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26.11.2005
Die Zweitbesten
Eine Nachbetrachtung über Opportunismus
Im Rat für deutsche Rechtschreibung sitzt nur ein einziger Reformgegner. Daher ist der Rat nicht repräsentativ für die Bevölkerung und sollte es auch nie sein. Er ist ein Instrument für die reibungslose Durchsetzung der Reform.
Als sichere Bastion der Reformdurchsetzer erweist sich seit 1999 die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Mit ihrem Kompromiß bietet sie sich den Kultusministern als Wunschpartner an. Die Forderung nach Rücknahme der Reform ist nicht mehr zu hören, so etwas kommt für die DASD überhaupt nicht in Betracht. Die Formel heißt seit vielen Jahren, die beste Lösung sei angesichts der Machtverhältnisse nicht zu erreichen, daher sei die zweitbeste anzustreben. Damit arbeitet die DASD gegen die mutigeren Zeitungsverlage, die ganz zurückgekehrt sind, und gegen die Interessen vieler ihrer Mitglieder. Warum die Mitglieder den Kompromißkurs schweigend hinnehmen, entzieht sich meiner Kenntnis. Es soll auch schon zu Mißhelligkeiten gekommen sein, besonders im Zusammenhang mit der von Wulf Kirsten organisierten Erklärung zahlreicher Mitglieder, die anderer Meinung waren und sind.
Die Zwischenstaatliche Kommission ist nicht zuletzt deshalb aufgelöst worden, weil sie mit der DASD nicht zusammenarbeiten wollte, sondern deren Kompromißvorlage rüde kritisiert hat. Damit überwog für die KMK die Liebe zur Akademie die Anhänglichkeit an die schon immer zwiespältig beurteilte Kommission. Auf Anregung der Ministerinnen Schavan und Wolff (und Reiche, der aber bald danach von Platzeck entlassen wurde) wurde mit der Kommission kurzer Prozeß gemacht und der neue Rat installiert, bezeichnenderweise mit gleich zwei Sitzen für den neuen Wunschpartner.
Die Reparatur der Getrennt- und Zusammenschreibung schmerzte niemanden und war bei der Revision 2004 schon weitgehend durchgeführt oder vorbereitet. Bekanntlich erklärte die KMK aus heiterem Himmel die Groß- und Kleinschreibung für unstrittig und fügte hinzu, auf diesem Gebiet und den anderen noch unbearbeiteten seien vom Rat „keine Änderungsvorschläge zu erwarten“. Das war eine ausgesprochene Unverschämtheit, denn der Rat hatte sich noch keine Minute mit diesen Dingen befaßt, geschweige denn irgend etwas dazu verlautbart.
Der Versuch, die „unstrittigen“, im August verbindlich gemachten Teile zu tabuisieren, konnte nicht gelingen, aber nun versuchen sämtliche Ratsmitglieder, auch die DASD, den notwendigen Eingriff auf ein Minimum zu begrenzen. Nicht das sachlich Notwendige, sondern das bis Februar 2006 Machbare, das Durchsetzbare, das wirtschaftlich Verkraftbare usw. ist die Leitgröße.
Es gibt auch niemanden, der die Laut-Buchstaben-Zuordnung (ss, fff, Etymogeleien) noch einmal aufgreifen will, jeder Versuch wäre sofort zum Scheitern verurteilt. Dies wird also von der Reform bleiben, wenn es nicht gelingt, das Ganze zum Einsturz zu bringen. Verunzierungen, die uns für die nächsten Jahrzehnte Tag für Tag an das große Versagen der Sprachgemeinschaft erinnern werden, auch an die Komplizenschaft der DASD mit den Mächtigen. Wie werden „rau“ und „Stängel“ lesen und immer an Augst und sein Vermächtnis denken. Aber wir leben ja nicht ewig, das ist die große Hoffnung der Reformer. Der Quark tritt sich fest. Basso continuo der DASD: War zwar nicht notwendig, ist aber hinzunehmen, um nicht die ganze Reform zu gefährden. Zugleich erscheinen sämtliche Texte der DASD in herkömmlicher Orthographie, nicht einmal der Kompromißvorschlag ist in Kompromißschreibung gehalten – warum wohl? Sollen die gewöhnlichen Mitglieder nicht sehen, wie ihre Texte in Zukunft aussehen werden?
Ich habe Gerhard Storz, Dolf Sternberger, Karl Korn und andere noch gut gekannt und bilde mir ein, daß so etwas mit ihnen nicht möglich gewesen wäre.
Nachtrag: Auf der Homepage der DASD ("Herzlich Willkommen"[!]) liest man, was alles zu ihren Aufgaben gehört:
"Durchführung von Veranstaltungen zur Literatur, Sprache oder
kulturpolitischen Themen". Sehr aufmerksam! Was wären Veranstaltungen, wenn man sie nicht auch durchführt? Sie würden sozusagen gar nicht stattfinden. Allerdings muß die Durchführung geplant und die Planung wiederum durchgeführt werden.
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Kommentare zu »Die Zweitbesten« |
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Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 26.11.2005 um 15.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=298#1722
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Aus Herrn Icklers Worten lese ich eine gewisse Resignation. Allerdings durfte man angesichts des kultusministeriellen Machtoktrois im Rat grundsätzlich keine andere Entwicklung erwarten. Dennoch hat der Ratsvorsitzende Zehetmair mehrmals verkündet, die Deutschen mit ihrer Rechtschreibung versöhnen zu wollen. Was er sich darunter vorgestellt hat, war ohnehin nie klar. Und jetzt ist er offenbar weiter denn je von seinem hehren Ziel entfernt. Der Pseudo-Rat sollte sich schleunigst auflösen. Auf jeden Fall ist der Zeitpunkt gekommen, wo Roß und Reiter en détail vorgeführt werden müssen. Vertraulichkeit gegenüber einer Clique, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Sprachgemeinschaft zu verhöhnen, darf es nicht mehr geben
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