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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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16.09.2005
 

Physiognomie der Buchstaben
Ergänzendes zum Blickfang-h

Alle Buchstaben mit Ober- und Unterlängen geben einem Wort mehr physiognomische Prägnanz. Das gilt natürlich automatisch auch von großen Anfangsbuchstaben, die bekanntlich sinntragende Wörter auszeichnen und das Auge einen Sekundenbruchteil festhalten.

Wenn man einen Text unter erschwerten Umständen liest (schlechtes Licht. Zeitung verkehrt herum gehalten usw.), erkennt man am schnellsten die Wörter mit zusätzlicher Prägnanz.

Versprechen kann man sich bei Wörtern wie "Schiff" und "Fisch", verlesen aber nicht, weil die Physiognomien der Wörter zu verschieden sind. Man verliest sich bei "urgesund" und "ungesund". Das Mittelband ist lesepsychologisch untergewichtig.

Die FAZ hat neulich ihren falschen Gebrauch des Fraktur-s noch einmal damit gerechtfertigt, daß das lange s und das f einander zu ähnlich sind. Das ist zweifellos richtig, da war historisch etwas schiefgelaufen. Womit ich die FAZ-Praxis nicht verteidigen möchte, mir gefällt sie auch nicht.



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Kommentare zu »Physiognomie der Buchstaben«
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Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 16.09.2005 um 20.11 Uhr   Mail an
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Auch für die F. A. Z. gilt, daß man etwas richtig oder falsch schreiben kann.

Wo in der Fraktur das lange s richtig ist, gehört kein kurzes hin. Den Sprudelfirmen (z. B. Förstina, http://www.foerstina.de/) oder Bierbrauern kann man das noch nachsehen, weil sie alle aus den Wirtschaftswissenschaften kommen und deshalb ihre eigenen Etiketten nicht lesen können.

Aber die F. A. Z. kann. Und ihre Leser können es auch.

Wer sich für die 2000-Entscheidung feiern lassen will, sollte sich nicht mit der 2005-Entscheidung absichtlich blamieren.
 
 

Kommentar von Jens Stock, verfaßt am 17.09.2005 um 11.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=226#956

Fragt sich, wozu der Fraktursatz in einer Zeitung von heute überhaupt gut sein soll ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2014 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=226#24968

Im Wikipedia-Artikel über den Thermopylen-Filmcomic "300" steht als Herodot-Übersetzer Otto Gütbling. Der Link führt auf eine alte Reclam-Ausgabe in Fraktur, wo das h offenbar als b verlesen oder verscannt worden ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2014 um 16.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=226#27495

Fraktur hat übrigens auch ihre Probleme. Ein Herr, den ich gut kannte, erzählte mir, daß er als Kind in Berlin vor 90 Jahren stets einen weiten Umweg zur Schule und zurück machte. Als man es bemerkte, kam nach langem Drucksen aus ihm heraus, daß er nicht an einem Laden mit der Inschrift "Kindermetzgerei" vorbeigehen wollte.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 05.12.2014 um 06.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=226#27496

Für Antiquaschriften, besonders serifenlose, gilt das natürlich gleichermaßen. Unter Typographen ist das Kunstwort "Keming" als Beispiel für schlechte bzw. fehlende Unterschneidung (engl. "kerning") bei der Verwendung von serifenlosen Schriften ein bekannter Scherz.
 
 

Kommentar von Simplex, verfaßt am 05.12.2014 um 19.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=226#27498

Vor gut zwanzig Jahren habe ich mich mal sehr gewundert. Gerade war ich in einem Hochhaus mit dem Aufzug gefahren. Allein in einer verspiegelten Kammer stürzt sich unser Auge begierig auf jede Buchstabenfolge. Kurz danach sah ich die FAZ auf dem Frühstückstisch liegen. Komisch, dachte ich mir, wie kommt es, daß ein mittelständisches Unternehmen wichtig genug für einen Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen ist? - Ich las: Schindlers Lifte.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 05.12.2014 um 20.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=226#27499

In mittelalterlichen Handschriften – der Schrifttyp wurde auch im frühen Buchdruck noch beibehalten – kennt man das "minim-Problem", benannt nach einem zugespitzten Kunstwort, das nur noch aus senkrechten Strichen besteht, etwa: IIIIIIIIII.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 05.12.2014 um 23.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=226#27500

»Schindlers Lifte« – herrlich, vielen Dank dafür!
 
 

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