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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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18.06.2005
 

Zwangsneurotisch

Die vom Rat gebilligte Revision des § 34 liegt nun vor.
Ich werde, wie angekündigt, ein Sondervotum einreichen; das ist im Statut vorgesehen. Der Text ist nicht frei von Fehlern, auch wenn die Gesamtrichtung stimmt und tatsächlich weitgehend die bisher üblichen Schreibweisen herauskommen. Die Reform ist also, was diesen Teil betrifft, aus und vorbei, und mit § 36 kann es nur noch besser werden, denn dort lagen ja die grammatischen Fehler der Reformer noch klarer zutage.

Aber insgesamt wirkt der Text, besonders bei Sonnenschein, wie ein Stück aus der Abteilung für Zwangsneurotiker. Leider ist es mir nicht gelungen, den Rat von der Notwendigkeit zu überzeugen, die falsche Einordnung von "leid" (und auch "not") zu widerrufen. Auch soll die herkömmliche Schreibung "leid tun", mit der die Deutschen Hunderte von Jahren zufrieden waren, nun als Fehler angestrichen werden. Das bringt die ganze, ansonsten wesentlich verbesserte Darstellung aufs neue in Verruf und wird keinen Bestand haben. Aber die Mehrheit ist einfach nicht willens, diese simplen Wahrheiten anzuerkennen. So wird der nächste Angriff auf die zum drittenmal revidierte Neuregelung ganz unnötigerweise heraufbeschworen, sehenden Auges, es ist nicht zu fassen!

In welchem Land der Erde gibt es so etwas noch? Ich meine: staatliche Erlasse, die sich mit Details der Grammatik beschäftigen und Streifragen der Sprachwissenschaft kraft Amtes entscheiden (noch dazu teilweise falsch)?

Das Zwangsneurotische steckte aber schon im Ansatz. Manche Leute wie Schaeder und Mentrup konnten es einfach nicht ertragen, daß Teile der Rechtschreibung zwar praktisch funktionierten, aber nicht amtlich geregelt waren. Und daß es orthographische Zweifelfälle gab, die nicht einmal mit den alten Dudenregeln entscheidbar waren ...



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