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31.10.2006
Wehrlose Schüler
Reader’s Digest und Klaus Böger greifen nach den Kindern
Einladung zur Pressekonferenz (ots): www.presseportal.de
Duden hat den (Werbe-)Text vorbereitet, Reader’s Digest verschenkt ihn an die Schüler, Schulsenator Böger kommt mit Gefolge, und Hellmuth Karasek findet das Ganze sinnlich. Das Ziel: es sollen mehr Duden verkauft werden, und niemand soll auf den Gedanken kommen, die jetzige Fassung könnte noch einmal geändert werden.
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Kommentare zu »Wehrlose Schüler« |
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Kommentar von Michael Schuchardt, verfaßt am 09.11.2006 um 14.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6686
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Sehr geehrter Herr Schmidt,
zu den Verwerfungen der RSR scheint das vermehrte Vorkommen groß geschriebener Verben zu gehören. Gestern schrieb mir jemand in einer Email folgenden Satz:
"Leider bin ich mit meinem Mail wohl etwas Missverstanden worden."
Wie wahr!
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Kommentar von R. M., verfaßt am 09.11.2006 um 13.25 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6684
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Um das geschmiedete Original, das ganz in Versalien gehalten ist, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.
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Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 09.11.2006 um 09.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6682
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"Jedem das Seine" ist ja auch das Motto des KZ Buchenwald. Mich würde interessieren, wie die neue fakultative Kleinschreibung sich auf Broschüren usw. auswirken wird. Nachdem einige Städte schon ihre Straßenschilder ausgewechselt haben, obwohl die Reform für Namen ja nicht gilt, kann wohl auch befürchtet werden, daß an der Gedenkstätte die Inschrift ausgewechselt werden könnte. Womit wird das gerechtfertigt?
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Kommentar von Dirk Schmidt, verfaßt am 08.11.2006 um 18.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6675
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Heute hat ein sehr freundlicher, ca. 18jähriger Lehrling meine Gastherme überprüft. Auf der "Bescheinigung über die Abgaswegprüfung" findet sich folgende handschriftliche Notiz:
Um genügend Verbrennungsluft zu Gewährleisten, muss inden unteren Abschnitt der Tür ein freier Querschnitt von 1 x 150 cm dasein!
An der eigentlichen Arbeitsleistung war nichts auszusetzen. Nur frage ich mich, ob nicht nach reformierter Realität dieser junge Mann gar keinen Ausbildungsplatz haben dürfte. So hat man uns das doch damals verkauft. Und wieso hat keine Handreichung von irgendwem verhindert, daß er solchen Mumpitz schreibt? Wie kriegt man das bloß wieder wegreformiert?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.11.2006 um 16.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6673
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Es ist zu begrüßen, daß die Berliner Schüler dank Duden und Reader's Digest den ganzen Unsinn der Neuregelung samt Variantenfülle geballt vor Augen haben.
Die (fakultative) Kleinschreibung jedem das seine/seinige usw. ist unbegründet. Ebenso dutzende/tausende von Zuschauern. Hier liegen offensichtlich Substantive vor, die auch als solche flektiert und attribuiert sind.
unzähligemal wurde in unzählige Mal geändert, was grammatisch nicht konstruierbar ist. Wie ist die (fakultative) Großschreibung Vabanque spielen gerechtfertigt? Soll Vabanque ein neues Spiel sein?
Die Zusammensetzungen mit wohl sind bis auf fakultativ zusammengeschriebenes wohlfühlen ausgespart, obwohl gerade hier der Rechtschreibduden drei äußerst bunte Spalten mit Neuschreibungen und Empfehlungen präsentiert.
Richtig falsch ist so viel du willst.
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Kommentar von www.inar.de, 3. 11. ’06, verfaßt am 08.11.2006 um 00.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6670
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Für 2000 Berliner Schüler Sonderheft zur neuen Rechtschreibung
Der Umgang mit den neuen amtlichen Rechtschreibregeln, die seit diesem Sommer gelten, wird 2000 Schülern in Berlin leichter fallen als anderen. Reader’s Digest stiftet drei Schulen in Berlin und ihren 2000 Schülern das Sonderheft des Magazins zur neuen Rechtschreibung. Der Senator für Bildung, Jugend und Sport, Klaus Böger, und der Verlag haben die ersten Frei-Exemplare des Sonderhefts am Freitagmittag, 3. November, in der Oberschule am Brunnenplatz verteilt.
Bildungssenator Klaus Böger bedankte sich bei Reader´s Digest: „Reader´s Digest zeigt, dass Bildung eine große gesellschaftliche Aufgabe ist, zu deren Erfüllung viele etwas beisteuern können: Schulen, Kitas und vor allem Eltern, aber auch Sportvereine, Bibliotheken, Musikschulen, Jugendprojekte und eben auch Unternehmen. Möge dieses Sonderheft zur Rechtschreibreform den Schülerinnen und Schülern in allen Zweifelsfällen der Rechtschreibung helfen.“
Neben der Oberschule am Brunnenplatz erhielten die Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau sowie die Max-Beckmann-Oberschule in Reinickendorf Freiexemplare des Sonderhefts von Reader’s Digest. Mit der Spende zeigt das Verlags- und Direktmarketingunternehmen mit Sitz in Stuttgart einmal mehr Flagge in der Hauptstadt: Im Vorjahr hatte Reader’s Digest sämtlichen 966 Schulen Berlins je ein Exemplar des Prachtbands Berlin – unsere Hauptstadt einst und heute gespendet. „Das soziale Engagement gehört zu unserer Unternehmensphilosophie“, sagte der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Reader’s Digest Deutschland, Schweiz, Österreich, Uwe Horn. „Es geht bei Reader's Digest nicht nur ums Nehmen, sondern auch ums Geben. Nur wenn sich ein Unternehmen mit seiner Umwelt vernetzt, so dass eine Wechselbeziehung entsteht, kann es auf Dauer erfolgreich bestehen“, so Horn.
Im Mittelpunkt des Sonderhefts stehen – kurz und übersichtlich aufbereitet – die neuen Rechtschreibregeln zum Nachschlagen, zusammengestellt von der Dudenredaktion. Darüber hinaus stellt das Glossar neue und bisherige Schreibweisen häufig gebrauchter Wörter von A bis Z gegenüber. Ein Leitfaden für Briefe aller Art, gemeinsam entwickelt mit der Deutschen Post, sowie ein Kurz-Essay des Kulturkritikers Prof. Dr. Hellmuth Karasek über kleine Eigenheiten und die Sinnlichkeit des Schreibens runden das Sonderheft ab.
Die wichtigsten Inhalte des Sonderhefts gibt es auch zum Download auf der Homepage von Reader’s Digest über diesen Link.
(Link)
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Kommentar von J. Hohenembs, verfaßt am 02.11.2006 um 07.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6620
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Der Rufer nach Linken oder Rechten zur Rettung aus der Misere mißachtet, daß jedwede Dummheit zum Verlust der Orientierung führt und die Sturheit keine Grenzen kennt.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.11.2006 um 16.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6616
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Lieber Ballistol, von Marlboro wird man süchtig, und Coca-Cola schmeckt verdammt gut – jedenfalls den normalen Menschen, die Süßes als Genuß empfinden. Eine solche Gier nach dem Wirkstoff kann sich bei der bestimmungsgemäßten Verwendung eines Rechtschreibduden nicht einstellen. Bei Drei-Wetter-Taft kenne ich mich nicht so aus. Das Image, ja: so cool bzw. so schön sein wie das Vorbild im Fernsehen oder auf dem Plakat. Aber beim Duden?
Also, wer einen Duden kauft, der will Sicherheit haben, daß er im Zweifel nachschlagen kann, wie er schreiben soll, und er möchte, daß er das Wörterbuch möglichst problemlos und jahrzehntelang konsultieren kann, wie es früher einmal war. Dieses Image hat der Duden im 20. Jahrhundert erworben und verkauft es jetzt für ein Linsengericht.
Duden macht seine Sache ja nicht einmal so schlecht. Die Rechtschreibreform verschiedener Stufen in ein Wörterbuch umwandeln, das ist Schwerstarbeit. Aber es ist eben die Rechtschreibreform, der denkbar lächerlichste Murks, was nun im Duden prangt. Das ist so, als würde Coca-Cola plötzlich saures Bier in seine Dosen abfüllen und hoffen, daß die Leute zugreifen, weil noch "Coca-Cola" auf dem Etikett steht. Sehr bald wäre das Unternehmen todgeweiht, die trickreichste Werbung könnte dagegen nichts ausrichten, und das bombige Image wäre alsbald im Keller.
Beim Duden dauert es natürlich länger, bis die Nutzer sich angewidert abwenden, aber schon heute muß man sich fragen, wie schon WL sagte: Wer nimmt die Rechtschreibreform überhaupt noch ernst? Im Moment hilft das historische Kapital des Duden noch, das Zeug zu verkaufen und die Werbung mit einer gewissen Wirkung auszustatten. Aber wie lange noch?
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Kommentar von Ballistol, verfaßt am 01.11.2006 um 15.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6615
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Lieber Herr Wrase,
Sie verkennen, daß durch die Werbung ein Image, ein Lebensstil verkauft wird. Es wird ein Wunsch geweckt, und der wird durch den Kauf des beworbenen Artikels befriedigt. So funktioniert das seit Jahrzehnten bei Marlboro, Coca-Cola, Dreiwettertaft usw. Der Duden will das jetzt halt auch.
Als Dudenmann könnte man sich doch den Ratsvorsitzenden vorstellen, gütig, weise, so reitet er in die Abendsonne und ruft von Pferd zu Pferd halt nicht "Ou! It's a Feh!", sondern "Wau! Ist'n Duden!", während am Horizont einsam ein Hyänchen heult.
Aber morgen rufe ich mal bei der Bifab-Pressedame, Frau Böhm, an. Ich will sie fragen, was sie mir bezahlen, wenn ich künftig für den Duden kollaboriere. Schließlich sind wir Journalisten ja allesamt korrupt, und ein Häuschen im Tessin hätte ich schon gerne.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.11.2006 um 05.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6611
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Interessant könnte die Frage sein, ob der Duden seine chaotischen Empfehlungen (die zudem den Wünschen der Presse widersprechen) auch in der Nummer von Reader's Digest untergebracht hat. Wenn ja: Dann hat er ein bißchen Gelände gewonnen, wird sich aber erneut Kritik einhandeln. Denn die fragwürdigen Dudenempfehlungen haben mit den Angaben auf dem Titel "Alle neuen Regeln und Schreibungen. So schreiben Sie richtig!" eigentlich nichts zu tun, sie sind eine eigenmächtige Marketingstrategie des Dudenverlags. Und wenn Reader's Digest die Dudenempfehlungen nicht übernommen hat, wird man nach ihrem Wert fragen oder auch die Tauglichkeit der Darstellung von Reader's Digest anzweifeln. Die Dudenempfehlungen sind ja angeblich entwickelt worden, um dem hilflosen Anwender ein Geländer im Unterholz der wuchernden Varianten zu bieten und um "eine einheitliche Rechtschreibung sicherzustellen".
Ich stimme WL und jms zu. Ich habe zwar Verständnis für den Einsatz von Werbung. Und wenn schon Werbung, kann man ja nicht sagen: "Wir haben hier den letzten Sch... im Angebot, wir würden uns aber trotzdem freuen, wenn sich ein paar Käufer finden." Ich habe nur Mühe zu verstehen, warum es dem Dudenverlag vollkommen zu entgehen scheint, daß der eigentliche Umsatzbringer ein hervorragendes Angebot ist und nicht die Werbung. Werbung kann kurzfristig ein wenig Umsatz generieren, aber langfristig entscheidet allein die Produktqualität, und aufdringliche Werbung für miese Produkte rächt sich, weil sie das Vertrauen in das Unternehmen ruiniert.
Es ist nicht einfach, dem Eisberg auszuweichen, wenn man auf der Titanic Highlife spielt.
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Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 31.10.2006 um 23.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6610
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Zu den Unterzeichnern der Frankfurter Erklärung gehören viele "Linke", auch Günter Wallraff.
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Kommentar von jms, verfaßt am 31.10.2006 um 23.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6609
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Man stellt fest, daß für den DUDEN der seriöse Weg, sein Werk über den Buchhandel zu verkaufen, nicht mehr genug bringt. Die ADAC-Aktion und jetzt dies hier, das alles ist Guerilla-Marketing in seiner verzweifelten Form. Daß sich übrigens auch Karasek vereinnahmen läßt, kann nur mit PR-Honorarzahlungen an ihn erklärt werden. Manche nennen so etwas Schmiergeld, aber das paßt ja auch zu der ganzen Schmierenkomödie, die hier aufgeführt wird. Ach, gäbe es doch einen Günther Wallraff in der Duden-Redaktion, der die ganzen Machenschaften aufdeckt. Aber die meisten Linken glauben ja an den Blödsinn. – Apropos: Daß der DUDEN einmal zu einem Teil der Verblödungsindustrie wird, wer hätte sich das jemals vorstellen können?
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 31.10.2006 um 22.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6608
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Was ist das für ein Land, welches das Recht der Zöglinge über das seiner Pädagogen stellt?
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Kommentar von WL, verfaßt am 31.10.2006 um 22.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6607
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Interessiert sich für derlei Veranstaltungen überhaupt noch jemand? Die Rechtschreibreform hat sich selbst doch dermaßen diskreditiert, daß - dagegen kann auch Herr Karasek nichts machen (und warum soll ausgerechnet dieser Langweiler etwas von Sinnlichkeit verstehen?) - jedwede Lust sich damit abzugeben auch bei den einstmals Gutwilligsten auf einen Punkt weit unter Null gesunken und ein für allemal verschwunden sein dürfte. Welchem Schüler will man diesen ausgewrungenen Feudel noch als wissenswertes Lernziel verkaufen? Die immer noch anhaltenden Bemühungen der Reformverkäufer, ihren Ladenhüter unter die Leute zu bringen, haben nachgerade etwas Rührendes an sich. Das interessiert inzwischen doch kein Schwein mehr.
Richtig schreiben ist nicht mehr nur unmöglich geworden, sondern - aus eben diesem Grunde - auch überflüssig. Das ist die Zwischenbilanz nach 10 Jahren Reform und Reformreparatur und hilfloser Dudenpropaganda. Jeder weiß es und niemand nimmt das Thema mehr ernst.
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Kommentar von Herrmann Müller, verfaßt am 31.10.2006 um 21.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=701#6606
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In unserer Schule hängen jetzt in allen Klassenzimmern laminierte Plakate über den „endgültigen“ Stand der Rechtschreibreform nach dem 01.08.2006. Ist das nicht wunderbar?
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