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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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11.10.2005
 

Komischer Zufall
feind, freund, not sein – das sind Adjektive, die nur prädikativ gebraucht werden

So stand es in allen Grammatiken und auch in der Dudengrammatik von 1995. Just in dem Augenblick, als die Kultusminister die Großschreibung anordneten, entdeckten auch die Dudenverfasser (hier: Hermann Gelhaus, später übernommen von Peter Gallmann), daß es sich gar nicht um Adjektive handelt, und nahmen sie aus der Liste heraus.
Unter Linguisten hätte das eigentlich Sensation machen müssen, etwa wie unter Biologen die Entdeckung neuer Mistkäferarten, und wäre einige wissenschaftliche Aufsätze wert gewesen. Aber nichts dergleichen geschah.
Dabei hatten die Rechtschreibreformer gar nicht behauptet, es seien Substantive, sondern nur, daß der Laie darin solche sehen könne. Den Dudengrammatiker sollte so etwas, selbst wenn es wahr wäre, allerdings gar nichts angehen. Die Grammatik kann sich doch bei ihren Analysen nicht nach der Rechtschreibung richten, schon gar nicht nach einer verordneten. Mal sehen, wann Gallmann und die anderen Dudenautoren zur besseren Einsicht zurückkehren (die sie gewiß haben, aber eben nicht zu äußern wagen, weil der Dudenverlag nicht schlecht zahlt).



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Kommentare zu »Komischer Zufall«
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 09.02.2007 um 20.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=253#7690

Herr Ludwig macht mich auf folgende Korrektur aufmerksam (siehe http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=2#1436): „ersannen“ statt „ersonnen“. (Danke!)
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 09.02.2007 um 15.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=253#7686

Th. Ickler: »feind, freund, not sein – das sind Adjektive, die nur prädikativ gebraucht werden.«

Hier fehlt wohl noch gram sein, vgl. den „locus classicus“, Dudens „Zukunftsorthographie“ (siehe http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=466#3460).

Mithin hatten die Reformer also „vergessen“, als sie jemandem Feind sein ersonnen, auch jemandem Gram sein zu verordnen – wie sie zusammen mit Leid tun ja auch Gut tun, Weh tun hätten einführen müssen.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 11.10.2005 um 22.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=253#1123

A. Glück: ...Und alles wird zu Nichte...?

Auch das wird noch jemandem einfallen.


Zu spät, das ist schon passiert – siehe bei Google.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 11.10.2005 um 20.45 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=253#1122

... Aus seinem Glanz und Lichte tritt er in deine Nacht: Und alles wird zunichte, was dir so Bange macht. (EG 379,4)

...Und alles wird zu Nichte...?

Auch das wird noch jemandem einfallen.
 
 

Kommentar von Martin Valeske, verfaßt am 11.10.2005 um 20.35 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=253#1121

In der von der Deutschen Bibelgesellschaft an die neue Orthographie angeglichenen Lutherbibel finden sich derartige Grammatikverstöße. In der Josephsgeschichte ist zu lesen:

Als nun seine Brüder sahen, dass ihn ihr Vater lieber hatte als alle seine Brüder, wurden sie ihm Feind ... Dazu hatte Josef einmal einen Traum und sagte seinen Brüdern davon; da wurden sie ihm noch mehr Feind. (Gen 37,4f.)

Vielleicht kommt jemand auf den genialen Gedanken, auch das Evangelische Gesangbuch (EG), das kurz vor der Rechtschreibreform erschien und somit noch die klassische Rechtschreibung enthält, bei der nächsten Auflage auf Neuschrieb umzustellen. Dann wäre z.B. zu lesen (und zu singen):

Gib Frieden, Herr, wir bitten! Du selbst bist, was uns fehlt. Du hast für uns gelitten, hast unsern Streit erwählt, damit wir leben könnten, in Ängsten und doch frei, und jedem Freude gönnten, wie Feind er uns auch sei. (EG 430,3)
Herr, gib uns Mut zum Leben, auch wenn es sinnlos scheint. Wir danken dir, denn du bist uns nicht Feind. (EG 588,2)
Sonderlich gedenke deren, die es, Herr, von mir begehren, dass ich für sie beten soll. Auf dein Herz will ich sie legen, gib du jedem solchen Segen, wie es Not; du kennst sie wohl. (EG 252,7)
... Aus seinem Glanz und Lichte tritt er in deine Nacht: Und alles wird zunichte, was dir so Bange macht. (EG 379,4)
Bleibt gleich die Hilf in etwas lange, wird sie dennoch endlich kommen; macht dir das Harren Angst und Bange ... (EG 371,10)
 
 

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