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10.12.2004
Rat für deutsche Rechtschreibung (aktualisiert)
Was ist vom „Rat für deutsche Rechtschreibung“ zu erwarten?
Nach dem Internationalen Arbeitskreis, der Zwischenstaatlichen Kommission und dem Beirat für deutsche Rechtschreibung ist der „Rat“ das vierte Gremium, das sich mit demselben Gegenstand befassen soll: der Durchsetzung einer Rechtschreibreform gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit und fast aller Schriftsteller und Intellektuellen.
Die Ministerpräsidenten und Kultusminister versprechen dem widerspenstigen Volk, daß dieses Gremium die Steine des Anstoßes beseitigen und eine allseits akzeptierbare Lösung der von ihnen selbst verursachten Krise finden werde. Was berechtigt zu solcher Erwartung?
„Als Mitglieder von deutscher Seite schlägt das KMK-Präsidium vor:
Institut für deutsche Sprache (2 Sitze)
Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (2 Sitze)
Duden-Verlag (1 Sitz)
Wissen Media Verlag/Bertelsmann-Wörterbuch (1 Sitz)
Gesellschaft für deutsche Sprache (1 Sitz)
Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (1 Sitz)
Börsenverein des deutschen Buchhandels (1 Sitz)
VdS Bildungsmedien (1 Sitz)
Deutscher Journalistenverband/Deutsche Journalistenunion (1 Sitz)
Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen (1 Sitz)
Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) (1 Sitz)
Verband deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (1 Sitz)
PEN-Zentrum Deutschland (1 Sitz)
Fachverband Deutsch im Deutschen Germanistenverband (1 Sitz)
Symposium Deutschdidaktik (1 Sitz)
Lehrerinnen- und Lehrerverbände in DGB und DBB (1 Sitz)“
(Quelle: http://www.kmk.org 27.9.2004)
Hier ist zum Vergleich die Besetzung des bisherigen „Beirats“:
P.E.N.-Zentrum Bundesrepublik Deutschland
Verband deutscher Schriftsteller in der IG Medien
Deutscher Journalistenverband
Bundesverband deutscher Zeitungsverleger e.V.
Verband deutscher Zeitschriftenverleger e.V.
Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen
Börsenverein des Deutschen Buchhandels
VdS Bildungsmedien e.V.
Bundeselternrat
Deutscher Gewerkschaftsbund – Lehrerorganisationen
Deutscher Beamtenbund – Lehrerorganisationen
Deutsches Institut für Normung
Dudenredaktion
Bertelsmann-Lexikonverlag
Wahrig-Wörterbuchredaktion
Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren e.V.
Der neue „Rat“ besteht, wie man sieht, im wesentlichen aus denselben Mitgliedern wie der bisherige „Beirat“ bzw. die Zwischenstaatliche Kommission. Ausgeschieden sind einige Vertreter, die auch bisher schon als mehr oder weniger stumme Gäste dabeisaßen wie das Deutsche Institut für Normung oder der Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren e.V. Den Bundeselternrat rechnet der VdS Bildungsmedien (d. h. der Verband der Schulbuchverleger) ohnehin zu seiner „Verbändeallianz“, vgl. meinen Beitrag „Die Schulbuchverleger und die Rechtschreibreform“. Wahrig ist inzwischen eine Bertelsmann-Marke, so daß auf Renate Wahrig-Burfeind verzichtet werden kann.
Der „Beirat“ war bereits nach den Wünschen der Zwischenstaatlichen Kommission zusammengestellt, die er beraten oder beaufsichtigen sollte.
„Der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung wurde 2000 ein Beirat zugeordnet. Dieser Beirat begleitet die Arbeit der Kommission, die sich bis 2005, das heißt bis zur endgültigen Fassung des neuen Regelwerkes, weiter mit der Rechtschreibreform befasst. Den Mitgliedern des Beirats obliegt es, vor dem Hintergrund der Umsetzung der neuen Rechtschreibung als notwendig bzw. wünschenswert erachtete Korrekturen an der Reform vorzubringen und zu diskutieren. Die Mitglieder des Beirats wurden von der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung der Kultusministerkonferenz der Länder vorgeschlagen, die ihrerseits über die Zusammensetzung des Beirats zu entscheiden hatte. Dieser Entscheidung musste im Weiteren die Bundesregierung zustimmen.“ (Verband der freien Lektorinnen und Lektoren, Internet)
Die Kommission selbst wiederum war aus der Gruppe der Reformer hervorgegangen und nach ihren Wünschen zusammengesetzt, wie ihr ehemaliges Mitglied Horst H. Munske bestätigt:
„Als elementaren Fehler erkennt man nachträglich, daß die KMK keinerlei Einfluß auf die Zusammensetzung der Mannheimer Rechtschreibkommission genommen hat.“ (Horst H. Munske: Verfehlte Kulturpolitik. In: Kunst und Kultur 1998)
Der Beirat ist im Laufe der Jahre nur zweimal zu Arbeitssitzungen zusammengetreten, um den dritten und vierten Bericht durchzuwinken; einige Mitglieder sind gar nicht erst erschienen oder haben nur schriftliche Stellungnahmen eingereicht, die aber von dem Gremium nicht berücksichtigt wurden. Es gab – nach persönlicher Auskunft mehrerer Mitglieder – auch durchaus Streit, aber in der abschließenden Stellungnahme zu den Berichten ist davon keine Spur mehr zu entdecken.
Seinen Sitz hat der Rat am Institut für deutsche Sprache in Mannheim, dem bisherigen Zentrum der Reformpropaganda. Er hat die Aufgabe, die Durchsetzung der Rechtschreibreform zu begleiten, und zwar so, wie sie von der Kultusministerkonferenz beschlossen ist. Dabei darf er auch kritische Bemerkungen äußern, die jedoch nichts am eigentlichen Auftrag ändern werden. Eine Rücknahme der Reform kommt ausdrücklich nicht in Betracht. Der Inhalt der im Fünf-Jahres-Rhythmus zu erstellenden Berichte ist also vorhersagbar.
Den Kern bilden selbstverständlich die Schulbuch- und Wörterbuchverlage, also die wirtschaftlich an der weiteren Durchsetzung der Reform besonders Interessierten. Sie beherrschten schon den bisherigen „Beirat“, was andere Mitglieder in ängstlich-vertraulichen Mitteilungen beklagten. Der Dudenverlag hat die jüngsten Änderungsbeschlüsse der KMK bereits in einem Ende August 2004 erschienenen neuen Rechtschreibduden umgesetzt; Bertelsmann hat für den Mai 2005 ein neues Rechtschreibwörterbuch angekündigt. Beide Unternehmen sind schon aus diesem Grunde an einer weiteren Durchsetzung der Reform in ihrer aktuellen Version interessiert.
Welches besondere Interesse der Bertelsmann-Konzern an der Rechtschreibreform hat, geht aus folgender Mitteilung hervor:
„Ein Extrageschäft hat dem Konzern die Rechtschreibreform beschert. Von der hauseigenen 'Neuen Rechtschreibung' wurden bereits rund 1,7 Millionen Exemplare verkauft. Das Ziel, in die Domäne des 'Duden' einzubrechen und bei einem Marktpotential von zehn Millionen Bänden einen Anteil von über 25 Prozent zu erhalten, dürfte damit problemlos erreicht werden.“ (Berliner Zeitung, 23.11.1996)
Auch auf einer im Internet verbeiteten „Chronologie“ der Reform läßt der Konzern erkennen, daß er die Rechtschreibreform als seine ureigene Sache betrachtet.
Die Schulbuchverleger werden wiederum durch Michael Banse (Klett Leipzig) vertreten sein, der schon im bisherigen Beirat für deutsche Rechtschreibung saß, vgl. den Jahresbericht des VdS-Vorsitzenden von 2001:
„Unser Verband wurde Ende 2000 in den Beirat zur Zwischenstaatlichen Kommission berufen, Herr Banse vertritt dort unsere Interessen und wacht darüber, dass uns allen nichts Unangenehmes passiert.“
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung wird mit zwei Sitzen geködert. Zwei Sitze bekommt aber auch das Institut für deutsche Sprache (IDS). Akademie und IDS vertreten offenbar die Sprachwissenschaft.
Das IDS hat sich auf Betreiben seines damaligen Direktors Gerhard Stickel jahrelang als Sprachrohr der Reform betätigt und sich beispielsweise in seiner Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht zu Behauptung verstiegen, die Richtigkeit der Schreibweisen sei allenfalls mit der von Postleitzahlen zu vergleichen. Protestierende Schriftsteller wurden vom Institut in Pressemitteilungen verhöhnt. Es kommt schon deshalb für eine ernsthafte Auseinandersetzung über orthographische Fragen nicht in Betracht, auch wenn alle seine Veröffentlichungen zwangsweise auf (fehlerhafte) Reformschreibung umgestellt sind. Unter Sprachwissenschaftlern gilt das IDS ohnehin als nicht besonders effizient:
„Dieselbe Haltung der Gleichgültigkeit, ja der Ablehnung gegenüber der Sprachloyalität der Sprachgemeinschaft [wie bei IDS-Direktor Stickel früher] zeigt sich neuerdings auch im Umgang des IdS mit dem Verein Deutsche Sprache, wie überhaupt die mit öffentlichen Geldern geförderte Mammutinstitution die eigentlichen Anliegen und Interessen der Sprachgemeinschaft kaum beachtet. So versagte sie an der dringendsten Aufgabe, ein umfassendes Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache zu erstellen, so daß die Sprachgemeinschaft der Brüder Grimm in diesem Punkte nun weit hinter den europäischen Nachbarn zurücksteht. Stattdessen hat das IdS eine überflüssige Rechtschreibreform betrieben und bis zuletzt verteidigt (s. Sprachreport 16 [2000], 8), die aufgrund ihrer schweren inhaltlichen Mängel mittlerweile die Einheit der deutschen Rechtschreibung – ein hohes Gut der Sprachgemeinschaft – zerstört hat.“ (Heinz-Günther Schmitz: Anglizismen, Anglizismenkritik und neudeutsche Sprachwissenschaft. In: Vulpis Adolatio. Fs. f. Hubertus Menke. Heidelberg 2001: 702-732; hier 725)
Die Akademie für Sprache und Dichtung hat inzwischen ihre Teilnahme abgesagt, jedoch Bedingungen gestellt, über die sich verhandeln läßt. Sie kann sich ihrer Alibirolle schwer verweigern, weil sie ihr Pulver allzu früh verschossen hat, bot sie doch auf Betreiben ihres damals neuen Mitglieds Peter Eisenberg (Duden- und Schulbuchautor und zeitweise Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission) ungefragt einen „Kompromiß“ an, als dies noch gar nicht nötig war. Während die großen Zeitungen des Axel Springer Verlags, die F.A.Z., die Schweizer Monatshefte und andere Publikationen längst die beste Lösung, also die schlichte Rückkehr zur bewährten Orthographie, vorführen, preist die Akademie immer noch ihre „zweitbeste“ an, einen derart faulen Kompromiß, daß die Zwischenstaatliche Kommission mit Recht jede Diskussion darüber ablehnte. In der KMK jedenfalls ist, wie vertrauliche Mitteilungen zeigen, die Hoffnung auf Mitwirkung der Akademie noch nicht aufgegeben. Doch selbst wenn die Akademie ihre zaghafte Kritik vortragen sollte, wird sie durch das IDS sofort neutralisiert.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache, von ihrem äußerst autoritär auftretenden Vorstand auf Reformkurs getrimmt, könnte durch ihren Vorsitzenden Hoberg vertreten werden, der bereits in der Zwischenstaatlichen Kommission saß. Vielleicht wird aber gerade deshalb die Geschäftsführerin Eichhoff-Cyrus seine Stelle einnehmen. Zur bisherigen Befassung dieses Vereins mit der Rechtschreibreform gebe ich zunächst einen Abschnitt aus meinem Buch „Regelungsgewalt“ wieder:
„Während der Mitgliederversammlung am 10. Mai 1998 in Wiesbaden beantragte ich, folgendes zu erklären:
'Die Gesellschaft für deutsche Sprache sieht sich zur Zeit außerstande, ein Votum zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in der Fassung von 1996 abzugeben, da unter den Mitgliedern keine eindeutige Meinung zu diesem Gegenstand festgestellt worden ist.'“
(Damit wollte ich verhindern, daß der Vorsitzende wenige Tage später vor derm Bundesverfassungsgericht die Rechtschreibreform im Namen der GfdS guthieß.)
„Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt, ebenso wie zuvor der Antrag von Hildegard Krämer auf eine Mitgliederbefragung zur Reform; doch kam es während der Aussprache zu einer unschönen Szene. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter, vertreten durch Helmut Walther (Schriftleiter des „Sprachdienstes“), Gerhard Müller (Schriftleiter der „Muttersprache“) und Uwe Förster, erklärten übereinstimmend, sie hätte in zwei Jahren tagtäglicher Sprachberatung mit der Neuregelung die Einsicht gewonnen, daß die Rechtschreibreform nichts tauge. Daraufhin wurden sie vom Vorstand (Vorsitzer Günther Pflug, Vorstandsmitglied Rudolf Hoberg, Geschäftsführerin Karin Frank-Cyrus) lautstark niedergemacht, ließen sich aber nicht einschüchtern. Bezeichnenderweise gaben sie auf die Frage, warum sie das nicht eher gesagt hätten, die Antwort, sie seien nie gefragt worden – was ein Licht auf das Betriebsklima in der Wiesbadener Geschäftsstelle warf, das besonders durch die Geschäftsführerin nachhaltig gestört sein soll und seither sicher nicht besser geworden ist.“
Dieser Bericht wird bestätigt durch einen weiteren Zeugen, Prof. Horst Dieter Schlosser (Frankfurt):
„Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, hat sich Herr Prof. Pflug in Sachen Rechtschreibreform bei seiner Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht schlicht wahrheitswidrig vehalten, wenn er dabei erklärt hat, die GfdS habe in ihrer Sprachberatung mit den neuen Regeln nur gute Erfahrungen gemacht. Das Gegenteil war nämlich der Fall. Denn es hat auf der Mitgliederversammlung der GfdS 1998 gerade deswegen heftige Auseinandersetzungen gegeben. Die Sprachberater erklärten auf dieser Versammlung in öffentlicher Sitzung, sie seien bisher von niemandem aus dem Vorstand oder der Geschäftsführung nach ihren Erfahrungen mit den neuen Regeln befragt worden; tatsächlich seien sie aber gerade auf Grund ihrer Erfahrungen in der Sprachberatung von anfänglichen Befürwortern der Reform zu Kritikern geworden. Eine positive Stellungnahme der GfdS entbehre also jeder Grundlage. Vorstand und Geschäftsführung reagierten auf diese Erklärung äußerst gereizt und beschimpften die Sprachberater in aller Öffentlichkeit wegen dieser politisch offenbar unerwünschten Äußerungen. Unter der Hand konnte man später erfahren, dass die Sprachberater danach in dieser Frage ein regelrechtes Redeverbot erhielten. Damals habe ich mir ernsthaft überlegt, ob ich nicht wie andere die GfdS verlassen soll.“ (Horst Dieter Schlosser in einem Brief an Silke Wiechers vom 10.6.2003, abgedruckt in dies.: Die Gesellschaft für deutsche Sprache. Frankfurt 2004, S. 327)
Silke Wiechers, die selbst zeitweise Mitarbeiterin der GfdS war, bemerkt abschließend:
„Mit dem Wissen um ein derart autoritäres und antidemokratisches Vorgehen, bei dem die Erfahrungen der Sprachberatung im eigenen Haus bewußt nicht einbezogen wurden, kann der GfdS unter dieser Leitung Glaubwürdigkeit und Kompetenz zum Thema 'Rechtschreibreform' kaum noch zugebiligt werden.“ (ebd.)
Es sei noch erwähnt, daß ein umfangreicher Band „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“, herausgegeben von der GfdS und dem IDS, zwar Platz für die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung des Konjunktivs“ und Großunternehmen wie die Bertelsmann-Stiftung hatte, die mit Sprachpflege nichts zu tun haben, nicht aber für Vereine, die gegen die Rechtschreibreform kämpfen, mögen sie auch würdig gewesen sein, vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundestag angehört zu werden.
Die Arbeitsgemeinschaften der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen wird durch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) vertreten. Wie sich dpa um die Durchsetzung der Rechtschreibreform verdient gemacht hat, ist in meinem Buch „Regelungsgewalt“ dokumentiert.
Kritische Alibistimmen sind für die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und für das PEN-Zentrum Deutschland vorgesehen. Die Akademien haben sich bereits geschlossen für eine Rücknahme der Reform eingesetzt, werden aber problemlos überstimmt werden und brauchen an den Scheinverhandlungen eigentlich gar nicht erst teilzunehmen. Für das PEN-Zentrum gilt dasselbe; es hat sich in einer Resolution gegen die Rechtschreibreform ausgesprochen, zuvor im „Beirat“ allerdings die Entscheidungen der schlagkräftigen Mehrheit mitgetragen. Beide Institutionen haben inzwischen erklärt, daß sie nicht mitmachen wollen; die Union der Akademien ließ kürzlich wissen, daß sie nur bei ausgewogener Beteiligung weiterer Reformkritiker zur Mitwirkung bereit wäre. Sie benannte für diesen Fall den Bonner Germanisten Werner Besch und als dessen Stellvertreter Manfred Bierwisch. Kurz darauf scherte die Berlin-Brandenburgische Akademie (und damit Bierwisch) wieder aus. Sie plädierte dafür, „auf eine staatliche Regulierung der Rechtschreibung zu verzichten und die gewachsene Struktur und die lebendige Dynamik der deutschen Sprache beizubehalten. Anders als die Union sehe sie im Rat «nicht die Voraussetzung für einen konstruktiven Dialog gegeben“.
Die Lehrerverbände im DGB könnten weiterhin durch Reinhard Mayer vertreten werden, über dessen private Geschäfte mit der Rechtschreibreform ich in meinem Buch „Rechtschreibreform in der Sackgasse“ berichtet habe. Den Beamtenbund vertritt wie bisher Ludwig Eckinger, der im Beirat saß und seine Übereinstimmung mit den Kultusministern oft genug zu Protokoll gegeben hat; vgl. etwa VBE Pressedienst 50, 13.12.2001 oder Süddeutsche Zeitung vom 8.7.2000
Vom „Symposion Deutschdidaktik e.V.“, das seine Unterstützung der Rechtschreibreform erst kürzlich bestätigte (vgl. F.A.Z, vom 12.10.2004, Leserbriefe), sind Einwände so wenig zu erwarten wie von den Lehrern im Germanistenverband (nur diese sind eingeladen, nicht die Hochschulgermanisten). Das „Symposion“ zählt übrigens die führenden Rechtschreibreformer Augst und Sitta zu seinen früheren Vorsitzenden; Sitta hat für das Symposion ein Gutachten über das von ihm selbst mitverfaßte Reformwerk geschrieben, das denn auch erwartungsgemäß ausfiel. Näheres unter http://www.symposion-deutschdidaktik.de.
Die österreichischen Mitglieder des Rates sind:
Karl Blüml (Vorsitzender der Zwischenstaatlichen Kommission)
Richard Schrodt (Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission)
Ulrike Steiner (Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission)
Helmut Zilk (Altbürgermeister von Wien)
Kurt Scholz (ehem. Stadtschulratspräsident von Wien)
Hans Haider (ehem. Kulturredakteur der „Presse“)
Ludwig Laher (Schriftsteller)
Georg Glöckler (Geschäftsführer des Schulbuchverlags öbvhpt)
Günter Lusser (Pädagogischen Akademie Feldkirch)
Die österreichische Regierung hat als Hauptvertreter erwartungsgemäß dieselben drei Personen in den Rat berufen, die bereits in der Zwischenstaatlichen Kommission saßen. Der prominente und beliebte Politiker Zilk hat sich einmal kritisch zu den vielen Getrenntschreibungen geäußert, Scholz eine Glosse über Erlebnisse mit seinem Rechtschreibprogramm geschrieben. Lusser ist Verfasser von Rechtschreib-Schulbüchern („tip top in Rechtschreibung“, öbvhpt) und arbeitet in der „Arbeitsgruppe Grundschule“ im Auftrag des Schulministeriums bei der Durchsetzung der Reform mit. Von dieser Seite sind also keine wesentlichen Einwände gegen die weitere Durchsetzung der Rechtschreibreform zu erwarten. Die Benennung der bisherigen Kommissionsmitglieder Blüml, Schrodt und Steiner kann auch als Affront gegen die deutschen Kultusminister verstanden werden, zumal wenn man berücksichtigt, daß Österreich schon den bisherigen „Beirat“ nicht gebilligt und nicht mitgetragen hat.
Die Schweizer Vertreter sind zur Zeit (10.12.2004) noch nicht bekannt.
Wirkliche Reformgegner sind im „Rat“ nicht vertreten, und dessen Auftrag, wie von KMK-Präsidentin Ahnen formuliert („auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks“), läßt den schlichten Rückkehrgedanken auch gar nicht zu.
Der Zwischenstaatlichen Kommission war von den Politikern eine unerfüllbare Aufgabe zugewiesen worden:
„Die Zwischenstaatliche Kommission, die im Zuge der Neuregelung eingerichtet wurde, sollte im Grunde die Funktion übernehmen, die zuvor von der Dudenredaktion wahrgenommen wurde.“ (Beschlußvorlage der KMK für die Amtschefskommission vom 14.1.2004).
Die Aufgabe der Dudenredaktion besteht bekanntlich in erster Linie darin, Wörterbücher zu machen. Der „Rat“ soll nun die Zwischenstaatliche Kommission ablösen und ersetzen, also wohl ebenfalls die Rolle der Dudenredaktion ausfüllen. Daß ein 36köpfiges ehrenamtlich tätiges Gremium, das ganz überwiegend aus lexikographischen Laien besteht, die deutschsprachige Welt mit einem brauchbaren Wörterbuch versehen könnte, ist eine abenteuerliche Vorstellung. Man erinnert sich auch an den Ausruf des bedeutenden Orthographen Friedrich Roemheld: „Wann hätte je eine amtliche, halb- oder dreiviertelamtliche orthographische Konferenz etwas Vernünftiges zuwege gebracht!“ (Die Schrift ist nicht zum Schreiben da. Eschwege 1969, S. 23).
Der „Rat“ wird also genau das tun, was die KMK anstrebt: alle fünf Jahre über die „problemlose“ Durchsetzung und phänomenale Akzeptanz der Reformschreibung berichten. Warum es so kommen mußte, erklärt schlaglichtartig eine Äußerung des ehemaligen Kultusministers Zehetmair Ende November 2004: „Sie wollen keine totale Rücknahme der Reform?“ – Zehetmair: „Nein. Das wäre nicht durchsetzbar.“ – Die Arbeit der Reformer hat schon vor über zehn Jahren die sachbezogene Diskussion aufgegeben und sich nur noch auf die „Durchsetzbarkeit“ inhaltlich beliebiger Änderungen konzentriert. Daher ist es nur konsequent, wenn jetzt Lobbyisten wie die rein kommerziell interessierten Schulbuchverleger in einem Gremium sitzen, das über die beste Rechtschreibung berät und in dem solche Verbände normalerweise nichts zu suchen hätten. Im Bundestag wird gar der Fraktionszwang ausgeübt, um bestimmte orthographische Maßnahmen im Sinne der Interessenvertreter zu regeln.
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