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28.10.2012
Feucht und schmutzig
Zu einem neuen Buch von Hans-Martin Gauger über vulgäre Sprache
In der Zeitung wurde kürzlich ein neues Buch von Hans Martin Gauger besprochen: Das Feuchte und das Schmutzige. Kleine Linguistik der vulgären Sprache (Beck 2012).
Ich habe es noch nicht gelesen. Es handelt sprachvergleichend vom Schimpfen, Fluchen und Beleidigen und insbesondere von der vieldiskutierten Tatsache, daß im Deutschen eher fäkal (Arschloch, Scheißkerl), im Romanischen und Angelsächsischen sexuell (motherfucker, son of a bitch), ebenso anderswo (Ich habe deine Schwester gevögelt) beleidigt wird. Mir scheint das daran zu liegen, daß in gewissen Kulturen die Ehre hauptsächlich sexuell verstanden wird, während andere eher das Dienen und Herrschen, also die Machtposition, als Ordnung voraussetzen und daher die Erniedrigung (in den Staub fallen, am Arsch lecken) als das Unehrenhafte zumuten, vielleicht aber auch das Unerzogene, die Nichtüberwindung des kindlichen Windelstadiums. (Das bairische „hinterfotzig“ ist allerdings nicht sexuell motiviert, sondern wird nur von Ortsfremden so gedeutet. So ist denn auch „Fotzenhobel“ etwas ganz anderes, als sich die Nichtbayern darunter vorstellen.) Man hat ja schon den Nationalsozialismus auf den an Schimpfwörtern erkennbaren analen Zwangscharakter der Deutschen zurückführen wollen; Gauger scheint da nicht mitzumachen, obwohl er die Psychoanalyse weiterhin übermäßig schätzt.
Ich weiß nicht, ob Gauger auf einen Umstand eingeht, den ich wichtig finde: Die exkrementellen Schimpfwörter werden auch von Kindern gern benutzt, während das Sexuelle ihnen – jedenfalls früher – ziemlich unbekannt und unbegreiflich war und sexuelle Ehrbegriffe erst recht. Ich glaube, daß ich meinen ältern Bruder oft und gern als „Arschloch“ bezeichnet habe, als ich noch längst nichts Genaueres über Sex wußte und mich auch nicht dafür interessierte. Als ich dann Wörter wie „ficken“ und „Fotze“ kennenlernte, waren sie mir ausgesprochen unangenehm und sind es eigentlich bis heute geblieben; ich verwende sie praktisch nie. Dabei weiß ich natürlich, daß in der Sprache der Liebenden (vgl. Leisi: Paar und Sprache) das Grobe zum Zärtlichen umfunktioniert werden kann, ebenso wie die körperliche Distanz samt Ekelschranke eingerissen wird.
Wie sollte man sich unter Geschwistern sexuell beleidigen? Die Geschlechtsehre hat hier keinen rechten Ansatzpunkt. Man könnte sagen, sie gehört zu einem spezielleren sozialen Funktionskreis als die Reinlichkeitserziehung. Insofern besteht eine Asymmetrie zwischen den beiden Bereichen, aus denen die Beleidigungen usw. geschöpft werden.
In Amerika, zumindest in gewissen Milieus, scheint „son of a bitch“ so gebräuchlich zu sein, daß es nicht viel mehr als „Kerl“ bedeutet. Und „fucking“ ist kaum mehr als das Kennzeichen eines bestimmten (männlichen) Registers. Ob Gauger Wörter wie „Pimpf“ (kleiner Furz) berücksichtigt? Auf die Pimmel-Synonyme für Jungs wird er ja wohl eingehen.
Das Ganze erinnerte mich natürlich auch an die von Reinhold Aman (im Inhaltsverzeichnis von Gaugers Buch als „Arnan“ angeführt) herausgegebene Zeitschrift Maledicta, und als ich noch einmal bei Wiki unter Aman nachsah, stieß ich auf bemerkenswerte biographische Details, ferner auch auf den Begriff „Flaming“, den ich bisher nicht kannte. Bitte lesen Sie selbst nach! Es ist nicht nur kurios, sondern auch sprachlich von Interesse.
Gaugers Buch werde ich lesen, sobald ich das vorbestellte Exemplar ausleihen kann. Kaufen werde ich es nicht, da es in reformierter Rechtschreibung gedruckt ist.
(Der Titel des Buches scheint mehr auf einen gewissen Bestsellertrend zu schielen als das Buch selbst.)
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Kommentare zu »Feucht und schmutzig« |
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Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 06.11.2012 um 18.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#21860
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Bitte erlauben Sie mir eine kleine, nebensächliche Korrektur. Es heißt im Bairischen nicht "Fotzenhobel", sondern "Fotzhobel", denn das Bestimmungswort ist "der (!) Fotz" (gesprochen fôds), in der Bedeutung von Lippe oder auch Mund. Die weibliche Form "Fotze(n)" gibt es auch – allerdings mit anderer Bedeutung: Ohrfeige, Watsche.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2012 um 05.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#21902
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Reinhold Aman heißt tatsächlich ein ganzes Kapitel hindurch Arnan, und in den Anmerkungen wird er sogar zu Reinhard Arnan. Wie so etwas wohl passiert?
Gauger zitiert einen Eintrag aus Ernst Jüngers Kriegstagebuch vom 19.8.1918 und setzt ihn in reformierte Rechtschreibung um (S. 272), im Gegensatz zu Kiesels Buchausgabe.
Im übrigen enthält das Buch zwar viel Wissenswertes, erstickt es aber unter Einschüben, Nebenbemerkungen und sachfremden Einfällen über (buchstäblich) Gott und die Welt, von denen Gauger auch nicht den geringsten unterdrücken kann. Es ist ein Plauderton, der mündlich gewiß unterhaltsam wäre, aber im Druck ungünstig wirkt. Das wird kaum jemand zu Ende lesen. Schade um's Thema!
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 13.11.2012 um 10.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#21904
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Bei engem Zeichenabstand sieht m in vielen Schriftarten fast genau gleich aus wie rn (so auch in der hier verwendeten Schrift). Ich erinnere an meinen Hinweis, daß dies der Grund für einen zwar minderen, aber doch vorhandenen Nachteil der gelegentlich vorkommenden Zusammenschreibung garnicht im Vergleich zu der vorherrschenden Getrenntschreibung gar nicht ist.
Die Verwechslung von m mit rn ist sicher einer der häufigsten Leseunfälle auf Buchstabenebene. Normalerweise korrigiert sich der Leser, der im Fortgang des Textes irgendwann stutzig wird. Bei einem Namen, der so oder so lauten könnte, kommt es schon mal vor, daß man die zufällig falsch gewählte Interpretation über eine längere Strecke aufrechterhält oder daß man beispielsweise beim Korrekturlesen nichts bemerkt. Das Endergebnis beweist im nachhinein noch einmal, daß m und rn eben kaum auseinanderzuhalten sind.
Auch ein Scanner könnte hier mitgewirkt haben, dem es auch nicht anders geht als dem menschlichen Auge.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2012 um 11.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#21905
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Beim Scannen ist dieser Fehler in der Tat einer der häufigsten. Sonst kommt er vor, wenn man mit einem Eigennamen nicht vertraut ist, sich irgendwann einmal etwas notiert hat und dann nur noch bei sich selber abschreibt, und das dürfte hier der Fall sein. Anders gesagt: Wenn jemand die Schriften von Aman wirklich zur Hand hat und länger darin liest, kann er sich kaum über den Namen täuschen.
Außerdem stehen die maledictösen Schriften von Reinhold Aman nicht in jeder Bibliothek herum, man begnügt sich da schon mal mit dem Internet, und da ist die Gefahr des Verlesens natürlich noch viel größer. (Vielleicht hat der wilde Mann inzwischen zu einer flammenden Verfluchung des armen Kollegen Gauger ausgeholt ...)
(Man erinnert sich an jenen Philosophiestudenten, den es tatsächlich gegeben haben soll, der im Examen lange über den deutschen Philosophen "Kaut" schwadronierte ...)
Dagegen kann man viel von Russell gelesen haben und den Namen trotzdem falsch schreiben. Das ist also wieder ein anderer Fehlertyp.
Und natürlich werden wir alle älter und die Augen nicht besser.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.01.2013 um 01.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#22282
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Das Buch richtet sich ja nicht nur an Sprachwissenschaftler, daher traue ich mich mal, meine Meinung beizutragen. Den Anfang fand ich ausgesprochen spannend. Wie das „anständige“ Verb küssen - baiser im Französischen plötzlich, je nach Gebrauchsart, zu einer vulgären Bezeichnung für den Geschlechtsakt wird (bloß gut, daß ich noch nie auf französisch etwas übers Küssen zu sagen versucht habe) und wie daraus dann wiederum umgangssprachliche Bedeutungen wie betrügen oder (jmdn. beim Zuschnellfahren) erwischen u. a. entstehen, hat mich verblüfft. Ich fand das ebenso amüsant, interessant und lehrreich wie auch die anfänglichen, mit vielen Beispielen belegten Ausführungen über Flüche und Schimpfwörter. Aber wenn man das Prinzip - hauptsächlich Exkrementelles im Deutschen und Sexuelles in allen anderen behandelten Sprachen - einmal verstanden hat, dann wird das Ganze doch irgendwann etwas langatmig. Spätestens wenn nach allen bekannteren indogermanischen Sprachen, besonders detailliert die romanischen, auch noch die gängigsten Derbheiten auf katalanisch, portugiesisch, kroatisch, ungarisch, türkisch u. a. durchdekliniert werden, bringt das nichts Neues mehr und man ist immer wieder versucht, schneller weiterzublättern.
Manche Behauptungen finde ich aber etwas gewagt, da habe ich den Eindruck, das ist zwar Gaugers Wunschinterpretation, aber ob das auch alles stimmt? Zum Beispiel leitet er den alten Sack (alten Mann) auch vom Geschlechtsteil ab. Aber daß ein ganz normaler alter oder leerer Getreidesack sich auch in schlaffe Falten legt, hat schon Wilhelm Busch anschaulich beschrieben (Der Sack und die Mäuse, Der volle Sack).
Ob nun wirklich alle Personenbezeichnungen nach länglichen Gegenständen oder nach Hohlräumen und Löchern auf männliche und weibliche Geschlechtsorgane zurückzuführen sind, Gauger kann sich da regelrecht hineinsteigern - bei einigen (Bengel, Stift, Spund) scheint es mir plausibel, bei anderen (Strick, Schachtel, Zimmer) dagegen etwas weit hergeholt. Gauger gibt selbst zu, daß etymologische Wörterbücher, ausdrücklich erwähnt er den Kluge, oft im vagen bleiben. Ich finde in den einschlägigen Artikeln jedenfalls viele Konjunktive.
Zu Shakespeares 20. Sonett, Vers „But since she prick’d thee out for women’s pleasure“, mit she ist Nature, also (Mutter) Natur gemeint, darin angesprochen (thee) ist ein schöner, junger Mann mit weiblichen Zügen, der aber dennoch von ihr mit allem, was Frauen Freude macht, wohl ausgestattet ist, schreibt Gauger:
„Das Zeitwort ist to prick out, und dieses meint etwas wie «ausstechen» oder «markieren» und «zwar mit kleinen Löchern», «piercing» umschreibt das «Concise Oxford Dictionary» (2002), und dies «knappe» Wörterbuch von rund 1.700 Seiten kennt auch das vulgäre Hauptwort the prick («vulgar slang a man’s penis», …). … «pricking», «Lochung» oder, was für die Shakespeare-Stelle besonders gut passt, «a small hole or mark made by pricking», «ein Loch oder eine Markierung». … Die Bedeutung <Glied> für prick ist schon für Mitte des 16. Jahrhunderts belegt.“
Das letztere mag sein, trotzdem ergibt hier die Übersetzung von to prick out mit ausstechen, mit kleinen Löchern markieren keinen Sinn. Weshalb sollte es (im allgemeinen) dem Vergnügen einer Frau dienen, wenn einem Mann kleine Löcher verpaßt werden?
Muret-Sanders (1909) übersetzt to prick out in bezug auf Shakespeare mit auswählen.
Na gut, möglich ist die vulgäre, pointierte sexuelle Deutung schon, aber dann kann man to prick out nur als mit einem Glied ausstatten verstehen.
Leider gibt es immer wieder Stellen im Buch wie „Recht haben“, „im Übrigen“, „mitei- nander“, die einem den Autor verdächtig machen, einige Kommafehler und verhältnismäßig viele Druckfehler, zu denen wohl auch die „rauhen Hirten“ gehören.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2013 um 07.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#22283
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Zum Stichwort Sack: Hier in Franken ziert der Bocksbeutel jeden Mittagstisch. Wie ich feststellen konnte, ist den wenigsten bewußt, daß die Flasche nach dem Hodensack des Ziegenbocks benannt ist. Wikipedia erwägt noch eine andere Herkunft ("Bücherbeutel"), aber das scheint mir eine nachträgliche Umdeutung zu sein. Die Ähnlichkeit mit dem Ziegenbocksorgan liegt ja auf der Hand.
So ist bei vielen sexuell motivierten Wörtern die ursprüngliche Motivation verblaßt, und man müßte die rein historisch-etymologische Herleitung von der noch gespürten trennen, bevor man auf die Mentalität der heutigen Sprachgemeinschaft schließt.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.01.2013 um 15.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#22288
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Die Herkunft des Bocksbeutels leuchtet schon aufgrund der Zusammensetzung unmittelbar ein. Was sollte der Beutel eines Bocks sonst sein? Zwar kann auch so etwas in die Irre führen, aber die Worthistorie ist sicher an alten Texten hinreichend geprüft worden.
Der Sack fürs Mehl heißt sicherlich nicht nach dem Geschlecht, sondern umgekehrt, der Begriff für den Gegenstand war eher da. Wie will man also jemals mit einiger Wahrscheinlichkeit wissen, von welchem von beiden der alte Sack (alte Mann) abgeleitet ist?
Knabe wird im Grimmschen Wörterbuch zu Kind, Knecht gestellt. Gauger jedoch findet, es habe Ähnlichkeit mit Knebel, also auch da sexueller Ursprung. Es könnte wohl so sein, aber mir scheint, aus vielen solchen unbewiesenen "Karten" baut er ein ganzes Haus auf, ein paar feste Steine sind zwar dabei, aber ich möchte in so ein Haus lieber nicht einziehen. Solche Zusammenhänge müßten m. E. glaubhafter begründet werden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.03.2013 um 10.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#22827
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Die Psychoanalytikerin Martha Wolfenstein hat vor langer Zeit ein oft zitiertes Werk über kindlichen Humor geschrieben. Es ist im Stil zahlloser Arbeiten der Zeitschrift "Imago" abgefaßt, die ich als junger Mensch mal durchgearbeitet habe.
Also wenn ein Kind Ihnen das Rätsel vorlegt: "Was hat vier Beine und kann nicht laufen?", dann werden Sie wahrscheinlich antworten: "Ein Tisch". Aber in Wirklichkeit kommt darin eine verdrängte Phantasie des Kindes zum Ausdruck: Er denkt an ein kopulierendes Paar, wahrscheinlich seine Eltern.
Man kann sich daran gewöhnen, so zu denken. Dann schwankt der Boden unter den Füßen der alltäglichen Prosa, und das soll er auch.
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Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 21.03.2013 um 14.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#22837
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Manche werden sich an Hoimar von Ditfurth erinnern können. Seine Sendung über Wissenschaft, "Querschnitt", wird leider nicht mehr wiederholt, auch nicht nachts. Zum Glück gibt es einiges auf youtube. Er hat sie geduldig alle widerlegt, die Sterndeuter, die Wahrsager, die Wunderheiler, die Dänikens.
Im Hauptberuf war er Psychiater, die Freud'sche Psychoanalyse war also Teil seines Fachgebiets. So hat er sich auch Freud vorgeknöpft. "Goethe auf der Couch" heißt der Aufsatz; er bezieht sich darin auf das Werk des Psychoanalytikers Karl R. Eissler "Goethe, eine psychoanalytische Studie, 1775-1786".
Das Thema lag ihm am Herzen, und so hat er sich, wie mir scheint, ganz besondere Mühe gegeben. Das Resultat ist ein Lesegenuß.
Wer sich den gönnen möchte, kann den Aufsatz als pdf-Datei bei mir (hainbuchenstab@aol.com) anfordern. Natürlich kostenlos, dem Verlag wird es egal sein. Soviel ich weiß, werden seine Bücher nicht mehr aufgelegt.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2014 um 16.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#26429
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Die Psychoanalyse hat, wie ich selbst in sehr jungen Jahren erfahren habe, manchen Deutungsfanatiker dazu verführt, viel mehr von sich selbst preiszugeben, als man sich sonst zu erlauben pflegt. Ich erinnere an Adornos berüchtigten Jazz-Aufsatz und angrenzende Schriften, die wirklich zum Fremdschämen sind.
Der bedeutende Komponist Mátyás Seiber hat ihm einiges auszureden versucht (nachzulesen im Briefwechsel, den Nick Chadwick ausgewertet hat).. Im Skript heißt es z. B.
Das Jazzorchester, imago einer Maschine, hat doppelte Funktion; es ist die drohende Kastrationsmaschine und wieder die Coitiermaschine, die immer kann und mit der man sich zu identifizieren braucht, um immer zu können. usw. (Über Synkopen und Coitus interruptus; auch über das geile Saxophon und aufgeklappte Flügeldeckel gibt es Passendes.)
Das ist so die Art gewesen, wie man sie auch in der Zeitschrift "Imago" wieder und wieder antrifft. Der hohe Ton, den der Alleswisser gewöhnlich anschlägt, klingt dann plötzlich sehr hohl.
Nachbemerkung: Adorno rechnete auch den guten Elvis zum "Jazz" (von dem Elvis ausdrücklich sagte, er verstehe ihn nicht). Über Elvis wiederum gibt es ein Buch des Psychoanalytikers Whitmer, der auf 500 Seiten alles und jedes (nur die Musik nicht) damit erklärt, daß Elvis ein "twinless twin" war. Das ist nicht einmal zum Fremdschämen, sondern nur zum Wegwerfen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2014 um 18.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#26986
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Der arme Harry Potter konnte sich dem psychoanalytischen Deutewahn natürlich auch nicht entziehen, er reizt geradezu. Am meisten zitiert wird dies:
http://human-nature.com/free-associations/harrypotter.html
Es gibt aber noch viel mehr in dieser Richtung. Wäre die Erzählung ein wenig anders verlaufen, brächte das die Psychoanalytikerin kein bißchen in Verlegenheit, der Freudsche Mechanismus paßt ja immer. (Ihr standen erst vier Bände zur Verfügung, die anderen drei wird sie wohl auch passend eingearbeitet haben.) In Amerika, wo jeder, der es bezahlen kann, einmal in der Woche "seinen Analytiker" trifft, um den Ödipuskomplex zu bearbeiten, muß so etwas besonders überzeugend klingen. Man muß schon froh sein, wenn die Leute nur literarische Fiktionen durch die Mühle treiben, nicht auch lebende Verfasser mit Ferndiagnosen überziehen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.11.2014 um 07.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#27278
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Ich muß doch noch einmal den berühmten Herrn Adorno zitieren, weil er in den aktuellen Geburtstagsartikeln für den Erfinder des Saxophons nicht erwähnt wird:
Das sozial nicht konformierende Moment des Jazz mag in seiner Zwischengeschlechtlichkeit gelegen sein. Der Verstümmelungs- und Integrationsmechanismus läßt mit der genitalen Sexualität die primären Geschlechtsunterschiede zurücktreten. Während der Klang der Jazzinstrumente dem menschlichen Stimmklang sich annähert, und während zugleich das Flüstern der Jazzsänger dem Timbre der Dämpfertrompete ähnlich wird, verliert er den spezifischen Geschlechtscharakter. Unmöglich, eine Dämpfertrompete als männlich-heroisch zu agnostizieren; unmöglich, den anthropoiden Ton des Saxophons als Stimme einer edlen Jungfrau zu bezeichnen, wie noch Berlioz mit dem immerhin verwandten der Klarinette verfuhr. Schon der reaktionäre Ästhetiker Waltershausen hat in einer Polemik vom bisexuellen Charakter des Saxophons gesprochen. – Die Verstümmelung des genital zentrierten Subjekts, als deren ritualer Vollzug Jazz einsteht, gibt im Augenblick der Regression die Partialtriebe frei. Sie werden freilich durch die falsche Integration sogleich verdrängt und damit erst – in ihrer sozialen Konfiguration verderblich; die Homosexualität zum verschworenen Kollektiv, Sadismus zum Terror. Aber sie melden sich doch gegen die patriarchale Genitalität an; für einen Augenblick sind sie aufrührerisch.
Adorno scheint dem "reaktionären" Waltershausen durchaus beizupflichten, der den Klang des Saxophons ja auch mit dem "Gesang eines kastrierten Negers" verglich. Aber wie singt ein kastrierter Neger, und wer hat ihn überhaupt kastriert?
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 18.11.2014 um 22.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#27384
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Hans-Martin Gauger hat ein Taschenbuch mit dem Untertitel "Neue Sprachwitze" bei C.H. Beck veröffentlicht: "Na also, sprach Zarathustra". Der Titel ist ja ganz neckisch, drum bin ich leider drauf reingefallen. Von wegen "neu", es heißt nur so, weil es schon seine zweite Witzsammlung ist. Ansonsten sind die angeblichen Witze sowas von abgestanden, platt und fade, daß man meist nur weinen möchte. Aber ein guter ist immerhin dabei, das heißt, eigentlich ist er nur Teil eines Witzes (Seite 29):
Ja, Exzellenz, Sie haben ganz Recht.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.12.2014 um 05.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#27482
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Google doodelt sich heute an Anna Freud heran. Der Wikipedia-Eintrag wirkt so, als sei er immer noch von Anna Freuds bekannter, aber nicht erwähnter Zensurierung der Freud-Biographik geprägt. Vor wenigen Tagen stellte die FAZ einen Aufsatz aus "Psyche" vor, in dem Thomas Pollak den kirchenähnlichen Charakter der psychoanalytischen Bewegung gezeigt hatte, was allerdings nur insofern neu war, als er aus dem Kreis selbst kam; andere haben das schon vor 100 Jahren gesehen. Die Tochter wachte als Zerberus über dem Erbe, konnte aber doch manche Enthüllungen nicht verhindern.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2015 um 17.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#29441
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„Daß sich die Indogermanen im täglichen Leben nur selten gewaschen haben, dürfte heute kaum bezweifelt werden.“ (Franz Specht in Fs. Havers. Wien 1949:43)
Nur zu hohen Kirchenfesten, wie man bei uns zu sagen pflegt, haben sie sich rituell gewaschen und dazu "u" gesagt (das sakrale u der Indogermanisten).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.09.2015 um 05.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#29941
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Kraftausdrücke, Vulgäres, gar Gaunersprache wird zuerst scherzhaft, dann ganz normal in die Standardsprache übernommen, heute schneller als je.
Neulich im ICE: Eine stark geschminkte, gefärbte und mit Schmuck behängte Dame, die achtzig Jahre älter sein dürfte, als sie zu scheinen versucht, telefoniert unentwegt mit ihren Verwandten und Bekannten, natürlich in der Ruhezone, wo der Handygebrauch deutlich sichtbar untersagt ist. Die Umsitzenden nehmen es schweigend hin. Immer wieder fällt ihr noch jemand ein, den sie anrufen könnte. Unter all dem unüberhörbaren Gerede fällt der Satz: "Wer freiwillig mit der Bahn fährt, muß einen an der Waffel haben." Das ist nicht nett gegenüber uns anderen, aber vor allem kommt es mir vulgärer vor als der ganze Rest.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.09.2015 um 06.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#29951
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Der Phalluskult, wohl aus vorarischer Zeit stammend, versetzt heutige Hindus in eine gewisse Verlegenheit, wie überhaupt die Nacktheit in der älteren Kunst, samt queeren Szenen (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1539). Sie deuten ihre allgegenwärtigen Shiva-Lingams gern metaphysisch um, aber das ist natürlich alles Unsinn. Auf dem Lande werden Steine, die zwischen den Feldern aufragen und leidlich phallisch aussehen, noch heute mit Blumen geschmückt, angemalt und mit kleinen Opfergaben verehrt, eben Fruchtbarkeitssymbole wie anderswo auch.
„Lingum ist unter ihnen eine Figur, die das membrum virile und faemininum praesentiret, so sie (welches schändlich) als etwas göttliches verehren.“ (Bartholomäus Ziegenbalg 1715 über die Inder)
Das Lingam (ich habe mir aus Benares ein ansehnliches Exemplar mitgenommen) steckt üblicherweise in der Yoni, und man müßte blind sein, dieses drastische Bild nicht zu verstehen.
Shiva und seine Gattin sind eins, männliches und weibliches Genital immerwährend vereint; die Darstellung ist insofern paradox, als das männliche aus dem weiblichen Teil herausragt. Aber wie soll man es sonst machen? Die Paradoxie geht noch weiter.
Im monsundüsteren Benares stieß ich in einer Gasse auf eine Art Hauseingang, der eine finstere, glitschige Treppe hinunterführte, wo ich in eine Höhle gelangte. Sie war durch ein paar Öllämpchen spärlich beleuchtet, in der Mitte ein großes Shivalingam in der Yoni, und oben drüber hing der große Messingkessel, aus dem ein dünner Strahl Gangeswasser auf das Lingam lief – offensichtlich eine paradoxe Darstellung der immerwährenden Ejakulation, mit der die Gottheit ihre befruchtende Tätigkeit ausübt. Ein Priester machte sich zu schaffen, murmelte dazu. Im übrigen war ich ganz allein und machte mich bald wieder an die Oberfläche, denn gerade bei diesen Kulten weiß man ja nie, ob man nicht der Kali geopfert wird, wie es Touristen in Benares widerfahren sein soll (aber das ist sicher nur ein Marketing-Mythos, es werden allenfalls Ziegen geopfert).
Eine solche umgekehrte Darstellung ist aus der Traumdeutung bekannt. Die vulgäre Sprache kennt das „Blasen“ als Bezeichnung der Fellatio (man denke auch an Loriots Heinzelmann).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2016 um 10.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#32564
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Noch einmal zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#26429
"Ich kann natürlich verstehen, dass sich kein neuer Komponist vorwerfen lassen will, wie ein alter zu klingen. Aber was das Publikum anzieht, ist der Wunsch nach Unterhaltung und nicht der Wunsch, mit dem neuesten Stand der Musikwissenschaft konfrontiert zu werden."
So etwas kann man eigentlich nicht sagen, ohne sich als Banause zu outen, nach dem Maßstab der Adornoschen Heilslehre. Aber da es Jonas Kaufmann gesagt hat, der nachweislich keiner ist, wollte ich es mal anführen.
Die wirklichen Profis machen ja meistens keinen großen Unterschied zwischen E und U.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.08.2016 um 13.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#33121
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Autofahrer, die einander beschimpfen, riskieren eine Geldbuße zwischen 600 und 4000 Euro, wenn sie einander den Stinkefinger zeigen. Der Staat will also, dass die Grenze zur Obszönität nicht überschritten wird. (RP 17.8.16)
Soviel ich weiß, bestraft der Staat Beleidigung (auf Antrag), aber nicht Obszönität.
Übrigens ist es ein guter Test, von welchem Politiker man sich den Stinkefinger vorstellen kann und von welchem nicht.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.08.2016 um 05.25 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#33129
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Natürlich "darf" ein Politiker den Mittelfinger in die Gegend halten (solange er keine bestimmte Person beleidigt; dann wäre es strafbar), wie jetzt überall diskutiert wird. Er darf auch Mitbürger Pack und Arschlöcher nennen und eine Studie zur Rentenfinanzierung als bekloppt bezeichnen – all das sind Formen der Selbstdarstellung, die der Wähler zu beurteilen hat.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2016 um 07.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#34081
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Ich habe Henry Millers "Opus Pistorum" nicht gelesen, aber abgesehen vom Wortspiel (pistor = miller) assoziiere ich einiges, was vielleicht gegenstandslos ist.
Pistor heißt zwar "Müller" und dann "Bäcker", wie es denn in Bayern gleich zwei bekannte Bäckereiketten gibt, die Beck bzw. mit Lautverschiebung Pfister heißen. Aber ursprünglich heißt es natürlich Stampfer, und das Getreidestampfen scheint naheliegenderweise sexuell gedeutet worden zu sein. So hat man auch eine sexuelle Bedeutung des bekannten altgriechischen Arbeitsliedes erwogen: Mahle, Mühle, mahle, denn auch Pittakos mahlt und ist König im großen Mytilene. Das sangen die Frauen beim Mahlen mit der Handmühle (oder mit dem Mörser?). Arbeitslieder und Handwerkszeug werden oft sexuell konnotiert. Wenn sonst nichts dagegen spricht, würde ich also Opus Pistorum in diesem ehrwürdigen Sinn verstehen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2017 um 08.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#34366
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Bei den Dreharbeiten musste jede Szene, in der das Wort „fuck“ auftaucht, für den US-amerikanischen Markt ein zweites Mal gedreht werden. Dabei musste im Drehbuchtext das F-Wort durch die harmloseren Wörter „blimey“ oder „crumbs“ (deutsch etwa „Mist“ oder „Herrje“) ersetzt werden. Eine Synchronisation des Tons hätte nicht ausgereicht, da man an den Lippen des Schauspielers Hugh Grant noch immer deutlich das F-Wort hätte ablesen können. Der Drehbuchautor Richard Curtis und der Regisseur Mike Newell schrieben später in ihrem Drehtagebuch, sie hätten aufgrund der Verpflichtung, diese Regel einzuhalten, noch nie so viel geflucht und das F-Wort verwendet wie während der Dreharbeiten zu diesem Film. Weil so viele Szenen ein zweites Mal gedreht werden mussten, nur um die seven dirty words zu umgehen, erhöhte sich der Film-Etat um etwa 20 %. Die Dreharbeiten selber dauerten fast sechs Monate, da auch drehtechnisch kompliziert und aufwändig aufgebaute Szenen, in denen das F-Wort vorkam, ein zweites Mal produziert werden mussten. (https://de.wikipedia.org/wiki/Vier_Hochzeiten_und_ein_Todesfall)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.04.2017 um 17.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#34960
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Durch die Presse gehen Meldungen, wonach das Nasebohren und anschließende Verzehren der Popel gesund ist und nicht länger verpönt sein sollte. Das haben Harvard-Forscher festgestellt (Originalarbeit hier: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4272720/)
Antibakterielle und antimykotische Bestandteile in solchen Sekreten sind ja keine Überraschung.
Allerdings sind weitere Forschungen nötig. Der mikrobiologischen Untersuchungen sollte meiner Ansicht nach eine epidemiologische folgen. Selbst dann ist aber fraglich, ob etwa nach einer Mahlzeit in einem Restaurant ein gemeinsames Popeln sich durchsetzen wird. Es gibt noch andere Gesichtspunkte als die Kariesprophylaxe.
Immerhin ist der Wikipedia-Eintrag "Nasenschleim" auch sprachlich interessant. Die Onomasiologie des Popels ist natürlich noch viel weitläufiger. Übrigens unterschieden wir als Kinder den Rotz (aus dem Rachen) vom Schnotz (aus der Nase), sicherlich onomatopoetisch. Die allgemein übliche Rotznase war für uns also eine Schnotznase.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 27.04.2017 um 17.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#34961
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Schnotz = dän./engl. snot
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 27.04.2017 um 17.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#34962
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Rotz (snot) ist doch was ganz anderes als ein Popel. Naja, daß welche letzteren am kleinen Fingernagel studieren, wird wohl schwer ausrottbar sein. Den wegen eines Nutzeffekts dann aber einzunehmen, das geht wohl doch etwas zu weit. - Gut finde ich jedoch immer den Abschluß zu solchen Forschungsberichten: "Allerdings sind weitere Forschungen nötig."
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.04.2017 um 19.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#34963
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Abgesehen von den sprachlichen Einzelheiten kann man hier wieder mal das Schema der Meldungen aus der Wissenschaft studieren. Die Forscher stellen also zum Beispiel fest, daß im Bier oder im Spinat oder eben in Nasenpopeln gewisse Verbindungen enthalten sind, die auf Organismen (meistens Mäuse oder auch nur Zellkulturen) eine bestimmte Wirkung haben. Das geben sie dann an die Medien (oder an die Universitätspressestelle), und nicht selten peppen sie das Ganze schon ein bißchen mit Spekulationen über mögliche Gefahren oder über wirtschaftliche Anwendungen auf, damit es Interesse weckt und auch wegen künftiger Forschungsgelder.
Das sind mehrere Stufen bis zur Schlagzeile im Sensationston.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.07.2017 um 16.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#35621
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Unzählige Male habe ich gelesen, der Schriftsteller Hans Henny Jahnn sei außerdem Orgelbauer und "Hormonforscher" gewesen, aber während das mit dem Orgelbau stimmt (das hatte er gelernt), wird nie mitgeteilt, was er denn an Hormonen erforscht hat. Durch Rühmkorf und andere (auch durchs Werk selbst) wissen wir, daß er einen Urinfetischismus hatte (Pisse von Stuten und anscheinend auch von Schuljungs), aber Forschung kann man das nicht nennen. Sollte mal bereinigt werden.
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Kommentar von SP, verfaßt am 09.08.2017 um 05.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#35935
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Es ist so viel die Rede vom Vergessen. Das aus dem furchtbaren deutschen Schoß Geborene soll nicht vergessen werden usw...
Doch es soll auch nicht vergessen werden, daß es mal einen deutschen Fluß mit dem unanständigen Namen Pissa gegeben hat.
Und eine Obrigkeit, die den Antrag der Zivilgesellschaft auf Umbenennung genehmigt hat mit dem Vorschlag Urinoco.
Merkel ist wie Ulbricht. Sie hat keinen Humor. Bayreuth sitzt sie mühelos aus.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2017 um 06.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#36485
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Die Medien werben für den neuen "Tatort" ("Hardcore") damit, daß er so "versaut" sei wie noch nie.
Prostituierte werden auch mit dem Prädikat "versaut" angepriesen, das ist anscheinend ein Qualitätsmerkmal.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2017 um 04.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#36750
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Nicht nur in den Zeitungen nervt die Psychoanalysiererei. "Ist Trump verrückt?" Die FAZ schreibt mit Recht:
Ferndiagnosen sind schnell getroffen, und sie sind umstritten. Die „Goldwater-Regel“ besagt nicht umsonst, dass die Mitglieder der „American Psychiatry Association“ Personen des öffentlichen Lebens nicht ohne eingehende persönliche Untersuchung diagnostizieren sollen. Diese ethische Selbstbeschränkung hat ihren Grund, da die Bezeichnung als psychisch krank aus dem Mund einer medizinischen Autorität schnell zur politischen Waffe werden kann. So weisen Kritiker von Lees und Hermans Buch darauf hin, dass die darin schreibenden Mediziner meist den Demokraten nahe stünden. (FAZ 23.10.17)
Freud war theoretisch gegen Ferndiagnosen, hat aber einen großen Teil seiner Schriftstellerei mit ebensolchen gefüllt, teils über historische Gestalten, teils sogar über literarische. Das nimmt außerhalb der Gemeinde (und des Feuilletons) heute niemand mehr ernst.
Trump ist offensichtlich nicht "verrückt", sondern einfach ungeeignet. Frage: An welcher Art von "Persönlichkeitsstörung" leidet Trump? Richtig!
Na, und auch unser alter Bekannter wird wieder befragt:
Die körperbetonten Begrüßungen seien "Signale der Unsicherheit", erklärte Körpersprache-Experte Stefan Verra dem stern, "die er mit Körperkontakt zu kompensieren versucht." Darüber hinaus wolle er Dominanz ausstrahlen, obwohl er selbst "über wenig natürliche Dominanz" verfüge. "Trump ist körpersprachlich nicht besonders talentiert." (stern.de 23.10.17)
Hier fehlt wenigstens der wissenschaftliche Anspruch.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.10.2017 um 09.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#36783
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„So unendlich scheiß viele Aufgaben zu lösen“ – Quelle: https://www.ksta.de/28728092 ©2017
Robert Habeck über die Bundespolitik. Man findet auch Zusammenschreibung im gleichen Zitat. Die Wortart ist schwer zu bestimmen, es scheint sich um einen Anglizismus zu handeln ("fucking"), mit der schon besprochenen nationaltypischen Verschiebung vom Sexuellen ins Fäkale. Ob es im Deutschen auch so weit kommt, daß manche Leute das Wort an jeder beliebigen Stelle, gern auch mehrmals im Satz einfügen?
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Kommentar von ppc, verfaßt am 27.10.2017 um 14.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#36786
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Jahrelang habe ich mich daran gestört, daß Menschen etwa „ich fühle mich sch**ße” sagten statt, wie ich es tue, „besch*ssen”. Ich habe es irgendwann aufgegeben zu korrigieren und habe es mir dadurch erklärt, daß ersteres viel ekliger und brutaler klingt als letzteres.
Übrigens konnte mir nie jemand erklären, was „sch**ße” für eine Wortart ist und ob man es groß oder klein schreiben müßte. Aber wenn man es nicht schreibt, dann ist es auch egal.
Ähnliches Konstrukt: „Riesenüberraschung”. Mindestens elf Zehntel der Bevölkerung schreibt „riesen Überraschung”, während ich nur „riesige Überraschung” zulassen hätte.
Wenn man nicht weiß, was Substantive oder Adjektive oder Adverbien sind, lebt es sich wesentlich unbeschwerter. Dann ist auch Platz im Hirn für den dritten Vornamen des vorherigen Torwarts vom VfL Entenhausen. Und für solche Menschen ist die „Reformschreibung” mit ihrer blödsinnigen Großschreibung auch kein Stein des Anstoßes.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2017 um 17.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#37090
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Psychologin muss Justizopfer Schmerzensgeld zahlen
Zwei Jahre lang saß Norbert Kuß unschuldig im Gefängnis – weil er angeblich seine Pflegetochter missbraucht haben sollte.
In den USA gibt es Hunderttausende solcher Fälle – wegen einer verrückten psychoanalytischen Theorie. S. Frederick Crews sowie Mark Pendergrast: Victims of Memory: Incest Accusations and Shattered Lives (schon hier erwähnt: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1025#33677).
Elizabeth Loftus and Katherine Ketcham, The Myth of Repressed Memory: False Memories and Allegations of Sexual Abuse, New York: St Martin’s, 1994.
Richard Ofshe and Ethan Watters, Making Monsters: False Memories, Psychotherapy, and Hysteria, New York: Scribner’s, 1994.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.01.2018 um 06.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#37529
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Klamotte (meist im Plural) stammt aus der Gaunersprache, wird aber wie so manches andere inzwischen auch seriös gebraucht.
Das Abwertende gehört zum Understatement, mit dem man den Luxuskonsum bemäntelt (um im Bilde zu bleiben). Man kauft ja Mode statt Kleidung, daher das Sprießen der "Boutiquen". Frauen kaufen sich ab und zu ein "Fähnchen".
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.03.2018 um 07.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#38118
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Auf ihrer Plapperseite („Leben“) gibt die FAS wieder, was junge Leute über Sex plappern – hoch authentisch! Dazu der Bericht über eine soziologische Studie zum Geschlechtsleben von Studenten, pardon, Studierenden: Der meiste Sex, den Studierende haben, ist Beziehungssex. Wie kann man studieren und gleichzeitig Sex haben? Studentinnen gehen selbstverständlich damit um, daß Pornografiekonsum zur männlichen Sexualität gehört. Was bleibt ihnen anderes übrig?
Aus meiner Schulzeit hat sich der Begriff „Wichsvorlage“ erhalten (Duden: „derb“). Heute eher Internet als „pornografisches Heft“, das sollte man berücksichtigen. Vielleicht ein Ursprung der bildenden Kunst. Kürzlich wurde berichtet, daß Facebook es durch seine Filteralgorithmen unmöglich macht, die Venus von Willendorf hochzuladen (nur 11 cm, aber echt geil! s. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1464#28592)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.10.2018 um 05.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#39944
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Adorno blieb immer Anhänger und Verteidiger der Freudschen Orthodoxie, der „Psychoanalyse in ihrer strengen Gestalt“. Aus dieser Position heraus hat er schon früh Erich Fromm und später Karen Horney wegen ihres Revisionismus angegriffen.
(Wikipedia über Adorno)
Nur weil die Psychoanalyse eine Literatenpsychologie ist, konnte der Musiker und Schriftsteller Adorno deren orthodoxe Fassung verteidigen. Eine Literatenpsychologie hat typischerweise „Anhänger“. Adorno bleibt hier wie überall bei seinen einmal gefaßten Urteilen. (Darauf war er erklärtermaßen stolz.)
Die Scheinlogik psychoanalytischer Argumentation überzeugte sogar zeitweise gescheite Leute wie Adorno. (Niels Birbaumer FAZ 8.7.04)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2018 um 08.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#40059
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Nach Studien der Psychologie, Philosophie und Soziologie – seine Lehrer waren Alfred Weber, Karl Jaspers und Heinrich Rickert – und der Promotion über Das jüdische Gesetz (1922) unterzog er sich in München und Berlin einer Ausbildung als Psychoanalytiker. (Wikipedia über Erich Fromm)
"unterzog" ist zwar seltsam, trifft hier aber zu und wirft ein Licht auf die Psychoanalyse. Ausbildung als Initiation.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2018 um 08.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#40060
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Wenn Freud Besuch von einer reichen Wiener Dame hatte, wird daraus seine „klinische Erfahrung“. Man muß „klinisch“ hier unmittelbar auf die „Kline“, also das Bett bzw. die Couch beziehen, nicht auf die Klinik, mit der Freud seit Aufgabe des Arztberufs nichts mehr zu tun hatte. ("Ich bin nämlich gar kein Mann der Wissenschaft, kein Beobachter, kein Experimentator, kein Denker. Ich bin nichts als ein Conquistadorentemperament, ein Abenteurer." Freud an Fliess)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.03.2019 um 05.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#40954
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Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#36750
Hier ist die Fortsetzung:
Psychiater und Psychologen analysieren den US-Präsidenten (Spektrum Psychologie 2/2019)
Freud hatte es untersagt, trieb es aber trotzdem: Ferndiagnosen, sogar an historischen und fiktionalen Personen. Und dabei ist es geblieben, obwohl die Fachvertreter sich auf die später so genannte Goldwater-Regel geeinigt haben. Das tägliche Psychologisieren ist uns so vertraut, daß wir es gar nicht mehr als eine Mode unserer Zeit bemerken. Dazwischen immer wieder die "Experten", die sich in dieser Hinsicht kein bißchen auszeichnen.
Ich sehe keine Möglichkeit, diese Religion wieder loszuwerden, zumal sie sich ja als die wahre Aufklärung anbietet.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.03.2019 um 11.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#41148
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Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#36485
So versaut präsentierte sich Lena Meyer-Landrut nie zuvor
Früher sagte man Unterhaltungskünstlerinnen nach, sie träten „verrucht“ auf; das scheint allmählich durch „versaut“ ersetzt zu werden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2019 um 04.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#42210
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Aus meinem Buch "Falsch ist richtig" (2006; ähnlich schon im "Schildbürger"-Büchlein 1997):
Obwohl das neue Regelwerk keineswegs für die Hand des Schülers bestimmt ist und seinem Gesamtkonzept nach nicht nur die Schulorthographie regeln soll, fehlt außerdem alles Vulgäre, wie man es zum Beispiel im Schülerduden »Die richtige Wortwahl« überreichlich findet: bumsen, ficken, Furz, Kacke, kotzen, pinkeln, pissen, Puff, Scheiße und noch ein paar andere, die jeder kennt und nach deren Schreibweise sich, wie ein Dudenredakteur einmal mitteilte, viele Menschen erkundigen. Arsch wurde erst nach kritischer Mahnung durch einen Gutachter eingefügt. Dafür finden wir jedoch die unerhört kühnen Einträge Pup, Pups, Pupser ≠ Pub sowie Pups, Pupser, Pup ≠ Pub und natürlich Pub ≠ Pup. Die gezierte Bedeutungsangabe »Blähung« paßt ins Bild. Po/Popo und Popo/Po hat man auch gewagt. Das ist nicht gerade Geist vom Geiste Jacob Grimms, der im Deutschen Wörterbuch über »anstöszige wörter« sagt:
»Das wörterbuch, will es seines namens werth sein, ist nicht da um wörter zu verschweigen, sondern um sie vorzubringen.«
Auf Anfrage schrieb der verantwortliche Mitarbeiter des Instituts für deutsche Sprache, der Arbeitsausschuß der Kultusministerkonferenz habe sich »nach langem Hin und Her« gegen die Aufnahme anstößiger Wörter entschieden.
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Ich bin beim Wiederlesen nach langer Zeit darauf gestoßen und bin überhaupt heute noch entsetzter darüber, welche Geistesriesen uns die Rechtschreibreform eingebrockt haben.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.10.2019 um 10.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#42339
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der „Flügel“-Anführer, der nach einem Gerichtsurteil als „Faschist“ bezeichnet werden darf
(MM, 30.10.2019, Seite 2)
Kaum eine Zeitung oder ein Sender dieser Tage, wo dieser Zusatz bei der Erwähnung von Höcke ausgelassen wird. Aber deutsche Gerichte haben auch schon geurteilt, daß die Bezeichnung von Politikern als Drecksfotze, Stück Scheiße, Ziegenficker und vieles ähnliche sachbezogen bzw. nicht strafbar seien. Wer sollte sich da noch grämen, wenn alle möglichen Beleidigungen heute gerichtlich sanktioniert werden?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.10.2019 um 10.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#42340
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"Sanktioniert" bzw. "nicht sanktioniert"...
Ich hatte ja auch schon überlegt, ob man den Tatbestand der Beleidigung nicht ganz streichen sollte. Er hängt mit "Ehre" zusammen, aber wie man gesagt hat, ist die Ehre inzwischen (mitsamt der ständischen Gesellschaft) abgeschafft und durch "Würde" (= Menschenwürde) ersetzt. Der Menschenwürde kann "Faschist" oder "Stinkefotze" oder "Rechtschreibreformer" nichts anhaben.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.10.2019 um 10.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#42345
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Früher sagte man auch noch Leumund oder Ruf. Jeder Mensch hatte neben dem Recht auf Schutz seiner körperlichen Verfassung auch das Recht auf Schutz vor übler Nachrede! Das ist von Ehre oder Würde nicht zu trennen, aber vielleicht auch nicht ganz dasselbe?
Anscheinend geht mit dem Wort Leumund auch eine alte Tugend verloren. Meinungsfreiheit über alles!
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.10.2019 um 12.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#42346
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In Leumund steckt ja das indogermanische Wort, das im Griechischen als kle(w)os und im Altindischen als shravas erscheint. Es bedeutet den (guten) Ruf oder dann auch Ruhm, den höchsten Wert der Adelsgesellschaft und gewissermaßen die einzige Unsterblichkeit, die der Held erwerben kann. Natürlich ist es ein gesellschaftlicher Wert, sozusagen "fremdbestimmt", aber es wäre niemandem eingefallen, das als etwas Negatives aufzufassen. Der Wert eines Menschen besteht in der guten Meinung, die andere von ihm haben. Das ist seine Ehre.
Die allgemeine und unveräußerliche Menschenwürde ist ein modernes, individualistisches Konstrukt. Es ist etwas Künstliches daran, schwer durchzuhalten und plausibel zu machen. Ich merke es im Gespräch mit Freunden und Verwandten über besagten Punkt: Hat der Schwerverbrecher nicht die Menschenwürde verwirkt? Nein, sagen die heutige Ethik und das moderne Recht: Wäre Hitler nach dem Krieg in einem Versteck aufgegriffen worden, hätte man ihm den Prozeß gemacht, statt ihn von einem hochdekorierten Schäferhund verbellen zu lassen und dann umzulegen.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 31.10.2019 um 20.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#42347
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Nichts deutet darauf hin, daß der >>gestrenge Gelehrte<< (Washington Post) Baghdadi »umgelegt« worden wäre.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.11.2019 um 04.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#42349
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Ich habe ja auch nur gesagt, daß man Hitler nicht umgelegt hätte. Wie auch immer die Amerikaner Bagdadi erledigt haben – Trump ist doch stolz darauf.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.11.2019 um 09.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#42476
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Der brave Gustav Schalk hat ja auch "Germanische Heldensagen" nacherzählt, die man heute noch bei Billigverlagen kaufen kann (nichtreformiert!).
Von der starken Brunhild erfahren wir, daß sie sich Gunther nicht hingeben wollte, bevor Siegfried sie unerkannt "zum zweiten Mal bezwang und ihr, ohne daß sie es merkte, in dem Kampf Ring und Gürtel entwendete."
Der unschuldige Leser kann nicht erraten, von welcher Art dieser zweite Kampf war, und versteht darum auch nicht recht, warum Brunhild später so sauer war.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2020 um 18.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#43276
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"Tugendsame Eltern waren sittlich entrüstet, als 1722 ein Frankfurter Blatt mit Billigung der Polizei Eheschließungen und Geburten zu veröffentlichen begann." (O. Weise: Schrift- und Buchwesen in alter und neuer Zeit. Leipzig 1903:78)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2020 um 06.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#43556
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In seinem hübschen Buch „Mother Tongue“ schreibt Bill Bryson:
Some cultures don’t swear at all. The Japanese, Malayans, and most Polynesians and American Indians do not have native swear words.
Ist das wahr? Bryson fährt fort:
The Finns, lacking the sort of words you need to describe your feelings when you stub your toe getting up to answer a wrong number at 2:00 A.M., rather oddly adopted the word ravintolassa. It means “in the restaurant.”
Weil ich gerade bei Bryson bin:
Sometimes the changing connotations of a word can give a new and startling sense to literary passages, as in The Mayor of Casterbridge, where Thomas Hardy has one of his characters gaze upon “the unattractive exterior of Farfrae’s erection” or in Bleak House, where Dickens writes that “Sir Leicester leans back in his chair, and breathlessly ejaculates.”
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Kommentar von R. M., verfaßt am 05.05.2020 um 19.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#43558
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Trein vermist? Niet vloeken! Ermahnung einer christlichen Gruppierung im Amsterdamer Hauptbahnhof, ca. 1993
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2020 um 14.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#44536
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Heute wird es nicht mehr schamhaft verschwiegen, wenn eine bekannte Person in jüngeren Jahren der Prostitution nachgegangen ist, im Gegenteil: diese Arbeit wird als besonders verdienstvoll, nur eben leider oft unzureichend gewürdigt dargestellt. So jedenfalls die veröffentlichte Meinung. Was die Leute wirklich denken, mag anders aussehen.
Erinnerung aus einer anderen Zeit: Als ich 1979 nach München umzog, wußte ich wohl, daß meine Wohnung einer Prostituierten als Wohnung und Arbeitsplatz gedient hatte, habe auch gleich die Fototapeten und die flauschigen Teppichböden durch etwas Praktischeres ersetzt, aber die Telefonnummer wurde nur auf meinen Namen umgestellt und nicht aus den Notizbüchern der Kundschaft getilgt. Folglich bekam ich noch monatelang die aufschlußreichsten Anrufe.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2020 um 16.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#44770
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Der Gemeinderat hat beschlossen, die Ortschaft Fucking in den Ortschaftsnamen Fugging mit Wirkung vom 01.01.2021 umzubenennen.
Wie kann man so dumm sein! Statt etwas daraus zu machen (Gastwirtschaft, vielleicht kuscheliges Hotel), wo doch zur Zeit "Meidet Österreich!" die Parole ist, wollen die 100 Einwohner in der Namenlosigkeit verschwinden. Welches Potential der Ort nur wegen seines international geläufigen Namens hätte, sieht man am üppigen Wikipedia-Eintrag. Das war doch schon ein guter Weg.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.05.2021 um 08.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#46000
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Wenn man schon länger lebt, zeigen frühe Erinnerungen, wie der Geist der Zeiten sich gewandelt hat. Aus irgendeinem Grund fällt mir ein Lied ein, das mir in meiner Kindheit zu Ohren kam und so unanständig war, daß man es nicht einmal kennen durfte. Der Kehrreim war ungefähr: Banane, Zitrone, an der Ecke steht ein Mann..., und danach wurde es ganz schlimm. Wie ich sehe, ist das sogar wiederbelebt worden. Ich kann aber nicht erkennen, von wem und von wann es stammt; es scheint eine alte Kontrafaktur zu sein. (Hübsche Illustration: http://www.grafiklieschen.de/2012/05/21/banane-zitrone-an-der-ecke-steht-ein-mann/)
Damals konnte man so alt wie ne Kuh werden und noch nie eine nackte Frau gesehen haben. Heute braucht man nur zweimal zu klicken.
Dafür haben wir heute andere Unaussprechlichkeiten, N-Wörter, Z-Wörter, I-Wörter...
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2021 um 06.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#46139
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Im US-Film der 50er Jahre soll u. a. gegolten haben:
„Lovers weren’t allowed to be horizontal. One partner had to keep one foot on the floor at all times.“
Wer sich so etwas ausdenkt... Die Sittenwächter aller Kulturen ähneln einander.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2021 um 08.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#47882
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Phallografie oder Phallographie (Wikipedia)
Warum nicht auch Fallografie?
Übrigens ist der Eintrag ziemlich horrormäßig, besonders was die Praktiken in den USA betrifft, wo man lange an die Verbesserlichkeit der Menschen durch unmenschliche Methoden glaubte.
Die Aussagekraft ist aber beschränkt. So wird beispielsweise ein hoher Prozentsatz erwachsener Männer durch präpubertäre Stimuli sexuell erregt – Wolfgang Berner kam auf einen Anteil von 25 % –, ohne sie zu präferieren oder danach zu handeln. Ebenso sind Menschen, die Kinder präferieren, teils auch durch Erwachsene stimulierbar.
(„Präpubertäre Stimuli“ ist eine verkorkste Bezeichnung für Kinderbilder.) Tja, wir sind alle mehr oder weniger polymorph pervers (Freud), aber nur in der Phantasie.
Einen Eintrag „phallography“ scheint es nicht zu geben. Eigentlich geht es ja um eine Anwendung der Plethysmographie. Hat man schon die Gender-Ideologen plethysmographisch untersucht? Vielleicht würde das die Luft rauslassen (Detumeszenz...).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.02.2022 um 05.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#48619
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Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#22837
Ich bin gerade noch einmal auf Hoimar von Ditfurths Kritik an Eisslers "Goethe" gestoßen, an die Herr Hainbuch dankenswerterweise erinnert. Hier ist ein zentraler Abschnitt, auch allgemeiner zur Psychoanalyse:
Die beiden Bände strotzen von Behauptungen, von als selbstverständlich unterstellten, da einleuchtend anzuhörenden Interpretationen, für die der Autor auch nicht den Schatten eines Beweises vorbringt. Es genügt ihm, daß die biographischen Details sich dem psychoanalytischen Jargon fügen. Und den meisten Lesern genügt es offensichtlich auch. Sie verwechseln, wie der Analytiker, die Plausibilität einer psychologischen Deutung mit ihrer Beweiskraft. Das allein ist aber noch nicht die ganze Erklärung für den in einer sich für »aufgeklärt« haltenden Epoche ja einigermaßen verblüffenden Umstand, daß a) ein hochgebildeter Goethe-Experte in stilistischer Perfektion Blödsinn verzapft und daß b) seine Leser ihm diesen Unfug mit beeindrucktem Interesse bereitwillig abnehmen. In jedem, aber auch jedem anderen Bereich geistiger Tätigkeit würde jemand, der vergleichbare Konstruktionen vortrüge, verdientermaßen mit Hohn und Spott überschüttet. Warum gesteht unsere Gesellschaft dem Psychotherapeuten hier eine Ausnahmestellung zu? Es ist zunächst vielleicht angebracht, das wirklich haarsträubende Ausmaß der Toleranz, die nicht zuletzt gerade gebildete,»aufgeklärte« Zeitgenossen auch den hirnrissigsten psychologischen Spekulationen entgegenbringen, wenn diese nur im Gewande des psychoanalytischen Jargons daherkommen, mit einigen weiteren Beispielen in Erinnerung zu rufen. Im Laufe der fünfziger Jahre schwappte die psychoanalytische Welle, von den Vereinigten Staaten ausgehend, wo sie während der Nazizeit Fuß gefaßt hatte, in alle Länder der westlichen Welt über. Filmdrehbücher kolportierten aufregende Versionen von nach Freudschen Regeln ablaufenden Psychodramen. Die Diskussionen in der gutbürgerlichen Gesellschaft wurden mancherorts weitgehend von psychoanalytischer Terminologie beherrscht. (Diese eröffnete nicht zuletzt die einzigartige Gelegenheit, sexuelle Themen mit einer Ungeniertheit zu erörtern, die in jedem anderen Kontext damals noch völlig undenkbar war.) Aber auch die klinische Psychiatrie wurde aus mir nicht bekannten Gründen besonders heftig in der Schweiz von der Woge erfaßt. Ich erinnere mich noch meiner Verblüffung, als mich Schweizer Kollegen bei einem Kongreßbesuch darüber aufzuklären versuchten, daß die endogene Depression selbstverständlich keine Psychose im klassischen Sinne sei, sondern eine »Kernneurose«, die nur mit analytischen Methoden wirksam behandelt werden könne. Da eine endogene Depression im Durchschnitt etwa neun Monate anhält und eine analytische Psychosetherapie mindestens zwölf Monate dauert, hatten die Kollegen keine Schwierigkeiten, mir als Beleg für ihre Behauptung eine erkleckliche Zahl psychotherapeutisch von ihnen »geheilter« Depressionsfälle auftrumpfend unter die Nase zu halten.
(...)
Damit wären wir wieder bei unserer Ausgangsfrage angekommen: Wie läßt sich die wahrhaft erstaunliche Tatsache erklären, daß eine sich bei näherer Betrachtung als haltlos entpuppende geistige Konstruktion wie die Freudsche Psychoanalyse seit der Jahrhundertwende in der ganzen westlichen Welt eine direkt oder indirekt das Denken unzähliger Menschen beherrschende Autorität erlangen konnte?
https://docplayer.org/62774778-Hoimar-v-ditfurth-innenansichten-eines-artgenossen-meine-bilanz.html
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.07.2022 um 04.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#49488
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Warum haben die männlichen Statuen der Antike (und noch bis zum David des Michelangelo) so kleine Penisse? Heute wird das oft so gedeutet, als sei mit dem kleinen Penis das Ideal der vernunftmäßigen Herrschaft über die Triebhaftigkeit dargestellt. Dazu gibt es keine entsprechende Überlieferung. Im Gegenteil: Aristophanes stellt in den „Wolken“ die traditionelle adlige Bildung und die neumodische sophistische (durch den häßlichen Sokrates und seinesgleichen) einander gegenüber. Jene verspricht eine starke Brust, einen klaren Teint, breite Schultern, eine kurze Zunge, ein kräftiges Gesäß und einen kleinen Penis, diese erzeugt eine bleiche Haut, schmale Schultern, eine schmächtige Brust, eine große Zunge, ein kleines Gesäß und einen großen Penis.
Es geht also nicht um Vernunft, sondern um das sinnliche Vergnügen am männlichen Körper. Der junge Mann ist für andere Männer sexuell anziehend, aber nicht, wenn er selbst sexuell aktiv wirkt wie ein zotteliger geiler Bock (Satyr); daher auch die glatte Haut. Das Schönheitsideal ist nicht von der Päderastie zu trennen. Michelangelo schließt sich an.
Am liebsten würden die Bildhauer den jungen Mann ganz ohne den störenden Blickfang darstellen, aber das geht natürlich nicht.
Die konventionelle Schwärmerei erwachsener Männer für hübsche Jungs im alten Griechenland kommt uns übertrieben vor, aber nicht ganz unverständlich. Auch biologisch ist es plausibel, daß wir mit Wohlgefallen auf den Nachwuchs schauen. Schwerer fällt es uns, den Reiz eingebundener Füße oder anderer Behinderungen (Tellerlippen...) nachzuempfinden. De gustibus... wir können es nur hinnehmen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2023 um 06.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#52252
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Ich könnte mir einen eleganten Pouf kaufen. So jedenfalls schreibt die Werbung, obwohl es nicht dudengerecht ist (Puff).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2023 um 15.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#52254
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Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#49488
Ich hatte die Schönheitsideale verschiedener Völker erwähnt, auch die eingebundenen "Tulpenfüße" ostasiatischer Schönheiten. Die höchstgepriesenen schönen Frauen im alten China waren bleich von Angesicht und so schwächlich, daß sie nicht ohne fremde Hilfe aus der Badewanne herauskamen. Nachzulesen im berühmtesten Gedicht (Chang hen ge "Lied vom immerwährenden Kummer") von Bai Juyi aus der Tang-Dynastie um 800.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.11.2023 um 21.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#52284
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Nicht zu fassen, wie witzig selbst neurologische und psychologische Bücher sein können. Joseph LeDoux setzt dem vierten Kapitel von "Das Netz der Gefühle. Wie Emotionen entstehen" ein Zitat von Woody Allen voran:
"Das Gehirn ist mein zweitliebstes Organ."
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.12.2023 um 22.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#52396
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Das Institut [GfK] hat herausgefunden, dass fast ein Viertel der Männer nicht jeden Tag seine Unterhose tauscht
(Freie Presse, 14.12.2023, Seite 1, Hervorhebung von mir)
Seine? Geht es etwa um die Unterhose des Viertels?
Sollte es hier nicht korrekterweise die Unterhose(n) oder höchstens ihre Unterhosen heißen?
(Übrigens geht es in dem Artikel darum, daß man mit dem täglichen Wechsel seinem Körper nicht unbedingt etwas Gutes tue, sondern nur lebenswichtige Bakterien vernichte bzw. behindere:
Die Leipziger Hygiene-Professorin Iris Chaberny gibt sich angesichts der GfK-Zahlen in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ völlig unbeeindruckt. Im „Handbuch für Krankenhaus- und Praxishygiene“ stehe zum Beispiel, dass Unterwäsche alle zwei Tage gewechselt werden soll, Handtücher zweimal wöchentlich, sagt sie.)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2023 um 04.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1537#52398
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Außerdem pflege ich die Unterhose zu wechseln und nicht zu tauschen, weil ich niemanden in der Familie kenne, der meine Größe hat.
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