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10.02.2011
Wer ist der Tyrann?
Latein lernen mit Augst
Gerhard Augst stellt fest, daß die Schreibgewohnheiten sich spontan ändern wie Moden, und fährt fort: "... der Rechtschreibtheoretiker muss den Usus Tyranni über kurz oder lang in sein Schriftsystem übernehmen."
(Grammatik wozu? Vom Nutzen des Grammatikwissens in Alltag und Schule. Thema Deutsch 11. Mannheim, Zürich 2010:176)
Augst scheint da etwas mißverstanden zu haben. Oder sollte es sich um eine Freudsche Fehlleistung handeln und Augst sich in einer Art Geständniszwang selbst als den Rechtschreibdiktator entlarven wollen?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.02.2011 um 12.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1412#17999
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Augst schreibt im selben Text:
„Sie (die Rechtschreibbeherrschung) ist ein implizites Können: jemand, dem wir attestieren, dass er die deutsche RS beherrscht, der kann Wörter schreiben, richtig groß- und klein- bzw. getrennt und zusammenschreiben, er interpunktiert die Sätze richtig und kann bei Bedarf richtig trennen. Als Maßstab der Richtigkeit gilt das amtliche Regelwerk oder in angewandter Form ein Rechtschreibwörterbuch (Duden, Pons, Wahrig).“ (S. 174)
Sehen wir ab von der fehlerhaften Kleinschreibung nach dem Doppelpunkt und von dem merkwürdigen Begriff des „impliziten Könnens“ (worin sich das Können und das implizite Wissen vermischt haben), auch von "interpunktieren". Die ganze Konzeption ist so falsch wie für die Reformer bezeichnend. Das empirisch erforschbare intuitive orthographische Können der Schreibenden kann nur darin bestehen, so zu schreiben, wie es üblich ist. Was ein amtlicher Text oder ein darauf beruhendes Normenbuch festlegen, ist dem gewöhnlichen Schreiber meist unbekannt und bleibt eine äußerliche Norm, es ist nicht der später von Augst mit Recht beschworene Usus (tyrannus, nicht Tyranni!).
Die Norm als das Normale, als Usus ist für die Reformer wie auch für die Kultusminister eine unbekannte Größe, sie sind immer auf das Amtliche, auf die dekretierte Norm fixiert geblieben. Darum haben sie auch niemals einen Anlaß gesehen, die tatsächlich praktizierte Schreibung empirisch zu erfassen. Ihre selbstgestellte Aufgabe bestand und besteht immer nur darin, eine amtliche Festlegung durch eine andere zu ersetzen: hoheitlich, autoritär. Orthographie ist für sie staatlich verordnet, oder sie existiert nicht. Für einen SED-Professor wie Nerius versteht sich das von selbst, für westdeutsche Sprachwissenschaftler eigentlich nicht. Unter den Reformbetreibern hat nur Eisenberg die oben ausgeführte Unterscheidung klar ausgesprochen.
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 10.02.2011 um 15.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1412#18001
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Als Volksetymologe interpunktiert Augst eben...
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