Kommentare zu »Nach Gutsherrenart« |
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2011 um 14.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#19557
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Dem flächendeckenden Zwang zur Anwendung der reformierten Rechtschreibung in Qualifikationsarbeiten steht die Unfähigkeit der Zwingenden wie der Gezwungenen gegenüber, dieser Anordnung zu folgen. Im Durchschnitt kann kein Professor und erst recht kein Student zwei Seiten schreiben, ohne gegen die neuen Regeln zu verstoßen. Das Wohlverhalten muß dennoch bezeugt werden, und zwar durch ss. Mehr kann auf Anhieb sowieso niemand nennen.
Die Professoren haben es leichter, weil sie sich auf die besser informierten Sekretärinnen verlassen können.
Viele Institute schreiben außerdem noch die feministische Korrektheit vor.
Die Anordnung, alle "nicht korrekten" Druckwerke auf einem geeigneten Platz vor der Universität feierlich zu verbrennen, würde zweifellos befolgt werden.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.09.2011 um 12.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#19225
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Eine lobenswerte Ausnahme ganz in bewährter Rechtschreibung:
Neuausgabe 2011 im Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag Berlin: Thomas Bauer, Professor für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Münster: "Die Kultur der Ambiguität; Eine andere Geschichte des Islams".
In Schulbüchereien würde das Buch wohl ausgemustert werden, jedenfalls von den Eltern.
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Kommentar von B.Janas, verfaßt am 20.06.2011 um 13.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18897
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Es ist wohl ganz normal und läuft unter "Staatsräson", daß sich nachgeordnete Stellen einem internen, von außen nicht wahrnehmbaren, u.U. sogar nirgends schriftlich festgehaltenen Druck von oben beugen. Man kennt das auch aus anderen Herrschaftssystemen: "hinterher" kann jeder beteuern, davon "nichts gewußt" zu haben. Aber gut, wir wollen das nicht höher aufhängen als die kritische Öffentlichkeit. Die übt sich in Nichtbefassung, aus bekannten Gründen; nur in folgenlosen Halb- und Nebensätzen sowie in Albernheiten kommt das R-Wort noch vor, ansonsten liegt der Marktplatz in angestrengter Ruhe.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.06.2011 um 10.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18896
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Der DAAD ist wie das Goethe-Institut auf das Wohlwollen der Regierenden angewiesen, war zwar bei der Umstellung (auch dank Fritz Neubauer) nicht so übereifrig wie das GI, aber auch nicht für Reformkritik zu haben.
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Kommentar von B.Janas, verfaßt am 20.06.2011 um 09.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18895
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Kann es sein, daß allenthalben an den Schaltstellen, wo jemand was zur Anwendung der Reform verlautbaren, an- oder verordnen könnte, das Thema einfach nicht mehr beachtet wird? Man hat bemerkt: es gibt keinen Handlungsdruck, also wozu was tun? Oder: wenn da irgendwas getan wird, gibt es mehr Aufregung, als wenn man nichts tut. Und: Lorbeeren gibt es auf diesem Felde garantiert keine zu gewinnen.
Und da, wo letzte Worte über Sein oder Nichtsein der Reform gesprochen werden könnten, läßt man die Sache unerledigt liegen – sie ist erstens "too big to fail", und zweitens packt man nicht ohne akute Not etwas an, wobei Gesichtsverlust droht.
So bleibt das Heft des normativen Handelns allein bei den Verlagen. Für die ist es inopportun, das Wort "Reform" noch herauszustellen, sie handeln allein und unkontrolliert, und rechtlich auch komfortabel unkontrollierbar, nach sachfremden Kriterien.
Diese Gemengelage ist unbefriedigend, aber stabil.
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 19.06.2011 um 20.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18893
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Na, dann kann man beim DAAD ja die Manuskripte getrost weiter in der bewährten Rechtschreibung einreichen. Auf garstige Nachfrage könnte man sagen, daß man kein amtliches Regelwerk gefunden hat, das am 1. August 2007 in Kraft trat. Dummheit muß manchmal eben doch bestraft werden! (Auch wenn der DAAD von der Reform der Reform der Reform der Reform [1, 2, 3, 4, vorläufig habe ich keine vergessen] des Jahres 2006 erst ein Jahr später erfahren hat. Man hätte die Damen und Herren dort womöglich weiterschlafen lassen sollen.)
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 19.06.2011 um 14.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18891
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Zu #18890: Was nur bedeutet, daß Texte nur durchs gekaufte Programm gejagt werden, um einer Regelung zu entsprechen. — Auch hier wird in Lehrbüchern zur benutzten Rechtschreibung jetzt nur dies (oder ähnliches) gesagt: Die Rechtschreibung folge dem Duden von ... — Zu "Jedenfalls zeigt niemand auch nur annähernd einen solchen Durchsetzungseifer wie die Hochschulen": So ist das eben, wenn man sich wenigstens an etwas klammern muß, weil man fühlt, daß man doch demonstrieren müsse, wie sehr man auf der Höhe von wenigstens etwas ist.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.06.2011 um 13.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18890
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Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) gehört inzwischen zu den unerbittlichen Durchsetzern der Rechtschreibreform. Von den Autoren der "Informationen Deutsch als Fremdsprache" wird verlangt: „Die Rechtschreibung basiert auf dem amtlichen Regelwerk, das ab 1. August 2007 in Kraft ist.“
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.06.2011 um 07.56 Uhr
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Ich erinnere auch an Zigarrette, noch im Reformentwurf von 1995 enthalten, dann aufgegeben.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 18.06.2011 um 05.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18884
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Eine schwierige Ausnahme ist Karussell. Man sieht daneben Karusell und Karrussell. Am seltensten wird Karrusell geschrieben, obwohl dies dem französischen carrousel am nächsten kommt.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 17.06.2011 um 22.22 Uhr
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Lieber Germanist,
ich weiß nicht recht, was Sie in diesem Zusammenhang unter "Stammprinzip" verstehen und wieso dessen Wegfall ein Anglizismus sein soll.
Daß das deutsche Stammprinzip für Fremdwörter nicht gelten kann, ist ja offenkundig, denn nicht jedes abgeleitete Fremdwort wird zusammen mit seinem Stamm ins Deutsche importiert. Daher kann auch das deutsche Prinzip der Stammbetonung für Fremdwörter nicht gelten. Auch viele alteingesessene Fremdwörter kann man daher an der fehlenden Stammbetonung ohne weiteres erkennen.
Die französische Schreibung guérilla ist natürlich besonders erstaunlich, da der Zusammenhang mit guerra/guerre doch auf der Hand liegt.
Übrigens erscheint es historisch sehr wahrscheinlich, daß das spanische Wort guerrilla über das Französische ins Deutsche gelangt ist, da die prototypische Guerilla der spanische Freischärlerkampf gegen die Napoleonischen Truppen war.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 17.06.2011 um 16.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18881
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Demnach gilt das Stammprinzip nicht für Fremdwörter. Aber wer weiß immer genau, welche Wörter eine deutsche Wortwurzel haben? Manche "Fremdwörter" (heute wohl korrekt "Wörter mit Migrationshintergrund") sind schon so lange eingedeutscht, daß man schwer unterscheiden kann, ob die Wortwurzel lateinisch oder deutsch oder sonstwas ist. Die vor der hochdeutschen Lautverschiebung eingewanderten lateinischen Wörter gelten als deutsche. Der Wegfall des Stammprinzips ist ebenfalls ein Anglizismus. Bei wissenschaftlichen lateinischen und griechischen Fachausdrücken gilt wieder das Stammprinzip. Es bleibt schwierig.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2011 um 08.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18875
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Leider gilt die von Herrn Achenbach angeführte Regel nicht ausnahmslos, weshalb z. B. Terrasse immer wieder Anlaß für Zweifel und Nachschlagen ist. Intelligent usw. werden wohl so oft gebraucht, daß man sich sicher fühlt.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 16.06.2011 um 23.16 Uhr
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In allen romanischen Sprachen?
Das Wörterbuch der Académie francaise enthält nur die Schreibung guérilla. Dagegen kennen die Netzversionen von Merriam-Webster und Cambridge Advanced Learner's nur die Schreibung guerrilla. Demnach wäre das Wort wohl eher auf dem Umweg über das Französische zu uns gelangt.
Allerdings braucht man diesen Umweg nicht unbedingt anzunehmen, denn die Schreibung Guerilla entspricht der allgemeinen Regel, daß Konsonanten im Deutschen nur nach betonter Silbe verdoppelt werden. So wird es auch in vielen anderen Fremdwörtern gehalten, z.B. Perücke (frz. perruque), räsonieren (frz. raisonner), was zu allerlei orthographischen "falschen Freunden" führt.
Vertrautheit mit fremden Sprachen ist also schädlich für die Beherrschung der Rechtschreibung. Deshalb sollte man am besten auch fremdsprachige Bücher aus den Schulbibliotheken verbannen, um unsere armen Kinder nicht zu verwirren. Sollte man nicht besser überhaupt auf den Fremdsprachenunterricht verzichten?
Übrigens hat auch Duden vorübergehend bei der Schreibung von Guerilla/Guerrilla geschwankt. Im Ur-Duden hieß es nur Guerilla, im Duden 1900 Guer[r]illa und irgendwann später wieder nur Guerilla.
Für die Originalschreibung Guerrilla spricht natürlich, daß die Schreibung so oder so nicht deutschen Regeln entspricht.
Die Schreibung Guerilla kann man jedenfalls nicht den Reformern ankreiden.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.06.2011 um 19.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18872
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"guerrilla" ist die Verkleinerungsform von "guerra", das in allen romanischen Sprachen mit Doppel-r geschrieben wird, weil es von germanisch "*werra" kommt. Im Englischen sind Einfach- oder Doppel-r erlaubt. Deshalb scheint mit deutsch "Guerilla" ein Anglizismus zu sein. Die Rechtschreibreformer wollten die Kenntnisse über die Herkunft von Wörtern entwerten, weil sich dadurch die "Gebildeten" auszeichnen.
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 16.06.2011 um 14.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18871
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Unvergeßlich ist mir die verbiesterte Reaktion des Philosophieprofessors, der die Schreibung Guerrilla in meiner Seminararbeit moniert hatte und dem ich darzulegen versuchte, warum sie nicht nur möglich, sondern auch besser als Guerilla sei. Dabei war der Mann nicht nur intelligent, sondern sonst jederzeit sogar skurrilen Einfällen gegenüber aufgeschlossen. Die Eingekniffenheit, mit der er mir seitdem begegnete, hatte nichts mit der berufsmäßigen Besserwisserei eines Lehrers zu tun, eher mit einer Verhaltensstörung. Offenbar war mir eine schwere Tabuverletzung unterlaufen: die Rechtschreibung als heiliger Bezirk, an dessen Grenze der methodische Zweifel zu verstummen hat, als letztes Refugium der Gewißheit in einer ansonsten mit Unwägbarkeiten vollgestellten Welt.
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Kommentar von B.Janas, verfaßt am 15.06.2011 um 22.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1459#18867
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Aber auch z.B. der Deutschlandfunk ist nicht faul. Manchmal merkt man, daß sie die Nachrichtentexte in Neuschrieb schreiben: schon mehr als dreimal fiel mir auf, daß man "selbstständig" schreibt und "die Selbstständigen", denn so sprechen die SprecherInnen das dann beim Ablesen auch aus...
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