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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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09.12.2019
 

WAHRIG 2006

Die Rechtschreibsituation nach dem ersten Bericht des Rates für deutsche Rechtschreibung ist nirgendwo so deutlich zu erkennen wie in den ersten revidierten Wörterbüchern. Den folgenden Text hatte ich anscheinend damals nicht ins Netz gestellt. Ich gebe ihn hier ohne Kursivierungen wieder.
Wahrig: Die deutsche Rechtschreibung. Herausgegeben von der WAHRIG-Redaktion. Wissen Media Verlag. Gütersloh/München. 1216 S. geb. € 14,90.

„Neu – Neu – Neu – Neu – Endlich Sicherheit!“ So wird der neue Wahrig ankündigt, knapp ein Jahr nach dem Erscheinen der letzten Neubearbeitung. Eigentlich sollte dieses erste Rechtschreibwörterbuch, das die zweite amtliche Revision der Neuregelung aufnimmt, „zeitnah“ zu den Beschlüssen der Kultusminister herauskommen, aber die Umsetzung der stark auslegungsbedürftigen, unter Zeitdruck angefertigten Regeln scheint sich als doch nicht so einfach erwiesen zu haben. Immerhin ist die verantwortliche Redakteurin Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung, und die Redaktion wurde bei ihrer Arbeit durch die Geschäftsführerin des Rates sowie weitere Ratsmitglieder unterstützt. Man darf daher von vornherein annehmen, daß die neuesten Regeln zuverlässig umgesetzt sind. Damit gewinnt das Wörterbuch eine besondere Bedeutung: es bietet überhaupt erstmals die Möglichkeit, den Inhalt der jüngsten Reform genauer kennenzulernen, denn die amtlichen Texte (rund 300 Seiten Regeln und Wörterverzeichnis) sind bei weitem nicht vollständig genug. Sie liegen auch im Gegensatz zum Reformwerk von 1996, das im Bundesanzeiger und in den Amtsblättern der Kultusministerien veröffentlicht wurde, nicht gedruckt vor, sondern können nur aus dem Internet heruntergeladen werden – für die tägliche Schreib- und Korrekturpraxis ein unhaltbarer Zustand.
Die Entstehungsgeschichte der „Empfehlungen“ des Rechtschreibrates und der beigegebenen „Erläuterungen und Materialien“ wirft gewisse Fragen auf. Wie verbindlich ist die „Handreichung“ zur Getrennt- und Zusammenschreibung, die der Rechtschreibrat weder gesehen noch gar beschlossen hat, obwohl darin gegenüber dem amtlichen Regelwerk völlig neue Begriffe und Bestimmungen (z. B. zu „Subjekts- und Objektsprädikativen“ sowie zu einer Sondergruppe von Verben mit fest-, tot- und voll-; s. u.) vorkommen? Es handelt sich um einen Text, der „in Zusammenarbeit mit den Wörterbuchverlagen und der Arbeitsgruppe Getrennt- und Zusammenschreibung des Rats erstellt wurde, um den Anwendern Entscheidungshilfen bei nicht eindeutigen Fällen an die Hand zu geben.“ Laut Einleitung ist die Handreichung „komplementär zur Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung“ - was eine gewisse Gleichgewichtigkeit einschließt. Die „Erläuterungen und Materialien“ insgesamt können aber nicht als amtlicheTexte angesehen werden.
Übrigens wird nicht gesagt, wer es eigentlich war, der „mit den Wörterbuchverlagen und der Arbeitsgruppe Getrennt- und Zusammenschreibung des Rats“ zusammengearbeitet hat. War es nur die Geschäftsführerin? Welche Mitglieder der Arbeitsgruppe waren beteiligt? Wer sind „die“ Wörterbuchverlage, mit denen zusammengearbeitet wurde? Die juristischen Aspekte dieses Vorganges müssen ebenfalls noch geklärt werden: Die drei im Rat vertretenen und vom Rat unterstützten Wörterbuchverlage genießen einen Wettbewerbsvorteil, der sich kaum rechtfertigen läßt.
Auch für die meisten Ratsmitglieder dürfte neu sein, was das Wörterbuch aus jenen Vorlagen gemacht hat, die sie seinerzeit unter künstlich erzeugtem Termindruck beschlossen hatten.
Im Gegensatz zum Dudenverlag, der die „Endgültigkeit“ der jetzigen Regelung betont, will der Wahrig nur den „aktuellen“ Stand festhalten. Aus den Informationskästen ist der Propagandastil der vorigen Auflage („Die bisherige Unsicherheit ist beseitigt“) geschwunden. Die Redaktion ist sich offenbar des Übergangscharakters der jetzigen Regelung bewußt. Auch die Wahrig-Sprachberatung spricht stets von der „derzeit verbindlichen Fassung des amtlichen Regelwerks“ und von den „derzeit gültigen Regeln“. Tatsächlich sind weitere Änderungen unausweichlich und vom Ratsvorsitzenden auch bereits in Aussicht gestellt: „Der Rat wird es sich nicht nehmen lassen, sich auch mit anderen Bereichen der Rechtschreibreform zu beschäftigen, um auch hier evidente Ungereimtheiten zu beseitigen.“ (Zehetmair laut Süddeutsche Zeitung vom 24.7.2005) Notenrelevant ist die Neuregelung ohnehin noch nicht und wird es vielleicht nie werden.
Der Verlag stimmt auch nicht in die ständig wiederholte Beteuerung der Kultusminister ein, daß die Revision keine weitreichende und grundsätzliche Änderung bedeute. Sie wird in der Tat durch jeden noch so oberflächlichen Blick in das Wörterbuch Lügen gestraft. Die Wendung von formalen zu inhaltlichen Kriterien und die Heranziehung der Betonung bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, die Aufgabe des Grundsatzes „im Zweifel getrennt“, die Abwendung von der Regel, Partizipien ebenso zu schreiben wie die Infinitive (jetzt auch ratsuchend, aber Rat suchen), die Streichung der „Teilsatz“-Kommatierung, die Fremdwortschreibung je nach Akzent, die Nichtabtrennung einzelner Vokalbuchstaben, die neue Orientierung am Schreibbrauch vor der Reform – das sind ganz wesentliche Kursänderungen, die bis auf die Zeichensetzung im Wörterverzeichnis an Tausenden von Stellen Folgen zeitigen. Die Schüler müssen in mehreren Bereichen nun genau das Gegenteil dessen lernen, was zehn Jahre lang als große Errungenschaft gepriesen wurde. Da gibt es nichts zu beschönigen. Was sollen sich die Schüler denken, die eben noch in ihren Schulbüchern gelesen haben: „Vokale stehen auch allein / das finden sie besonders fein“ (Sprachbuch 5, Bayerischer Schulbuchverlag), und sich nun einprägen müssen, daß dies gerade falsch ist? Zehn Schülerjahrgänge haben gelernt, daß man lahm legen getrennt schreiben müsse; nun heißt es plötzlich, nur Zusammenschreibung sei zulässig. Bei genau gleich gebauten Fügungen wie fertigstellen/fertig stellen gilt wieder etwas anderes. Die Zahl solcher Änderungen läßt sich nicht einmal annähernd schätzen.
Es ist dem Verlag gelungen, keinen Geringeren als den Vorsitzenden des Rechtschreibrates selbst, Exminister Hans Zehetmair, als Vorwortschreiber zu gewinnen. Allerdings scheint ihn die gewohnte Formulierungsgabe verlassen zu haben, sein Text wirkt unkonzentriert: „Sprache ist ein hohes Gut. Sie ist die wichtigste Kommunikation des Menschen, um Kultur zu schaffen und zu leben.“ Die Revision der mißlungenen Reform – Zehetmair spricht euphemistsch vom „Glätten evidenter Unebenheiten“ – ist für ihn eine „behutsame Aufgabe“. Am Schluß „beglückwünscht“ er „die WAHRIG-Redaktion, die eine konstruktive, wichtige und engagierte Rolle bei der Neufassung des Regelwerks im Rat für deutsche Rechtschreibung gespielt hat, sehr herzlich zur Neuausgabe“. Er bezeichnet das Buch als „verlässliche Orientierungshilfe“, obwohl er gewiß keinen Blick hineingeworfen hat.
(Die WELT fragte Zehetmair am 28.7.2006, nachdem die Eigenmächtigkeiten des neuen Duden ans Licht gekommen waren: „Sie haben das Vorwort für das Wahrig-Wörterbuch geschrieben. Wie werden Sie reagieren, wenn Ihnen jemand vorwerfen sollte, sie seien ein Lobbyist dieses Verlages?“ Zehetmair antwortete: „Der Duden-Verlag hat bei mir nicht angefragt, ob ich ein Vorwort schreiben wolle. Ich wäre ganz sicher nicht abgeneigt gewesen. Aus heutiger Sicht kann man nun wohl aber von Vorsehung sprechen, daß es dazu nicht gekommen ist ...“
Zehetmair wäre also bereit gewesen, auch dem Duden ein rühmendes Vorwort zu schreiben, ohne sich das Werk selbst anzusehen. Das paßt zum Beschluß der KMK, ein Wörterbuch schon auf die bloße Versicherung des Verlages hin, es sei korrekt, für gültig zu erklären. Wer ein Vorwort schreibt, sollte das Buch kennen, zu dem er sich äußert. Vorwortschreiben ist kein Glücksspiel, und es bedarf keiner „Vorsehung“, um dabei vor Fehlern bewahrt zu werden.)

Im ersten Teil sind die amtlichen Regeln abgedruckt, ferner eine verständlichere Übersicht über diese Regeln und dankenswerterweise auch eine Synopse der Neuerungen gegenüber der Revision von 2004. Die offenen Beispiellisten geben eine Ahnung von der explosionsartigen Zunahme der Varianten und vom Umfang der Änderungen, die der Rat für deutsche Rechtschreibung trotz seiner (Selbst-)Fesselung durch eine unsachgemäß begrenzte Agenda erreicht hat.
Im Wörterverzeichnis selbst ist nicht zu erkennen, was sich gegenüber 1996 und 2004 geändert hat. Durch Blaudruck hervorgehoben sind nämlich nur die Neuerungen gegenüber dem Duden von 1991. Folglich stehen zu eigen machen, guttun und viele andere Wörter wieder so da wie vor der Reform, als hätte man ihnen seither kein Haar gekrümmt, und doch mußte das eine zehn Jahre lang groß, das andere getrennt geschrieben werden. Daß seit 1996 in Hunderten von Fällen ganz andere Schreibungen „gültig“ waren und nun in Millionen von Wörterbüchern, Schulbüchern und Kinderbüchern stehen, wird kaschiert, die peinlichste Episode der deutschen Sprachgeschichte damit stillschweigend entsorgt. Im Sinne der Reformdurchsetzung ist das ein schlauer Schachzug, mit dem sich der Verlag allerdings selbst ein Bein stellt. Lehrer müssen ja wissen, welche Schreibweisen in der Übergangszeit bis August 2007 (in der Schweiz bis 2009) noch toleriert werden, also etwa zu Eigen, Pleite gehen, Leid tun, kürzer treten, fertig stellen, jenseits von gut und böse. Für die Schule ist der Wahrig damit von vornherein nicht geeignet, mag er auch auf der Banderole behaupten: „Ideal auch für den Schulgebrauch“.
„Der neue WAHRIG gibt Empfehlungen in Fällen, in denen zwei Schreibweisen parallel zulässig sind.“ So hatte es in der Werbung geheißen, offenbar eine Reaktion auf die Ankündigung des Duden, durch 3000 gelb unterlegte Empfehlungen Einheitlichkeit zu schaffen – was übrigens ein Licht auf Zehetmairs Lobpreis der angeblich erreichten Vereinheitlichung wirft. Mit den Empfehlungen der Wahrig-Redaktion ist es nicht weit her. Es gibt nur ein paar Dutzend, sie wirken zufällig und lassen keine grundsätzliche Überlegung erkennen. Oft haben sie diese bescheidene Form: „! In der Fügung der Runde Tisch (= der Verhandlungstisch) empfiehlt es sich, das Adjektiv rund großzuschreiben, um die idiomatisierte Bedeutung der Verbindung hervorzuheben.“ (Übrigens läßt sich aus den neuen Regeln die seit 1996 verordnete Zusammenschreibung von großschreiben und kleinschreiben nicht mehr ableiten.) Wahrig empfiehlt ebenso, wachrütteln in wörtlicher Bedeutung getrennt zu schreiben, damit man es nicht mit übertragenem Gebrauch ('zur Besinnung bringen') verwechselt. Dieser Fall dürfte kaum je eintreten. Dagegen hat die Reform viele wirklich mißverständliche Neuschreibungen hervorgebracht, z. B. gräulich mit äu oder das zweite Gesicht mit klein geschriebenem Adjektiv. In solchen Fällen sind keine Varianten zugelassen, folglich gibt es auch keine Empfehlungen, aber solche Beispiele zeigen das Unproportionierte der ganzen Unternehmung.
Eine Eigentümlichkeit, die sich aus der Entstehungsgeschichte erklärt, ist die Mischung von strikten Regeln und nachfolgenden Öffnungsklauseln. Hat man sich durch die überaus komplizierten Regeln hindurchgearbeitet, erfährt man gewöhnlich, daß im Zweifelsfall so oder so geschrieben werden kann. Zweifel sind allerdings der Grund, warum man überhaupt nachschlägt.
Hier nun eine Übersicht der 52 „Empfehlungen“ (mehr sind es tatsächlich nicht):
„Sind bei einem Wort mehrere Schreibvarianten möglich, werden darüber hinaus in mit einem Ausrufezeichen versehenen Tipp-Infokasten zu paradigmatischen Fällen Schreibempfehlungen abgegeben. Diese verhelfen zum einen dazu, verschiedene Bedeutungsebenen eines Wortes gegeneinander abzugrenzen, zum anderen weisen sie auf die Schreibung hin, die im Schreibgebrauch die weiter verbreitete Variante ist.“
1) Aktuelle oder: aktuelle Stunde
! Es empfiehlt sich, das Adjektiv aktuell in der festen Verbindung Aktuelle Stunde großzuschreiben, um auf ihren fachsprachlichen Charakter (Politik) hinzuweisen.
2) allein erziehend auch: alleinerziehend
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: eine alleinerziehende Mutter, ein Alleinerziehender.
3) allgemein verständlich auch: allgemeinverständlich
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: ein allgemeinverständlicher Text.
4) Analphabet
! Worttrennungen am Zeilenende, die den Sinn des Wortes entstellen, sollten vermieden werden. Daher werden nur die Trennmöglichkeiten An-alphabet oder Analpha-bet angegeben.
5) anders denkend auch: andersdenkend
! Da diese (meist substantivierte) Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung wie ein zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich die Zusammenschreibung: andersdenkende Mitbürger, der Andersdenkende.
6) Aufsehen erregend auch: aufsehenerregend
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich auch in der nicht gesteigerten Form die Zusammenschreibung: ein aufsehenerregendes Ereignis.
7) Besorgnis erregend auch: besorgniserregend
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich Zusammenschreibung: Ihr Zustand ist besorgniserregend.
8) Blauer/blauer Brief
! In dieser Verbindung empfiehlt es sich, auch das Adjektiv großzuschreiben, um die idiomatisierte Bedeutung der Verbindung hervorzuheben: der Blaue Brief (= Mahnschreiben).
9) bloß legen auch: bloßlegen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in dieser Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: Drähte bloß legen, aber: sein Innerstes bloßlegen.
10) Blut stillend auch: blutstillend
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: ein blutstillendes Mittel.
11) braun gebrannt auch: braungebrannt
! Da dieses Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: ein braungebrannter Urlauber.
12) dicht machen auch: dichtmachen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in dieser Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: eine Tür dicht machen, aber: einen Betrieb dichtmachen (= schließen).
13) eng befreundet auch: engbefreundet
! Die Verbindung sollte zusammengeschrieben werden, wenn sie als Attribut gebraucht wird, da sie in dieser Verwendung meist als ein zusammengehöriges Adjektiv angesehen wird: die engbefreundeten Paare. In prädikativer Verwendung empfiehlt sich hingegen die Getrenntschreibung, da hier „eng“ als Ergänzung zum Prädikat „waren befreundet“ aufgefasst wird: Die Paare waren eng befreundet.
14) Erste/erste Hilfe
! Es empfiehlt sich, das Adjektiv erste in der Fügung Erste Hilfe (= medizinische Erstversorgung) großzuschreiben, um auf ihren fachsprachlichen Charakter hinzuweisen und sie so gegen die wörtliche Bedeutung abzugrenzen.
15) fallenlassen auch: fallen lassen
! Die Verbindung sollte in diesen Bedeutungen zusammengeschrieben werden, um sie von der konkreten Bedeutung abzuheben: Wir sollten dieses Vorhaben fallenlassen. Aber: Sie hat den Teller fallen lassen.
16) Fastfood auch: Fast Food
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehörig empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: Ab und zu esse ich auch Fastfood.
17) fertigmachen auch: fertig machen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in dieser Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: eine Arbeit fertig machen, aber: jmdn. fertigmachen (= demütigen).
18) frei lassen auch: freilassen
! Da dieses Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehörig empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: jmdn. freilassen.
19) frei laufend auch: freilaufend
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: freilaufende Hühner.
20) Frustration
! Worttrennungen am Zeilenende, die den Sinn des Wortes entstellen (Frust-ration), sollten vermieden werden. Daher werden hier nur die Trennungen Frus-tration oder Frustra-tion und Frustrati-on angegeben.
21) gehenlassen auch: gehen lassen
! Die Verbindung sollte in diesen Bedeutungen zusammengeschrieben werden, um sie von der konkreten Bedeutung abzuheben: Es hat sich auf der Feier zu sehr gehenlassen. Aber: Sie haben das Kind allein nach Hause gehen lassen.
22) gerade biegen auch: geradebiegen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in dieser Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: einen Draht gerade biegen, aber: etwas wieder geradebieben (= in Ordnung bringen).
23) Goldener/goldener Schnitt
! Es empfiehlt sich, das Adjektiv golden in dem mathematischen Begriff der Goldene Schnitt großzuschreiben, um auf seinen fachsprachlichen Charakter hinzuweisen.
24) Große/große Koalition
! Es empfiehlt sich, das Adjektiv groß in der Fügung Große Koalition großzuschreiben, um ihren fachsprachlichen Charakter hervorzuheben und sie so gegen die wörtliche Bedeutung abzugrenzen. Ebenso: die Große Kreisstadt Freising, aber: eine große Kreisstadt.
25) am Grünen/grünen Tisch
! In der Verbindung am Grünen Tisch (= von der Theorie her) empfiehlt es sich, das Adjektiv grün großzuschreiben, um die idiomatisierte Bedeutung der Verbindung hervorzuheben.
26) hängenlassen auch: hängen lassen
! Die Verbindung sollte in diesen Bedeutungen zusammengeschrieben werden, um sie von der konkreten Bedeutung abzuheben: Ich wollte dich nicht hängenlassen. Sie sollte sich nicht so hängenlassen! Aber: Er möchte alle Bilder im Flur hängen lassen.
27) Happyend auch: Happy End
! Diese Verbindung aus dem Englischen ist auch im Deutschen vorwiegend in Getrenntschreibung belegt und sollte daher getrennt geschrieben werden: Hat der Film ein Happy End?
28) Hotdog auch: Hot Dog
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehörig empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: Magst du Hotdogs?
29) kalt stellen auch: kaltstellen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in dieser Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: Getränke kalt stellen, aber: einen Rivalen kaltstellen.
30) kaputt machen auch: kaputtmachen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in konkreter Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: ein Fenster kaputt machen, aber: jmdn., sich kaputtmachen.
31) Kleine/kleine Anfrage
! Es empfiehlt sich, das Adjektiv klein in der festen Fügung die kleine Anfrage (im Parlament) großzuschreiben, um auf ihren fachsprachlichen Charakter hinzuweisen.
32) kommenlassen auch: kommen lassen
! Die Verbindung sollte in dieser Bedeutung zusammengeschrieben werden, um sie von der konkreten Bedeutung abzuheben: Die Kupplung langsam kommenlasssen, aber: jmdn. zu sich kommen lassen.
33) leer stehend auch: leerstehend
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: leerstehende Häuser.
34) nahe gelegen auch: nahegelegen
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: im nahegelegenen Gasthof.
35) Pflanzen fressend auch: pflanzenfressend
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: pflanzenfressende Tiere.
36) Photosynthese
! Obwohl sich für den aus dem Griechischen stammenden Wortbestandteil fot/phot in vielen Fällen die eingedeutschte Variante durchgesetzt hat (fotografieren), wird in wissenschaftlichen Zusammenhängen meist die stärker an die fremdsprachliche Herkunft angelehnte ph-Schreibung bevorzugt: Photosynthese.
37) richtig stellen auch: richtigstellen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in dieser Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: die Uhr richtig stellen.
38) Rote/rote Karte
! Obwohl auch die Kleinschreibung zulässig ist, empfiehlt es sich, das Adjektiv rot in der im Fußball und anderen Ballsportarten gebräuchlichen Fügung Rote Karte großzuschreiben, um auf ihren fachsprachlichen Charakter hinzuweisen und sie so gegen die wörtliche Bedeutung abzugrenzen.
39) der runde oder: Runde Tisch
! In der Fügung der Runde Tisch (= der Verhandlungstisch) empfiehlt es sich, das Adjektiv rund großzuschreiben, um die idiomatisierte Bedeutung der Verbindung hervorzuheben.
40) sauber machen auch: saubermachen
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehörig empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: die Küche saubermachen
41) scharf machen auch: scharfmachen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in diesen Bedeutugen getrennt zu schreiben, um sie von den idiomatisierten Bedeutungen abzuheben, in denen sie nur zusammengeschrieben wird: Sie haben die Bombe bereits scharf gemacht. Aber: einen Hund scharfmachen (= so abrichten, dass er auf Befehl zubeißt).
42) das Schwarze/schwarze Brett
! In der Verbindung das Schwarze Brett (= Anschlagtafel) empfiehlt es sich, auch das Adjektiv großzuschreiben, um die idiomatisierte Bedeutung der Verbindung hervorzuheben.
43) sitzenbleiben auch: sitzen bleiben
! Die Verbindung sollte in diesen Bedeutungen zusammengeschrieben werden, um sie von der konkreten Bedeutung abzuheben: Er wird in diesem Schuljahr sitzenbleiben, wenn er nicht fleißiger lernt. Der Händler ist auf seiner Ware sitzengeblieben.
44) Smalltalk auch: Small Talk
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehörig empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: Ich hasse Smalltalk.
45) so genannt auch: sogenannt
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: deine sogenannten Freunde.
46) steckenbleiben auch: stecken bleiben
! Die Verbindung sollte in dieser Bedeutung zusammengeschrieben werden, um sie von der konkreten Bedeutung abzuheben: Mitten im Vortrag ist sie steckengeblieben. Aber: Wir sind mit dem Auto im Schlamm stecken geblieben.
47) Uranfang
! Worttrennungen am Zeilenende, die den Sinn des Wortes entstellen, sollten vermieden werden. Daher wird nur die Trennmöglichkeit Ur-anfang angegeben. Ebenso: Ur-ins-tinkt.
48) wach rütteln auch: wachrütteln
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in dieser Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: einen Schlafenden wach rütteln. Aber: Dieses Erlebnis hat sie wachgerüttelt (= zur Besinnung gebracht).
49) wehtun auch: weh tun
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehörig empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: Das kann jetzt ein bisschen wehtun.
50) weich klopfen auch: weichklopfen
! Es empfiehlt sich, die Verbindung in dieser Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: ein Schnitzel vor dem Panieren weich klopfen; aber: jmdn. weichklopfen (= überreden).
51) Weißer/weißer Tod
! In der Verbindung der Weiße Tod (= Lawinentod) empfiehlt es sich, das Adjektiv weiß großzuschreiben, um hervorzuheben, dass diese Verbindung idiomatisiert gebraucht wird.
52) zugunsten auch: zu Gunsten
! Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehörige Präposition empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung: Das Gericht entschied zugunsten des Klägers.
Wie man sieht, berufen sich rund 20 Empfehlungen auf „Schreibgebrauch und Bedeutung“ und 15 auf idiomatisierte Verwendung. Man tut dem Wahrig kein Unrecht, wenn man die Empfehlungen insgesamt läppisch nennt. Interessanter ist da schon die gar nicht als solche markierte Empfehlung, bei viel versprechenden Politikern doch lieber von der unsinnigerweise verfügten Getrenntschreibung abzusehen, wenn ein Mißverstehen droht.
Der „Schreibgebrauch“, auf den sich das Wörterbuch beruft, ist bemerkenswerterweise stets der Gebrauch vor der Reform; die zehn Jahre reformierten Schreibens und zunehmender Verwirrung werden auch hier konsequent übergangen. Was folgt daraus eigentlich für die offizielle Aufgabe des Rechtschreibrates, die Entwicklung des Schreibgebrauchs zu beobachten?

Silbentrennung
Obwohl der Rechtschreibrat bisher nur einen Teil der amtlichen Regeln bearbeiten durfte, gehen die Änderungen in die Tausende, schon wegen der Silbentrennung. Hier ist die Abtrennbarkeit einzelner Buchstaben (a-brupt, Musse-he, Bi-omüll) wieder beseitigt. Dagegen hat sich der Rat nicht zur herkömmlichen Trennung von ck durchringen können, es bleibt bei Zu-cker, in klarem Widerspruch zu § 3 des Regelwerks. Einige Trennungen wie transk-ribieren sind im neuen Wahrig gestrichen, obwohl der Rechtschreibrat sich dazu nicht geäußert hat. Diag-nose, Subs-tanz, Pithe-kanthropus, Thermos-tat, Rest-riktion, Katas-trophe und Katast-rophe, Ins-truktion und Inst-ruktion und viele andere bleiben aber zulässig und sind auch weiterhin ausdrücklich verzeichnet. Sie ruinieren jeden anspruchsvollen Text; es wäre sinnvoll, sie ganz zurückzunehmen. Wer Hysteroptose überhaupt gebraucht, kann mit der „erleichterten“ Trennung Hysterop-tose nichts anfangen. Ptosen gibt es viele, Tosen nicht. Im übrigen ist die Praxis sehr uneinheitlich. Mikros-kop und Teles-kop sind nicht mehr vorgesehen, wohl aber Bronchos-kop, Endos-kop, Laktos-kop, Peris-kop. Solche Fälle ließen sich endlos vermehren.
In den Benutzungshinweisen wird erklärt, daß die Trennweise Atmos-phäre nicht mehr angeführt werden soll. Sie bleibt aber zulässig. Auch für Kon-trahent wird nur die traditionelle Trennung angegeben, die gewisse Lateinkenntnisse voraussetzt – im Sinne der Reformgrundsätze und der weiterhin zulässigen Trennungen der genannten Art (Diag-nose) recht überraschend. So auch in den Dudenwörterbüchern, nur im Langenscheidt-Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache ist ausschließlich Kont-rahent angegeben.
Ein großer Teil der Infokästen gilt der Silbentrennung, und zwar meist nach folgendem Muster: „Die Buchstabenfolge re-pu-bl... kann in Fremdwörtern auch re-pub-l... getrennt werden.“ Wo sonst als „in Fremdwörtern“ könnte sie vorkommen? Oder so: „Die Buchstabenfolge ze-br... kann in Fremdwörtern auch zeb-r... getrennt werden.“ Es gibt aber dann nur das Zebra und seine Verwandten.
Es war dem Ratsvorsitzenden ein ernsthaftes, auf Pressekonferenzen gern vorgetragenes Anliegen, vor Anal-phabet und Urin-stinkt zu warnen. Tatsächlich ist für diese Beispielwörter die angeblich irreführende Trennung im Wörterverzeichnis gar nicht angegeben, als handele es sich um ein Verbot. Der Rat hatte ausdrücklich das Gegenteil beschlossen. Aus dem Protokoll der Novembersitzung 2005:
„§ 107 E2 in der Formulierung der AG besagt, dass irreführende Trennungen bzw. Trennungen, die beim Lesen die Sinnerfassung stören, zu vermeiden sind. Dieser modale Infinitiv versteht sich als Anweisung an den Schreibenden, diese Trennungen (nach Möglichkeit) zu unterlassen, schließt sie jedoch nicht aus. Die Gründe, kein Verbot auszusprechen, werden von Steiner und Ickler benannt: Trennungen dieser Art kommen in hoher Zahl vor (vgl. Auto-rin, schmal-zig), sind nur bei Überschriften, nicht aber auf der Textebene relevant und werden aus Platzgründen auch in gehobenen Texten praktiziert. Um jegliches Missverständnis bei der Regelauslegung auszuschließen, kommt der Rat darin überein, in der Formulierung „sind zu vermeiden“ durch „sollten vermieden werden“ zu ersetzen. Damit bestätigt er gleichzeitig, dass diese Trennungen in den Wörterbüchern angezeigt werden.“
Die Formulierung ist wörtlich in die amtlichen Regeln übernommen worden, aber der Wahrig setzt sich darüber hinweg. Nur beim Analphabeten, der Frustration und dem Uranfang gibt es einen Infokasten, der die unerwünschten Trennungen kommentierend ausschließt; auch Wörter wie Analgetikum werden an den heiklen Stellen nicht getrennt. Sprecher-ziehung, Urin-stinkt sind, so muß es dem Benutzer scheinen, gar nicht zulässig. Es gibt zwar Drucker-laubnis, aber nicht Drucker-zeugnis. Man hätte dies dem Ratsvorsitzenden zuliebe natürlich noch ausweiten können. Die erwähnte Frust-ration ist, wie auch in den Benutzungshinweisen dargelegt, nicht mehr angeführt, wohl aber der Kast-rat, an den Zehetmair nicht gedacht zu haben scheint. So ergibt sich die merkwürdige Tatsache, daß bei Wörtern wie Restriktion drei Trennmöglichkeiten angegeben sind (Re-striktion, Res-triktion, Rest-riktion), bei Kastration zwei (Kas-tration, Kast-ration) und bei Lustration nur eine (Lus-tration). Die Trennung Lust-ration ist, obwohl regelkonfom, nicht mehr angeführt.
Mehrere hundert Stichwörter wie District of Columbia oder Radscha sind doppelt eingetragen, nur weil die Reform eine weitere Trennstelle eingeführt hat (Dist-rict, Rad-scha). In anderen Fällen weist eine blaue Raute vor dem Stichwort darauf hin, daß es weitere Trennmöglichkeiten gibt. Die feinen blauen Trennstriche sind allerdings weiterhin mit bloßem Auge kaum von den schwarzen zu unterscheiden. Bei Hod-scha gibt es nicht nur die neue Trennstelle, das o wird auch als lang gekennzeichnet, eine fragwürdige Entscheidung.
Die neue Trennung Kamt-schatka, Kamt-schadale scheint überflüssig, ebenso Daneb-rog. In einem Kasten wird zu Silhouette gelehrt, daß „die Silbe [lu]“ ausnahmsweise durch lhou wiedergegeben werde. Aber im Wörterverzeichnis wird Sil-hou-et-te getrennt, es gibt also gar keine „Silbe [lu]“.

Zeichensetzung
Bei der Interpunktion hat die Kommasetzung noch einmal einen Komplizierungsschub erfahren. Das systemwidrige Komma zwischen gleichrangigen Nebensätzen ist endlich wieder beseitigt. Im übrigen werden erfreulicherweise wieder mehr Kommas gesetzt, aber warum soll der Infinitiv nur nach bestimmten Bezugselementen wie Substantiven und Pronomina durch ein Komma abgetrennt werden? So stehen nebeneinander: Er hat die Absicht, abzureisen und Er beabsichtigt morgen abzureisen. Das ist weder für Schüler einfach, noch dient es dem Leser. § 75 wirft ein weiteres Problem auf. In Wendungen wie in der Lage sein oder im Stande sein, etwas zu tun ist zwar ein Substantiv enthalten, der Infinitiv hängt aber eher von der ganzen Verbindung ab als vom Substantiv allein. Hinzu kommt, daß in Beispielen wie im Stande sein eine Variante wie imstande sein angegeben ist, die auch formal kein Substantiv mehr enthält und daher ohne Komma geschrieben werden kann. Dies ist eine bedeutende Erschwernis gegenüber der alten Regelung für erweiterte Infinitive.


Groß- und Kleinschreibung
Die Höflichkeitsgroßschreibung der Briefanrede (Du, Ihr, Dein, Euer), gegen die sich die kulturrevolutionär gesinnten Reformer besonders lange gesträubt hatten, ist zumindest wieder zugelassen. Wie am Runden Tisch bereits zu erkennen war, werden feste Begriffe grundsätzlich wieder groß geschrieben. Hinter der wiederaufgestoßenen Tür der „Fachsprachlichkeit“ trifft man nicht nur alte Bekannte, sondern auch viele neue Gesichter: den Schwarzen Peter, den Letzten Willen und die Erste Hilfe, aber auch die Aktuelle Stunde, den Grünen Tisch, die Graue Eminenz und vieles andere. Andererseits wird der schnelle Brüter immer noch kompromißlos klein geschrieben wie im alten Duden, der schon 1991 der tatsächlichen Praxis hinterherhinkte. Die in größerem Umfang wiederzugelassene Großschreibung fester Begriffe wirft ein grundsätzliches Problem auf. In „bestimmten Fällen“, so sagt das Regelwerk, dürfe man sie groß schreiben. Welche Fälle sind das? Sind es nur die, für die eine anonyme Redaktionsgrupe es ausdrücklich festgelegt hat, oder kann jeder die Regel nach eigenem Gutdünken anwenden? Das ist eine Frage, die vor allem den Lehrern Kopfzerbrechen bereiten dürfte. Woher sollen sie wissen, daß der Goldene Schnitt groß geschrieben werden darf, die innere Medizin aber nicht?
Die absurde Großschreibung Bankrott gehen/Pleite gehen wird zurückgenommen, die bisher übliche Schreibweise (bankrott gehen) aber nicht wiederhergestellt, sondern statt dessen die Zusammenschreibung angeordnet – mit der sonderbaren Begründung, die Gesamtbedeutung lasse sich nicht mehr aus der Bedeutung der Bestandteile erschließen. Aber nichts könnte einfacher sein: manches geht kaputt, entzwei, verloren, verschütt und eben auch bankrott oder pleite. Interessant ist immerhin das Eingeständnis, daß es sich bei pleite und bankrott um Adjektive handelt – warum mußten sie dann seit 1996 groß geschrieben werden? (In Erklärungen der Kultusministerien wird noch heute behauptet, die Wortart lasse sich hier nicht erkennen – ein bemerkenswertes Armutszeugnis.) Die Ratsmitglieder ließen sich nicht davon überzeugen, daß in leid tun (1996: Leid tun, 2006: leidtun) keineswegs ein „verblaßtes Substantiv“ steckt. Wahrig gibt folglich den falschen Kommentar, leid habe hier „die Eigenschaften eines selbstständigen Substantivs verloren“. Statt erste Hilfe ist Not heißt es wieder Erste Hilfe ist not. Groß geschriebenes Diät leben bleibt erhalten, ebenso Vabanque spielen, als handele es sich um ein Spiel wie Roulette. Bei recht haben ist zwar die grammatisch richtige Kleinschreibung wieder zugelassen, aber von der Großschreibung wollten die Reformer dennoch nicht lassen: da hast du leider nur zu Recht und wie Unrecht tut ihr mir sollen ebenfalls korrektes Deutsch sein. Was ist von einer Reform zu halten, die sich derartige Mißgriffe erlaubt? Das fragt man sich nachträglich auch noch, wenn man sieht, daß die abwegige Großschreibung jemandem Feind sein/Freund sein endlich zurückgenommen ist, nachdem sich die Reformer zehn Jahre lang geweigert haben, diese grobe Verkennung einer Wortart zuzugeben. Die unsinnige Großschreibung morgen Früh – vor Jahren von mir als Reductio ad absurdum ins Spiel gebracht – ist im amtlichen Wörterverzeichnis nicht enthalten, aber der Wahrig hat sie immer noch nicht beseitigt, sondern bekräftigt die falsche Schreibung unter gestern noch durch einen allerdings blinden Verweis auf § 55 (6).
Im Kasten zu recht/Recht haben heißt es übrigens:
„In Verbindungen aus recht/Recht und den Verben behalten, bekommen, geben, haben und tun kann recht als Adjektiv oder als Substantiv betrachtet werden. Entsprechend ist sowohl die Klein- als auch die Großschreibung korrekt.“
In recht haben usw. ist recht zwar desubstantiviert, aber deswegen muß es noch kein Adjektiv sein. Ein adverbiales Adjektiv ist es hingegen in recht tun, weshalb die neue Großschreibung hier falsch ist. Weder im Infokasten noch unter recht bzw. Recht ist auch nur ein einziges Beispiel für Recht tun angeführt. Es hätte sonst blau gedruckt werden müssen.
Die Großschreibung in Schlag vier Uhr und Punkt acht Uhr wird mit § 55 (4) begründet; dort geht es allerdings um Fälle wie auf Abruf, in Sonderheit und Auto fahren; es ist fraglich, ob diese Regel einschlägig ist.
Bei heute Morgen wagt das Wörterbuch keine Aussage über die Wortart des reformiert groß zu schreibenden Bestandteils, aber unter heute Nacht wird behauptet, es handele sich um ein Substantiv – eine Zumutung für jeden Grammatikkundigen. Das Wörterbuch schweigt sich aber weiterhin darüber aus, ob die Großschreibung der Tageszeiten nur nach (vor)gestern, heute, (über)morgen gilt (wie es bei strikter Auslegung der Regel der Fall wäre) oder auch nach neulich: neulich Morgen?

Getrennt- und Zusammenschreibung
Die Redaktion empfiehlt, Drähte bloß zu legen, sein Innerstes hingegen bloßzulegen. In solchen Fällen greift das Wörterbuch eine alte Dudenmarotte wieder auf und treibt sie noch ein Stück weiter. Der Grundsatz, metaphorischen Gebrauch auch orthographisch zu kennzeichnen, läßt sich aber gar nicht konsequent durchführen und ist außerdem widersinnig, weil er die Metapher zerstört; er bringt sie gewissermaßen um ihre Pointe. Wenn man im Schlamm stecken bleibt, im Vortrag aber steckenbleibt, ist das schöne Bild schon halb verraten. Türen sollen nur offen stehen, Fragen nur offenstehen, was aber nicht hindert, daß es wahlweise auch offenstehende Türen gibt. In Wirklichkeit ist die Idiomatisierung irrelevant: als er massivwurde – so die Neuschreibung – ist eine im Deutschen völlig unübliche und nicht belegbare Schreibweise.
Überraschenderweise werden viele ganz ungewohnte Zusammenschreibungen eingeführt: spielenlassen (die Muskeln, nicht die Kinder), kommenlassen (die Kupplung, nicht die Feuerwehr), platzenlassen (eine Veranstaltung, aber nicht einen Luftballon), setzenlassen (ohne Erläuterung), sprechenlassen (Blumen), steigenlassen (Partys, aber nicht Drachen), sterbenlassen (Projekte, nicht Patienten), vermissenlassen (Feingefühl). Das sind Extrapolationen, an die gewiß kein Mitglied gedacht hat, als der Rat die traditionelle Zusammenschreibung von bleiben und lassen mit Positions- und Fortbewegungsverben wiederherstellte. Daß jemand Feingefühl vermissenlässt und daher die Muskeln spielenlässt; daß du es mich wissenließest, indem du Blumen sprechenließest – das ist zweifellos gewöhnungsbedürftig; es finden sich dafür auch in sehr großen Textcorpora keine Belege. Ebenso schleifenlassen, treibenlassen u. a., s. die folgende Übersicht. Ein eigener Kasten legt fest, daß tanzen lassen auch in der Wendung die Puppen tanzen lassen nur getrennt geschrieben werden darf. Das war nach all den Zusammenschreibungen nicht zu erwarten. Die unterschiedliche Behandlung von „die Maske fallen lassen nach § 34(4) und die Muskeln spielen lassen/spielenlassen nach § 34 E7“ (so die Handreichung und danach auch Wahrig) ist nicht gerechtfertigt, da ein unterschiedlicher Idiomatisierungsgrad nicht festgestellt werden kann.
Nachdem die Reform ursprünglich alle Zusammenschreibungen mit Adjektiven auf -ig, -lich und -isch sowie mit -einander und -wärts untersagt hatte, werden sie nun massenhaft wieder zugelassen, weit über das vor der Reform Geltende hinaus.
Im Wahrig angeführte neue, über den „alten“ Duden hinausgehende Zusammenschreibungen mit Verben:
abhandenkommen (nur so!), abseitsstehen, abwärtsfahren, abwärtsführen, abwärtsgehen, ähnlichsehen (nur übertragen), alleinlassen, alleinstehen, altmachen, armmachen, aufwärtsbewegen, aufwärtsfahren, aufwärtsgehen, aufwärtsrichten, aufwärtssteigen, aufwärtsstreben, auseinandersetzen (in jeder Bedeutung), auswärtsdrehen, auswärtsrichten, bankrottgehen, beiseitelassen, beiseitelegen, beiseiteschaffen, beiseiteschieben, beiseitesetzen, beiseitestellen, beiseitetreten, bekanntmachen, bekanntwerden, bereiterklären, bereitfinden, bereithaben, bewußtwerden, bietenlassen, blanklegen, blankliegen, blankpolieren, blankputzen, blankreiben, blankscheuern, blaufärben, blaumachen, blaustreichen, blickenlassen, buntbemalen,buntfärben, daheimbleiben, daheimsitzen, dichtmachen, dickmachen, doppeltsehen (= 'betrunken sein'), dortlassen, draußenbleiben, draußenlassen, dummkommen, dunkelfärben, durcheinanderessen, durcheinandertrinken, ebenmachen, fertigwerden, flachdrücken, flachklopfen, freimachen, frischmachen, garkochen, gelbfärben, gemeinmachen, gernhaben, gesundmachen, gesundpflegen, graufärben, großschreiben, gutgehen (= 's. gut verkaufen'), gutstellen, hartkochen, heißmachen (übertr.), heißreden, irrwerden, irrewerden, krankmachen, krankmelden, krankschreiben, krossbraten, krummlegen, krummmachen, kurzfassen, kurzmachen. kurzschneiden, kirremachen, kleinmachen, kleinschreiben, kommenlassen, konformgehen, lästigfallen, langstrecken, lautwerden, leerlaufen, leeressen, leidtun, lockermachen, madigmachen, marathonlaufen (versehentlich nicht blau markiert!), massivwerden ('grob werden'), mattsetzen (übertragen nur zusammen!), mürbemachen, nassmachen, nassschwitzen, nassspritzen, platzenlassen, pleitegehen, prallfüllen, sich rarmachen, reichmachen, reinmachen, reinwaschen, richtigstellen (auch Uhren), rückwärtsfahren, rückwärtsgehen, rückwärtslaufen, sattbekommen, satthaben, satthören, sattsehen, scharfmachen, scheumachen, schlankmachen, sich schlaumachen, schlechtstehen, schleifenlassen, schmorenlassen, schrägstellen, schuldigbleiben, schwachwerden, sitzenlassen (in: etwas nicht auf sich sitzenlassen), schuldigsprechen, schwachmachen, schwarzärgern, schwarzfärben, schwarzwerden, sehenlassen, seitwärtsgehen, seitwärtstreten, seligmachen, setzenlassen, spielenlassen, sprechenlassen, springenlassen, starkmachen, starkreden, steifschlagen, steigenlassen, sterbenlassen, tieferlegen (Auto), treibenlassen, übrighaben, umeinanderdrehen, umeinanderschlagen, umeinanderschlingen, verlorengeben, vermissenlassen, verquergehen, verrücktspielen, vorwärtsblicken, vorwärtsfahren, vorwärtsgehen, vorwärtskommen, vorwärtslaufen, vorwärtsstürmen, vorwärtsweisen, wachliegen, wachmachen, wachwerden, wahrmachen, warmmachen, warmwerden, weichkauen, weichklopfen, weichkochen, weichmachen, weichwerden, weißkalken, weißstreichen, weißtünchen, weißwaschen, wichtigmachen, wichtigtun, wissenlassen, wohlfühlen, wundlaufen, wundreden, wundreiben, wundschreiben, zugutehalten, zugutekommen, zugutetun, zuhandenkommen, zunichtemachen, zunichtewerden, zupassekommen, zupasskommen, zustattenkommen, zuteilwerden.

Diese Liste ist natürlich offen, da sich unzählige weitere Verben mit denselben Zusätzen verbinden lassen z. B. erhaltenbleiben, das auffälligerweise fehlt. still bleiben wiederum darf nur getrennt geschrieben werden – warum? prallfüllen ist zweifelhaft, weil es sich hier wohl nicht einmal um einen Verbzusatz handelt.
Die meisten Beispiele sind im Rat nicht diskutiert, geschweige denn so beschlossen worden. Äußerst folgenreiche Unterregeln und – wie man sagen könnte – Ausführungsbestimmungen sind erst nach dem erzwungenen Abbruch der Ratsarbeit von jener informellen Arbeitsgruppe beschlossen worden; sie bestand aus den Wörterbuchredakteuren und wurde nach eigener Auskunft von Mitgliedern der AG Getrennt- und Zusammenschreibung (im wesentlichen also von Peter Eisenberg) beraten. Diese Gruppe lieferte jene „Handreichung“ nach, die zwar keineswegs offiziellen Charakter hat und ebenso wie das Wörterverzeichnis dem Rat nicht mehr vorgelegen hat. Die Wörterbuchredaktionen scheinen sie jedoch als verbindliche Vorgabe zu betrachten. Es ist unbegreiflich, warum die anderen Ratsmitglieder sich das ebenso gefallen ließen wie das eigenwillige Verhalten des Vorsitzenden, der eine bereits anberaumte, in der Satzung vorgesehene Anhörung zu den letzten geänderten Teilen des Reformwerks kurzerhand absagte, die Teilnehmer wieder auslud und auch zwei weitere Sitzungstermine strich, nur damit die deutschen Kultusminister zum 1. August 2006 wieder einmal eine verbindliche Reformschreibung einführen konnten.
(Eine ähnliche inoffizielle „Nebengesetzgebung“ gab es schon einmal. Duden-Redakteur Werner Scholze-Stubenrecht teilte in der Zeitschrift Sprachwissenschaft 2/2000 mit: „In Zweifelsfällen ist den Empfehlungen der Zwischenstaatlichen Kommission für Rechtschreibung zu folgen, soweit solche vorliegen. [Zwar] kann die Kommission nicht als beliebig abfragbare Auskunftsstelle für das lexikographische Tagesgeschäft angesehen werden, da sie nur in mehrmonatigen Abständen zusammentritt und dabei auch nicht ad hoc die verschiedensten Problemfälle abarbeiten kann. Deshalb berät sich die Dudenredaktion sporadisch mit einzelnen Kommissionsmitgliedern oder anderen Linguisten, natürlich unter dem Vorbehalt, dass in grundsätzlichen Fragen der Gesamtkommission nicht vorgegriffen, deren Entscheidung nicht vorweggenommen werden kann. Was hingegen von der Kommission selbst als verbindlich oder als Empfehlung verabschiedet wurde, wird von der Dudenredaktion als ebenso maßgeblich wie das amtliche Regelwerk angesehen.“ Nur daß die Öffentlichkeit von diesem Hintergrund nicht die leiseste Ahnung hatte und daher auch die Zuverlässigkeit der Wörterbücher nicht nachprüfen konnte.)
Macht man jemandem die Hölle heiß, dann ist heißmachen obligatorisch zusammenzuschreiben; geht es um das Aufwärmen einer Suppe, ist die Zusammenschreibung heißmachen nur fakultativ. Und heiß laufen darf nur getrennt geschrieben werden, weil heiß zwar hier auch ein Resultativzusatz ist, aber ein Subjektsprädikativ, kein Objektsprädikativ – eine besonders feinsinnige Unterscheidung. Sie steht zwar nicht im amtlichen Regelwerk, wohl aber in der „Handreichung“. Dort heißt es:
„§ 34(2.1) 'resultative Prädikative'
§ 34(2.1) sieht für resultative Prädikative die Getrennt- wie auch Zusammenschreibung vor. Wie bereits aus den Beispielen hervorgeht, bezieht sich die Regel auf Objektsprädikative, nicht aber auf Subjektsprädikative. Subjektsprädikative werden nach § 34(2.3) getrennt geschrieben, z.B. sich satt essen, warm laufen (Motor).“
Diese Unterscheidung ist im Regelwerk nicht einmal andeutungsweise ausgesprochen und im Rat nicht diskutiert oder gar beschlossen worden. Es ist ein Einfall, der erst nach dem Ende der ersten „Sitzungsperiode“ in die Reformtexte geschleust worden ist. Die Zusatzregel entspricht auch nicht der Sprachentwicklung, die vielmehr auch bei warmlaufen usw. zur Zusammenschreibung strebt. Das Beispiel sich satt essen ist unglücklich gewählt, da in der Reflexivkonstruktion ebenfalls ein Objektsprädikativ vorliegt. (Vgl. DWb. s. v. satt: „besondere beachtung verdient die sehr gebräuchliche verbindung sich satt essen, wobei satt als prädicativer accusativ zu sich gesetzt ist, um den erfolg des essens zu bezeichnen“ [ff. auch zu sich satt sehen]. So sieht es auch das heutige Ratsmitglied Peter Eisenberg in einem Papier vom 7.5.2004 für die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: „Eine verwandte Form des Objektsprädikativs kommt mit Verben vor, die überwiegend oder ausschließlich reflexiv gebraucht werden; z.B. sich müde arbeiten, sich dick essen, sich blutig kratzen, sich wach trinken.“ Vgl. auch die IDS-Grammatik S. 1115.) Aus dem Regelwerk geht hervor, daß sich kranklachen zusammengeschrieben werden muß; es ist genauso gebaut wie sich satt essen. Man darf kaputt machen oder kaputtmachen schreiben, aber nur kaputtgehen und sich kaputtmachen. Nur die „idiomatisierte Gesamtbedeutung“ bleibt als unterscheidendes Merkmal allenfalls übrig, aber mit solchen Subtilitäten wird der Ratsuchende nichts anfangen können und sich daher gleich an die Öffnungsklausel E5 halten. So wird denn auch bei klar werden/klarwerden (mit eindeutigem Subjektsprädikativ) im Wörterverzeichnis sofort auf E5 verwiesen.
Wohin diese neue Unterscheidung führt, kann man am Infokasten S. 1134 sehen:
„warm machen / warmmachen, warm werden / warmwerden, sich warm anziehen: Bezeichnet warm das Ergebnis der Tätigkeit, die durch das Verb ausgedrückt wird, so kann man getrennt oder zusammenschreiben, wenn sich warm auf ein Objekt bezieht: Die Mutter wollte das Essen warm machen / warm machen (das Essen ist dann warm). § 34 (2.1)
Ebenso: warm stellen / warmstellen.
Bezieht sich warm in einer solchen Verbindung jedoch auf ein Subjekt, so schreibt man getrennt: Das Bier darf nicht warm werden.
Wenn unklar ist, ob eine Verbindung aus warm und Verb idiomatisiert ist, kann man zusammen- oder getrennt schreiben: Er konnte mit ihr nicht warm werden / warm werden (= verstand sich nicht mit ihr). § 34 E 5
Ebenso: lautwerden / laut werden (= schimpfen; bekanntwerden).
Ausschließlich getrennt schreibt man, wenn warm in konkreter Bedeutung verwendet wird und nicht das Ergebnis der Tätigkeit bezeichnet, die das Verb ausdrückt: das Essen warm halten. § 34 (2.3)
Bei Verbindungen von warm mit einem Verb hängt die Schreibung auch vom Aufbau des Verbs ab. Besteht dieses aus einer Partikel wie an, ab o.Ä. und einem Verb bzw. Verbstamm – z. B. anziehen –, so wird es von dem vorangehenden Adjektiv getrennt geschrieben. Dies gilt auch, wenn warm das Ergebnis dessen beschreibt, was das Verb ausdrückt, oder im Falle idiomatisierter Bedeutung: sich warm anziehen (= sich auf etwas gefasst machen; sich gegen Kälte schützen).“
(Es ist unklar, warum gerade in der Verbindung das Essen warm halten „nicht das Ergebnis der Tätigkeit“ bezeichnet sein soll.)
Im Wörterverzeichnis selbst steht dann: „warmwerden [blau] auch: warm werden, übertr.: mit jmdm. warmwerden oder: warm werden; rasch Zugang zu ihm finden.“
Daß mit jemandem warm werden übertragen gemeint ist, steht ja wohl außer Zweifel.
Im Infokasten zu warmwerden stimmt offenbar auch die Abfolge der Erläuterungen nicht. Vor dem Hinweis „Wenn unklar ist, ob eine Verbindung aus warm und Verb idiomatisiert ist“ hätte überhaupt etwas zur Idiomatisierung stehen müssen, damit diese Einschränkung sinnvoll wird. Als Beispiel kann der ebenso umfangreiche, aber anders formulierte Infokasten zu leer herangezogen werden. Dort heißt es an der entsprechenden Stelle:
„Wenn sich die Gesamtbedeutung der Verbindung aus leer und einem Verb nicht aus den Einzelbestandteilen bestimmen lässt, sondern eine neue Bedeutung entsteht (Idiomatisierung), schreibt man zusammen: die Badewanne leerlaufen lassen (= das Wasser aus der Badewanne laufen lassen).“
Hier ist allerdings eine neue Unklarheit zu erkennen: warum soll sich die Gesamtbedeutung ausgerechnet bei dem Badewannenbeispiel nicht aus den Einzelbestandteilen bestimmen lassen? Unter volllaufen wird ausdrücklich gesagt: „Bezeichnet voll in einer Verbindung mit einem Verb eine Eigenschaft als Ergebnis dessen, was das Verb ausdrückt (volltanken, der Tank ist dann voll), so kann den Regeln entsprechend sowohl getrennt als auch zusammengeschrieben werden.“ Daß dann doch nur volllaufen im Wörterverzeichnis erscheint, geht auf die Sonderregel für voll-, fest- und tot- zurück, die ebenfalls nicht im amtlichen Regelwerk steht (s. u.). Diese Sonderregel muß noch über eine andere unter warm erwähnte Regel hinweghelfen, die eigentlich Getrenntschreibung erzwingen würde: in volllaufen ist voll ja Subjektsprädikativ; warm laufen wird folglich neuerdings nur noch getrennt geschrieben.
Mit dem Verb fakultativ zusammengeschrieben wird nach § 34 (2.1) ein einfaches Adjektiv als Resultatsbezeichnung, nach der inoffiziellen „Handreichung“ aber nur als Objektsprädikativ. Ergibt sich eine idiomatische Gesamtbedeutung, gilt die Beschränkung auf einfache Adjektive nicht mehr: schuldigsprechen, madigmachen. Auch für tieferlegen (ein Auto tieferlegen) nimmt Wahrig offenbar eine idiomatisierte Bedeutung an, die sich aus den Bestandteilen nicht erschließen läßt (vielleicht weil nicht das ganzeAuto, sondern nur dessen Fahrwerk tiefer gelegt wird?). Nach E5 gilt: „Lässt sich in einzelnen Fällen keine klare Entscheidung darüber treffen, ob eine idiomatisierte Gesamtbedeutung vorliegt, so bleibt es dem Schreibenden überlassen, getrennt oder zusammenzuschreiben.“ Dabei muß er aber, falls er sich für nichtidiomatisierte Gesamtbedeutung entscheidet, wieder die Einschränkung auf „einfache“ Adjektive beachten. In kleinreden liegt sowohl ein einfaches Adjektiv als auch ein Resultativverhältnis vor – warum soll es dennoch anders als kleinschneiden/klein schneiden ausschließlich zusammengeschrieben werden? (In einer Veröffentlichung des Schulbuchverlags Oldenbourg wird den Schülern ein Entscheidungsbaum anempfohlen, der in maximal dreizehn Schritten zur richtigen Schreibung eines trennbaren Verbs führt! Auch die oben angeführten Infokästen belegen schon durch ihren bloßen Umfang eine groteske Komplizierung der deutschen Orthographie.)
Wie bereits angedeutet, wird großschreiben (und entsprechend kleinschreiben) jetzt in wörtlicher wie übertragener Bedeutung ('mit großem Anfangsbuchstaben schreiben', 'wichtig nehmen') obligatorisch zusammengeschrieben, wenn auch ohne Begründung in den neugefaßten Regeln. Nur im amtlichen Wörterverzeichnis gibt es einen änigmatischen Hinweis, daß auch getrennt geschriebenes groß schreiben vorkommt; Wahrig deutet auf eigene Faust: „mit großer Schrift schreiben“. Daher geht der folgende Hinweis im blauen Infokasten jetzt ins Leere: „Wird der Infinitiv zusammengeschrieben (etwa, weil eine übertragene Bedeutung vorliegt), so gilt für das entsprechende Partizip ebenfalls Zusammenschreibung.“
Eine Frage soll offenbleiben, eine Tür offen bleiben. Für hängenlassen wird Getrenntschreibung bei konkreter Bedeutung empfohlen; als Beispiel wird angeführt die Ohren hängen lassen ('den Mut verlieren'). Aber gerade das ist übertragener Gebrauch, die Ohren hängen ja nicht wirklich herunter. Gäbe es nicht eine Beliebigkeitsklausel, die letzten Endes alles offenläßt oder offen läßt, könnte der ratsuchende oder Rat suchende Benutzer schier verzweifeln. Der exzessiven Zusammenschreibung steht übrigens entgegen, daß der Rechtschreibrat sich erfolgreich dagegen wehrte, spazierengehen, -fahren oder -reiten wieder zuzulassen; nur kennenlernen ließ er sich abringen, aber schon nicht mehr schätzenlernen, liebenlernen.
Die mit wieder zusammengesetzten Verben waren von Anfang an so undurchsichtig geregelt, daß die Wörterbuchredaktionen seit zehn Jahren mit den unterschiedlichsten Auslegungen aufwarten. Im neuen Wahrig versucht ein großer Informationskasten Klarheit zu schaffen, treibt aber die Willkür auf einen Gipfel. Die einzelnen Einträge sind schlechterdings nicht nachvollziehbar: Warum darf wieder aufarbeiten nur getrennt, wiederaufbereiten aber nur zusammengeschrieben werden, während bei wiedereingliedern beides möglich ist? Hier ließen sich ganze Listen willkürlicher Festlegungen anfertigen, und sie wären noch länger, wenn nicht geläufige Verben wie wiederbesetzen und wiedererwerben einfach weggelassen wären; ihre aktuelle Schreibweise ist nicht herleitbar. In früheren Auflagen gab es die unsinnige Vorschrift, wiedertun (mit einem Akzent) durch wieder tun (mit zwei Akzenten) zu ersetzen); in der Neufassung bleibt es bei einem Akzent auf wieder – und dennoch bei Getrenntschreibung, obwohl der Kasten genau das Gegenteil erwarten läßt! Es ist zweierlei, ob jemand etwas wiedergetan hat oder ob er es wieder getan hat. Auch ist der Unterschied zwischen Adverb und Verbzusatz keineswegs immer an der Betonung zu erkennen: Sie wollen das Denkmal wiederherstellen kann durchaus gleich betont werden wie Die Fabrik will dieses Produkt wieder (aufs neue) herstellen. Gerade bei den Verben mit wieder- bleibt kein Stein auf dem anderen, aber dies kann der arglose Benutzer wegen der eigentümlichen Markierungspraxis nicht erkennen. Die völlig unklar geregelten Fälle brustschwimmen, delphinschwimmen und marathonlaufen (dies ist neu und hätte blau gedruckt werden müssen) werden in Anlehnung an den alten Duden interpretiert, die amtliche Regelung ist unverständlich. Zu haushalten wird irrigerweise eine Variante Haus halten angegeben; die finiten Formen sollen jedoch ich haushalte und ich halte Haus sein, folglich handelt es sich nicht um orthographische Varianten, sondern um ganz verschieden gebildete Ausdrücke. Auch dies geht auf die Unklarheit der amtlichen Regeln zurück. Bei maßhalten / Maß halten drückt sich Wahrig um eine Aussage, ob die Personalform er hält maß (zur ersten Variante des Infinitivs) richtig geschrieben ist. Statt der bisherigen Zusammenschreibung heißt es nun sie hat den Brief Maschine geschrieben.
Zu den größten Überraschungen gehört wohl die Neuregelung der Verbindung von Substantiv und Verb. Ski laufen wird nun wieder anders geschrieben als eislaufen. Die amtliche Regelung führt eine geschlossene Liste von genau elf Ausnahmen ein, darunter die bereits erwähnten sprachgeschichtlich falschen Zuordungen. Geschlossene Listen haben schon zum Zerfall der ursprünglichen Reform von 1996 beigetragen; die Reformer scheinen nichts daraus gelernt zu haben. Da die elf Ausnahmen nicht vorhersagbar sind, stehen Lehrer und Schüler nun vor einer ganz neuen Aufgabe des Auswendiglernens; vielleicht erfindet jemand einen sinnigen Merkspruch.
Zusammenschreibungen mit sein (beisammensein) bleiben kategorisch ausgeschlossen, die erst im Jahre 2004 wiederzugelassenen Formen beisammengewesen und zurückgewesen sind auch im amtlichen Verzeichnis wieder getilgt; dafür ist der Eintrag dagewesen neu hinzugekommen, als einzige, nirgendwo begründete Ausnahme. Der Rechtschreibrat hat darüber nicht gesprochen, es muß sich also um eine Eigenmächtigkeit der Wörterbuchgruppe handeln. Der Wahrig widmet dem Fall einen besonderen Kasten, aus dem aber die Einzigartigkeit der Ausnahme nicht klar hervorgeht. (Der wenig später erschienene neue Duden kennt noch zwei weitere Ausnahmen.)
Wie überall, so führt auch hier die Unklarheit des Regelwerks zu einer endlosen Rabulistik. Als Beispiel können die Einträge gelten, die die Getrennt- und Zusammenschreibung mit kaputt betreffen. Der Wahrig hält tatsächlich eine Empfehlung für nötig: „Es empfiehlt sich, die Verbindung in konkreter Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: ein Fenster kaputt machen, aber: jmdn., sich kaputtmachen.“ Sonst könnte wohl am Ende jemand glauben, daß ein Mensch in Scherben zerfällt, wenn er sich kaputt macht. Dabei ist für kaputt durchaus auch die Bedeutung 'erschöpft' angegeben, die Wendung ist also kaum idiomatisch zu nennen. Gleichwohl wird in einem umfangreichen blauen Kasten erklärt: „Wenn sich die Gesamtbedeutung der Verbindung aus kaputt und einem Verb nicht aus den einzelnen Bestandteilen bestimmen lässt, sondern eine neue Bedeutung entsteht (Idiomatisierung), schreibt man zusammen: Die Arbeit an diesem Projekt wird ihn kaputtmachen (= aufzehren). Ebenso: kaputtgehen (= nicht mehr funktionieren)“ usw. Man muß also zusammenschreiben, wenn eine – sei es noch so fragwürdige – Idiomatisierung vorliegt, und man darf zusammenschreiben, wenn es sich um einen Ergebniszusatz handelt. Trotzdem ist nicht klar, warum sich kaputtlachen und kaputtgehen obligatorisch zusammengeschrieben werden. In der Handreichung steht: „Subjektsprädikative werden nach § 34(2.3) getrennt geschrieben, z. B. sich satt essen, warm laufen (Motor).“ Worin liegt der Unterschied zwischen sich satt essen und sich kaputtlachen, zwischen warm laufen und kaputtgehen?
Das Wörterbuch verzeichnet, daß man Rad fahren getrennt schreiben muß, nicht aber, daß radfahrend auch zusammengeschrieben werden kann, obwohl dies ausdrücklich im amtlichen Wörterverzeichnis steht.
blankliegen/blank liegen kann man getrennt oder zusammenschreiben, wenn es übertragen verwendet wird (Nerven). In wörtlicher Bedeutung (Draht) wird es getrennt geschrieben, weil es sich nicht um eine Resultativkonstruktion handelt und dazu noch um ein Subjektsprädikativ. Für brach liegen wird jedoch ausschließlich Getrenntschreibung angegeben, obwohl es heute weit häufiger metaphorisch als wörtlich gebraucht wird. Aber so steht es im amtlichen Wörterverzeichnis, während noch in der Revision von 2004 ausschließlich Zusammenschreibung galt. Die Getrenntschreibung von ernst nehmen und ernst zu nehmende ist mit § 34 (2.3) nicht zu begründen, vielmehr müßte nach § 34 (2.2) Zusammenschreibung eintreten (wie bei krankschreiben usw.).
Das Wörterbuch benötigt mehrere Spalten, um darzustellen, wie man Verbindungen mit schwarz schreibt, aber klar ist es danach immer noch nicht. Überraschend die obligatorische Zusammenschreibung bis du schwarzwirst. Warum soll schwarzfahren ausnahmslos zusammengeschrieben werden? Es kann ja sogar vom Verb entfernt stehen: wir sind schwarz nach Potsdam gefahren – so daß ein Kriterium der Getrenntschreibung erfüllt ist.
Warum muß durch besondere Regeln festgehalten werden, daß man eindeutig festlegen und häufig wiederholen getrennt schreibt? Niemand war je in Versuchung, es zusammenzuschreiben.
Für Verbindungen mit voll-, fest- und tot- gilt, wie erwähnt, eine Sonderregel, die im Rechtschreibrat nicht diskutiert, sondern auf Wunsch Peter Eisenbergs in den nichtamtlichen Bericht aufgenommen worden und von dort in das Wörterbuch gewandert ist.
„(§ 34(2.1) , und
Zu den resultativen Prädikativen gehören auch Zusammensetzungen mit den ersten Bestandteilen , und . Diese bilden eine Untergruppe, da sie reihenbildend und oftmals idiomatisiert sind. Aus diesem Grunde sind sie fast ausschließlich nur in Zusammenschreibung belegt, während die Getrenntschreibung unüblich ist, vgl. (ein Brett) fest nageln, (einen Passanten) tot fahren, (einen Pkw) voll tanken. Dieser Befund legt es nahe, bei resultativen Prädikativen mit den ersten Bestandteilen , und im Wörterverzeichnis nur die Zusammenschreibung als die übliche Form anzuführen und einen Verweis auf den Regelteil zu geben.)“
Zur Begründung der obligatorischen Zusammenschreibung wird angegeben, daß die Verbindung „reihenbildend“ und „fast ausschließlich nur in Zusammenschreibung belegt“ sei. Letzteres berührt – auch wenn es nicht ganz zutrifft – recht sympathisch, denn sonst nimmt das Regelwerk auf den tatsächlichen Schreibbrauch wenig Rücksicht. (In der Verbindung den Mund (zu) voll nehmen wird meistens getrennt geschrieben: Die Musterknaben haben das Maul zu voll genommen [SZ 18.1.1996], ebenso fest bleiben: Teheran sei in seiner Haltung fest geblieben. [SZ 4.4.1996].) Allerdings ist die Regel im Kasten (auch unter fahren) so formuliert, daß auch Getrenntschreibung erlaubt zu sein scheint, und eine einsame Ausnahme gibt es sowieso: sich tot stellen darf nur getrennt geschrieben werden, Blaudruck weist ausdrücklich auf die Neuerung hin. bereitfinden, fertigbekommen und klarmachen darf man nur zusammenschreiben, bereitmachen, fertigstellen und klarwerden aber auch getrennt (obwohl zum Beispiel fertigstellen in Texten fast ausschließlich zusammengeschrieben belegt ist). verrücktspielen darf nur zusammengeschrieben werden, sich verrückt stellen nur getrennt. Es gibt eine nicht überschaubare Menge von solchen Einzelfestlegungen, die niemand voraussehen, geschweige denn behalten kann.
Bei Verbindungen mit wohl sind nicht weniger als 29 Getrenntschreibungen durch Blaudruck hervorgehoben, da sie aber allesamt fakultativ und die bisherigen Zusammenschreibungen wieder zugelassen sind, könnte man sie einfachheitshalber weglassen und wäre dann wieder genau bei der Regelung von 1991. Es ist nämlich im einzelnen unvorhersehbar, wo Getrenntschreibung zulässig ist und wo nicht. Am kompliziertesten ist wohlverstanden geregelt, das man zwar auch getrennt schreiben darf, nicht aber in der Bedeutung „man verstehe es richtig“.
bahnbrechend wird noch immer als „sich eine Bahn brechend“ paraphrasiert, woraus die Zusammenschreibung folge (so auch das amtliche Regelwerk). Das ist offenbar falsch, da eine bahnbrechende Erfindung eine solche ist, die der weiteren Entwicklung, nicht aber sich selbst Bahn bricht. Das geht sogar aus dem Wahrig-Beispiel im blauen Kasten hervor. Vgl. Duden Universalwörterbuch: „einer Sache B. brechen (einer Sache zum Durchbruch verhelfen)“. Das Prädikat lautet also Bahn brechen, das Reflexivum ist nur in bestimmten Fällen als besonderes Objekt vorhanden.
Das reformierte Leid tragend ist getilgt, es gibt nur noch leidtragend, aber mit der sonderbaren Begründung: „In der Zusammensetzung leidtragend ist der Erstbestandteil durch eine Wortgruppe (viel Leid, großes Leid) ersetzbar. Daher gilt Zusammenschreibung.“ Mit demselben Argument müßten allerdings auch Besorgnis erregend, Ehrfurcht gebietend und viele andere Verbindungen dieser Art wieder zusammengeschrieben werden, und zwar ausschließlich, denn man kann jederzeit eine nähere Bestimmung hinzufügen und dann wieder weglassen. Das geschieht aber keineswegs, vielmehr sollen Sätze wie Die Entwicklung ist Besorgnis erregend; diese Pflanzen sind Sporen tragend; das Unternehmen ist Gewinn bringend weiterhin korrekt sein; nicht einmal ein Warnschild wird vor solchen grammatischen Schnitzern aufgestellt. Auch der Altreformer Gallmann, der schon im Rat alle Rückbaumaßnahmen ablehnte, sagt in seiner Neubearbeitung von „Richtiges Deutsch“ (Heuer/Flückiger/Gallmann, 27. Aufl. 2006): „Oft sind beide Bildungsweisen anzuerkennen. Im Positiv ist dann Getrennt- oder Zusammenschreibung zuzulassen: Die Vorwürfe waren schwer wiegend (schwerwiegend).“ Gallmann und Sitta verwarfen jedoch die Konstruktion Dieser Stoff ist Wasser abweisend in ihrem Duden-Taschenbuch „Die Neuregelung der deutschen Rechtschrei­bung“, Mannheim 1996, S. 126. Das ist grammatisches Gemeingut, vgl.: „Im allgemeinen fällt prädi­kativer Gebrauch mit Verlust des verbalen Charakters zusammen.“ (Hermann Paul, Dt. Grammatik Bd. IV, S. 74) Auch Duden Bd. 9 („Richtiges und gutes Deutsch“ S. 236) stellt zutreffend fest: „Im allgemeinen wird das erste Partizip nicht prädikativ gebraucht (also nicht: Sie ist diskutierend).“ Diese Beschränkung hat weder im Regelwerk noch im Wahrig die geringste Spur hinterlassen.
Zu blutstillend/Blut stillend gibt es die auch sonst gleichlautend anzutreffende Empfehlung: „Da diese Verbindung gemäß Schreibgebrauch und Bedeutung als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung.“ In Wirklichkeit gehört diese Bemerkung unter blutsaugend, denn blutstillend hätte bei richtiger Anwendung der ursprünglichen Reformregeln nie aufgespalten werden dürfen. Abgesehen davon erkennt man, daß die Reformer die wahren Gründe nicht nennen dürfen – sie würden die ganze Reform einstürzen lassen – und sich statt dessen in die der Reform sonst fremde Begründung flüchten, die Zusammenschreibung sei üblich und daher vorzuziehen. Unter fleischfressend/Fleisch fressend wird keine Empfehlung ausgesprochen, aber unter Stichwörtern wie Sonnentau, Kannenpflanze oder karnivor heißt es wieder fleischfressend.
alleinseligmachend darf man jetzt allein seligmachend oder allein selig machend schreiben, nur nicht so, wie es bisher üblich war. anders gesinnt darf nach Wahrig nur getrennt geschrieben werden, gleichgesinnt aber auch zusammen, ebenso wie andersgeartet/anders geartet. Wahrscheinlich ist dies falsch, aber es gibt keine Instanz, die es beurteilen könnte.
Die Reformbestimmung, daß Adjektive auf ig/isch/lich weder mit Verben noch mit Adjektiven zusammengeschrieben werden dürfen, ist gestrichen, aber nicht ersatzlos. Bei den Adjektiven als Zweitgliedern lautet die Nachfolgebestimmung:
„§ 36 (2.2) Verbindungen mit einem einfachen unflektierten Adjektiv als graduierender Bestimmung, zum Beispiel: allgemein gültig/allgemeingültig, eng verwandt/engverwandt, schwer verständlich/schwerverständlich, schwer krank/schwerkrank
E4: Ist der erste Bestandteil erweitert oder gesteigert, dann wird getrennt geschrieben, zum Beispiel: leichter verdaulich, besonders schwer verständlich, höchst erfreulich
In Zweifelsfällen entscheidet die Akzentplatzierung, vgl. er ist höchstpersönlich gekommen – das ist eine höchst persönliche Angelegenheit.“
Zunächst ist unklar, wieso die Akzentplazierung entscheiden kann, was durch die übergeordnete Regel bereits entschieden ist. Bei Komparationsformen im ersten Teil ist die Zusammenschreibung kategorisch ausgeschlossen, das kann der Akzent nicht mehr ändern. Der behauptete Akzentunterschied trifft aber auch gar nicht zu. Wahrig setzt korrekterweise auch im ersten Fall zwei Betonungsgipfel an: höchstpersönlich. Damit widerspricht aber die Zusammenschreibung der Regel, denn der erste Teil ist als Superlativbildung ein morphologisch komplexes Adjektiv.
Warum hochdekoriert zusammengeschrieben werden muß, hoch dotiert aber nicht, ist unerfindlich. Erfreulicherweise wird die herkömmliche Zusammenschreibung von sogenannt ausdrücklich empfohlen, ebenso die von allgemeinverständlich, während bei allgemeinbildend ein solcher Hinweis fehlt. War der Cabochon infolge der Reform ein rund geschliffener Edelstein, so ist er nun wieder ein rundgeschliffener. Auch sonst ist die Erklärungssprache sorgfältig an die Revision (zum Teil schon die von 2004, über die man ja hier ansonsten nichts erfährt) angepaßt. Hochempfindlich steht in aller Unschuld da, und doch hatte der Wahrig noch 2005 ausdrücklich bestritten, daß die Zusammenschreibung möglich sei, die jetzt wieder die einzig zulässige ist.
schmutzig gelb muß weiterhin getrennt geschrieben werden, nach Wahrig jetzt mit der neuen, aber ebenso willkürlichen Begründung, es handele sich beim ersten Teil „nicht um ein einfaches, sondern um ein abgeleitetes Adjektiv“. Selbst wenn schmutzig einfach wäre, könnte es nicht mit gelb zusammengeschrieben werden, weil man es nicht als „graduierend“ bezeichnen kann. Demgegenüber gilt allgemein offenbar nicht nur als einfach, sondern außerdem als „graduierend“, was einigermaßen zweifelhaft ist. allgemeinbildend, das jetzt wieder erlaubt ist, stellt ja keine Steigerung von bildend dar. Übrigens setzt Wahrig allgemein verständlich und allgemeinverständlich als gleichwertige Varianten an. Aber soll man noch allgemein verständlicher wirklich für korrektes Deutsch halten? Die beiden blauen Infokästen lassen es zu.
Grammatisch ist die immer noch vorgeschriebene Aufspaltung rötlich braun schwer zu analysieren, da rötlich hier adverbial zu deuten sein müßte („auf rötliche Weise braun“?).
„Erweitert oder gesteigert“ scheint die Negativfolie zu sein, vor der man verstehen muß, was „einfach“ bedeutet. Bei den Verben lautet die entsprechende Formulierung allerdings „morphologisch komplex“ (§ 34 [2.2.]) - ein Ausdruck, der nur an dieser Stelle vorkommt.
Der zentrale Begriff des „adjektivisch gebrauchten Partizips“ ist leider immer noch nicht definiert, obwohl der KMK-Generalsekretär zugesichert hatte, dies werde geschehen (Brief vom 10.1.2005). Das wäre dringend erwünscht, wenn man liest, daß laut Regelwerk in die Rat suchenden Bürger ein „adjektivisch gebrauchtes Partizip“ vorliegt. Der Begriff „adjektivisch gebraucht“ kam im Wörterverzeichnis von 2004 über 90mal vor, im neuen ist er ganz beseitigt, nicht aber in den Regeln, wo er weiterhin für Verwirrung sorgt. Zu den „adjektivisch gebrauchten“ Partizipien rechnet der Wahrig das Gerundiv ernst zu nehmende/ernstzunehmende (das eigentlich mit Partizipien nichts zu tun hat), in eigenmächtiger Auslegung von § 34 (2.1).
Wenn man dem Reformer Gallmann (Dudengrammatik 2005, S. 346) folgt, könnte es scheinen, daß „adjektivisch“ soviel heißt wie „attributiv“. Sonderbar ist allerdings das Beispiel der bellende Hund, *der bellendere Hund. Gallmanns Aussage: „Adjektivisch gebrauchte Partizipien können nicht kompariert werden“ ist unverständlich, denn gerade diese können es, wie auch Gallmanns Beispiel reizend zeigt. Mit dem „adjektivischen Gebrauch“ kann aber auch nach Duden 2004 nicht der attributive gemeint sein, sonst wären Einträge wie der folgende unverständlich: „da bist du aber schief gewickelt, auch schiefgewickelt“. Wahrig führt unter offen als Beispiel nichtadjektivischen Gebrauchs an: offen gesagt, offen gestanden. Kurzum, die Frage ist ungeklärt, wegen ihrer gravierenden Folgen aber dringend klärungsbedürftig.
des ungeachtet darf nur so geschrieben werden, obwohl es als Wortgruppe heute nicht mehr konstruierbar ist. Von Wörtern wie beiseite wird behauptet, sie hätten die Merkmale allein vorkommender Wörter verloren und müßten daher mit Verben zusammengeschrieben werden. Ähnlich zu vorlieb und einigen anderen. Die Argumentation ist unverständlich, entspricht aber einer besonders dunklen Stelle im neuen Regelwerk.
Es muß geschrieben werden:
zufolge
zugrunde/zu Grunde
zugunsten/zu Gunsten
zugutekommen
zuhandenkommen
zuhause/zu Hause
hierzulande/hier zu Lande
zulasten/zu Lasten
zu Leibe
zuleide/zu Leide
zuliebe
zunichtemachen
zunutze/zunutze
zupass(e)kommen
zurande/zu Rande (kommen)
zurate/zu Rate (ziehen)
zuschanden/zu Schanden
zuschulden/zu Schulden
zuseiten/zu Seiten
zustande/zu Stande
zutage/zu Tage
zugunsten/zu Gunsten
zuwege/zu Wege

(zugange fehlt)
Wie man sieht, gibt es sowohl neue Zusammenschreibungspflichten als auch neue Getrenntschreibungen, beide sind im Wahrig durch Blaudruck kenntlich gemacht. Leichter wird es aber nicht, denn die Zuweisungen sind unvorhersehbar. Man kann wählen zwischen in Frage und infrage, aber infolge bleibt (auch wenn das IDS in seiner Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht schon mal in Folge geschrieben hatte). Bisher schrieb man allemal, ein für allemal; neu ist allemal, ein für alle Mal. Das Allerweltswort jedesmal bleibt verboten, nur jedes Mal ist zulässig, ebenso einige Mal und etliche Mal. Fast überraschend wirkt da die Vorschrift, sovielmal und soundsovielmal weiterhin zusammenzuschreiben. Das Wörterbuch enthält immer noch als Variante in Blaudruck die 1996 eingeführte, damals obligatorische, 2004 wieder abgeschaffte Zusammenschreibung nochmal; im amtlichen Regelwerk ist dazu nichts mehr zu finden.
Die Handvoll ist wiederhergestellt, die Hand voll aber noch nicht aufgegeben, bezeichnenderweise nur mit unverfänglichen Beispielen wie eine Hand voll Pilze (aber auch zwei Hand (!) voll Körner), nicht etwa eine Hand voll Leute. Überraschenderweise werden durch die Revision ja sogar die Hand breit (eine Hand breit Stoff) und der Fuß breit (ein Fuß breit Boden) als neue Varianten eingeführt, ohne daß der Rechtschreibrat je darüber gesprochen hätte. Vielleicht wäre er darauf gestoßen, daß eine Hand zwar voll Pilze sein kann, aber nicht breit Stoff. Da es sich bei getrennt geschriebenem Spalt breit nicht mehr um ein Substantiv handelt, ist auch die Angabe des Wahrig zur Genitiv- und Pluralbildung sinnlos.
Mit Fügungen wie Russisch Brot können sich die reformierten Wörterbücher gar nicht befreunden, auch Wahrig will nur Russischbrot (aber weiterhin mit zwei Akzenten) zulassen. Auf welche Regel das zurückgeht, ist nicht zu erkennen. Solche Gewaltsamkeiten strafen die behauptete Orientierung am üblichen Schreibgebrauch Lügen. Während präpositionales zuseiten von möglich ist, gilt das für zuzeiten von nicht.
Da das Hohelied und der Hohepriester 2004 aus dem amtlichen Wörterverzeichnis verschwunden und auch seither nicht wiederaufgetaucht sind, weiß man nicht, ob die Rehabilitierung im neuen Wahrig (neben der Getrenntschreibung) korrekt ist. Der Rat hat darüber nicht gesprochen.
Bei den Fremdwörtern ergeben sich sehr viele Änderungen durch die neue Regel, daß der Hauptakzent über die Zusammenschreibung entscheidet: Freestyle, Hightech, Shootingstar; Golden Goal, Private Banking, Round Table. Die neue Hauptregel lautet: „Aus dem Englischen stammende Bildungen aus Adjektiv + Substantiv können (!) zusammengeschrieben werden, wenn der Hauptakzent auf dem ersten Bestandteil liegt, also Hotdog oder Hot Dog, Softdrink oder Soft Drink, aber nur High Society, Electronic Banking oder New Economy.” Durch die unterschiedlich akzentuierten Beispiele wird die Regel gleich wieder verdunkelt. Auch bei Anfangsbetonung ist die Zusammenschreibung lediglich erlaubt, aber nicht zwingend. Das irreführende Verfahren zieht sich durch das ganze Wörterbuch. Neben Hotdog, Harddisk ist also auch bei Anfangsbetonung Hot Dog, Hard Disk möglich. Die Ergänzung lautet: „Sind beide Akzentmuster möglich, dann kann getrennt wie zusammengeschrieben werden, zum Beispiel: Big Band/Bigband, Hot Pants/Hotpants, Small Talk/Smalltalk.“ Die neue Regel ist nur für englische Entlehnungen formuliert, aber die Redaktion überträgt sie auf Wörter anderer Herkunft. So wird für das herkömmliche Hautefinance zur Unterscheidung von der neueingeführten Schreibweise Haute Finance (mit gleichmäßiger Betonung) ein ganz unrealistischer Anfangsakzent postuliert; die vorigen Auflagen wußten es noch besser. Es rächt sich jetzt, daß die „Laut-Buchstaben-Beziehung“ und damit die Fremdwortschreibung vom Rechtschreibrat nicht behandelt werden konnte. Wie schon 2005 wird im Wörterverzeichnis nur noch die Hybridschreibung Orthografie, orthografisch benutzt, im gesamten ersten Teil des Werkes aber weiterhin Orthographie und orthographisch. Bei Photosynthese wird die traditionelle fachsprachliche Schreibung empfohlen, bei Phonetik (neu Fonetik) nicht, obwohl es hier nötiger wäre. Man kann jetzt d'hondtsch oder d'Hondt'sch schreiben, aber sowohl im amtlichen Verzeichnis als auch im Wahrig heißt es nur Horsd'œuvre, nicht Horsd'Œuvre, wie man erwarten könnte.
Da auch der Bindestrich vom Rat bisher nicht behandelt werden durfte, ergeben sich hier viele willkürliche Einzelregelungen. Eine Reihe von englischen Fremdwörtern, die in den vorigen Auflagen noch mit optionalem Bindestrich verzeichnet waren, kommen jetzt nur noch ohne Bindestrich vor: Actionpainting, Airconditioning, Assessmentcenter, Beatgeneration, Beautycase, Beautyfarm, Boatpeople, Bottleparty, Boyscout, Braindrain, Braintrust, Businessclass, Callcenter, Carjacking, Carsharing, Carvingski, Cashflow, Chatroom, Cherrybrandy, Coffeeshop, Conceptart, Crosscountry, Cruisemissile, Diningroom, Factoryoutlet, Fitnessstudio, Flipchart, Fundraising, Gingerale, Hillbillymusic, Jamsession, Jobhopper, Jobsharing, Jumbojet, Pressuregroup, Productplacement, Releasecenter, Riverboatshuffle, Shareholdervalue, Showbusiness, Sightseeingtour, Stockcar, Stockoption, Strippoker, Talkshow, Tearoom, Timesharing, Tradeunion.

Dagegen sind weiterhin optional mit Bindestrich zu schreiben: Centrecourt/Centre-Court, Chewinggum/Chewing-Gum, Daviscup/Davis-Cup, Desktoppublishing/Desktop-Publishing, Dixielandjazz/Dixieland-Jazz, Floppydisk/Floppy-Disk, Fosburyflop/Fosbury-Flop, Ginfizz/Gin-Fizz, Midlifecrisis/Midlife-Crisis, Motocross/Moto-Cross, Personalityshow/Personality-Show, Poleposition/Pole-Position, Rallyecross/Rallye-Cross, Science-Fiction/Sciencefiction, Sexappeal/Sex-Appeal, Shoppingcenter/Shopping-Center, Swimmingpool/Swimming-Pool, Tiebreak/Tie-Break, Toeloop/Toe-Loop. Hierzu auch Championsleague/Champions League.
Ein Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht zu erkennen.


Laut-Buchstaben-Entsprechungen
Das Wörterbuch schreibt – anders als das amtliche Regelwerk – durchweg selbstständig und erklärt, wie die meisten Reformer, die ältere Form selbständig für eine Verkürzung der jüngeren! Diese blamable Unkenntnis hat sich bisher gegen jeden Aufklärungsversuch zu sperren gewußt.
belämmert wird als Neuschreibung vermerkt, scheint aber keiner Erläuterung zu bedürfen; vielleicht war der Redaktion der übliche Hinweis auf die Volksetymologie zu peinlich. Noch immer sind von der mutwilligen Tilgung des h in rauh auch die Rauhnächte (jetzt nur noch Raunächte, Duden kennt immerhin noch Rauchnächte) betroffen, obwohl sie mit rauh wohl nichts zu tun haben.
Unter Schlusssatz und Schussstärke wird „der besseren Lesbarkeit wegen“ ein Bindestrich vorgeschlagen: Schluss-Satz, Schuss-Stärke – ein bemerkenswertes Eingeständnis. Darf man daran erinnern, daß Schlußsatz ohne Probleme lesbar war und erst die Reform den Schaden angerichtet hat, der nun auf so unbeholfene Weise repariert werden soll? Daß nur Eis-Schnelllauf und nicht Eisschnell-Lauf (wie im Duden von 2004 und noch 2006) „zulässig“ sei, trifft nicht zu; das neue Regelwerk enthält keine solche Vorschrift, schon weil der Bindestrich im Rat gar nicht behandelt wurde. Der Hinweis auf § 45 (4) ist nichtig.
Widersprüchlich ist nach wie vor die teilweise geänderte Schreibweise von Schlegel/Schlägel. Die Keule eines Schlachttiers soll nach wie vor Schlegel geschrieben werden, der damit etymologisch identische (Trommel-)Schlägel dagegen mit ä. Der Bergmannshammer heißt weiterhin Schlägel; die Bezeichnung des entsprechenden Schlagwerkzeugs in anderen Handwerken bekommt einen gleichlautenden zweiten Eintrag, nun ebenfalls mit ä. Bei soviel Stammschreibung muß man sich wundern, daß das Hendl (Brathendl) nicht ebenfalls mit ä geschrieben wird.

Obwohl sonst die deutsche Standardsprache zugrunde gelegt wird, erkennt die Reform die bayerische Mass an, und der Wahrig notiert als Beispiele unter Maß sogar ausschließlich diese Dialektformen. Eigentlich hätte dann auch der in weiten Teilen des deutschen Sprachgebiets verbreitete Fussball berücksichtigt werden müssen.
Bei französischen Fremdwörtern besteht die fakultative Eindeutschung darin, daß man in ausgewählten Fällen die Akzentzeichen weglassen kann: Chateau, vis-a-vis, Tete-a-tete (so auch im amtlichen Wörterverzeichnis; zu erwarten wäre Tete-a-Tete, wie es in einigen, aber nicht in allen Wörterbüchern aus dem Hause Brockhaus/Duden zu finden ist). Es läßt sich aber nach wie vor nicht erklären, warum einige Wörter wie Separee und Buklee eingedeutscht sind und andere wie Café und Abbé nicht. Man muß in jeden einzelnen Fall nachschlagen. Das recht häufig belegte Prêt-à-porter fehlt ganz, man kann die Schreibweise auch nicht erschließen. Noch immer ist unklar, ob man auch Krepp Suzette und Krepp de Chine schreiben kann oder die Eindeutschung von Crêpe irgendwie beschränkt ist. Der Duden unterschied früher das einfache Ragout vom feineren Ragoût fin. Die Reform stellt auch bei letzterem das Akzentzeichen frei; dies hätte durch Blaudruck als neu gekennzeichnet werden müssen.
Bei Spaghetti Bolognese müßte das Adjektiv klein geschrieben werden.
Das Verb handikapen wartet eigentlich wegen Handikapper auf ein zweites p; leider ist das häufig benutzte verspriten/Verspritung nicht angeführt, das ebenfalls gegen die regelkonforme Schreibweise verstößt.
Zu Waggon/Wagon behauptet der Infokasten: „Die ins Deutsche integrierte Schreibweise Waggon und die der Herkunftssprache entsprechende Form Wagon sind beide gleichermaßen zulässig. § 2, § 55(4).“ Wieso ist die eine Schreibweise ins Deutsche integriert? Der Verweis auf § 2 geht ins Leere, da dort von betonten Kurzvokalen die Rede ist; § 55(4) betrifft die Großschreibung in festen Gefügen, eine hier gänzlich irrelevante Regel.
Im übrigen stehen die wenigen Eindeutschungen wie Spagetti, Schikoree oder Schrimps ziemlich verloren herum, weil sie nichts mit dem Geist unserer Zeit zu tun haben. 1996 wurde das längst eingedeutschte Gräkum durch Graecum ersetzt – vielleicht nur ein Versehen, aber es ist bis heute dabei geblieben, daß die Wörterbücher Gräkum nicht mehr zulassen.

Wortschatzauswahl
Die Auswahl der Stichwörter ist annehmbar. Man wird immer einiges vermissen. Sollten im Belegkorpus der häufig falsch geschriebene Cinchstecker oder die im Fußballjournalismus beliebte Blutgrätsche nicht vorkommen? Bei der Auswahl der Eigennamen bleibt das Wörterbuch einer alten Bertelsmann-Tradition treu: Die Namen sozialistischer Größen wie Stalin, Lenin, Trotzki, Liebknecht, Luxemburg und Zetkin sind getreulich aufgeführt, nicht aber die rechtschreiblich durchaus schwierigen Hitler, Goebbels oder Göring – eine recht schlichte Art der Vergangenheitsbewältigung. (Auch die Dudenwörterbücher verschweigen Hitler. Das Langenscheidt Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache hat sonderbarerweise als einziges Wörterbuch den Hitlergruß; der scheint als ein eher folkloristisches Element und daher für Ausländer besonders relevant angesehen zu werden. Hitlergruß kommt aus bedenklichen Gründen in den Zeitungen ungleich häufiger vor als die legendäre, von Duden und Wahrig gewissenhaft festgehaltene Stalinorgel.)
Einige Lücken wie Graecum, Holster (beide im amtlichen Wörterverzeichnis), auf die ich anläßlich der Auflage von 2002 hingewiesen hatte, sind geschlossen; die damals als überflüssig bezeichneten Nearthrose und Beidrecht sind gestrichen. Ebenso ist Raumklang nachgetragen, gebauchkitzelt gestrichen, überm Berg sein durch das üblichere übern Berg sein ersetzt. Gestrichen sind flotativ und Fivevowelword, wie von mir angeregt, leider auch Anastigmat. Noch immer fehlt aber ewiggestrig, was bei einem zugrunde gelegten Korpus von 800 Mill. Wörtern doch verwundert, denn man kann es fast jede Woche in der Zeitung lesen. Im Kasten zu Walnuss ist meine Kritik befolgt. Wieso wird Charming Boy trotz Anfangsbetonung nur getrennt geschrieben, und ist dieses Stichwort überhaupt buchenswert? Noch immer wird nur der Plural Jusos verzeichnet, als ob es keinen Juso gäbe. Die Fritfliege fehlt weiterhin, obwohl sie nach wie vor im amtlichen Wörterverzeichnis steht. Neben den Zündblättchen gibt es doch wohl auch Zündplättchen. Lutz Götzes Öffentlicher Dienst ist der korrekten Kleinschreibung gewichen. Die Sternutationstheorie ist wohl ein lexikographischer Scherz. Die Fräulein Krome (eine Huldigung an die Chefredakteurin unter Synesis) ist durch die Gretchen ersetzt.
Während bei eichen die Homonyme (1. aus Eichenholz; 2. auf das offizielle Maß einstellen; ähnlich unter buchen, aber nicht unter leinen) unter einem einzigen Stichwort eingetragen sind, bekommen die doch sehr eng verwandten übertragenen Bedeutungen von sitzenlassen (jeweils auch: sitzen lassen) ebenso wie eine ganze Reihe ähnlicher Fügungen jeweils zwei Einträge. Nur die obligatorische Getrenntschreibung der Verbindung in konkreter Bedeutung muß man mühsam aus einem Infokasten erschließen. Diese Darstellungsweise sollte überdacht werden.
Elektronisch ausgewertet wurde ein Textkorpus, das nur folgsame Zeitungen berücksichtigt, also weder die F.A.Z. noch die zeitweise widerspenstigen Blätter des Springer-Konzerns. Die häufige Berufung auf den allgemeinen Schreibgebrauch muß man auch in diesem Lichte beurteilen.


Fehler und Versehen
Die kleinste Einheit geschriebener Zeichen ist das Graph (neu: Graf), nicht der Graph.
Die Kultur Schaffenden und die Kunst Schaffenden waren auch bisher schon möglich, der Blaudruck ist also unbegründet. Allerdings hat man solche beschwerlichen Ausdrücke in besseren Texten praktisch nie gefunden.
Die Kennzeichnung reformierter und nichtreformierter Schreibweisen ist nicht immer gelungen. Die Wendung um ein Vielfaches müßte blau gedruckt sein, denn der alte Duden wollte kurioserweise nur Kleinschreibung zulassen. Auch Aupair ist neu und zurzeit wenigstens für Deutschland. Dagegen ist der Blaudruck bei einigen Wörtern wie ernst nehmen oder der Drittletzte ('der Leistung nach') unbegründet, die Schreibweisen sind die alten. Bei sonst jemand usw. täuscht der Blaudruck über die differenzierte herkömmliche Dudenschreibung hinweg. wachrütteln ist zu Unrecht blau markiert. Stich halten ist blau gedruckt, aber neu ist es nur für Österreich. Das klein geschriebene kölnische Wasser müßte blau markiert sein, ebenso die vierzehn Nothelfer, deren neue Kleinschreibung zweifelhaft ist, aber auch vom Duden behauptet wird, während die Heiligen Drei Könige weiterhin groß geschrieben werden.
Weder die Brinell-Härte mit Bindestrich noch der Canossagang mit C sind wirklich neu, auch wenn sie so nicht im alten Duden standen. Nach wohlverstandener Dudenregel war der Bindestrich auch früher weitgehend frei verwendbar. Deshalb ist auch der Blaudruck von Braille-Schrift und vielen ähnlichen Einträgen im Grunde nicht gerechtfertigt. Mudejarstil stand nicht im Duden und ist daher auch ohne Bindestrich nicht eigentlich neu geschrieben.
Beautycase, Coffeeshop, Cornflakes, Cruisemissile, Dixielandjazz, Flipchart, Toe-Loop müßten blau gedruckt sein, Sex-Appeal und Shopping-Center hingegen schwarz. Bei Daviscup müßten die Farben umgekehrt verteilt sein (Daviscup blau, Davis-Cup schwarz).
Zu freund und feind sein hat der Rechtschreibrat klasse und spitze hinzugefügt, die in Wendungen wie das ist klasse/spitze nur noch klein geschrieben werden dürfen, trotz das ist große Klasse/einsame Spitze. Der Blaudruck ist dennoch irreführend, denn für klasse hatte auch der alte Duden schon Kleinschreibung zur Wahl gestellt (weshalb die Neuregelung 1996 auch ein Sternchen hinter das nunmehr ausschließlich groß zu schreibende Wort gesetzt hatte), und Spitze war in dieser Verwendung noch gar nicht verzeichnet. Ein typisches Beispiel für das unberechenbare Hin und Her der Reform.
Daß man Vi-naigrette früher intelligenter trennte, ist nicht einmal durch Blaudruck angedeutet. Wie viele neue Trennungen in ähnlicher Weise unmarkiert geblieben sind, läßt sich nicht abschätzen.
Im Einbanddeckel werden die Kennzeichnungen erklärt. Als Beispiel betonter Kurzvokale ist ausgerechnet der Einsilbler Alb ausgewählt.
Die Empfehlung, in ein und demselben Text nicht zwischen den zulässigen Varianten zu wechseln, hat im Regelwerk naturgemäß keine Entsprechung und ist daher auch für die Schulen nicht verbindlich; darüber sollten Lehrer informiert sein, damit sie nicht unnötig streng korrigieren.
Ob die Reihenfolge, in der die zulässigen Varianten angeführt sind, etwas zu bedeuten hat, läßt sich nicht feststellen. Die Praxis ist bemerkenswert uneinheitlich. So werden fertig gekocht und fertig gestellt in Blaudruck zuerst angeführt, darauf folgt die herkömmliche Zusammenschreibung; bei den Verben wird zwar ebenfalls fertig kochen in Blau vor der Zusammenschreibung genannt, bei fertigstellen ist es aber umgekehrt.
Unter spät findet man im Kasten hervorgehoben die spät Gebährende und gleich darauf die Spätgebährende. Das sollte in einem Rechtschreibwörterbuch nicht vorkommen.
Die Bedeutungsangaben, in einem Rechtschreibwörterbuch ohnehin nur Zugabe, sind zufriedenstellend. Manche bekannte Wahrig-Schwäche sollte überdacht werden. So ist die Zwetsche immer noch als „ein kultiviertes Rosengewächs“ definiert. Das ist Botanik, nicht Sprache. Strukturalismus ist zweifellos zu eng und geradezu irreführend erklärt: „Lehre vom Aufbau der Sprache aus ihren kleinsten Elementen, den Phonemen und Morphemen, ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung“. Sterbehilfe ist Euthanasie und keine „Vereinigung mit dem Ziel, das Sterben menschlicher zu gestalten“.
Die Aussprache von Huygens [hÔ:y:-] scheint etwas überspannt, ähnlich bei Brueghel.
Liest man einen Eintrag wie „Hintere(r) m. ugs.: Gesäß“, dann könnte man meinen, daß es auch der Hinterer heißen kann.

Schluß

Insgesamt dokumentiert der Wahrig recht zuverlässig die von den Kultusministern jüngst verordnete Schulorthographie, die wegen ihrer immer noch erheblichen Fehlerhaftigkeit der deutschen Sprachwissenschaft kein gutes Zeugnis ausstellt.
Die weiteren Verhandlungen des Rechtschreibrates müssen zeigen, ob die Reparaturarbeiten zu einem erträglichen Abschluß gebracht werden können. Man sieht zwar, daß die Richtung stimmt, aber Sinn und Verstand kehren nur in Trippelschritten zurück. Im „Bericht“ der Geschäftsführerin ist treffend vom „Rat mit all seinen verschiedenen Interessenvertretern“ die Rede. Dieses Gremium ist schon wegen seiner Zusammensetzung kaum zu einer sachgerechten Lösung fähig. Es stimmt Satz für Satz über eine unbrauchbare Vorlage ab, ohne grundsätzliche Orientierung. Als weitere Störung kommt hinzu, daß nicht nur frühere Schreibweisen rehabilitiert, sondern auch bisher gänzlich unbekannte neu eingeführt werden. Eine durchgreifende Verabschiedung von den Fehlern der Reform wird aber vor allem dadurch erschwert, daß noch zu viele Altreformer mitzuentscheiden haben. Einer von ihnen, der Schweizer Peter Gallmann, unterläuft die Rückbaumaßnahmen, indem er in seiner Neubearbeitung des bekannten Werkes „Richtiges Deutsch“ von Heuer und Flückiger (27. Aufl.) durchweg die Reformschreibung von 1996 empfiehlt:
Verb und Verb: „Wir empfehlen, in allen diesen Fällen sowie beim Einzelfall kennen lernen nach der allgemeinen Regel einheitlich getrennt zu schreiben.“ Adjektiv und Nomen: „Wir empfehlen, möglichst konsequent die Kleinschreibung anzuwenden: das schwarze Schaf, das schwarze Brett, die schwarze Liste ... der goldene Schnitt ... die erste Hilfe ....“ [im Gegensatz zu den Wahrig-Empfehlungen] Zu achtgeben, maßhalten, haltmachen: „Wir empfehlen in diesen Fällen die Getrenntschreibung nach der Grundregel.“ Adjektiv und Verb: „Wir empfehlen, (ursprüngliche) Partizipien getrennt zu schreiben: gefangen nehmen, geschenkt bekommen, getrennt schreiben, verloren gehen.“ [getrenntschreiben steht gar nicht zur Wahl.] Die Briefanrede du/Du soll nach Gallmann weiterhin klein geschrieben werden. übel riechend, hell leuchtend, viel beschäftigt u. a. seien nur getrennt richtig.
Eine durchgreifende Besserung der Lage wird auch durch den Ratsvorsitzenden selbst erschwert. Zehetmair, als Kultusminister hauptverantwortlich für die Reform, verkündet bei jeder Gelegenheit, eine Rücknahme der Reform komme nicht in Frage. Das ist die Losung der Kultusminister seit Beginn der Reform und der vorfristigen Einführung in die Schulen. Als Begründung führte KMK-Präsidentin Wanka im Sommer 2005 die „Staatsräson“ an. Dagegen hat die gewöhnliche Vernunft kaum eine Chance.

Anhang:
(Auszug aus den nichtamtlichen „Erläuterungen“ der Geschäftsführung des Rates für deutsche Rechtschreibung; der Text ist ohne Kenntnis des Rates erarbeitet und vom Rat selbst nicht autorisiert.)

Handreichung zur Umsetzung der Getrennt- und
Zusammenschreibungs-Regeln aus der Anwenderperspektive
Die vorliegende Handreichung erläutert und kommentiert die Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung aus der Anwenderperspektive und ist in dieser Hinsicht komplementär zur Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung. Sie basiert auf den Erfahrungen, die bei der Anwendung der neuen Regeln auf das amtliche Wörterverzeichnis gemacht wurden, und behandelt auch Fragestellungen generellerer Art. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an der Abfolge der Paragrafen.
§ 34(1) Schreibung von Doppelpartikelverben
Doppelpartikelverben verhalten sich wie einfache Partikelverben und sind dementsprechend
zusammenzuschreiben. Dabei wird der Wortakzent auf der zweiten Partikel beibehalten und
geht nicht wie bei den Präfixverben auf die (erste) Partikel über, vgl. „(Brennelemente)
wiederaufbereiten“, aber „wiederbekommen (= zurückbekommen)“.
Von den Doppelpartikelverben strukturell zu unterscheiden sind bloße Verbindungen aus Adverb
und Partikelverb. Bei diesen – wie auch bei Verbindungen aus Adverb und Präfixverb –
trägt das Adverb in der Regel einen eigenen Akzent, wie z. B. „wieder anpfeifen“, „wieder
bekommen (= erneut bekommen)“ usw.
§ 34(1) Schreibung bei zusammengesetztem Erstglied
Bei der Bildung von trennbaren Zusammensetzungen gilt grundsätzlich, dass Partikeln formgleich mit Adverbien sein können. Usuell werden davon allerdings Elemente ausgenommen,
die eine gewisse Länge und Schwere überschreiten. Deshalb ist bei Verbindungen, bei denen
das Erstglied aus Substantiv und Adverb zusammengesetzt ist (wie z. B. flussabwärts), die
Getrenntschreibung üblich.
§ 34(1)
Zuordnung des Einzelfalls
(in der Bedeutung in die Höhe, nach oben)
kann die Funktion einer Richtungsangabe annehmen und wird dann nach § 34(1.2)
mit dem folgenden Verb zusammengeschrieben, z. B.: „(die Koffer) hochbringen“, „(einen
Docht) hochdrehen“, „(die Haare) hochkämmen“.
§ 34(2) Schreibung von Adjektiv und komplexem Verb
Die Schreibung von Adjektiv und komplexem Verb korreliert mit der morphologischen Struktur
des Verbs, derzufolge Partikelverben (1) und Präfixverben (2) auseinanderzuhalten sind:
Während Partikelverben nicht erweiterungsfähig sind und mit dem Adjektiv eine Wortgruppe
eingehen, verhalten sich Präfixverben wie einfache Verben und unterliegen folglich denselben
Regeln. Beispiele zu (1): „blau anstreichen“, „spitz zulaufen“, „dick auftragen (= übertreiben)“,
„klein beigeben (= kleinlaut nachgeben)“; Beispiele zu (2): „(Geiseln) freibekommen/
frei bekommen“ nach § 34(2.1), „(etwas) spitzbekommen (= herausbekommen)“ nach
§ 34(2.2), „(jmdm.) blind vertrauen“ nach § 34(2.3).
§ 34(2), § 34(4) Schreibung von Redewendungen
Die Einstufung als Redewendung übt keinen Einfluss auf die Schreibung aus, d. h., auch in
diesem Falle finden die Paragrafen 34(2) bzw. (4) und E7 Anwendung. Infolgedessen ist jeweils
zu überprüfen, ob nach § 34(2.1) ein resultatives Prädikativ vorliegt oder nach § 34(2.2)
bzw. E7 das Adjektiv bzw. das Verb zusammen mit dem Verb eine neue, idiomatisierte
Gesamtbedeutung bildet. Regelgeleitet ergeben sich demgemäß z. B. folgende Schreibungen:
„die Pferde scheumachen/scheu machen (= jmdn. in Aufregung versetzen)“ nach § 34(2.1),
„jmdm. die Hölle heißmachen“ nach § 34(2.2), „die Maske fallen lassen“ nach § 34(4) und
„die Muskeln spielen lassen/spielenlassen“ nach § 34 E7.
§ 34(2.1) „resultative Prädikative“
§ 34(2.1) sieht für resultative Prädikative die Getrennt- wie auch Zusammenschreibung vor.
Wie bereits aus den Beispielen hervorgeht, bezieht sich die Regel auf Objektsprädikative,
nicht aber auf Subjektsprädikative. Subjektsprädikative werden nach § 34(2.3) getrennt geschrieben, z.B. „sich satt essen“, „warm laufen (Motor)“.
§ 34(2.1) , und
Zu den resultativen Prädikativen gehören auch Zusammensetzungen mit den ersten Bestandteilen
, und . Diese bilden eine Untergruppe, da sie reihenbildend und oftmals
idiomatisiert sind. Aus diesem Grunde sind sie fast ausschließlich nur in Zusammenschreibung
belegt, während die Getrenntschreibung unüblich ist, vgl. „(ein Brett) fest nageln“,
„(einen Passanten) tot fahren“, „(einen Pkw) voll tanken“.
Dieser Befund legt es nahe, bei resultativen Prädikativen mit den ersten Bestandteilen ,
und im Wörterverzeichnis nur die Zusammenschreibung als die übliche Form
anzuführen und einen Verweis auf den Regelteil zu geben.
§ 36(1.5) vs. § 36(2.2)
Abgrenzung der beiden Paragrafen
§ 36(2.2) sieht Getrennt- wie auch Zusammenschreibung vor für Verbindungen mit einem einfachen unflektierten Adjektiv als graduierender Bestimmung. Das Adjektiv übt folglich
eine spezielle Funktion aus, ist aber selbständig verwendbar. Anders bei § 36(1.5), der die
Schreibung von Zusammensetzungen mit einem bedeutungsverstärkenden oder -abschwächenden ersten Bestandteil festsetzt. Das Gradadjektiv wird hier rein intensivierend gebraucht. § 36(1.5) bildet infolgedessen eine Untergruppe, „graduierend“ ist als Oberbegriff zu verstehen.
Beispiele zu § 36(2.2): hochbegabt/hoch begabt, hochkompliziert/hoch kompliziert
Beispiele zu § 36(1.5): hochaktuell, hochbetagt, hochberühmt



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Kommentare zu »WAHRIG 2006«
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Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 16.10.2024 um 20.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1664#54079

Diesen Punkt finde ich interessant und frage mich, ob das wirklich zwingend ist: «Die kleinste Einheit geschriebener Zeichen ist das Graph (neu: Graf), nicht der Graph.»

Es heißt ja zum Beispiel DAS Telephon, aber DER Telegraph. Bei Digraph erkennt Duden beide Genera an, bei Graph (in der linguistischen Bedeutung) und Homograph (was aber so viel heißt wie homographes WORT) dagegen nur das Neutrum. Interessant wäre, wie es auf griechisch gehandhabt wird: γράφημα (Graphem) und ??? (Graph). Auf Anhieb habe ich es nicht gefunden, dafür δίγραφο (Digraph) – Neutrum!
 
 

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