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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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31.12.2006
 

Folgen für die Literatur
Der „Rechtschreibfrieden“ könnte sich als trügerisch erweisen

Die weitere Entwicklung zeichnet sich ab, wenn man folgende Ergebnisse einer Auszählung betrachtet, die mir Dr. Martin String (Lüneburg) freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat:

Im Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz wurden 1996 – abgesehen von der ss-Schreibung und ohne Wiederholungen – durch die Reform 131 Wörter „falsch“.

Davon sind 107 durch die Revision von 2006 wieder anerkannt; zusätzlich gelten 33 Reformschreibungen von 1996 nunmehr als falsch.

Die Duden-Empfehlungen von 2006 stellen in 47 Fällen von jenen 107 die alten Reformschreibweisen von 1996 wieder her.

Martin String führt einen Beispielsatz an: Es tut mir leid, aber Sie müssen sich mit Ihren selbstverschuldeten Fehlern auseinandersetzen und sie richtigstellen, wenn Sie vorwärtskommen wollen. In diesem durchaus unauffälligen Satz sind laut Reform 1996 fünf Schreibweisen falsch, laut Revision 2006 sind sie wieder richtig und die zehn Jahre zuvor verordneten Schreibweisen falsch.



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Kommentare zu »Folgen für die Literatur«
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Kommentar von Herrmann Müller, verfaßt am 31.12.2006 um 23.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7125

Zitat:

Martin String führt einen Beispielsatz an: „Es tut mir leid, aber Sie müssen sich mit Ihren selbstverschuldeten Fehlern auseinandersetzen und sie richtigstellen, wenn Sie vorwärtskommen wollen.“ In diesem durchaus unauffälligen Satz sind laut Reform 1996 fünf Schreibweisen falsch, laut Revision 2006 sind sie wieder richtig und die zehn Jahre zuvor verordneten Schreibweisen falsch.

Ganz richtig. – Man sollte mal prüfen, ob die Lehrer und die Schüler den genannten Satz korrekt schreiben können! Nach meiner persönlichen Einschätzung würden wir da sogar bei den Deutschlehrern unser blaues Wunder erleben.

Wenn ich nur daran denke, daß mir ständig gesagt wird, man dürfe „Differentialrechnung“ nur noch mit „z“ und selbständig nur noch mit Doppel-„st“ schreiben …
 
 

Kommentar von Julian von Heyl, verfaßt am 01.01.2007 um 16.28 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7133

Meiner Meinung nach sind nur vier der fünf Schreibweisen unterdessen falsch, bei selbstverschuldet müsste die Variante selbst verschuldet weiterhin richtig sein. Bei der Dudenredaktion ist man bei dieser Frage schlecht aufgehoben, besonders im Vergleich zwischen Band 1 und Deutsches Universalwörterbuch gewinnt man den Eindruck, dass beim Thema „selbst…“ jedwede klare Linie verlorengegangen ist. So hält der Duden Band 1 in seinen Empfehlungen unbeirrt am selbst gebackenen Brot und am selbst ernannten Experten fest, führt die Schreibweisen selbstgebacken und selbsternannt aber immerhin mit auf.

Im DUW hingegen finden sich die Schreibweisen selbstgebacken und selbsternannt ohne die alternativen Auseinanderschreibungen, dafür sind hier unter dem Stichwort „selbst“ wiederum selbst gebackenes Brot und selbst ernannter Experte als Anwendungsbeispiele aufgeführt (und das wiederum, ohne die Zusammenschreibungen als Alternative anzugeben). Wir lernen also, dass aus der Abwesenheit einer Schreibvariante unter einem Lemma im DUW nicht zwingend folgt, dass es diese nicht gibt.

Als Indiz für die Hilflosigkeit des Duden mag auch die Erklärung von „selbstverschuldet“ im DUW mit „auf Selbstverschulden zurückzuführen“ dienen. Damit wählt die Dudenredaktion (statt „eigenes Verschulden“) ganz untypisch ein Substantiv, das sie im eigenen Eintrag als „Amtssprache“ geißelt, und lässt das moralisch-philosophische Bedeutungsfeld des Adjektivs so zur schnöden Haftungsfrage schrumpfen. Völlig lächerlich wird es, wenn unter „selbst“ das Beispiel ein selbst erwähltes Schicksal aufgeführt wird, während wir unter dem Eintrag „selbsterwählt“ dann erfahren, dass es sich bei diesem Adjektiv um „gehobenes“ Deutsch handele. Darf man daraus schließen, dass der Duden hier für eine Zwei-Klassen-Sprache plädiert, bei der „selbsterwählt“ für diejenigen reserviert ist, die sich einer „gehobenen“ Sprache bedienen, während Krethi und Plethi ruhig „selbst erwählt“ schreiben sollen?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.01.2007 um 17.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7134

„Selbst“ kann auch „sogar“ bedeuten, das führt auch der Duden auf. „Selbstgehäkelte Pullover mag er nicht“ vs. „selbst gehäkelte Pullover mag er nicht“. Der Leser sollte bei letzterem nicht ins Grübeln kommen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 01.01.2007 um 17.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7135

Gut beobachtet: Offenbar hat es sich auch in Mannheim herumgesprochen, daß „Orthografie“ nur für die misera plebs gut genug ist.
 
 

Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 01.01.2007 um 19.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7136

Vor Jahren schrieb ich auf meiner Schriftdeutsch-Website hierzu:

Nach der zwangsreformierten Schulschreibung soll es aber künftig auch bei Adjektiven und Partizipien keinen Unterschied mehr machen,
1. [...]
2. ob ich an einem Marktstand selbst (,in eigener Person‘ oder ,sogar‘) gebackene oder selbstgebackene (,als Hobbykoch‘) Nikoläuse verkaufe;
[...]
Besonders interessant ist das zweite Beispiel, das sich leicht durch weitere Kombinationen mit selbst („selbst gebastelter Weihnachtsschmuck“, „selbst gebrannter Schnaps“, „selbst gestrickte Pullover“ etc.) ergänzen läßt: Hier ist bereits die konventionelle Schreibung potentiell doppeldeutig, da sich selbst sowohl auf das Subjekt (also ich) als auch in der Bedeutung ,sogar‘ auf das Objekt (hier die Nikoläuse) beziehen kann. Es ist das zweifelhafte Privileg der „Reform“, diese zwei möglichen Bedeutungen noch durch eine dritte ergänzt zu haben: selbst soll sich jetzt auch auf das Partizip (also gebackene) beziehen können!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.01.2007 um 22.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7137

selbst = sogar steht schon im Duden von 1955.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 02.01.2007 um 10.22 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7138

Homonyme / Homographe sammeln

In diesem Forum wurde bisher am Beispiel der illokutiven bzw. expositiven Partikeln wohl, recht, selbst deutlich, daß die von der RSR eingeführte radikale, mittlerweile "fakultative" Getrenntschreibung wie selbst berufen (in allen möglichen Bedeutungen) Mehrdeutigkeiten installiert, wo vordem Schrifteindeutigkeit vorlag. Man könnte nun auf diesem Wege – in Rückverfolgung der Ergebnisse der Partikelforschung – leicht ermitteln, bei welchen weiteren Partikeln die (fakultative) Getrenntschreibung genauso unsinnig ist. Damit entstünde eine Liste von Homonymen bzw. Homographen, die den Reformern nie durch den Kopf gegangen ist, weil sie halt sowohl die Grammatik als auch die Rede (Illokution) ausblendeten, um den so getrübten Blick starr auf die sekundäre, d.h. resultierende Schreibung zu richten.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.01.2007 um 18.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7142

Weitere Homonyme für die Sammlung "Partikel mit 2 Bedeutungen":
(Bedeutung bei Getrenntschreibung in Klammern): allein (nur), bloß (nur), daneben (gleichzeitig), davor (vorher), gerade (soeben), gleich (sofort), kurz (kurzzeitig)

Der größte Blödsinn war wohl das Kriterium der Steigerbarkeit für die Getrenntschreibung.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.01.2007 um 00.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7156

Besonders deutlich wird der Bedeutungsunterschied zwischen Zusammen- und Getrenntschreibung bei der Verneinung: Bei Getrenntschreibung müßte eine mathematische Klammer den verneinten Ausdruck umschließen, sonst wirkt die Verneinung nur auf das ihr unmittelbar folgende Wort: "nicht übelgenommen" vs. "nicht übel genommen", bei welchem "(nicht übel) genommen" verstanden wird, aber eigentlich "nicht (übel genommen)" gemeint ist.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 04.01.2007 um 19.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7161

Mathematik für Geisteswissenschaftler

Lieber Germanist,

mit der Erinnerung an die hier keinesfalls logisierende mathematische Notation könnten sie bei einigen Humanisten, sprich: Geisteswissenschaftlern, gewaltig ins Fettnäppfchen treten. Es gibt EU-Länder, in denen das Mathematik-Pflichtabitur mit der Begründung abgeschafft wurde, Humanistischem Zuneigende nicht mit Mathematik und ähnlich Inhumanem drangsalieren zu wollen.
In dieser humanen Gangart läßt sich auch keine einfache (hauptschulgerechte o.ä.) Mengenregel nach Null-, All- und Teilmenge für die Flexion von Adjektiv(partizipi)en nach quantifikativen Indefinita mehr installieren. Die Folge: Ein großer Teil der jüngeren Sprecher des deutschen weiß nicht, ob einiger/vieler/weniger gewohnheitsmäßig schlafend an der Decke hängende Fledermäuse korrekt ist oder auch nicht. Die Duden-Grammatik gibt dazu eine Menge (höchst deskriptiver) Regeln und noch mehr Ausnahmen an, die offenbar dem Milchman in "Der Fiedler auf dem Dach" abgekupfert wurden.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.01.2007 um 23.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7162

Verneinung von Wortgruppen
Statt mathematischer Klammerzeichen (in welcher Form auch immer) bräuchte man nur doppelte Leerstellen einzuführen, um beim Lesen die vom Sinn her nötigen Pausen von den Wortgrenzen zu unterscheiden.
Die neue Rechtschreibung mit ihren neuen Wortgruppen wurde ausdrücklich für die Schüler gemacht, und die lernen gleichzeitig Mathe. Wenn auf den Tastaturen die boolschen Zeichen für AND, OR, NOT wären, würden die Schüler sie benutzen, um z.B. "2 B OR NOT 2 B" noch kürzer zu schreiben.
Viele Leute studieren eine Geisteswissenschft, um der Mathematik zu entkommen. Früher gehörte die Mathematik zur philosophischen Fakultät, also zu den Geisteswissenschaften.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 05.01.2007 um 09.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7163

... bräuchte man nur doppelte Leerstellen einzuführen ...

Wenn man sich etwas wünschen könnte, wäre es nach meinem Dafürhalten eher ein leichtgewichtiges Zeichen für den Glottisschlag, der gleichzeitig eine Hilfe für das maschinelle Trennen wäre von Wörtern wie er-obern. Müßte man es immer mitschreiben, wären auch die "schwierigen" Trennungen wie Dem-agogie leichter zu vermitteln.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 05.01.2007 um 10.00 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7164

spiritus asper

Das von Glasreiniger vorgeschlagene Zeichen hatten die Griechen mit dem spiritus asper. Soweit sich sehen laßt, quälten sie keine Orthographieprobleme, aber freilich auch keine RSR. Den spiritus asper fürs Deutsche einzuführen scheint jedoch ein recht gewagtes Unterfangen. Ein wenig anders verhält es sich mit der Rückkehr zu zwei s-Schreibungen – wie sie Herr Wagner vorschlägt –, die ebenfalls als Analogie zu den zwei Sigma-Graphemen des Griechischen angesehen werden kann.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 05.01.2007 um 11.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7165

Ein Spiritus lenis wäre mir schon nicht leichtgewichtig genug. Im Handschriftlichen hat man eine Möglichkeit, die meiner Vorstellung nahe kommt, nämlich ohne Buchstabenabstand neu anzusetzen. Natürlich ist auch die Unterscheidung beim s zwischen der Endform und der Langform eine gute Lösung, aber eben nur für den Buchstaben s. Im Russischen gibt es auch Lösungen für das Problem (Verhärtungs- bzw. Verweichungszeichen).

Das Problem mit der Auslautverhärtung wird auch an folgendem Wort deutlich: "todernst", das gesprochen "tot-ernst" lautet. Warum die Reformer sich mit dieser Form der Abweichung der gesprochenen von der geschriebenen Sprache gedrückt haben, ist mir schon klar. Aber es macht doch deutlich, mit wie wenig Sinn für die wirklichen Probleme für Schreibende sie vorgingen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.01.2007 um 12.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7166

Die meisten indogermanischen (indoeuroäischen) Sprachen leisten sich zwei s-Zeichen. Folglich haben auch wir das Recht darauf. Das wäre mal ein nützlicher Anglizismus und eine sinnvolle Verwendung für das c. Durch den zunehmenden Kontakt mit slawischwen Namen und Wörtern gibt es sowieso oft Probleme mit dem c vor k und a, o, u, das slawisch (und litauisch und lettisch) immer [ts] gesprochen wird.
Die Griechen schreiben das zweite stimmlose s nur am Wortende.
Aber sie haben das Zeta zum stimmhaften s umfunktioniert. Das begann schon beim Bibelgriechisch und findet sich in Spanisch, Französisch, Englisch, Niederländisch und über das Altkirchenslawische in allen slawischen Sprachen und Litauisch und Lettisch.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 05.01.2007 um 19.59 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7169

Wir haben doch schon zwei s-Zeichen: das s und das ß. Wollen wir noch mehr?
Im Englischen und Französischen gibt es s und z. Allerdings ist die Unterscheidung zwischen stimmhaften und stimmlosen s-Laut recht unsystematisch. Das z steht zwar immer für den stimmhaften, das s kann aber sowohl für den stimmhaften als auch für den stimmlosen Laut stehen. Im Russischen besteht dagegen eine klare Unterscheidung.
Im Deutschen besteht leider die Lücke, daß das ß nicht am Wortanfang geschrieben werden kann. Deshalb kann man (z.B. Adenauer bei Sowjet) in Transkriptionen aus Fremdsprachen oft nicht erkennen, ob das s stimmhaft oder stimmlos ausgesprochen wird (ßowjet wäre eindeutig).
Für den ts-Laut haben wir im Deutschen das z. Bei Transkriptionen aus kyrillisch geschriebenen Sprachen ergibt sich kein Problem. Bei lateinisch geschriebenen slawischen Sprachen besteht das Problem darin, daß eben nicht transkribiert sondern die ursprüngliche Schreibung übernommen wird. Daran würden noch so viele Buchstaben im Deutschen nichts ändern.
Weichheits- und Härtezeichen im Russischen haben hiermit nichts zu tun. Sie bezeichnen die (Nicht-)Palatisierung. Das Härtezeichen ist übrigens durch die russische Rechtschreibreform fast völlig ausgerottet worden.
Ein Schreibung des "Glottisschlages" (Knacklaut im Vokalanlaut) im Deutschen wäre redundant, da dieser durch die Ausspracheregeln eindeutig festgelegt ist und keine bedeutungsunterscheidende Funktion hat. Im Arabischen ist er dagegen ein vollwertiger, bedeutungsunterscheidender Konsonant, wird aber – wenn ich mich nicht irre – trotzdem nicht immer ausdrücklich gekennzeichnet.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 05.01.2007 um 20.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7170

@Herrn Achenbach: Tut mir leid, daß ich nochmal auf meinem Punkt insistieren möchte. Der Glottisschlag ist eben nicht aus der Schreibung erkennbar, auch nicht, wann auf ein Wortbestandteil die Auslautregeln anzuwenden sind, und wann nicht, desgl. für die Vokallänge.

Bsp.: Weggang - Weggabelung - wegarbeiten, todelend - Todesverachtung, erinnern - Erich, Verein - Veranda

Ausnahme: das bekannte Meßergebnis bei herkömmlicher Rechtschreibung

Wenn ich meinem Sohn vorlese, passiert es mir immer wieder, daß ich eine derartige Stelle überbügele. Wie verfahren da professionelle Sprecher, z.B. im Rundfunk?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.01.2007 um 20.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7171

Wie ein s (vor Vokal) am Wortanfang ausgesprochen wird, ist immer klar: stimmhaft, jedenfalls im Standarddeutschen. Man kann nicht erwarten, daß die deutsche Schrift und Orthographie auch noch die geeigneten Mittel zur Transkription aller erdenklichen Fremdsprachen bereithält. Das schafft keine nationale Schrift, dafür haben wir die internationale Umschrift. Ich finde, auch in bezug auf die Schreibung der s-Laute waren wir bisher gut bedient. Die grammatische Überformung der Grundregeln (daß/das, dazu das Silbengelenk) war für Anfänger ein bißchen schwierig, aber das ist jetzt eher noch schwieriger. Gerade habe ich einen Stapel Klausuren nachgesehen: massenhaft Verwechslungen bei "das"/"daß", dazu "Einflüße" usw. Mehr Unsicherheit war nie.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.01.2007 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=758#7179

Das immer stimmhaft gesprochene s am Wortanfang führt bei Fremdwörtern zur Zwangseindeutschung der Aussprache, z.B. bei englischen und französischen Fremdwörtern. Einmal hat es sich auch als großer Nachteil erwiesen: Gegen Ende des Mittelalters und am Anfang der Neuzeit, als es noch keine internationale Umschrift gab, wurden einige Texte und ein Vokabular der westbaltischen Sprache Altpreußisch, die keine Schriftsprache besaß, in einer am Deutschen orientierten Orthographie aufgezeichnet. Um das Jahr 1700 ist die Sprache ausgestorben. Diese altpreußische Orthographie konnte, weil sie auf dem Deutschen beruhte, nicht zwischen /s/ und /z/ im Anlaut unterscheiden; beide wurden als <s> wiedergegeben. Erst durch spätere Vergleiche mit verwandten Wörtern in den ostbaltischen Sprachen Litauisch und Lettisch konnte die richtige baltische Schreibweise des Altpreußischen rekonstruiert werden.
 
 

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