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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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15.02.2006
 

Der Fall Güthert
Eine Materialsammlung

Das Institut für deutsche Sprache in Mannheim war von Anfang an die Propagandazentrale der Rechtschreibreform.
Ihre offizielle und nichtoffizielle Rolle in der Vorgeschichte der Reform soll hier nicht dargestellt werden. Im Frühjar 1997 – zu spät, wie viele Fachleute meinen, denn da war die Reform bereits in die meisten Schulen eingeführt, und die reformierten Wörterbücher waren schon in Millionenauflagen verkauft – wurde die Zwischenstaatliche Kommission gegründet; ihr Sitz war das IDS, ihr Geschäftsführer, der Reformer Klaus Heller, zugleich Angestellter des Instituts. Ihm ging die Germanistikstudentin Kerstin Güthert zur Hand. Ihre Promotion betreute der damalige IDS-Direktor Stickel.

Die Kommission für deutsche Rechtschreibung verteilte anläßlich einer Pressekonferenz am 12.9.1997 in Mannheim einen Aufsatz, in dem Heller und Güthert „Das Märchen von tausendundeiner Differenz“ zu widerlegen versuchten. Sie fahndeten nach den Abweichungen, welche die Reformkritiker zwischen den reformierten Rechtschreibwörterbüchern von Duden und Bertelsmann festgestellt hatten, und fanden sie nicht! Wie ging das zu? Ganz einfach: Seit der meistverkauften 1. Ausgabe hatte sich das Wörterbuch von Bertelsmann stillschweigend an den neuen Duden angeglichen – besonders in der 10. Ausgabe (nicht „Auflage“ – es war immer noch die erste!), die immerhin den winzigen Vermerk „neu durchgesehen“ trägt. Mehr als eine Million Bertelsmann-Käufer wußten nicht, daß sie ein längst überholtes Wörterbuch besaßen. (Im März 1999 erschien eine zweite Auflage, durch die 1,8 Mill. Bände der ersten endgültig wertlos wurden.) Daß auch die Fehler angeglichen wurden, z. B. die falsche Getrenntschreibung von wieder sehen, sei nur nebenbei erwähnt ... Klaus Heller und Kerstin Güthert sagten mit keinem Wort, daß sie ihrem Vergleich die bereits angeglichene Version des Bertelsmann zugrunde gelegt hatten. Telefonisch versicherte Heller mir am 18.9.1997, von solchen Angleichungen wisse er nichts. Auch auf die Vorhaltung, mehr als eine Million Käufer befinde sich im Besitz eines ganz anderen, fehlerhaften „Bertelsmann“, antwortete der Bertelsmannautor und Geleitwortschreiber zum Bertelsmann-Wörterbuch mit „kann sein“ und „weiß ich nicht“. Unmittelbar nach meinem Anruf veranlaßte er allerdings, daß wenigstens dem Abdruck seiner Arbeit in der Zeitschrift „Muttersprache“ ein Vermerk über die benutzte Ausgabe des Bertelsmann-Wörterbuchs angefügt wurde.

Die KMK wiederum berief sich in ihren „Informationen zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“ vom 28.8.1997 auf diesen bewußt irreführenden Aufsatz, um das Problem der 1001 (und noch viel mehr!) Differenzen zwischen den Wörterbüchern zu verharmlosen. Die KMK trug damit zur Täuschung der Öffentlichkeit bei und machte sich zum Handlanger derer, die an der Reform Geld verdienen. Dasselbe muß vom bayerischen Kultusministerium gesagt werden, das die Hellerschen Befunde in einem Rundschreiben vom 6.10.1997 an alle Schulen weiterverbreitete. Sogar der Reformer Sitta gab vor, den Schwindel nicht zu durchschauen (in Eroms/Munske [Hg.] 1997, S. 219f.). Er arbeitete für Duden und empfahl die Wiederherstellung des Duden-Privilegs.
Das Institut für deutsche Sprache druckte gar noch im Dezember 1997 eine Erklärung des Kommissionsvorsitzenden Augst vom August 1997, die sich auf den Güthert/Hellerschen Text als Beweismittel berief, im „Sprachreport“ (4/97, S. 10) ab. Im nächsten Heft (1/98, S. 17) distanzierte sich das Kommissionsmitglied Peter Eisenberg davon.
Weder von Heller noch von Güthert war je ein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung zu vernehmen. Ihr Text war jahrelang von der Internetseite der Kommission abrufbar und verschwand erst nach deren Auflösung im Juni 2005.


Als nach dem Versagen der Kommission der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ gegründet wurde, erfuhren die erstaunten Mitglieder bei ihrer ersten Zusammenkunft am 17.12.2004, daß die Stelle eines Geschäftsführers bereits ausgeschrieben, die Bewerbungsfrist am 10.12. abgelaufen und unter den 25 Bewerbern Dr. Kerstin Güthert ausgewählt worden war. Sie ist wie ihr Vorgänger am IDS angestellt, das die KMK zum Sitz der Geschäftsstelle bestimmt hat.

Güthert verstand sich von Anfang an als Sachwalterin der KMK und der Reformbetreiber, mit denen der Rat mehrheitlich besetzt war und bei denen die parteiische Ausübung ihrer Tätigkeit daher auf großes Wohlwollen stößt. In „EURAC-Focus“ vom 9.5.2005 äußerte sie sich über die Arbeit des Rates. Sie behauptet, es sei die Aufgabe des Rates, „in besonders umstrittenen Gebieten eine Weiterentwicklung der Orthografieregeln auf der Basis der Neuregelung von 2004 zu erarbeiten.“ Frage: Um welche Gebiete handelt es sich? „Überarbeitet werden die Getrennt – und Zusammenschreibung, die Zeichensetzung und die Silbentrennung.“ Das traf schon damals nicht zu. Die Aufgabe des Rates war keineswegs auf die genannten Bereiche begrenzt. Güthert versuchte immer wieder, alles Problematische auf die Getrennt- und Zusammenschreibung zuzuspitzen, wie es die Kultusminister wollten. Übrigens sind die Schulbuchverleger nicht als „Vertreter aus der Schreibpraxis“ im Rat, sondern als Wirtschaftsunternehmen. Der VdS Bildungsmedien hat stets betont, daß er nicht am Inhalt der Reform, sondern an den wirtschaftlichen Folgen interessiert ist. Er hat auch ausdrücklich gesagt, daß er nur aus diesem Grunde einen Vertreter in den Rat entsandt hat. (Nachweise in meinem Dossier „Die Schulbuchverleger und die Rechtschreibreform“.) Die Gründe, aus denen die Kommission aufgelöst und durch den Rat ersetzt wurde, werden nicht genannt; es war jedenfalls nicht ein Mangel an „Praktikern“! Auch war die personale Kontinuität durch einfaches Verbleiben der sechs österreichischen und Schweizer Kommissionsmitglieder im Rat keineswegs so beabsichtigt, sondern eine Trotzreaktion der beiden Nachbarstaaten, die mit der Auflösung der Kommission so wenig einverstanden waren wie zuvor mit der Einrichtung des „Beirates“; das Sitzenbleiben des einzigen Deutschen aus der aufgelösten Kommission war nicht zu verhindern, weil die GfdS hier gleichsam über einen Erbhof verfügt. – Tendenziös ist folgende Darstellung Gütherts:
„Sehr positiv ist auch die Tatsache, dass auch einige der alten 'Reformgegner' von Seiten der Linguisten nun Mitglieder des Rates sind bzw. im Rat mitarbeiten. So können sie an einer wirklich zielgerichteten und fruchtbringenden Diskussion mitwirken.“
Damit wird die bisherige Arbeit der Reformgegner außerhalb des Rates diffamiert, als sei sie nicht zielgerichtet und fruchtbringend gewesen. Ziel war das Ende der Reform; und diese Frucht ist zweifellos nähergerückt. Güthert plaudert bei dieser Gelegenheit Einzelheiten aus Diskussionsvorlagen aus, über die im Rat Vertraulichkeit vereinbart worden war.
Sie bestreitet, daß es sich um eine Reform der Reform handelt. Dabei wußte sie schon, daß in dem Bereich, der bis dahin als einziger behandelt worden war, eine nahezu vollständige Rücknahme der Reform vor der Beschlußfassung stand. Sie spricht dreimal von „Weiterentwicklung, weiterentwickeln“ und übernimmt damit die irreführende Sprachregelung der Kultusminister. Freilich war schon 2004 eine Reform der Reform im Gange gewesen, aber davon hat die interessierte Öffentlichkeit nichts mitbekommen. Die Tatsache, daß die seit 1996 eingeübten Regeln der GZS praktisch aufgehoben und damit umsonst gelernt worden sind, wird systematisch vernebelt. Der Rat „verstärkt die Prinzipien“? Nein, er schlägt genau die Gegenrichtung zur bisherigen „Philosophie“ der Reform ein, wie auch Ratsmitglied Sitta während der vierten Sitzung messerscharf erkannte: Statt neue und „gewöhnungsbedürftige“ Schreibweisen aus theoretisch ersonnenen Regeln abzuleiten, orientiert sich der Rat jetzt wieder am Schreibbrauch und verallgemeinert daraus die „Regeln“. Jedenfalls hat er sich das vorgenommen.

Am ärgsten sind die letzten Worte des Interviews:
„Ebenfalls definitiv sind die Schreibung mit Bindestrich und die Groß- und Kleinschreibung. Für die anderen Bereiche erarbeitet der Rat, wie gesagt, Vorschläge, die dann zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten können.“
Hier macht sich Güthert in unmißverständlicher Deutlichkeit die Absicht der KMK zu eigen, die Bereiche Groß- und Kleinschreibung (stets als letztes und nebenbei erwähnt, obwohl es die Hauptsache ist), Bindestrich und Laut-Buchstaben-Zuordnungen von der Tagesordnung des Rates zu verbannen. Und was der Rat beschließt, wird vielleicht irgendwann einmal die Gnade der KMK finden, vielleicht auch nicht. Damit wird der Rat zu einer Spielwiese degradiert, auf der eine folgenlose, nur zur Ruhigstellung der Öffentlichkeit dienende Betriebsamkeit geduldet wird. Von der selbstbewußten Auffassung, die der Vorsitzende von den Aufgaben des Rates hat, ist in Gütherts Darstellung nichts zu zu finden.
In ihrem eigenen Beitrag übernimmt Güthert die These vom Handlungsbedarf, der die Reform notwendig gemacht habe. So weist sie auch auf die – vom IDS-Mitarbeiter Mentrup ausfindig gemachten – „gut 100 Vorschläge“ zu einer Rechtschreibreform hin, die es im 20. Jahrhundert gegeben habe. Dabei handelt es sich jedoch größtenteils um Ideen einzelner Tüftler oder Konventikel, deren Elaborate man mit Recht als „Kränzchen-Orthographie“ bezeichnet hat und die keinesfalls dazu mißbraucht werden dürfen, eine erhebliche Unruhe und einen dringenden Handlungsbedarf in orthographischen Angelegenheiten zu suggerieren. („So wurden Rufe nach einer Reform laut.“) Die Rede vom „Reformstau“ paßt dazu. Dem Duden wird einerseits vorgeworfen, daß er nicht bei der Regelung von 1901 geblieben sei, sondern sie eigenmächtig verändert habe, andererseits wird ganz im Gegenteil behauptet, das Fortgelten der Regeln von 1901 habe nach einer Reform verlangt. Bis auf eine Handvoll Eiferer (besonders um 1970) hat niemand etwas von einem Reformstau verspürt. Die wirkliche, durchaus friedliche orthographische Situation etwa um 1995 wird dadurch systematisch verzerrt.

Dieselbe Linie verfolgte Güthert in einem Gespräch, das der dpa-Mitarbeiter Bernd Glebe am 29.6.2005 veröffentlichte, unmittelbar vor der 5. Ratssitzung:
„Bis zum Jahresende fertig zu werden, ist unsere Wunsch- und Idealvorstellung“, betonte die Geschäftsführerin des Rates für deutsche Rechtschreibung, Kerstin Güthert.
Diese Vorstellung, die bis dahin im Rat noch nie artikuliert worden war, so daß man nicht weiß, für wen Gütherts Plural „unsere“ eigentlich steht, kann man nur haben, wenn man entschlossen ist, die Groß- und Kleinschreibung und die Laut-Buchstaben-Zuordnung von der Themenliste zu streichen. Auch sprach Güthert von einem „Fahrplan“, den die Ratsmitglieder nicht kannten.
Die Mitglieder des Rates für deutsche Rechtschreibung werden mit Informationen durch die Geschäftsführerin nicht gerade verwöhnt. Am 17.6.2005 wurde dem Rat ein in wesentlichen Punkten geändertes Statut verordnet. Davon erfuhren die deutschen Mitglieder aber kein Wort, ich selbst bekam nur durch eine zufällig laufende Korrespondenz mit der KMK davon Kenntnis. Die Geschäftsführerin hielt es auch nicht für nötig, die Mitglieder von einem Eingriff in die im Internet veröffentlichten Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung zu benachrichtigen (§ 37 E5); erst auf Nachfrage bestätigte sie die Änderung. Allerdings ist der gesamte Text ohnehin ein Erzeugnis der Geschäftsstelle und hat als ganzer dem Rat nicht zur Billigung vorgelegen.
Neben den ausdrücklich eingesetzten Arbeitsgruppen, die im Schweiße ihres Angesichts Vorlagen für die Revision des Regelwerks erarbeiten, hatte sich in aller Stille eine Arbeitsgruppe „der im Rat für deutsche Rechtschreibung vertretenen Wörterbuchverlage“ gebildet. Sie bestand aus Redakteuren von Duden, Bertelsmann-Wahrig und dem Österreichischen Wörterbuch, traf sich ganztägig im Hause Duden und erarbeitete Gegenentwürfe – und zwar unter Mitwirkung der Geschäftsführerin des Rates, ohne daß der Rat als ganzer davon etwas wußte, geschweige denn, daß er sie dazu beauftragt hätte.
So fanden die Ratsmitglieder eine Woche vor dem nächsten Sitzungstermin nicht nur die förmliche Beschlußvorlage zur Getrennt- und Zusammenschreibung in ihrer Post, sondern auch gleich noch den Gegenentwurf der parallel beratenden Verlagsgruppe. Die auf der 3. Ratssitzung vereinbarte Überprüfung von Auswirkungen der Revision auf den Wortschatz war bereits in einem am 19.5.2005 versandten Papier geleistet. Bei der neuen Vorlage handelte es sich streckenweise um einen veritablen Gegenentwurf zur Beschlußvorlage der vom Rat eingesetzten Arbeitgruppe. So wurde vorgeschlagen, die Verbindung Verb+Verb stets getrennt zu schreiben: kennen lernen, liegen bleiben usw. - wie in der nichtrevidierten Reform von 1996. In der revidierten Fassung vom November 2004 steht immerhin schon kennengelernt, sitzengeblieben.
Ein Verfasser dieses Textes war nicht angegeben, die professionelle Gestaltung ließ auf die Dudenredaktion schließen. Übrigens ist nur Dr. Wermke Mitglied im Rat, die anderen beiden Herren aus der Dudenredaktion sind es nicht. Wenn ich mich mit Freunden treffen wollte, um über mein weiteres Vorgehen im Rechtschreibrat zu sprechen, würde es mir nicht im Traum einfallen, die Geschäftsführerin dazuzubitten.
Ein österreichisches Ratsmitglied schrieb in diesem Zusammenhang an die Vertreterin des Österreichischen Wörterbuchs im Rat:
„Das vertrauliche "Liebe Kerstin - Deine Ulli" klingt ein bisschen nach Kungelei. Ich bitte Sie, die in der offiziellen Sphäre üblichen Umgangsformen zu wahren. (...) Demokraten müssten eigentlich fühlen, dass die Wörterbuchverlage sozusagen die Exekutive und der "Rat" als ganzer, oder ebenso die von diesem eingesetzten Arbeitsgruppen, die "Legislative" sind. Deswegen meine ich, dass Ihr Votum "... sollten von der AG Getrennt- und Zusammenschreibung gemeinsam mit den Wörterbuchverlagen geklärt werden" zu einer unreinen Vermischung führen würde. Es wäre nicht erste die antidemokratische in der Geschichte der bisher mißglückten Rechtschreibreform. Die Wörterbuch- und Schulbuchverlage sind schlagkräftige Interessenvertretungen. Darf ich auf Verständnis für demokratische Spielregeln drängen? Mir missfällt auch, dass sie jetzt schon immer am Tag vor der Ratssitzung in Mannheim Ihre Fraktionssitzungen abhalten. Das ist, irgendwie, unfair, aber machtpolitisch gesehen sehr professionell.“

Zu einer neuen Irreführung kam es am 23.1.2006 im Anschreiben der Geschäftsstelle an die zur Anhörung Eingeladenen. Darin heißt es:
„Bereits jetzt dürfen wir Sie darauf hinweisen, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung auf seiner Februarsitzung über Vorschläge zum Bereich der Groß- und Kleinschreibung befinden wird. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Anpassungen, die sich aus den Änderungen im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung ergeben. Die Vorschläge zu diesem Bereich werden wir Ihnen zu gegebener Zeit mit der Bitte um kurzfristige Stellungnahme nachreichen.“
Das ist unzutreffend. Der Auftrag umfaßt vielmehr:
„(1) Schreibung des Anredepronomens du, (2) Schreibung fester Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv (z.B. gelbe/Gelbe Karte), (3) Schreibung von Einzelfällen insbesondere aus dem Überschneidungsbereich von Groß-Klein- und Getrennt-Zusammen-Schreibung (Pleite gehen, Recht haben), (4) Schreibungen im Randbereich (z.B. auf allen vieren (gehen)).“
Wie man sieht, berührt nur einer der vier Punkte die Getrennt- und Zusammenschreibung, und auch der nur teilweise; eigentlich sind nur drei Wörter betroffen (Pleite/Bankrott gehen, Recht haben, Not tun).
Die tatsächlich vorgelegten Änderungsvorschläge der Arbeitsgruppe gehen über die im Anschreiben genannte Beschränkung hinaus, die offensichtlich nur den Zweck hat, die Bedeutung der Änderungen kleinzureden. Es soll der Eindruck entstehen, man habe mit der Getrennt- und Zusammenschreibung alles Wesentliche bedacht und die weiteren Änderungen seien nur redaktionelle „Anpassungen“.

Unmittelbar vor der achten Sitzung des Rates ließ sich die Geschäftsführerin wieder vernehmen:
„'Natürlich sind unsere Vorschläge ein Kompromiss – aber sie sind vernünftig und gut', betonte die Geschäftsführerin des Rates, Kerstin Güthert. Die Vorschläge des Gremiums seien sowohl der alten als auch der neuen Rechtschreibung überlegen und könnten auf Jahre hinaus Bestand haben. Ob die Kultusministerkonferenz ähnlich euphorisch auf das Änderungspaket reagieren wird, ist offen.“ (Der Standard 2.2.2006)
Die Geschäftsführerin hat keine Stimme im Rat; sie ist nicht die Sprecherin des Rates und hat weder Vorschläge zu machen noch Urteile über die Vorschläge des Rates abzugeben, schon gar keine euphorischen angesichts so gewichtiger Einwände, wie sie von unabhängigen Gutachtern vorgebracht worden sind.



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Kommentare zu »Der Fall Güthert«
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Kommentar von Mannheimer Morgen vom 15. Oktober 2007, verfaßt am 08.12.2007 um 14.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=416#10926

Mit der Liebesbriefmaschine geht Romantik verloren
Tag der offenen Tür im Institut für Deutsche Sprache zieht viele Besucher an / Großes Mitmach-Programm

Von unserem Mitarbeiter Bernhard Haas

In keiner anderen Stadt gibt es mit einem Goethe-Institut, dem Duden-Verlag und dem Institut für Deutsche Sprache (IDS) eine solch geballte Kraft, die sich mit der deutschen Sprache auseinandersetzt - davon ist Dr. Annette Trabold, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, überzeugt: "Mannheim entwickelt sich zum Kompetenzzentrum der deutschen Sprache." Anlässlich des Stadtjubiläums öffnete das IDS am Samstag seine Türen für Sprachinteressierte. Einblicke wurden gewährt, wie Wörterbücher entstehen, wie man in fünf Millionen Buchseiten recherchieren oder anhand von Hörbeispielen erraten kann, aus welchem Teil des deutschsprachigen Raums der Sprecher stammt.

"Wir wollten den Mannheimern zeigen, was wir hier so machen", sagte Professor Dr. Ludwig M. Eichinger, der Direktor des IDS: "Da uns die Menschen nur punktuell wahrnehmen, dieses Jahr gleichzeitig das Jahr der Geisteswissenschaften gefeiert wird und Mannheim 400 Jahr alt ist, bot sich ein Tag der offenen Tür an."

Für jedermann verständlich fand sich im Programm viel Wissenswertes aus den drei Forschungsschwerpunkten, die ganz trocken Grammatik, Lexik und Pragmatik umschrieben werden. Zum Beispiel darf sich der Angebetete in romantischen Liebesbriefen nicht mehr sicher sein, dass der Inhalt wirklich von Hand geschrieben ist, denn das geht ganz einfach am Computer. Mit einer "Liebesbriefmaschine" gewannen die Besucher gleichzeitig auch Einblicke in die Grammatik.

Angela Schlipp, Elisabeth Mell und Jessica Völker saßen begeistert am Bildschirm und stellten fest: "Das hat super viel Spaß gemacht." Armin Künkel und Saskia Weisser fanden es gut, "wie man am Tag der offenen Tür eingebunden wird und mitmachen darf. Die Sprache ist ja mit das wichtigste Werkzeug, das wir haben", stellen die beiden fest. Sie waren aus Interesse gekommen und beteiligten sich gerne an einem Quiz, das Dr. Doris Steffens erklärte.

Über die sprachliche Vielfalt in Gesprächen von Jugendlichen, die einen Migrationshintergrund haben, berichtete Ralf Knöbl. Am Beispiel türkisch-stämmiger Jugendlicher aus dem Jungbusch und der westlichen Unterstadt wurden Veränderungen der Laute und Grammatik untersucht. Sein Fazit: Migrantenjugendliche besitzen hohe sprachliche Fähigkeiten. Aber es gibt einen auffälligen Kontrast der sprachlichen Fähigkeiten zum sozialen Prestige.

Werden nun Straßennamen wie "ADAC-Straße" mit einem Bindestrich geschrieben oder ohne? Das wollte Dr. Jürgen Rößler wissen, der an der Merkur-Akademie Sekretärinnen unterrichtet. Dr. Kerstin Güthert, Geschäftsführerin des Rates der deutschen Sprache, konnte stets abhelfen und sagte, dass nach den Turbulenzen um die Rechtschreibreform mittlerweile eine gewisse Erleichterung zu spüren sei. "Varianten gibt es aber immer noch", so Güthert.

Einen ganz anderen Schwerpunkte hat Dr. Heidrun Kämper. Sie erforscht, wie sich nach der 68er Generation die Sprache verändert hat. Dass Deutsch keine homogene Sprache ist, erfuhr man bei Prof. Dr. Bruno Strecker: "Sie können ja privat schreiben, wie Sie wollen." Besucherin Gabriele Keibel-Possmann wollte wissen, nach welchen Kriterien die mittelhochdeutsche von der neuhochdeutschen Sprache unterschieden wird - auch ihre Frage wurde kompetent beantwortet. Am Eingang durfte jeder sein Lieblingswort auf einen Button stampfen lassen. Musikalisch gestalteten Christl Marley (Saxofon) und Ralf Kögel (Gitarre) den Nachmittag.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 16.02.2006 um 02.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=416#2659

"Grenzt das nicht an Amtsmißbrauch? "
Natürlich tut es das. Und den haben wir auch in anderen Bereichen unseres demokratischen Zusammenlebens. Aber wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.
"Den Printmedien muß das alles aber unbedingt vor Augen gehalten werden, damit sie genau wissen, was sie im Interesse der Schulkinder alles schlucken, abnicken oder gar noch gutheißen werden."
Eigentlich müßten die Printmedien uns, den Staatsbürgern, das immer wieder vor Augen halten, im Interesse des Staates! Aber die Medien haben andere Interessen. Und wie heißt es doch schon seit langem in der größten der Demokratien der Welt: "What's good for General Motors is good for the U.S.A."
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 16.02.2006 um 00.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=416#2658

Eine Frage, die sich mir angesichts dieser untragbaren Zustände immer wieder stellt: Was werden Gerichte künftig dazu sagen? Immerhin wird hier, dank der Berichte von Herrn Ickler, unter den Augen einer interessierten Öffentlichkeit schamlos gemauschelt und gekungelt. Alleine die finanziellen Schäden dieses Vorgehens laden doch zum Eingreifen geradezu ein, zumal sich Politik und Verwaltung hier mit einer nicht für möglich gehaltenen Dreistigkeit entblößen und ihre eigenen Interessen zusammen mit den Verlagen gegen diejenigen der Bevölkerung durchzusetzen versuchen. Grenzt das nicht an Amtsmißbrauch?
 
 

Kommentar von Fungizid, verfaßt am 15.02.2006 um 16.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=416#2652

Noch weitaus haarsträubender ist das Faktum, daß in Österreich der Reformstand von 2001 unterrichtet wird. Aus Kostengründen druckt man das ÖWB nur noch ganz selten und mutet den Schulkindern zu, etwas lernen zu müssen, was nicht nur bald überholt sein wird, sondern schon lange überholt ist!
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 15.02.2006 um 15.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=416#2650

Wunderbare Dokumentation haarsträubender Vorgänge. Das alles gehört so weit wie möglich verbreitet. (Klar, die meisten klappen sofort alle Scheuklappen runter, wenn das Stichwort mal wieder fällt...) Den Printmedien muß das alles aber unbedingt vor Augen gehalten werden, damit sie genau wissen, was sie im Interesse der Schulkinder alles schlucken, abnicken oder gar noch gutheißen werden.
 
 

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