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25.10.2006
Protokoll der neunten Sitzung Sept. 2006
15 entschuldigte Mitglieder
Das IDS hat mir freundlicherweise das Protokoll der letzten Sitzung des Rechtschreibrates zur Verfügung gestellt.
Protokoll
der neunten Sitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung
Ort: Hanns-Seidel-Stiftung, München
Termin: 22. September 2006, 10.05 bis 13.05 Uhr
Anwesende:
Vorsitz: Staatsminister a. D. Dr. h. c. mult. Hans Zehetmair
Mitglieder aus Deutschland: Prof. Dr. Ludwig M. Eichinger, Dr. Matthias Wermke, Dr. Sabine Krome, Prof. Dr. Rudolf Hoberg, StD Fritz Tangermann (ab 10.10 Uhr), Dr. Edmund Jacoby, Michael Banse, Dr. Bernward Loheide
Mitglieder aus Österreich: Landesschulinspektor Dr. Karl Blüml, OStR Prof. Günter Lusser, Prof. Dr. Richard Schrodt, Mag. Ulrike Steiner, Prof. Dr. Hans Haider, Dir. Georg Glöckler, Dr. Ludwig Laher
Mitglieder aus der Schweiz: Prof. Dr. Peter Gallmann, Dr. h. c. Werner Hauck und Lic. phil. Margret Schiedt, Dir. Peter Feller, Stephan Dové, Dr. Monique R. Siegel
Mitglied aus dem Fürstentum Liechtenstein: Renate Gebele Hirschlehner
Mitglied aus der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol: Dr. Rudolf Meraner
Mitglied aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien: Prof. Dr. Heinz Bouillon
Gäste: Dr. Franz Guber; StD Andrea Schwermer
Entschuldigt: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Norbert R. Wolf, Prof. Dr. Peter Eisenberg, Prof. Dr. Uwe Pörksen, Prof. Dr. Werner Besch, Prof. Dr. Jakob Ossner, Ulrike Kaiser, Anja Pasquay, Wolfgang Fürstner, Dr. Ludwig Eckinger; Bundesminister a. D. Dr. Helmut Zilk, Obersenatsrat Dr. Kurt Scholz; Prof. Dr. des. Claudia Schmellentin, Prof. Dr. Thomas Lindauer, Max A. Müller, Dr. phil. Roman Looser
Tagesordnung:
TOP 1:
Feststellung der Beschlussfähigkeit
TOP 2:
Genehmigung der Tagesordnung und des Protokolls
TOP 3:
Resümee über die Umsetzung der neuen Rechtschreibreform zum 1.8.2006 (staatliche Stellen, Wörterbuchverlage, Schulbuchverlage, Medien)
TOP 4:
Hausorthographien
TOP 5:
Weitere Arbeitsweise des Rats
TOP 6:
Verschiedenes
Protokoll: Dr. Kerstin Güthert (IDS)
Zu TOP 1: Feststellung der Beschlussfähigkeit
Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit eröffnet der Vorsitzende die Sitzung und begrüßt die neu hinzugekommen Mitglieder Dr. Bernward Loheide, Lic. phil. Margret Schiedt sowie Prof. Dr. Heinz Bouillon. Während Loheide für Jürgen Hein und Schiedt für Dr. h.c. Werner Hauck nachrückt, ist mit Bouillon erstmals ein Repräsentant der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien im Rat für deutsche Rechtschreibung vertreten.
Anschließend trägt der Vorsitzende die eingegangenen Entschuldigungen vor und setzt die Mitglieder von den Stimmrechtsübertragungen in Kenntnis: Das Stimmrecht übertragen hat Wolf an Eichinger, Ossner an Tangermann, Kaiser an Loheide, Pasquay an Jacoby, Eckinger an Banse, Schmellentin an Gallmann, Looser an Feller.
Zu TOP 2: Genehmigung der Tagesordnung und des Protokolls
Tagesordnung und Protokoll stehen zur Genehmigung an. Zur Tagesordnung liegt ein Antrag von Haider (zu TOP 3) vor, und zum Protokollentwurf zur Februar-Sitzung beantragt Hauck eine Ergänzung zu TOP 5.
Beide Anträge werden angenommen, Tagesordnung und Protokoll unter Einschluss der vorgenannten Änderungen genehmigt.
Zu TOP 3: Resümee über die Umsetzung der neuen Rechtschreibreform zum 1.8.2006 (staatliche Stellen, Wörterbuchverlage, Schulbuchverlage, Medien)
Zum 1. August 2006 trat der vom Rat für deutsche Rechtschreibung erarbeitete Kompromissvorschlag in allen Staaten mit Deutsch als Amtssprache in Kraft. Aus diesem Anlass zieht der Rat ein erstes Resümee über die Umsetzung der Bestimmungen in den einzelnen Ländern. Dazu tragen die Mitglieder ihre Erfahrungen aus den einzelnen Bereichen vor.
Von den beiden Bereichen Schule und Behörden, für die der Staat Regelungskompetenz hinsichtlich der Rechtschreibung hat, steht Ersterer im Fokus. Übereinstimmend wird berichtet, dass der Stichtag 1.8. sehr ruhig verlaufen sei. Die Schulen wurden im Vorfeld mittels Rundschreiben über die Übergangszeit, die in Deutschland und im Territorium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien ein Jahr, in Österreich und in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol zwei Jahre und in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein drei Jahre beträgt, informiert. Darüber hinaus wurden in den meisten Ländern Informationsbroschüren zu den Änderungen bereitgestellt; das amtliche Regelwerk selbst ist in Deutschland in den Amtsblättern fast aller Länder veröffentlicht.
Die großen Wörterbuchverlage haben zum 1. August 2006 die Rechtschreibwörterbücher in einer Neubearbeitung vorgelegt: Wahrig erschien Mitte Juni, das Österreichische Wörterbuch (ÖWB) Ende Juni und der Duden im Juli. Die Vertreter der Wörterbuchverlage stellen in ihren Ausführungen das jeweilige Rechtschreibwörterbuch vor und geben Einblick in die lexikografische Praxis. Dabei werden die im Hinblick auf die Variantendarstellung vorgenommenen Akzentuierungen herausgestellt und begründet; als wesentlich wird die Ausrichtung an den Erfordernissen der anvisierten Benutzergruppe genannt. Die Rechtschreibwörterbücher sind nach Einschätzung der Wörterbuchverlage gut aufgenommen worden.
Aus dem Verlagswesen berichten Banse, Jacoby, Glöckler und Feller. Ihnen zufolge stellten die Änderungen für Verlage wie Schulen nicht das zentrale Thema dar. Die Umstellung der Schulbücher selbst sei im vollen Gange; vor allen anderen würden die Deutschlehrwerke angepasst. Im Gesamt gehen die Vertreter der Schulbuchverlage davon aus, dass die Umstellung sämtlicher Schulbücher innerhalb der Übergangszeit bewerkstelligt werden kann; die Kosten sind dabei nach Banse von den Verlagen allein zu tragen, da die Länder kein Extrabudget vorsähen.
Den ersten Teil dieses TOPs beschließend, werden Berichte aus den Bereichen Medien, Autoren und Öffentlichkeit eingeholt. Dabei äußern sich die Mitglieder schwerpunktmäßig zu Regelungen im Hinblick auf die Variantenschreibungen; die Gesamteinschätzung lautet dahingehend, dass offen sei, welche der Variantenschreibungen sich letztlich durchsetzten. Variantenschreibungen werden aber nicht nur unter dem Aspekt der Festsetzung gesehen, sondern u.a. von Laher als Chance begriffen, da sie in der Eigenverantwortung des Schreibenden stehen und somit Akzentuierungen zulassen. Die Reaktionen auf die Änderungen als solche werden als weithin positiv geschildert.
Zum Stand der Umsetzung der zum 1. August in Kraft getretenen Änderungen berichtet Loheide, dass unter den deutschsprachigen Nachrichtenagenturen zurzeit noch ein interner Abstimmungsprozess laufe und eine Umstellung zu Jahresbeginn 2007 geplant sei.
Im Weiteren wird über den Antrag von Haider verhandelt. Haider beantragt eine Beschlussfassung des Rats zur aktuellen 24. Auflage des Duden-Rechtschreibwörterbuches. Nach seinem Dafürhalten entspricht diese nicht den Intentionen des Rats, da sie die Variantenbreite einengen und somit den Prozess einer freien Entwicklung der Sprachpraxis stören würde.
Die sich anschließende Diskussion wird unter dem von Zehetmair in Erinnerung gerufenen Grundsatz geführt, dass der Rat kein Recht habe, eine Missbilligung auszusprechen, aber die Pflicht, zu sagen, wer konformgehe und wer nicht. Zwei Fragstellungen werden daraufhin in der Hauptsache diskutiert: zum einen, ob Empfehlungen in allgemeinen Rechtschreibwörterbüchern in der Intention des Rats sind, und zum anderen, welcher Art die im Duden gemachten Empfehlungen sind. Dabei zeichnen sich zum ersten Punkt zwei Meinungen ab; während die einen einen Bedarf an Orientierung sehen und die Empfehlungen als Marketingentscheidung begreifen, lehnen die anderen Empfehlungen in allgemeinen Rechtschreibwörterbüchern ab, da sie in ihnen die Gefahr einer Normsetzung sehen. Anders im zweiten Punkt: die Empfehlungen werden kritisiert, und zwar hauptsächlich deshalb, weil aus ihnen die Gefahr erwächst, dass in jedem Einzelfall nachgeschlagen werden muss und somit die Abhängigkeit vom Wörterbuch gestärkt wird.
Dem Diskussionsverlauf Rechnung tragend, wird der Ursprungsantrag mit Einverständnis von Haider umformuliert und kommt wie folgt zur Abstimmung:
„Es ist nicht Intention des Rats für deutsche Rechtschreibung, dass vom Rat beschlossene Schreibvarianten in allgemeinen Rechtschreibwörterbüchern durch die Empfehlung nur einer Form eingeschränkt werden.“
Dieser Antrag wird mit 22 Ja-Stimmen bei 7 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen angenommen.
Zu TOP 4: Hausorthographien
Auf Initiative von Präsidium und Geschäftsstelle eröffnet Dové den TOP mit einem Impulsreferat, in dem er anhand der Hausorthographie der Neuen Zürcher Zeitung, des Vademecums, Anlage und Wesen von Hausorthographien darstellt.
Hausorthographien enthalten demnach technische Regeln und Anweisungen bei der Handhabung von sprachlichen Zweifelsfällen und erschöpfen sich folglich nicht in Festlegungen in Bezug auf die neuen Rechtschreibregeln. Jene nehmen in der sechsten Ausgabe des Vademecums aus dem Jahre 2005 insgesamt 17 von 155 Seiten ein. Das Vademecum, unter dem früheren Chefkorrektor Walter Heuer entstanden und im Jahre 1971 erstmals herausgebracht, erscheint demnächst in einer neuen Auflage. Neben der Textausgabe, die seit dem Jahre 2005 über den Handel zu beziehen ist, gibt es eine interne elektronische Fassung, in die Änderungen sofort eingepflegt werden.
Hauck nimmt den TOP zum Anlass, um den Rat nochmals dazu aufzufordern, zwecks Sicherung eines einheitlichen Vorgehens im Bereich der Hausorthographien Empfehlungen zu Variantenschreibungen auszusprechen. Dieser Vorstoß wird abermals zurückgewiesen, da er nicht mit den Aufgaben des Rats kompatibel scheint. Eine derartige Empfehlung würde ein Revidieren der von den staatlichen Stellen 2006 gefassten Beschlüsse bedeuten, die die vom Rat befürwortete Variantenbreite mit einschließt, und darüber hinaus dem Auftrag der Ususbeobachtung widersprechen.
Positiv aufgenommen wird hingegen eine Anregung von Schrodt, ein Papier zur Variantenproblematik zu erarbeiten, in dem u.a. die Gründe für die im amtlichen Regelwerk vorgesehene Varianz benannt werden. Ein Vorschlag wird unter der Federführung der Geschäftsstelle vorbereitet.
Haider regt an, die Hausorthographien zu sammeln und zu dokumentieren.
Zu TOP 5: Weitere Arbeitsweise des Rats
Nachdem der Rat für deutsche Rechtschreibung im Februar seinen Kompromissvorschlag vorgelegt hat, kann er sich nun seinen langfristigen, im Statut benannten Aufgaben zuwenden, zu denen u.a. die Beobachtung des Schreibgebrauchs gehört. Da der Rat in der Ausgestaltung seiner Aufgaben frei ist, sollen in diesem TOP erste Vorstellungen zusammengetragen werden.
Krome hat dazu einen Vorschlag erarbeitet, der als Tischvorlage ausliegt. Sie entwirft darin das Modell eines inneren und eines äußeren Kreises des Rats, wobei der äußere Kreis mit dem Gesamtrat identisch ist und der innere Kreis neben den Institutionen, die empirische Sprachbeobachtung leisten können, auch die Bereiche Forschung und Schule abdeckt. Der innere Kreis umfasst folglich die im Rat vertretenen Institutionen, bei denen die vom Rat für seine weitere Arbeit benötigten Daten ohnehin zusammenfließen.
Das Konzept stößt auf Anklang, da es einen „Motor“ (Banse) bietet und gleichzeitig die Möglichkeit zur Bildung von Arbeitsgruppen nicht ausschließt. Es soll auf der nächsten Sitzung arrondiert werden.
Zu TOP 6: Verschiedenes
Als Sitzungstermine für 2007 werden der 22. Juni und der 9. November bestimmt. Für die Juni-Sitzung ist im Rahmen des Beobachtungsauftrages die Befassung mit der Schreibung von Fremdwörtern (z.B. Anglizismen) vorgesehen.
Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2006 um 14.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=689#6531
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Anmerkungen zum Protokoll der Oktoberfest-Sitzung:
Haiders Antrag wurde neu gefaßt:
"Es ist nicht Intention des Rats für deutsche Rechtschreibung, dass vom Rat beschlossene Schreibvarianten in allgemeinen Rechtschreibwörterbüchern durch die Empfehlung nur einer Form eingeschränkt werden."
"Dieser Antrag wird mit 22 Ja-Stimmen bei 7 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen angenommen." (Protokoll)
Dahinter verbirgt sich eine heftige Auseinandersetzung. Hauck hatte den Duden scharf angegriffen, Banse ihn in Schutz genommen. Die Österreicher stimmten für den Antrag. Dagegen war naturgemäß Duden-Autor Gallmann, der aber sonst bemerkenswert schweigsam war – ebenso wie Eichinger, der sich völlig bedeckt hielt. Feller von den staatlichen Schweizer Verlagen, die ja auch den neuen Schweizer Schülerduden herausbringen, und Loheide stimmten ebenfalls gegen den Antrag. Loheide mußte zugeben, daß die von der dpa befragten Kunden sich überwiegend für die klassischen Schreibweisen ausgesprochen hatten; die Agenturen überlegen noch, was sie bis Anfang 2007 machen sollen, befinden sich aber ohne Wenn und Aber auf Reformkurs.
Merkwürdig ist wieder Gütherts Redeweise von "Präsidium und Geschäftsstelle", obwohl es doch gar kein Präsidium gibt.
Das Konzept eines "inneren Kreises" soll, wie Güthert schreibt, auf der nächsten Sitzung "arrondiert" werden. Man fragt sich allmählich, was die Geschäftsführerin unter gewissen Wörtern eigentlich versteht.
Aus dem Protokoll geht klar hervor, daß die miserable Qualität der verbliebenen Reformschreibungen den Rat nicht im geringsten interessiert. Eisenberg und andere sind der Sitzung verständlicherweise ferngeblieben. Von den deutschen Mitgliedern waren außer dem Hausherrn nur noch sieben anwesend. Zilk hat an keiner einzigen Sitzung teilgenommen. Viele haben sich zur letzten Sitzung nicht einmal mehr die Mühe gemacht, ihr Stimmrecht zu übertragen. Es ist eh alles wurscht; Hauptsache, der Markt beruhigt sich (Zehetmair). Es ist nicht anzunehmen, daß sich im nächsten Sommer noch eine beschlußfähige Zahl von Mitglieder nach Mannheim aufmachen wird. Ob der Rat sich förmlich auflöst oder noch in einem Schattenreich dahinvegetiert, ist gleichgültig. Seine Handlungsfähigkeit hat er schon vor Monaten nur allzu willig aufgegeben.
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