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10.06.2006
Eh wurscht
Nachricht aus der Provinz
Die „Nürnberger Nachrichten“ haben auch etwas bemerkt, aber nichts daraus gelernt.
Richtig ist falsch
Neues vom Sprachsalat
von Evelyn Scherfenberg
(Nürnberger Nachrichten 6.5.2006)
Wie schreibt man eigentlich Tolpatsch? Tollpatsch? Ehrlich, früher wussten wir's, heute wissen wir's nimmer genau. Weil nämlich heute das Richtige falsch und das Falsche richtig ist. Oder auch nicht. Macht aber fast nichts, denn Millionen haben ja längst kapituliert.
Die jüngste Reform der Rechtschreibreform hat nur noch das Lager jener verstärkt, die sich sagen: Is mir eh wurscht (oder, groß, Wurscht?), wie man was schreibt, es herrscht ja längst Anarchie, endlich kann ich frisch und fidel drauflos texten. Fehler fallen ja eh keinem mehr auf.
Aber einer will sich nicht abfinden. Einer schimpft und streitet, nervt und nörgelt weiter. Der Erlanger Professor Ickler, Professor für Deutsch als Fremdsprache an der Uni Erlangen, hat mit seinem neuen Buch „Falsch ist richtig“ (Droemer, 14,90 Euro) der dümmsten aller Reformen, der „Schlechtschreibreform“ (Ickler) ein kluges und witziges Denkmal gesetzt.
Das Schöne dran: Der bekannte Professor schreibt verständlich, bissig und unterhaltsam. Sein Ausflug in die innere Logik der Rechtschreibung und des Trennungswirrwarrs (Frust-ration) beweist einmal mehr: Die Ration Frust ist riesig. Schade nur, auch dieses Pamphlet wird nix nützen. Das Kind liegt tief im Brunnen.
Dazu am 2. 6. 2006 ein Leserbrief:
Ein Kuddelmuddel
Betrifft: „Richtig ist falsch“, Artikel vom 6. Mai 2006
In diesem Artikel ist der Satz zu finden: „Einer (Prof. Ickler) schimpft und streitet, nervt und nörgelt.“ Diese im Großen und Ganzen negative Aussage über Ickler möchte ich etwas zurechtrücken. Im Jahre 1995 wurde mit Zustimmung der Kultusminister aller Bundesländer die so genannte Rechtschreibreform eingeführt. Nach zwei Jahren erschien Icklers Buch „Die so genannte Rechtschreibreform – Ein Schildbürgerstreich“. Er deckt gnadenlos den Murks auf, der in dieser Reform steckt (kann man dies als Schimpfen oder Streiten bezeichnen?). Nach dem Erscheinen dieses Buches hätte man erwarten können, dass die zuständigen Stellen möglichst schnell veranlassen würden, dass diese Reform vom Unsinn bereinigt wird. Nein! Zehn Jahre werden Schüler und Lehrer gefoltert, Unsinniges zu lernen. Dann wird eine Kommission zur Bereinigung der Rechtschreibreform gebildet. Ihr Vorsitzender: der gelernte Altphilologe und ehemalige Kultusminister Zehetmair, der 1995 der Rechtschreibreform zugestimmt hat. Man nennt dies den Bock zum Gärtner machen. Gibt es denn keinen kompetenten Germanisten, der diesen Ruheständler ablösen könnte? Er sollte sich wirklich zur Ruhe setzen. Außerdem sind in dieser Kommission neben Zehetmair 38 „Experten“. Ich vermute, dass unter diesen einige sind, die mit der deutschen Grammatik auf Kriegsfuß stehen. Wie ich gelesen habe, sind weitere Änderungen der Rechtschreibreform geplant, das heißt, der Kuddelmuddel geht weiter.
Theo Müller, Burgbernheim
(Die Zeitung setzt auch Leserbriefe von Reformgegnern stets in Reformorthographie um; davon ist sogar der zitierte Buchtitel betroffen: „Die so genannte Rechtschreibreform“.)
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Kommentar von Fußballfreund, verfaßt am 10.06.2006 um 19.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=522#4265
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Frau Scherfenberg gehört zu denjenigen festangestellten Redakteuren, die zwar selbst allerorts ihre eigenen Texte unterzubringen versuchen, gegenüber Kollegen aber nicht unbedingt mit einem verinnerlichten Begriff von Handschlagqualität gesegnet sind.
Das ist ihr aber nicht anzukreiden, für seine Wesenszüge kann man ja nichts.
Doch daß sie dann noch derart dämlich schreibt, so umgangssprachlich und kleinbürgerlich -- während draußen bessere Leute stehen, deren Texte sie nur bestellt und liest, aber nicht abdruckt und bezahlt -- das ist ihr vorzuwerfen.
Jedenfalls kann man sich den Namen leicht merken und dann die Artikel einfach überblättern.
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Kommentar von Red., verfaßt am 24.07.2006 um 16.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=522#4969
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Kommentar verfaßt von Ballistol am 24.07.2006 um 16:15 Uhr
Lieber Konterrevolutionär Prof. Ickler,
daß der Droemer-Verlag Ihr gutes Buch mit schlechtem Deutsch bewirbt, fällt schon kaum noch auf. Aber daß er dies auch noch in neuer Rechtschreibung versucht und die Reform als quasi-verbindlich anerkennt, das schon eher. Ob es denen nur darum ging, einen umsatzträchtigen Konterrevolutionär ein bißchen in der Manage tanzen zu lassen?
Hier im Wortlaut:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor einiger Zeit haben wir Ihnen das Buch „Falsch ist richtig“ von Theodor Ickler zugeschickt. Der „Ein-Mann-Thinktank der Reformgegner“, wie ihn Der Spiegel bezeichnet, analysiert auf denkbar unterhaltsamste Art die absurdesten Regelungen und ihre grotesken Folgen für die deutsche Sprache. So entsteht ein Leitfaden durch die Abgründe der Schlechtschreibreform, angefangen mit den Etymogeleien und abstrusen Worttrennungen (Zirkumsk-ript, Frust-ration) über die Wirren der Getrenntschreibung (Er sah mich viel sagend an) bis hin zur unerklärlichen Groß- und Kleinschreibung (jenseits von gut und böse, Gut und Böse unterscheiden können).
Am 1. August wird die neue Rechtschreibreform umgesetzt. Vielleicht wäre das ein Anlass (fehlt Komma) mit einem Beitrag oder einem Interview auf das Buch des Konterrevolutionär (fehlt -s) der Orthographie hinzuweisen? Gerne stelle ich den Kontakt zu Theodor Ickler her. Sollten Sie das Buch nicht mehr vorliegen, schicke ich Ihnen gerne noch ein Exemplar zu.
Mit bestem Gruß
xxx
Droemer.Presse
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Kommentar von Dagmar Konrad, verfaßt am 30.07.2006 um 22.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=522#5138
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Auf der Bestenliste "Sachbücher des Monats August", die am 13.8. auch in der - ausgerechnet von Helmut Markwort moderierten - Sendung "Bookmarks" (3sat) vorgestellt werden wird, steht "Falsch ist richtig" immerhin auf Rang 6 (laut SZ von morgen, S. 14).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2013 um 13.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=522#23183
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Die Herstellung und Vermarktung von Würsten scheint weitere Verbrechen nach sich zu ziehen. Würste sind ja die einträglichste Form der Beseitigung von Schlachtabfällen. Daher die Redensart, alles sei wurscht oder "Das ist mir wurscht". (Kleinschreibung ist in Ordnung, vgl. "wie wurscht mir das ist!")
Hoeneß hat eine Wurstfabrik und hinterzieht Steuern, logischerweise. Das Letzte, was ich vom deutschen Fernsehen noch in Erinnerung habe (und daran sehen Sie, wie lange es schon her ist), war Schrum. "Schrum hat eine Wurstfabrik und ein Zimmer für Musik." Er hinterzog die Fernsehgebühr, logischerweise. "Schwarz hören und sehen kommt teuer zu stehen."
Ich habe weder eine Wurstfabrik noch einen Fernseher, zahle aber Steuern und Fernsehgebühren, komme mir auch ganz dumm dabei vor.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.03.2014 um 15.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=522#25370
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Über den Ausgang des Hoeneß-Prozesses titelt die BZ recht witzig:
Der Runde muss ins Eckige
(Daraus wird natürlich einstweilen nichts. Gestern habe ich mir ausgerechnet, daß die von H. hinterzogene Steuer höher ist als die von sämtlichen Bürgern meiner Gemeinde nicht hinterzogene. Und beim Vorbeiradeln an einem neuen Institutsgebäude dachte ich: Noch so ein Gebäude könnte man locker für die 28,5 Millionen hochziehen, das hat der H. uns gewissermaßen gestohlen. Und in der Zeitung stand gleichzeitig, daß eine Frau wegen hinterzogener Schenkungssteuer (viel, viel weniger!) für zweieinhalb Jahre ins Eckige muß. "Mir tut es unendlich leid für Uli. Ich bin sehr erschrocken über die Vorstellung, dass Uli für seinen Fehler so heftig büßen muss. Ich bin sehr traurig", sagt Heribert Bruchhagen, Vorstandsboss des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt. - Wie tickt man eigentlich in diesem Milieu?)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.05.2014 um 15.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=522#25878
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Ein weiterer bekannter Sportler, Radrennfahrer, hat im Suff einen Verkehrsunfall verursacht und dabei andere Menschen verletzt. Er entschuldigt sich persönlich (!) bei den Opfern, das sei ihm wichtig gewesen... Es kann nicht ausbleiben, daß ihm führende Politiker bald ihren besonderen Respekt aussprechen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.11.2016 um 14.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=522#33947
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Einen Halbwüchsigen, der etwas ausgefressen hat, versucht man zu "resozialisiieren", damit er eine "zweite Chance" erhält. Aber dasselbe über einen gestandenen Geschäftsmann mit erheblicher krimineller Energie?
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