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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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11.11.2005
 

Für Kinder
Bindestrich als Abhilfe

Den wahren Kern legt der Schülerduden manchmal besser bloß als die amtlichen Texte.

"Wenn schwer lesbare Schriftbilder entstehen, kannst du einen Bindestrich setzen: Betttuch (besser lesbar: Bett-Tuch), Seeelefant (besser lesbar See-Elefant)." (Schülerduden Rechtschreibung und Wortkunde 1997)

Also ist die Dreibuchstabenregel ganz allgemein eine Verschlechterung, und man hilft ihr durch den Bindestrich ab. Ein bemerkenswertes Eingeständnis.

Auf derselben Seite wird behauptet, daß man platzieren statt eigentlich zu erwartendem plazzieren schreibt. Das steht wörtlich zwar nicht so da, folgt aber aus dem Gesagten, im Anschluß an die amtliche Behauptung aus § 3, statt zz schreibe man tz. Alles "unstrittig" nach Meinung unserer Kultusminister.

Überflüssig zu sagen, daß in diesem Buch wie in so vielen anderen auch gelehrt wird, daß "wiedersehen" jetzt nur noch getrennt geschrieben werden darf.



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Kommentare zu »Für Kinder«
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 24.11.2005 um 22.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1695

Man muß sich immer wieder klarmachen und es auch öffentlich verbreiten, daß die ganze sogenannte Rechtschreibreform zutiefst zerstörerisch und destruktiv ist. Man könne auch sagen: nihilistisch.
(lt. P. Eisenberg gab es noch nie einen vergleichbaren Angriff auf unser gewachsenes Sprachsystem). Ohne rechte Vorstellung von Wesen und Zweck der gewachsenen Rechtschreibung haben die Reformer mehr oder weniger wahllos und willkürlich hier und da einen Stein herausgebrochen und dann eine Ruine sich selbst bzw. den Bewohnern überlassen. Nun versucht der Rechtschreibrat (jedenfalls in seiner Mehrheit), Murks mit neuem Murks zu reparieren. Unendlich mühsam werden "Kompromisse" gesucht, wird per Mehrheitsbeschluß über sprachliche Sachverhalte abgestimmt. Dem ganz und gar Verfehlten der Reform folgt ein ebenso untauglicher und letzlich zum Scheitern verurteilter Rettungsversuch. Den wenigen Sachkundigen im Rat gebührt Anerkennung dafür, daß sie in dieser Groteske überhaupt mitspielen und so wenigstens einen Hauch von Anstand und Würde in das ganze Unternehmen bringen.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 24.11.2005 um 17.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1692

Was Ickler und Kratzbaum hier sagen (#1550, #1554), kann nicht oft genug wiederholt werden und sollte den Druckmedien immer wieder vorgehalten werden: Hier geht es eben nicht nur darum, ob man wie die Schweizer intern immer "ss" statt "ß" schreibt und wie Laien auch immer diese vorgeschriebene Deformierung der Verschriftung des Deutschen verstehen mögen, sondern es geht vor allem um die Ethik in dieser Sache. Diese Ethik ist ein Hauptteil der Infrastruktur eines gut funktionierenden Zusammenlebens; und daß da von Regierung her Schädliches unters Volk gebracht wird und daß die "vierte Gewalt" in unserer Demokratie da (mit ganz wenigen Ausnahmen) nicht im geringsten kritisch mitdenkt und richtig informiert, das ist katastrophal für uns alle. Ich muß leider auch bezweifeln, daß "unser Kinderglaube an die Unabhängigkeit und Integrität von Journalisten ... jedenfalls auf heilsame Weise erschüttert worden" ist, fehlen mir doch vor allem auch die empörten Proteste der doch wohl gut ausgebildeten und dann eigentlich fürs gesunde demokratische Staatsleben auf Lebenszeit sicher beamteten Deutschlehrer.

 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 24.11.2005 um 16.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1691

Im Internet drücken viele aufs "Gaßpedal".
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 24.11.2005 um 16.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1690

Ein weiterer RIF: Durch Aushänge in einem ganzen Stadtteil wurde nach einem verlorenen "Schlüßelbund" gesucht.
 
 

Kommentar von borella, verfaßt am 24.11.2005 um 15.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1689

Zu #1681:
Dabei ist ...indutziert die "RIF"- Version von ...induziert, oder?
 
 

Kommentar von Buchenstock, verfaßt am 24.11.2005 um 09.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1681

Zu "platzieren". Kürzlich einen schönen RIF (reformindutzierten Fehler)gesehen. Auf einem Zettel am Baum bot ein Mädchen an, mit dem Hund "spatzieren zu gehen".
Die armen Kinder, doch dafür erhalten sie eine gute Lektion in Obrigkeitskunde...
 
 

Kommentar von Jens Stock, verfaßt am 13.11.2005 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1560

Das mit Nußschokolade ist leider wahr und ist natürlich nur ein Beispiel, das stellvertretend für viele weitere steht. Die Tatsache, daß man einerseits "Nussschokolade" nicht gut lesen kann und daß andererseits die Bindestrichvariante "Nuss-Schokolade" nicht besonders beliebt ist, sorgt schließlich sogar dafür, daß in den Regalen der Supermärkte vorwiegend "Nuss Schokolade" und dergleichen zu kaufen ist.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 12.11.2005 um 13.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1554

Die Lüge von der gesetzlich vorgeschriebenen Orthographie ist vielleicht die bedenklichste und folgenschwerste unter all den Lügen, die in diesem Zusammenhang schon in die Welt gesetzt wurden. Zumal in einem notorisch staatsgläubigen Volk wie dem deutschen. Die größte Schuld haben hierbei nicht die an der Durchsetzung Interessierten wie Ministerien und Wirtschaftsunternehmen, deren Motive klar zutage liegen, auf sich geladen, sondern die vorgeblich so freie Presse. Verächtlicher noch als die Anstifter sind die Mitläufer, besonders aber die wider besseres Wissen und ohne Not sich Unterwerfenden. Unser Kinderglaube an die Unabhängigkeit und Integrität von Journalisten ist jedenfalls auf heilsame Weise erschüttert worden. Sie hängen eben genauso an der mehr oder weniger langen Leine ihrer Brotgeber wie andere Lohnabhängige auch.
 
 

Kommentar von borella, verfaßt am 12.11.2005 um 10.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1553

Das lesefreundliche und effiziente "Nußschokolade" wurde durch die um eine Stelle ineffizientere Stolperstelle "Nussschokolade" ersetzt, und man bekommt freigestellt, die noch ineffizientere Version "Nuss-Schokolade" anzuwenden.
Schülern dürfte das vollkommen egal sein; sie schreiben es so, wie man es ihnen beibringt, ihnen fehlt ja auch der Vergleich.
Ärgerlich ist das nur für jene, die zu Kenntnis nehmen müssen, daß sachliche Argumente kaum öffentliche Zuhörer finden. Jene, die der "Vereinfachungstheorie" nicht folgen wollen, werden einfach recht medienwirksam als "innovationsunwillige ältere Herren" abqualifiziert.
Somit ist also die Selbstreinigungskraft gefordert, überflüssigen Müll abzusondern. Man darf gespannt sein, wie die "unendlich unprofessionelle Geschichte" weitergeht.
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 12.11.2005 um 06.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1551

Als ich vor einiger Zeit das Magazin "Focus Schule" im Rahmen eines Probeabonnements gelesen hatte, kam wenig später der übliche Anruf aus dem Call Center, ob ich das Abonnement denn weiterführen wolle. Ich verneinte das mit Hinweis auf die reformierte Schreibung, worauf mein Gesprächspartner meinte, das ginge eben nicht anders, weil man sich ja "an die Gesetze halten" müsse. Als ich nachhakte, welches Gesetz er denn meinte, sprach er allen Ernstes von einem "Rechtschreibgesetz".

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2005 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1550

Es gibt eine ganze Reihe von deutschen Journalisten, die ebenfalls der Ansicht sind, die Rechtschreibreform sei Gesetz und sie müßten sich daran halten. In meinen Büchern habe ich Zitate in diesem Sinne veröffentlicht. Das Erschreckende daran ist nicht der sachliche Irrtum, sondern die jähe Erkenntnis, was deutsche Chefredakteure alles für möglich halten und hinzunehmen bereit sind. Aber was heißt "erschreckend"? Die meisten Leser nehmen es ja ebenfalls hin, nur wenige reagieren mit der gebotenen Empörung und kommen zu solch entschiedenen Urteilen über die deutsche Presse wie Rafik Schami ("eine Katastrophe!").
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 11.11.2005 um 15.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1548

> Die neue Regelung sei ein Gesetz, da könne man halt nichts gegen machen.

Diese Sichtweise hat in Deutschland eine lange Tradition ;-)

Und unsere ach-so-demokratischen Politiker bestärken solche Leute noch in ihrem Irrglauben...
 
 

Kommentar von Yutaka Nakayama, verfaßt am 11.11.2005 um 14.28 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1547

Für Studenten?

Gestern hat die Leiterin des Schreibzentrums an der Universität Köln an unserer Uni in Yokohama einen Vortrag über wisssenschaftliches Schreiben gehalten. Es ging um Ideenfindung, Argumentation, Hypothesenbildung usw.

In der anschließenden Fragestunde habe ich sie aber gefragt, wie sie die Neuschreibung finde und wie gut die Studenten mit der Rechtschreibung umgehen. Obwohl ihre Antwort negativ ausfiel und sie aus ihrer Abneigung kein Hehl gemacht hat, hat sie gesagt, daß sie ihren Studenden empfehle, die Neuschreibung zu lernen, dazu seien die Studenten jung genug. Die neue Regelung sei ein Gesetz, da könne man halt nichts gegen machen.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 11.11.2005 um 13.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1546

Platzieren wird ja bekanntlich von Plazz abgeleitet. – Die beste Strategie gegen die deformierte Rechtschreibung besteht im Aufzeigen der ihr eigenen, unheilbaren inneren Widersprüche. (Prof. Ickler hat es bereits im Jahre 1996 in dem bekannten FAZ-Aufsatz diagnostiziert.) Wir können noch so oft auf den Verlust an Differenzierungsmöglichkeiten im Vergleich zur herkömmlichen Orthographie verweisen, auf unsinnige Großschreibungen, sinnwidriges Auseinanderrreißen von Komposita, barbarische Trennungen – das alles, tausendmal gesagt, hat zwar im Rechtschreibrat ein Echo gefunden, interessiert aber das Rechtschreibvolk nicht im geringsten, ja, wie man annehmen darf, auch nicht die Verantwortlichen in den Ministerien. Denn ihre Verantwortungslosigkeit gegnüber der Sprache haben sie ja nun hinlänglich bewiesen. Die Reformschreibung kann nur aufgrund ihrer eigenen Untauglichkeit und Unlernbarkeit absterben. Erstere zeigt sich in den massenhaft zu beobachtenden neuartigen Fehlern und "Übergeneralisierungen", ein sicheres Zeichen, daß sich auch nach neun Jahren noch kein verläßliches Sprachgefühl herausgebildet hat. Die Unlernbarkeit steht damit in unmittelbarem Zusammenhang. Sobald einmal verläßliche Studien aus den Schulen vorliegen werden, wird auch das Urteil über die angeblich leichtere Erlernbarkeit gesprochen sein. Und dann, erst dann müssen und werden die Minister handeln, es sei denn, sie würden zuvor schon durch entsprechende Gerichtsurteile dazu genötigt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.11.2005 um 13.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1545

Wie Herr Wrase schon sagt: Die Reform führt neue Silbentrennungen ein, rät aber davon ab, sie anzuwenden; sie dienen allenfalls der rein formalen Fehlervermeidung, wenn sie dennoch einmal unterlaufen. Die Zeichensetzung wird gelockert, aber Sitta und Gallmann raten ab, davon Gebrauch zu machen. Die neue Getrennt- und Zusammenschreibung wurde gleich 1997 von ihren Verfassern unters Messer genommen und ist inzwischen weitgehend zurückgeschnitten. Mehr Bindestriche sind möglich, man sollte sie aber nicht setzen, außer wenn sie die noch schlimmeren drei gleichen Buchstaben entzerren, die jetzt zugelassen sind, aber das Lesen erschweren. Usw. Das Schiff wird auf hoher See umgebaut, manche Handwerker fallen dabei ins Wasser, aber der Reeder ruft vom sicheren Ufer: "Die neue Rechtschreibung funktioniert problemlos!"
 
 

Kommentar von Michael Mann, verfaßt am 11.11.2005 um 11.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1542

Das ist einem leeren Magen zu anstrengend. Ich werde erst einmal ein Stück Pitza essen gehen... das ist doch kein Fremdwort mehr, oder?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 11.11.2005 um 10.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=286#1539

Für Kinder

Das kann man verallgemeinern: Weil bei der neuen Rechtschreibung schwierig zu schreibende und schlecht lesbare Wörter herauskommen, solltest du in der Schule besser die alte Rechtschreibung lernen.
 
 

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