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20.05.2006
Unterstöger (und Zabel)
Bemerkungen zu einem Fall
Da ich gerade Material zum „Fall Unterstöger“ sammele, möchte ich daran erinnern, daß Zabel nicht ohne Grund Unterstögers Titelzeile „Keine Wüteriche am Werk“ (zum Bericht aus Wien 1994) zum Buchtitel machen konnte.
Hermann Unterstöger hat die Reform von Anfang an mit pseudokritischen, „Streiflicht“-artig witzelnden Kommentaren verharmlost und damit viel zu ihrer Durchsetzung beigetragen. Einen besseren Partner hätten sich die Schmid und Krimm im bayerischen Kultusministerium nie wünschen können. Das ist mir nach zusammenhängender Lektüre aller seiner Beiträge noch einmal richtig klar geworden.
Dazu noch folgender Hinweis: In Zabels Buch, einer unglaublich schlampigen Kompilation (Zabels Kommentar in wüster Mischorthographie, dazu verdoppelte und halbierte, manchmal mitten im Satz abgebrochene Fotokopien diverser Dokumente), steht auf S. 296 der sonderbare Text „Sprachuntergang findet nicht statt“ – ohne Quelle, ohne Datum, ohne Verfasser, außerdem sind die beiden Kolumnen vertauscht, und die zweite Hälfte fehlt ganz. Nun, es handelt sich um einen Artikel von Hermann Unterstöger aus der Süddeutschen Zeitung vom 11. 9. 1995.
Am Schluß enthält Zabels Buch noch eine sehr umfangreiche Liste aller bis November 1996 erschienenen Zeitungsartikel und Leserbrief zum Thema RSR. Darunter ist zwar manches vom Typ „Dortmunder Professor hält Duden für nicht schultauglich“ (Zabel wollte ja bei Bertelsmann unterschlüpfen und tat es dann auch!), und aus der FAZ vom 12. 10. 1996 auch die Denk-Würdigung „Antreiber der Poeten“. Aber war da nicht noch etwas, ein ganzseitiger Artikel in derselben Ausgabe? Noch heute werde ich manchmal darauf angesprochen, aber Zabel, dem sonst nichts entging, scheint ihn übersehen zu haben ...
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Kommentar von Friedrich Denk, verfaßt am 20.05.2006 um 21.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=513#4125
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Bei aller Schlamperei verdanken wir den Büchern von Professor Zabel auch einige wertvolle Hinweise zu den Hintergründen der sog. Rechtschreibreform, z.B. zu der überragenden Bedeutung mancher Kultusbeamter oder zu einem Journalisten wie Hermann Unterstöger, dessen "sachkundige Berichterstattung" Zabel lobend hervorhebt (S. 31). Auch betont Zabel in bemerkenswerter Offenheit: "Für den Verlauf der Hauptphase der Auseinandersetzungen ist zunächst außerodentlich [!] bedeutsam, dass verschiedene Zeitungen durch einen Korrespondenten in Wien präsent waren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde sind die Berichte verschiedener überregionaler Zeitungen von der Einsicht der Autoren geprägt, dass in Wien "keine Wüteriche" am Werk waren - so der Titel des Kommentars von Hermann Unterstöger in der SZ vom 25.11.1994. Der genannte SZ-Autor hat sich hervorragend in die nicht ganz einfache Materie eingearbeitet ..." (235).
Zum Beweis druckt er nicht weniger als sechs Artikel von ihm ab. Der wohl wichtigste, der uns ohne Zabel möglicherweise entgangen wäre, ist der folgende. Er zeigt, daß man als Kritiker der Rechtschreibreform immer entweder "zu früh" kam (wie z.B. Prof. Gröschner im Mai 1996 in Karlsruhe) oder "zu spät" - und daß der aggressive Hohn über die Kritiker der Rechtschreibreform im Herbst 1996 ein Vorbild hatte:
Auch schon wach?
Die Rechtschreibreform gleicht mittlerweile auf fatale Weise dem Suppenkaspar: Sie wiegt nur noch ein paar Lot, und ob sie überlebt, weiß kein Mensch. Die Gewichtsabnahme ist indessen nicht ihre eigene Schuld. Sie hätte weiß Gott essen und zunehmen wollen, aber man hat ihr den Suppentopf weggezogen.
Daß sich die fachlich und sachlich involvierten Institutionen mit der Reform beschäftigten und ihre Bedenken dagegen vorbrachten, war ihr Recht und ihre Pflicht: daß das Projekt dabei Federn ließ, hatte seine Ordnung. Was aber nun seit September einige Kultusminister und Ministerpräsidenten aufführen, ist nicht nur ein Schautanz, der um etliches zu spät kommt, sondern auch eine gewaltige Spiegelfechterei. Was haben die Herrschaften eigentlich getrieben all die Jahre, während derer die Rechtschreibreform mit einem öffentlichen Echo sondergleichen ins Werk gesetzt wurde? Geschlafen? Wenn ja, wer hat sie jetzt geweckt, nur damit sie die Reform für „verzichtbar“ erklären (Schröder), das „humanistische Erbe“ in Gefahr sehen (Zehetmair) oder um die „Befindlichkeit der Menschen“ Angst haben (Stoiber)? Vor sieben Jahren, im September 1988, wurde der Reformvorschlag präsentiert. 236 Seiten dick und 700 Gramm schwer – doch weit und breit kein Stoiber, der sich damals unserer Befindlichkeit angenommen hätte.
Eben haben die Ministerpräsidenten beschlossen, wegen der Reform zunächst Kanzler Kohl zu fragen. Schad’t nix! Die „umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit“ können sie sich schenken. Schon geschehen. Weiterschnarchen! us
Süddeutsche Zeitung, 28./29.10.1995
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