergründe der Ereignisse. Nur die Rechtschreibung hat sich geändert: Die sonst so kritischen Studenten unterwerfen sich dem Diktat von Zehetmair und Bertelsmann ... Gegen den von der GEW verbreiteten Mythos von der Progressivität der reformierten Rechtschreibung kommt niemand an. Nützliche Idioten.



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Kommentare zu »Ewig gestrig«
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Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 07.05.2007 um 10.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=834#8456

Ein Beispiel für das im letzten Absatz angeführte Phänomen findet sich z.B. hier.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.05.2007 um 22.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=834#8470

Indem daß die "heutige" Rechtschreibung die von vorgestern ist, sind deren Anhänger die "Vorgestrigen" und die "Gestrigen" die Moderneren.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 04.04.2013 um 02.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=834#22919

In neueren Bibelausgaben wurde laut bibleserver.com so daß nicht durch so dass ersetzt, sondern gleich durch sodass. Die Schreibweise soll wohl besonders korrekt sein (Dudenempfehlung). So prangen in der Einheitsübersetzung 382 sodass, und "Luther 1984" kommt sogar auf 406 sodass.

Früher stand einer sodass-Stelle oft eine andere Konjunktion, zum Beispiel einfach und. Vergleiche 2. Mose 10,27:

Vulgata
induravit autem Dominus cor Pharaonis et noluit dimittere eos

Luther 1545 (Ausgabe letzter Hand)
Aber der HERR verstockt das hertz Pharao / das er sie nicht lassen wolt.

Luther 1912
Aber der HERR verstockte das Herz Pharao daß er sie nicht lassen wollte.

Luther 1984 (mit reformierter Rechtschreibung)
Aber der HERR verstockte das Herz des Pharao, dass er sie nicht ziehen lassen wollte.

Schlachter 2000
Aber der Herr verstockte das Herz des Pharao, so daß er sie nicht ziehen lassen wollte.

Elberfelder Bibel
Aber der HERR verstockte das Herz des Pharao, so dass er nicht bereit war, sie ziehen zu lassen.

Einheitsübersetzung
Der Herr verhärtete das Herz des Pharao, sodass er sie nicht ziehen lassen wollte.

English Standard Version
But the Lord hardened Pharaoh’s heart, and he would not let them go.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.04.2013 um 11.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=834#22921

Septuaginta griechisch
esklärynen de kyrios tän kardian Pharaoo, kai ouk eboyläthä exaposteilai aytous.

Septuaginta deutsch
Der Herr aber verhärtete das Herz Pharaos, und er wollte sie nicht entlassen.

Zürcher Bibel
Aber der Herr machte das Herz des Pharao hart, und dieser wollte sie nicht ziehen lassen.
 
 

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