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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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02.07.2005
 

Alter Machtanspruch in neuen Strukturen
Ein Briefwechsel

Ickler an KMK-Generalsekretär Thies (13.6.2005):

„Sehr geehrter Herr Thies,

der jüngste Rechtschreib-Beschluß der KMK hat im Rat für deutsche Rechtschreibung ein zwiespältiges Echo ausgelöst. Der Vorsitzende sah sich veranlaßt, mehrmals die Unabhängigkeit des Gremiums hervorzuheben. Herr Stillemunkes wird Ihnen berichtet haben. Auch die Presse nahm die Ambivalenz der Entschließung wahr und kommentierte sie nicht unverständig.

Ich füge meine Anmerkungen [= Kommentar zum KMK-Beschluß vom 3.6.2005, s. hier im Netz] bei und bitte Sie, noch folgendes zu beachten: Ab 1. August wird Deutschland das einzige Land der Welt sein, in dem von Staats wegen ein grammatisch falscher Gebrauch der Muttersprache gelehrt und von den Schülern verlangt und der richtige Gebrauch bestraft wird. Und das ist keine Ansichtssache einzelner Grammatiker, sondern harte, beweisbare Tatsache. Wenn meine Anmerkungen nicht genügen, bin ich gern bereit, Ihnen noch ausführlichere Darlegungen zu übermitteln, auch von anderen Fachleuten.

Und noch etwas liegt mir am Herzen: Was die Kritiker anstößig finden, ist nicht die angekündigte Toleranz in den bereits behandelten Bereichen (Getrennt- und Zusammenschreibung usw.), sondern die angekündigte Intoleranz in den noch unbehandelten.

Es scheint mir nicht sicher, daß die KMK sich über die Folgen ihres Beschlusses völlig im klaren war.“

[Die Bemerkung über die angeblich anstößige Toleranz spielt auf andere Schreiben von Thies an, die nicht an mich gerichtet waren.]

Thies an Ickler (16.6.2005):

„Natürlich steht es Ihnen frei, die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz zu bewerten. Gleichwohl möchte ich aber darauf hinweisen, dass es die Kultusministerkonferenz war, die den Rat für deutsche Rechtschreibung eingesetzt hat, um eine Beratung über Rechtschreibregeln in neuen Strukturen zu ermöglichen. Die Prioritätensetzung bestimmter Themenfelder ergeben (sic) sich aus der bisherigen Diskussion und aus der Beschlußlage der Ministerpräsidentenkonferenz.“



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