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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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23.02.2006
 

Wir Deutschen – ihr Engländer
Erinnerung an das Duzen

“Say ‘thou’, also, and I shall say your language is almost as beautiful as mine.” –
“Isn’t ‘thou’ a little sentimental?” asked Jo, privately thinking it a lovely monosyllable. –
“Sentimental? Yes. Thank God, we Germans believe in sentiment, and keep ourselves young mit (!) it. Your English ‘you’ is so cold, say ‘thou’, heart’s dearest, it means so much to me,” pleaded Mr Bhaer, more like a romantic student than a grave professor.

(Louisa May Alcott: Little Women, 1868, Kap. 46)



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Kommentare zu »Wir Deutschen – ihr Engländer«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.12.2022 um 19.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=435#50080

Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen, was mir immer häufiger auffällt:

Wir sind für Sie da (statt Geöffnet).
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 20.12.2022 um 19.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=435#50079

Das Ihrzen ist mir im Telefonverkehr zwischen Behörden aufgefallen. TÜV an Meldeamt:
"Könnt Ihr mal schauen, ob die Unterlagen vom Herrn soundso schon bei Euch sind."

Vodafone ist jetzt zum Einzelduzen und Gendern übergegangen. "Angebote für Kund:innen" prangt auf der Hauptseite (und zieht sich durch) und präsentiert z.B. "Deine Vorteile mit der Giga-Kombi".
Enstprechend kann man im Fußbereich der Hauptseite die Tugendhaftigkeit dieser Firma gleich unter sechs Links bewundern:
- Unser Purpose
- Inklusion
- Diversity
- Nachhaltigkeit
- Klimaschutz
- Engagement

Wobei "Unser Purpose" gleich nach "Unsere Netze" sicher von den wenigsten richtig gelesen wird.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.12.2022 um 14.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=435#50075

Das ist mir schon sehr oft aufgefallen. "Ihr"/"euch" nimmt eine Art Mittelstellung zwischen "du"/"dir" und "Sie"/"Ihnen" ein.

Auch wenn das Gegenüber nur eine Einzelperson ist, aber im gegebenen Zusammenhang als Gruppenmitglied gedeutet werden kann, kommt einem der informelle Plural doch etwas leichter über die Lippen als der sehr direkte Singular. Andererseits hat man in bestimmten Situationen oft das Bedürfnis, die allzu distanzierende Höflichkeitsformel (3. Person Plural) zu vermeiden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.12.2022 um 08.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=435#50074

Einem Journalisten ist aufgefallen, daß er Gruppen z. B. von Handwerkern ihrzt, die einzelnen aber keineswegs duzt. Das ist meiner Ansicht nach richtig, wenigstens hier in Süddeutschland. Irgendwo habe ich es wohl schon mal erwähnt: Ich habe vor langer Zeit mal in einem Gutachten für einen Beleidigungsprozeß dargelegt, daß jemand durch Ihrzen einer Gruppe von Polizisten sie damit keineswegs despektierlich geduzt hatte.
Inzwischen wohne ich schon so lange hier, daß ich manche Nachbarn immer noch sieze, als Familien aber ihrze.
Übrigens haben sich die Sitten seither stark verändert. In manchen Geschäften werden alle Kunden (meistens sind es junge) grundsätzlich geduzt, das kennt ja jeder.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2009 um 19.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=435#13926

Die Annahme der Reformer und fast aller Grammatiken usw., das "Sie" sei die Höflichkeitsform der Anrede im Deutschen, ist ja schon oft diskutiert worden. Man denkt an die überaus höfliche Äußerung unseres ehemaligen Außenministers: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch." Und wenn man zum Du übergeht, steht ja kein Übergang zu unhöflichen Umgangsformen bevor.
Meiner Ansicht nach duzt man Partner, zu denen man nicht in einer Beziehung gesellschaftlicher Distanz steht: Freunde, Familienmitglieder, Kinder, Tiere, Gegenstände, sich selbst und Gott.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.02.2006 um 00.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=435#2870

Johannes Helmbrecht behandelt nur die Anredepronomina. In Polen und Portugal sind Anredenomina üblich: der Herr, die Dame, die Herrschaften.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.02.2006 um 20.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=435#2865

Einen Überblick zur Geschichte der höflichen Anrede in mehreren europäischen Sprachen bietet Johannes Helmbrecht.
 
 

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