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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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06.02.2006
 

Bericht über eine Akademie
Was die DASD nicht hinnehmen wollte (und nun doch hinnimmt)

Die sogenannte Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung „denkt politisch“ – und verrät ihre Mitglieder.

In ihrem – von Peter Eisenberg verfaßten – Kompromißvorschlag vom Februar 1999 erklärte die Akademie folgende Neuerungen für nicht hinnehmbar (jeweils durch Originalbeispiele verdeutlicht):

1. Volksetymologische Schreibungen wie Tollpatsch, Quäntchen, belämmert, schnäuzen

(Echte etymologische Neuschreibungen sollten höchstens als Nebenvarianten zugelassen werden.)

2. Mopp, Tipp, Karamell usw.

(Die Heysesche s-Schreibung sei „weder systematisch geboten noch unproblematisch“, aber im Sinne des Rechtschreibfriedens hinzunehmen.)

3. Dreifachbuchstaben wie in Betttuch.

(Fremdworteindeutschungen nur, wenn durch den Gebrauch gerechtfertigt.)

3. Worttrennungen entgegen der antiken Muta-cum-liquida-Regel: ext-ra, Hyd-rant usw.

4. spazieren gehen, stehen bleiben, sitzen lassen usw.

(Bei Not tun, Leid tun wollte die Akademie eine vermeintliche Altschreibung nottun, leidtun wiederhergestellt wissen; die wirkliche Schreibung war not tun, leid tun.)

5. heute Abend usw.

6. Corned Beef, Ultima Ratio usw.

7. im Allgemeinen, des Weiteren usw.

8. Goethe'sche Gedichte

Die DASD beansprucht das Verdienst für sich, den Anfang 2006 heraufziehenden Kompromiß und damit den erhofften „Rechtschreibfrieden“ maßgeblich mitgeschaffen zu haben. In Wirklichkeit haben die Reformer nach zehnjährigem Kampf den Reformkritikern in einigen wenigen Punkten nachgegeben. Die Akademie hat unter dem Einfluß Peter Eisenbergs stets den Standpunkt vertreten, eine Rücknahme der Reform komme nicht in Betracht. Ihre klare Position von 1997 hatte sie damit aufgegeben. So wurde sie zum Liebling der KMK und des Ratsvorsitzenden. Insofern ist sie tatsächlich für jeden noch bevorstehenden Kompromiß mitverantwortlich.



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Kommentare zu »Bericht über eine Akademie«
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Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 06.02.2006 um 21.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=391#2456

Die Zusammenschreibung "nottun" verbietet sich allein aus aussprachetechnischen Gesichtspunkten. Konsequenterweise sollte man dann auch "leid tun" schreiben.
 
 

Kommentar von a.b., verfaßt am 06.02.2006 um 20.50 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=391#2455

Leider verleidet diese leidige Leid des Leidens des lieben, alten Adjektivs leid beleidigend das Lesen, man ist es leid und zum Beileid verleitet.
 
 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 06.02.2006 um 20.45 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=391#2454

Reversibel

Diesen Beweis hat Eisenberg schon einmal in einer Fernsehdiskussion mit/gegen Friedrich Denk anzutreten versucht, und dabei wurden DIN-A-1-Blätter in Richtung Kamera gehalten.
(Das Streitgespräch dürfte Ende der 90er-Jahre im BR ausgestrahlt worden sein)

Vermutlich kann man Eisenberg nichts klarmachen; er uns aber auch nichts.

 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.02.2006 um 19.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=391#2453

In der Süddeutschen Zeitung vom 6.2.06, Feuilleton, schreibt Peter Eisenberg als "Nachtrag" eine Erwiderung auf die Wörterliste in der SZ vom 4.2.06. Insbesondere versucht er zu beweisen, daß "leid" in "leid tun" kein Adjektiv und diese Schreibweise "irregulär" ist.
 
 

Kommentar von GL, verfaßt am 06.02.2006 um 06.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=391#2444

Wenn Politiker angeblich "politisch denken", warum in diesem Zusammenhang so lichtscheu gegenüber der Öffentlichkeit bzw. was haben diese nur zu verbergen?


 
 

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