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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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19.02.2006
 

Dreierlei Untergang
KMK-Optionen

Daß die KMK die Empfehlungen zusammen mit dem noch gar nicht existierenden Wörterverzeichnis unbesehen durchwinken wird, wie sie es angekündigt hat, scheint mir gar nicht so sicher.
Entscheidend ist, was die Ministerialräte aushecken, die ja in diesen Tagen besonders intensiv über eine Lösung nachdenken müssen. Für sie ist die wenn auch nur scheinbare Rettung der Reform eine existentielle Frage, denn sie haben ihren wechselnden Dienstherren über die Jahre hin eingeredet, die Reform sei gut und richtig.

Spielen wir doch die Möglichkeiten einmal durch.

Erste Option: Die KMK winkt das Paket durch. Dann bekommen wir eine miserable Schulorthographie, nicht besser als die Version von 2004, weil es zwar einzelne Korrekturen gibt, dafür aber eine sehr verwirrende Formulierung. Diese schlechte Orthographie wird ein für allemal mit Zehetmairs Namen verbunden sein. Eine schwere Belastung wird sein, daß er den Weg des korrekten Verfahrens aufgegeben hat. Er wird stets mit den beiden Anschreiben an die eingeladenen bzw. wieder ausgeladenen Verbände konfrontiert werden, also mit dem Täuschungsmanöver, auf das er sich eingelassen hat.

Zweite Option: Die KMK lehnt alles ab und beharrt - natürlich mit Rücksicht auf die Schüler, also die Verlage - auf dem Stand vom Sommer 2005. Damit würde sie Zehetmair opfern. Er müßte sich eine Formel überlegen, die ihm hilft, trotzdem das Gesicht zu wahren. Aus seiner Sicht wäre es jedenfalls der schlimmstmögliche Fall. In der letzten Zeit – auch in ihren schriftlichen Voten – haben viele Ratsmitglieder (darunter alle Wörterbuchverlage mitsamt der ausgedehnten Dudengruppe) erstaunlich offen geäußert, daß sie eigentlich überhaupt keine Änderungen der ursprünglichen Reform für notwendig halten und die neue „Philosophie“ des Rates grundsätzlich ablehnen. Allenfalls die Revision von 2004 nehmen sie noch hin, aber danach müsse Schluß sein. Das würden sie vielleicht nicht sagen, wenn sie nicht schon wüßten, daß sie mit ihrer Blockade bei den Politikern auf offene Ohren stoßen.

Dritte Option: Die Empfehlungen zur Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung und Silbentrennung werden gebilligt, der Rest nicht. Das hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit, weil die Änderungen der GZS schon von der Kommission vorgenommen und von der Eisenberg-Gruppe nur in sehr schonender Weise ausformuliert worden sind. Beide großen Wörterbücher haben sie schon 2004 bzw. 2005 weitgehend umgesetzt. Die geänderte Silbentrennung würde zwar ebenfalls den Neudruck der Wörterbücher notwendig machen, aber die Änderung einer einzigen Regel (Abtrennung von Einzelbuchstaben) läßt sich kostensparend, wahrscheinlich sogar vollautomatisch in den nächsten Nachdruck integrieren. Das muß den drei Wörterbuchverlagen gefallen. Zehetmair könnte sagen, mehr sei unter den gegebenen Umständen nicht zu erreichen gewesen, aber es sei immerhin ein wesentlicher Stein des Anstoßes aus dem Weg geräumt worden usw. So stünde er ganz gut da, vor allem in den Augen derer, die die Revision von 2004 nicht kennen und daher nicht wissen, daß der Rat sich ins gemachte Bett legen konnte und sein Verdienst eigentlich nicht der Rede wert ist. Im allgemeinen Propagandanebel würde das Selbstlob auch noch hingenommen werden.



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Kommentare zu »Dreierlei Untergang«
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Kommentar von j.k., verfaßt am 21.02.2006 um 20.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=424#2802

Sehr geehrter Herr Ickler,

welche der drei Optionen wäre denn für uns die günstigste? Könnten wir nicht sogar aus der dritten dergestalt einen Vorteil ziehen, daß durch die ablehnende Haltung der KMK bei einem Teil der Neuerungen (oder bei allen, wie in Option 2) das Volk sieht, daß die Reform Mist ist?

Vor allem könnte es uns helfen, die Verlage auf Kurs zu halten. Sie sagen immer wieder, sie müßten sich zu allererst die ganz neue Rechtschreibung ansehen, bevor sie entscheiden können, ob sie sie annehmen. Wenn die Neuerungen völlig unzufriedenstellend ausfallen, könnte dies ein positives Signal dergestalt sein, daß die Verlage NICHT auf neue umstellen, sondern bei alt bleiben.

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