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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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04.08.2005
 

Klebrig

Die FAZ hat einen gekürzten Beitrag aus der „Jungen Freiheit“ als Leserbrief abgedruckt.
Er stammt von Thomas Paulwitz und enthält neben Richtigem (meist von mir) auch Falsches. Die Rechtschreibreform war kein Milliardengeschäft für die Schulbuchverleger, sondern ein Verlustgeschäft. Die öffentliche Hand hat nämlich keine Mark mehr für Schulbücher ausgegeben, sondern weiter gekürzt. Die Verlage hatten von der Reform nur Mehrkosten, darunter auch selbstverschuldete.

Den Verdacht der Bestechung setzt Paulwitz ohne jeden Grund in die Welt, nach dem Motto „Aliquid haeret“. Das schadet der FAZ und unserer Sache. Ich will damit nichts zu tun haben.



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Kommentare zu »Klebrig«
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Kommentar von J. Langhans, verfaßt am 04.08.2005 um 10.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#863

Ja, man muß tatsächlich gut aufpassen und sehr sachlich argumentieren; alles muß mit Quellen abgesichert sein. Ansonsten zolle ich Herrn Paulwitz Respekt für sein Projekt DEUTSCHE SPRACHWELT.
 
 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 04.08.2005 um 10.57 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#864

Wer Vermutungen oder gar Behauptungen über »Milliardengeschäfte« der Schulbuchverlage in die Welt setzt, übergeht völlig die Tatsache, daß mit der Einführung der Rechtschreibreform harte Wirklichkeit wurde, was die Schulbuchverlage jetzt als Argument gegen eine Nachbesserung oder gar Abschaffung der Reform ins Feld führen, was aber bei klugem Vorgehen verhindert oder eingeschränkt werden könnte: Riesige Lagerbestände an bis dahin in Gebrauch befindlichen Schulbüchern wurden über Nacht Makulatur, der wirtschaftliche Verlust dürfte durchaus in den Milliardenbereich gegangen sein. Mittlere Schulbuchverlage mußten ihre Autonomie aufgeben und sich von größeren Verlagen übernehmen lassen, nur um weiterarbeiten zu können. Unverständlich ist, aus welchen Gründen der VdS Bildungsmedien damals die Forderung nach »Planungssicherheit« und »Verläßlichkeit« nicht mit derselben Inbrunst angestimmt hat, wie er es jetzt tut, trotz Einsicht in die Verfehltheit der ganzen Unternehmung und also wissend, daß die »armen Schüler« falsches Deutsch lernen müssen.

Das Interesse an wirtschaftlicher Sicherheit der Schulbuchverlage wird jeder verstehen, aber daß ein Verlegerverband, der den Begriff »Bildung« in seiner Bezeichnung führt, nicht nur entgegen eigener Erkenntnis sondern auch gegen den Protest der überwiegenden Mehrheit der kulturell relevanten Institutionen und Intellektuellen sich an der politischen Unverantwortlichkeit beteiligt, daß künftige Generationen minderwertiges Deutsch lesen und schreiben müssen, ist für den Berufsstand der deutschen Verleger, die sich ihrer Tradition bisher nur im Hinblick auf politisch sehr düstere Zeiten zu schämen brauchten, ziemlich skandalös.

An Milliardenspekulationen glaube ich auch nicht. Die Dummheitsvermutung dürfte der Wahrheit näher kommen.
 
 

Kommentar von Harald Keilhack, verfaßt am 04.08.2005 um 11.58 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#865

Die reformtreuen Medien reden stets von „den Verlagen“, wenn sie in Wirklichkeit nur „die Schulbuchverlage“ meinen. Diese Verwirrung richtet schon genug Schaden an.

Es gibt Verlage, die „nur“ gewisse Entscheidungsträger für sich einnehmen müssen, um zigtausend Exemplare loswerden zu können (VdS - Schulbücher; mit den sattsam bekannten Konsequenzen der Interessenverflechtung usw.), und solche, die um jeden einzelnen Kunden (und dessen Geldbeutel) kämpfen müssen.

Entsprechend sind die Größen- und Machtverhältnisse der Schulbuchverlage im Vergleich zu Literatur- und Fachverlagen. Kulturträger können aber nur die letzteren sein - führende Literaten und Wissenschaftler publizieren ja kaum bei der VdS.

Herr Lachenmann, machen Sie sich in dieser Beziehung nicht die Lesart der Reformbefürworter zu eigen. Ansonsten stimme ich Ihren Ausführungen natürlich zu.
 
 

Kommentar von Reinhard Markner, verfaßt am 04.08.2005 um 12.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#866

Uneingeschränkt einträglich war die Reform vermutlich nur für die Anbieter von Schulungen und Billigwörterbüchern. Duden hatte bekanntlich das Problem der eingestampften Erstauflage. Außerdem mußte das gesamte Verlagsprogramm umgestellt werden, ohne daß sich die meisten Titel durch die Reform besser verkauft hätten. Band 1 ist zweifellos ein Goldesel, aber das war er auch schon früher; es ist unwahrscheinlich, daß sich die Ausgabe von 2000 besser verkauft als die von 1991. Bertelsmann ist mit dem Versuch gescheitert, zum Marktführer aufzuschließen oder ihn zu überholen.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 04.08.2005 um 12.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#868

Die Dummheitsvermutung eskaliert zur alles überschattenden Zentralvermutung, und zwar hinsichtlich der Betreiber wie der Betroffenen... Nur eine überzeugende Gesamtschadensbilanz könnte vielleicht helfen, in der die roten Zahlen auch dem/der Dümmsten ins Auge stächen. Aber das hätte wohl viel früher passieren müssen. Vielleicht ist der "wichtige Meilenstein" letztlich doch der point of no return, obwohl in den letzten Wochen in den Medien mehr kritische oder wenigstens bedachtsame Stimmen sich erhoben haben. Seltsam still die Springerpresse.
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 04.08.2005 um 13.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#870

Geehrter Herr Lachenmann, in Ihrem letzten Satz finde ich das Wort "ziemlich" wahrlich überflüssig.
 
 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 04.08.2005 um 13.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#871

Wer ein bißchen Einblick nehmen konnte in den Alltag auch von Schulbuchverlagen weiß, daß dieser kein Honiglecken ist. Die Produktion ist in der Regel aus Gründen der immer anspruchsvoller gewordenen Ausstattung überdurchschnittlich teuer. Und das Genehmigungsverfahren, das jedes Schulbuch durchlaufen muß, bis es nach zahlreichen kostenträchtigen, dabei ebenso oft überflüssigen wie offenbar aus Gründen der amtsseitigen Machtdemonstration unvermeidlichen Korrekturen durch die Kultusministerien in Druck gehen kann, ist eine Belastung, die andere Verlage nicht haben. Dabei stellt eine solche Genehmigung keine Garantie dafür dar, daß das Buch, das alle Hürden überwunden hat, auch in ausreichender Menge verkauft werden kann, denn es konkurriert auf dem Markt mit den Produkten anderer Schulbuchverlage.

Es ist schon ein hartes Geschäft, denn Schulbücher sollen bei all diesen Belastungen auch noch »billig« sein. Bildung darf ja nichts kosten, der Staat hat dem Volk gefälligst dafür zu danken, daß dieses sich die Mühe macht, die eigentlich fürs individuelle Wohlbehagen überflüssige Bildung zu erwerben. Neulich demonstrierten Eltern und Schüler doch tatsächlich gegen die »staatliche Abzocke«, als die Diskussion um die Einführung eines Schulgelds ging oder um die Einschränkung der Schulbuchfreiheit. Die armen Kinder brauchen bekanntlich das Geld für Handys und Designerklamotten. Vor 50 Jahren, als es den meisten Deutschen wesentlich schlechter ging, war Schulgeld in einer zumutbaren Höhe völlig selbstverständlich, ebenso daß Schulbücher privat angeschafft wurden, dann allerdings an nächste Schülerjahrgänge weitergegeben werden konnten, so daß sie eine längere Lebensdauer hatten.

Mit einer realistischen Betrachtung der Situation der Schulbuchverlage macht man sich noch lange nicht die Argumente der Reformbefürworter zu eigen. Zu dieser realistischen Betrachtung gehört aber auch, daß die Schulbuchverleger sich auf ein völlig dummes und überflüssiges Abenteuer eingelassen haben, vielleicht im guten Glauben, das ginge ohne wirtschaftlichen Schaden für sie ab, wenn sie sich engagiert mit ins Boot setzen, und der eine oder andere mag sich sogar ein gutes Geschäft davon versprochen haben, aber zu Milliardenspekulationen gab die Reform gewiß nie etwas her, und wenn doch, dann eben aufgrund von Dummheit der Spekulanten.

Die Schulbuchverlage sind Mitglieder des Börsenvereins und dieser hat sich ebenfalls sehr früh mit den Reformern ins Einvernehmen gesetzt und tut dies bis heute. Das Börsenblatt etwa kürte die seinerzeitige KMK-Präsidentin Doris Ahnen zum »Kopf der Woche«, weil sie sich »verläßlich« zeigte hinsichtlich des unveränderten Durchdrückens der Reform, und es gibt innerhalb der deutschen Verleger zwar eine ganze Reihe, die bei der bisherigen Orthographie geblieben sind bzw. diese Entscheidung ihren Autoren überlassen, aber eine deutliche organisierte Gegenposition zu den offiziösen Haltungen des Börsenvereins oder des VdS-Bildungsmedien oder gar eine Solidarisierung mit den Autoren, die die Reform verabscheuen, gibt es nicht. Kritik an der Reform oder die Forderung nach ihrer Rücknahme ist nur von wenigen Verlegern zu vernehmen. Selbst solche, die sich vor Jahren noch lautstark als Reformgegner geäußert hatten, publizieren inzwischen zähneknirschend oder achselzuckend ihre Bücher in unsäglichen Varianten unserer neuen Rechtschreibung. Das ist wirklich peinlich für die ganze Branche, ziemlich skandalös sogar. - (Herr Bolz, gegen das Weglassen des Wortes »ziemlich« ist nichts einzuwenden.)
 
 

Kommentar von Jens Stock, verfaßt am 04.08.2005 um 13.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#872

Den vielbeschworenen Zustand der Unumkehrbarkeit in Sachen Rechtschreibung gibt es nicht, auch wenn uns Politiker und andere Mitmenschen dies seit Jahren einreden wollen.
 
 

Kommentar von Thomas Paulwitz, verfaßt am 04.08.2005 um 16.35 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#874

Da bin ich aber beeindruckt, was mein kleiner Leserbrief (der übrigens kein gekürzter Beitrag aus der "Jungen Freiheit" ist) bereits ausgelöst hat. Es tut mir leid, daß ich Herrn Ickler erzürnt habe, aber es können ja nicht alle immer derselben Meinung sein. Daß durch die Veröffentlichung von Leserbriefen der FAZ ein Schaden entsteht, vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen. Was soll da an wem hängenbleiben? Ob Dummheit, Vorteilsnahme oder Bestechung - es wird eines Tages ans Licht kommen. Es gibt aber keinen Grund, bestimmte Möglichkeiten, für die es Anhaltspunkte gibt, von vorneherein auszuschließen.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 04.08.2005 um 17.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#875

Ich finde es gut, daß die Springerpresse "seltsam" still ist. Sie praktiziert ganz selbstverständlich die herkömmliche Rechtschreibung, was freilich auch ihr nicht immer vollkommen gelingt. Das ist auf die Dauer, wenn sie nur durchhält, viel wirksamer als jede lautstarke Kritik. Das größte Argernis und die gefählichsten Gegner für die Durchpeitscher der Reform sind diejenigen, die sich nicht unterwerfen oder gar aus besserer Einsicht umgekehrt sind. Vor diesem Tatbestand kann sich auch die Schulpolitik nicht ewig blind und taub stellen. Wir werden es erleben.
 
 

Kommentar von Börsenblatt 31-2005 (4. August 2005), verfaßt am 04.08.2005 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#876

PRESSESPIEGEL
Erheblicher Einfluss


Die »Rheinische Post« befasst sich am 2. August mit der Rolle der Schulbuchverleger beim Gerangel um die Rechtschreibreform:

Aber auch ohne Rücknahme der Reform ist die Schulbuchsituation eben durch die Reform unerfreulich geworden. Da die Etats in den Ländern nicht erhöht wurden, haben sich die Schwerpunkte bei den Neuanschaffungen extrem verschoben. Der Deutschlehrer hat es leicht, für den Ankauf neuer Bücher Zustimmung zu finden, der Mathelehrer in dieser Lage aber nicht. Weil die Rückkehr zur alten Schreibung kaum jemand ernsthaft fordert, wird nun der Schulbuchverleger ins Auge gefasst. … Theodor Ickler attestierte jüngst den Verlegern erheblichen Einfluss bei Kultusministern und Ministerpräsidenten. … Ein Verband als Motor der Reform? Das wäre ein bisschen viel der Ehre für erfolgreiche Lobby-Arbeit. Obgleich Schulbuchverleger natürlich eine monopolähnliche Stellung haben, so Stefan Könemann, Vorsitzender des NRW-Landesverbandes im Börsenverein des Deutschen Buchhandels …«

www.rheinische-post.de

 
 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 04.08.2005 um 18.01 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#877

In der Ausgabe 29/2005 brachte das Börsenblatt einen »RUNDRUF: Ist das Chaos jetzt perfekt? Bayern und Nordrhein-Westfalen wollen bei der Rechtschreibreform zum 1. August nicht mitziehen. Was halten die [sic!] Verlage davon?« Ausgewogen, wie das Börsenblatt nun einmal in Sachen Rechtschreibreform ist, kamen folgende Verleger zu Wort:

Wolf-Rüdiger Feldmann, Cornelsen
Es herrscht Chaos und keinerlei Planungssicherheit. Das ist der Bundestagswahlkampf, der auf dem Rücken der Verlage, der Lehrer und Schüler ausgetragen wird.

Matthias Wermke, Duden Verlag
Das Unerfreuliche und Beunruhigende an der Diskussion ist, dass der alte Konsens in Frage gestellt wird.

Wolf-Dieter Eggert, Max Hueber Verlag
Für uns ist die Verschiebung unerheblich. Fatal wäre es allerdings, wenn dies Anlass wäre, um über die gesamte Rechtschreibreform nachzudenken.

Andreas Baer, VdS Bildungsmedien
Diese Entscheidung ist absolut lächerlich und bildungspolitisch eine einzige Katastrophe. (Herr Baer ist schon immer als Verfechter einer »Versachlichung der Diskussion« hervorgetreten.)

Christoph Hünermann, Wissen Media Verlag
Wir würden es begrüßen, wenn alle bei der Entscheidung blieben. Der Vorstoß schadet uns aber nicht, weil wir im ›Wahrig‹ neben der neuen auch die alte Rechtschreibung aufführen.

In der Ecke für »Briefe an die Redaktion« durfte sich in der Ausgabe 31-2005 (4. August) eine Gegenstimme vernehmen lassen:


Entscheidung sinnvoll
Die Meinungen im Börsenblatt sind ziemlich gezielt ausgewählt. Es ist zu bedenken, dass die bisherigen verschiedenen Versionen der »neuen« Rechtschreibung keine allgemeine Akzeptanz gefunden haben und weite Bereiche etwa des wissenschaftlichen Verlagswesens – aber bekanntlich auch Tageszeitungen – in der bewährten Rechtschreibung publizieren. Die Arbeit des extra zur Versachlichung der Diskussion eingesetzten Gremiums hätte man wirklich noch abwarten können. Daher ist die Entscheidung von Nordrhein-Westfalen und Bayern sinnvoll.
Die ganze Hilflosigkeit der »Reformpolitiker« zeigt sich an der Verlautbarung des baden-württembergischen Kultusministeriums, das die Entscheidung in Zweifelsfällen in die Selbsteinschätzung der Wörterbuchverlage legt: »In Zweifelsfällen werden Wörterbücher zu Grunde gelegt, die nach den Erklärungen des jeweiligen Verlags den aktuellen Stand der Regelung vollständig enthalten.« Der »jeweilige aktuelle Stand« bedeutet im übrigen wohl, dass auch das Kultusministerium noch einige weitere neue Rechtschreibungen erwartet. Wer mit langfristigen Editionsprojekten zu tun hat, kann nur weiterhin auf die traditionelle Rechtschreibung setzen.
(Albert Raffelt, Universitätsbibliothek Freiburg)


Die Vermutung »zementierter Dummheit« (Christian Meier) auf den Seiten derer, die sich nach wie vor für die Reform einsetzen, ist die einzig nachweisbare. Sie ist schwerwiegend genug, daß auf eventuelle Enthüllungen denkbarer anderer Motive verzichtet werden könnte, um allen Verantwortlichen eine verdiente Strafe zu wünschen. Öffentliche Bloßstellung genügt wohl nicht, damit läßt es sich heutzutage offenbar gut leben, man ist ja in »guter« Gesellschaft.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 04.08.2005 um 18.02 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#878

Die Peinlichkeit, sich bewußt zu werden und eingestehen zu müssen, daß man sich für etwas Falsches, Dummes oder Schädliches engagiert (hat), ist Hauptantrieb zur aktiv betriebenen Realitätsverweigerung bis in die skurrilsten Höhen. Ein jeder Mitläufer hofft inbrünstig, der Kelch werde an ihm vorübergehen, es werde am Ende möglich, was in Wirklichkeit unmöglich ist. Nämlich, daß die Reformschreibe DOCH funktioniert. Irgendwie. Irgendwann. Und alles ward still.

An anderer Stelle hat Theodor Ickler geschrieben, daß der Blödsinn von jenen mitgemacht wird, die aus Gründen der Selbsterhöhung und Angstabwehr "irgendwo dazugehören" wollen. Dem ist vollends beizupflichten. Es mag wohl auch Verschwörungstendenzen geben, doch die wachsen erst dort, wo bereits ein Misthaufen aufgeschichtet wurde, von dem herunter die Verschwörer krähen können. Die Hauptursache für die Rechtschreibreform sind meiner Meinung nach in erster Linie Selbstüberschätzung, Allmachtsphantasien und Aktionismus der Reformer, deren Phantastereien politisch begünstigt, von "nützlichen Idioten" aufgegriffen und verbreitet wurden, was bis heute der Fall ist. Skandalös dabei ist die Tatsache, daß sowohl unter den Verlegern, Journalisten und Pädagogen so willig mitgemacht wird. Weil "man dazugehören will", faßt der Unsinn breiten Fuß. Dafür ist man sogar bereit, Rendite zu opfern - siehe Verlage. Denn für die meisten Verlage ist diese Rechtschreibreform eine finanzielle Katastrophe. Und nicht nur das. Viele Verleger leiden im stillen darunter, ihre Bücher "verhunzen" zu müssen. Aber man will ja dazugehören - siehe oben. (Bei der Mode ist es doch nicht anders, oder? Freiwillig zwängen Modebewußte ihre Füße in Marterwerkzeuge, die Schuhen ähneln, stechen sich Metallstücke durch alle möglichen Körperöffnungen, tragen Hosen, die beim Gehen herunterrutschen und sich um die Füße wickeln und so weiter - man will doch dazugehören, oder?

Die "Verschwörer", falls es solche gibt, nutzen lediglich die Situation für ihre Ziele aus, sie haben das Spiel nicht angezettelt, gleichwohl freuen sie sich über die unerwartete Chance, die sich hier auftut. Als Trittbrettfahrer bringen sie ihre Ernte ein.

Den Unsinn Reformschreibe werden wir schon wieder los. Aber erst dann, wenn der Karren an die Wand fährt. Und das wird er, zuverlässig.
 
 

Kommentar von Pavel Nemec, Praha 4, verfaßt am 04.08.2005 um 18.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#879

Die Mehrheit des Volkes hat recht behalten, als sie gleich durchschaut hat, daß die reformierte Rechtschreibung Blödsinn ist, und als sie nicht aus Faulheit, sondern aus besserer Einsicht entschieden hat, nicht umzulernen und sich nicht zu unterwerfen, sondern ganz selbstverständlich die herkömmliche Rechtschreibung weiterzubenutzen. Sie hat es sich dadurch erspart, nicht nur einmal, sondern nach jedem Kommissionsbericht wieder umlernen zu müssen. So wartet sie einfach ab, was es 2006 von der alten zur neuen überhaupt noch umzulernen gibt. Die Mehrheit des Volkes hat recht behalten, daß sie den Sprüchen der Politiker nicht vertraut. Es hat sich gezeigt, auf welchen Seiten Weisheit und Dummheit überwiegen.
 
 

Kommentar von Harald Keilhack, verfaßt am 04.08.2005 um 23.34 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#880

Ach, der Börsenverein - natürlich hat er seine gemeinen Mitglieder ebensowenig befragt wie etwa der Eltern- oder Schülerverband.

Wenn ich mich recht entsinne, war 1996 puncto Staatsknete noch eine andere Situation, oder zumindest war der sich abzeichnende Wandel noch nicht ins allgemeine Bewußtsein gerückt. Damals konnte noch jeder, der durch irgendwas „benachteiligt“ war, auf überreichliche Kompensation hoffen. Kann es sein, daß gewisse Verlage damals auf eine „Schlachtprämie“ für die durch Staatsdekret entwertete Ware gehofft haben?

Ok, dem stand die Mär von der Kostenneutralität (sprich Abwälzung) im Wege.

Bezüglich der kleinen Fachverlage, ich glaube, es ist folgende Situation: Es gibt bekanntlich über alles und jedes schon so viel Literatur, und wenn man etwas herausgibt, „dann muß es in jeder Beziehung auf dem neuesten Stand sein“, um sich von älteren (und oft billigeren) Werken abzuheben. Der Wahn neu - neuer - am neuesten halt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2005 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#881

Anders als die Rheinische Post referiert, habe ich selbstverständlich niemals die Schulbuchverleger als treibende Kraft hinter der Rechtschreibreform vermutet, da mir bekannt ist, daß die Verleger die Reform zuerst natürlicherweise ablehnten. Erst als sie nicht mehr aufzuhalten war, verwendeten sie sich in jeder erdenklichen Weise für die Durchsetzung.

Ich finde es unseriös und schädlich, aufgrund spärlicher Daten einfach mal den Korruptionsverdacht in die Welt zu setzen und dann mit Unschuldsmiene zu sagen, es werde doch wohl erlaubt sein, einmal über alle Möglichkeiten nachzudenken. Etwas soll hängenbleiben, das ist doch hier ganz klar. Die Paulwitzsche Berechnung der Milliarden ist falsch, da es sich einfach um den Schulbuchetat der Ministerien handelt, nicht um ein Zusatzgeschäft, das es nicht gegeben hat. Paulwitz verwendet im wesentlichen die Zitate aus meinem Dossier, daher protestiere ich gegen solche Folgerungen. Meine Abgrenzung zur Jungen Freiheit und zur Deutschen Sprachwelt (entgegen meiner früheren, längst als falsch erkannten Offenheit nach allen Seiten) ist politisch motiviert. Ich habe mit der Rechten nichts zu tun.

Daß ich der Letzte bin, der die Machenschaften der Schulbuchverleger verharmlost, geht aus meiner Dokumentation über die Lobby hervor, die ich bei dieser Gelegenheit noch einmal ins Tagebuch setze, weil inzwischen einiges hinzugekommen, anderes verbessert worden ist.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 05.08.2005 um 11.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#882

In der aktuellen Jungen Freiheit schreibt übrigens nicht Thomas Paulwitz, sondern Chefredakteur Dieter Stein über die Rechtschreibreform (nicht online [aber jetzt]). Der Titel seiner Glosse (»Menetekel an der Schultafel«) läßt darauf schließen, daß die Zeitung bei ihrer reformkritischen Linie bleibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2005 um 12.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#884

Ich habe mich auf den ganzseitigen Artikel von Th. P. auf S. 22 bezogen, der zuerst die Geschichte mit den jungen Wilden bringt und dann auch einiges aus meinen Schriften.
 
 

Kommentar von Thomas Paulwitz, verfaßt am 05.08.2005 um 13.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=211#885

Es ist richtig, daß ich dort einen Artikel veröffentlicht habe. Dabei habe ich unter anderem Informationen genutzt, die in diesem Netzauftritt veröffentlicht wurden. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich habe nicht von Th. I. abgeschrieben.
 
 

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