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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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02.02.2007
 

Rührend
Das große Einvernehmen

Es ist sicher nicht immer böse gemeint, wenn Journalisten sich mit der reformierten Schreibweise brüsten.
In der Ostthüringer Zeitung spottet Michael Groß über eine Kulturzeitschrift, in der „die neue Rechtschreibung noch nicht angekommen ist“. Offenbar glaubt er, in der OTZ sei sie angekommen. Das hat was Rührendes. Wie sich da ganz unten das große Einvernehmen herstellt – mit der Staatsmacht, mit dem „Fortschritt“, mit der großen Unwissenheit …



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Kommentare zu »Rührend«
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 02.02.2007 um 09.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=787#7563

Es sind aber gerade jene Äußerungen, die auch die letzten Bastionen der klassischen Rechtschreibung zum Einsturz bringen. Lächerlich will niemand sein. Mitmachen ist alles, auch wenn man nicht weiß, wobei. Und das ist die Regel.
Die Erkenntnis aus der sog. Rechtschreibreform ist vor allem die: Menschen kapieren nicht den Bruchteil dessen, worüber sie reden. Alles ist hohles Wortgeklingel und blödes Geschwätz.
Auf diese Weise mischt sich der Mensch in alles ein und will selbst Naturgesetze aushebeln in seinem Größenwahn. Was hört man nicht täglich Haarsträubendes aus Politikermund zu Marktwirtschaft, Klimaforschung, Gesundheitswesen, Pädagogik … Doch wer denkt schon selbst nach und entlarvt den Unsinn? Jeder plappert nach, was er gehört hat, jeder Journalist schreibt vom anderen ab. Alle machen mit!
Und dann läuft alles aus dem Ruder. Spätere Generationen, die das Aufräumen besorgen müssen, feixen dann über die "doofen" Vorfahren, die sich so hinters Licht haben führen lassen … Die Geschichte wiederholt sich unablässig. Und niemand merkt es.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 02.02.2007 um 19.03 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=787#7572

Gemäß den alten flotten Sprüchen

In der inzwischen still an Insuffizienz verschiedenen DDR gab es auch im Thürinigischen bekannte und nach wie vor hochaktuelle Sprüche wie: "Wo wir sind, ist vorn, und wenn wir hinten sind ist hinten vorn" (Dialektik und so) bzw. "Jeder macht, was er will, keiner macht, was er soll, alle machen mit!" (Holistik und so).

Natürlich kann ein Schreiberling der OTZ nicht überblicken, was für ein Spiel da "an uns (und ihm) vorübergeht". Er wirft wie ein Kind halt auch mal eins der kostenlos zur Verfügung gestellten Steinchen der Diffamie. Will doch auch er in seinem Un(ter)bewußtsein "vorn" und "in" sein. So plappert er halt in aller geistiger Unschuld vor sich hin und verhilft der Deform auch im Ostthüringischen zu ihrem unverdienten Ansehen.

Wenn der RTL-Kommentator bei der Vier-Schanzen-Tournee "den Reisig" auf der Schanze sieht und der verdiente Skispringer Thoma gar nicht nachkommt, die Sprachfehler dieses – Gott sei’s geklagt – "Kommentators" zu korrigieren, spricht das eher dafür, daß die Journaille heute eher Sprachohnmächtige präferiert. Sprachsensible haben in diesem Geschäft keine Chance und werden im allgemeinen Gelaber ohnehin nicht verstanden. Wer würde heutzutage einen Egon Erwin Kisch schreiben lassen?!
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 05.02.2007 um 09.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=787#7588

Spätere Generationen werden sich dann wieder dieses Geschwätz bieten lassen müssen: "Wir haben doch von alldem nichts gewußt!" — tja.

In Österreich gibt es eine Ladenkette, die heißt Billa und gehört zur Rewe-Gruppe. Billa wirbt jetzt mit einem sehr langweilig und frustriert wirkenden Mann vom Typus "ungehörte Vernunft", der nennt sich "Ihr Hausverstand". Dieser Hausverstand suggeriert den Billa-Kunden, daß diese öfters auf ihn hören und folglich mehr bei Billa kaufen sollten.

Und der Herr Hausverstand, der die Reformschreibung eigentlich zum Teufel jagen würde, der schreibt in Neuschrieb. Deshalb nehme ich ihm auch nicht ab, daß die Karotten vom Billa besonders gut sein könnten.
 
 

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