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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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20.01.2011
 

Aus einer Hand
Wahrig wird Brockhaus

Meldung vom 20.1.11: Brockhaus steht auf Wahrig

Die Premiummarken Brockhaus und Wahrig bilden künftig eine Allianz. Das neue Wahrig-Wörterbuchprogramm erscheint im Frühjahr unter der Dachmarke Brockhaus. „Beide Marken stehen für ein Maximum an Qualität, für Exklusivität, Zuverlässigkeit, Seriosität und wissenschaftliche Fundiertheit. Somit ist die Bündelung der Kompetenzen ein logischer Schritt im Rahmen unserer Brockhaus-Strategie. Wir entwickeln das Brockhaus-Programm konsequent weiter in Richtung Wissen, Lernen, Bildung“, begründet wissenmedia-Geschäftsführer Christoph Hünermann die Programmentscheidung.

Wahrig-Chefredakteurin Sabine Krome ergänzt: „Wir bieten nun Lexikon- und Wörterbuchkompetenz aus einer Hand. Unsere Kunden profitieren außerdem von unseren erweiterten Serviceangeboten. Zur Wahrig-Rechtschreibung erhalten sie zum Beispiel einen exklusiven, kostenfreien Zugang zum Wahrig-Sprachservice online und andere Extras.“ Zusätzliche exklusive Online-Angebote bereichern auch die neuen Schüler-Titel für Kinder und Jugendliche.

Das Wahrig-Frühjahrsprogramm 2011 umfasst fünf Titel, darunter Die deutsche Rechtschreibung. Um maximalen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, hat die Wörterbuch-Redaktion diese Werke grundlegend neu bearbeitet, aktualisiert und erweitert. Schritt für Schritt wird sie weitere Wahrig-Titel in das neue Programm überführen, die dann unter der prominenten Dachmarke erscheinen.



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Kommentare zu »Aus einer Hand«
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Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 31.05.2020 um 11.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#43676

Noch zu #29025 (KaktusKakteen): Das Beispiel Oktopoden war in der Tat schlecht gewählt, ich dachte, das rührt von Oktopode, jedoch wurde im Lateinischen als Plural von polypus neben polypi auch polypodes gebraucht (für mich ist Oktopus ein Latinismus, auch wenn die alten Römer nicht octopus sagten). Gut, andere Beispiele:

Kursus – Kurse
Bau – Bauten
Kaufmann – Kaufleute (etc.)
Zeitlauf – Zeitläufte

Zum Beispiel gehört Kurse eigentlich zu Kurs, aber im Singular wird auch Kursus verwendet, während man als Nominativ Plural nicht Kursus, Kursen oder Kursusse gebraucht, daher wird Kurse als Plural von Kursus angegeben. Für Kaktusse liefert corpora.uni-leipzig.de mit dem Korpus deu_newscrawl-public_2018 nur einen Treffer, und da heißt es obendrein: „So viele große Kaktusse - sorry, Kakteen!“ Daher erscheint mir die Einordnung von Kaktusse als umgangssprachlich gerechtfertigt.

Auch interessant:

Finale – Finals [fiˈnaːls]
Helling – Helligen
Kleinod (latinisiert kleinodium) – Kleinodien
Sporn – Sporen
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.11.2019 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#42392

Im Vergleich zu »Brockhaus« dürfte die Marke »Wahrig« nahezu wertlos sein. Aber auch die Erinnerung an den Brockhaus als Wissensquelle schwindet von Jahr zu Jahr.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2019 um 15.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#42390

Ist eigentlich der letzte Akt des Abenteuers WAHRIG hier schon angezeigt worden?

Im Jahr 2002 übernahm der Verlag Wissenmedia die Nutzungsrechte an der Marke Wahrig und an allen Wahrig-Autorenwerken. Die bereits vorhandene Reihe von Bertelsmann Wörterbüchern (u. a. die Bertelsmann Rechtschreibung) wurden dann ebenfalls in dem neuen Wahrig-Programm veröffentlicht.
Nach Übernahme der Marke Brockhaus durch Wissenmedia 2009 erhielt das Wahrig-Programm den Zusatz „bei Brockhaus“.
Die Umsätze der Printwerke waren durch die immer stärker werdende Präsenz der kostenfreien Nachschlagwerke im Internet, insbesondere Wikipedia, massiv zurückgegangen. Deshalb wurde im Juni 2013 von Verlagsseite die Entscheidung getroffen, das gesamte Buchhandelsgeschäft von Wissenmedia zu beenden – Anfang 2014 wurde der Vertrieb der Marken Brockhaus und Wahrig eingestellt.
Da es Wissenmedia nicht gelungen war, einen Wörterbuchverlag für die Übernahme des Wahrig-Programms zu finden, sind die Marken- und Nutzungsrechte 2017 an die Autorin Renate Wahrig-Burfeind zurückgefallen. Für sie tun sich neue Betätigungsfelder auf, die zurzeit insbesondere die digitale Nutzung der Inhalte betreffen.


(http://www.wahrig.de/hst.html)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.03.2018 um 04.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#38075

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#29025

Noch immer läßt sich kaum ein Sprach-Quiz die Belehrung entgehen, daß Kaktus im Plural Kakteen werde und Kaktusse falsch sei. Erstaunlich, was manche Leute für möglich halten und alle anderen sich gefallen lassen. Diese Mentalität muß man kennen, um die Rechtschreibreform zu begreifen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2017 um 17.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#35939

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#35380

Auch aus der vierten Auflage von Duden Bd. 9 (Stichworte Abend und Dienstagabend) geht hervor, daß die Reform ursprünglich und unwidersprochen so verstanden wurde, daß Dienstagabend auch als "Adverb" nur so geschrieben werden sollte. Um eindeutige Beispiele ohne Artikel haben sich die Dudenwörterbücher gedrückt, weil auch das amtliche Regelwerk keine enthielt. In diese Lücke stößt die neue Deutung des Rechtschreibrates oder vielleicht auch nur Kerstin Gütherts.
Das Sternchen bei Dienstagabend im amtlichen Wörterverzeichnis von 1996 ist unberechtigt, weil es das zusammengesetzte Substantiv natürlich auch im nichtreformierten Duden gab.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2017 um 04.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#35933

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18688

Irische Landfahrer campieren auf den Düsseldorfer Rheinwiesen (RhP 9.8.17)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.06.2017 um 12.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#35380

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18710

Duden online ist bisher bei Sie kommt Dienstagabend geblieben. Die neue Deutung auf der Website des Rechtschreibrates, die auch im Wahrig und in Duden Bd. 9 zu finden ist, hat keine Grundlage im amtlichen Regelwerk und Wörterverzeichnis. Dort ist nirgendwo von Artikeln oder Pronomina die Rede. Im Bericht des Rates von 2010 heißt es: "Bei Dienstagabend weisen die Korpora übereinstimmend eine Normentsprechung von >95% seit dem Jahr 2001 auf." Das kann sich ja nur auf den neuverordneten adverbialen Gebrauch beziehen, denn "der Dienstagabend" usw. wurde ja wohl schon immer zusammengeschrieben. D. h. die Reformschreibung hatte sich flächendeckend durchgesetzt, als der Rat zu seiner Neudeutung kam, die alles wieder rückgängig machte. Damit sind auch zahllose Hilfsmittel (Püschel usw.) und Tests hinfällig geworden. Auch das ÖWB wußte nichts von der Wende (die neueste Auflage kenne ich nicht). Auch die offizielle Zusammenfassung der Reform im "Sprachreport" vom IDS (Reformer Klaus Heller) kennt eindeutig nichts anderes als die Zusammenschreibung. Die Reformer haben, soviel ich weiß, an keiner Stelle klar gesagt, daß ihre Regeln jahrelang falsch verstanden oder später im Sinne meiner Reductio ad absurdum geändert worden sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2015 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#29025

Ja, so war es wohl bisher gemeint, als "Suppletivplural", auch wenn man es nicht so nannte. Aber es ist nicht einfach ein Wechsel in die Pluralbildung der Herkunftssprache (wenn man das botanische Latein so nennen will). Beim Oktopus ist der Fall ja klar, es geht mit dem griechischen Stamm pod- weiter. Ähnlich Atlas usw. Für mich sind der Kaktus und die Kaktusse (Kakti?) etwas anderes als die Kaktee und die Kakteen.
 
 

Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 31.05.2015 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#29024

Herr Ickler, kann Kakteen nicht als Suppletivplural von Kaktus bezeichnet werden? Immerhin wird er Kaktusse selbst dann vorgezogen, wenn als Singular Kaktus statt Kaktee verwendet wird. Ein ähnlicher Fall ist Oktopoden, von vielen Wörterbüchern als Plural von Oktopus angegeben, obwohl vom Stamm her zu Oktopode gehörig (katastrophal ist hingegen die „Erklärung“ hier: http://germanblogs.de/oktopusse-oder-oktopoden-wie-lautet-der-plural-von-oktopus/). Natürlich gibt es noch zahlreiche Beispiele, wo der Stamm nach der Deklination in der Fremdsprache wechselt (zusammen mit deutscher Pluralendung etwa Arthritiden, Atlanten und Sphingen).

Den Satz im Wiktionary habe ich nun klarer formuliert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2015 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#29022

Zur vermeintlichen und – wenn es stimmte – einzigartigen Pluralbildung Kaktus – Kakteen (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18681):
Bei Wiktionary findet man den sonderbaren Satz: "Der Plural des Wortes Kaktus wird im Deutschen als Kakteen wiedergegeben."
Das Befremdliche löst sich auf, wenn man die Quelle kennt:
"Der dazu gebildete systematische Sammelbegriff botan.-lat. Cacteae Plur. wird im Dt. mit Kakteen wiedergegeben und entwickelt einen neuen Sing. Kaktee f. (19. Jh.)." (DWDS)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.11.2011 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#19475

Nachprüfung im November: Brockhaus-Wahrig ist unverkäuflicher denn je.
Auf der Seite www.brockhaus.de/service/brockhaus_premiumservice.php?we_objectID=1776 findet man folgenden "Tipp":
"Schief liegen und schiefliegen – Kennen Sie den Unterschied zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung? Damit Sie garantiert die richtige Schreibweise anwenden, erhalten Sie in den blauen Infokästen wertvolle Tipps, mit denen Sie sprachlich nicht schiefliegen."
Wir sind also wieder genau da, wo wir vor der Reform waren, bei den alten Duden-Haarspaltereien. Deutlicher kann man es nicht zeigen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.10.2011 um 18.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#19361

In #18608 vom 8. Mai wurden fallen lassen vs. fallenlassen bei idiomatischer Bedetung und ähnliche Fälle besprochen. Hierzu eine Rückmeldung aus der Schreibwirklichkeit. Im Wikipedia-Artikel zu Dominique Strauss-Kahn heißt es:

Am 22. August 2011 bat die Staatsanwaltschaft das Gericht, die Klage gegen Strauss-Kahn fallenzulassen. Dies begründete sie mit Zweifel an der Glaubwürdigkeit des angeblichen Opfers. Am 23. August entschied das Gericht, die strafrechtliche Anklage fallen zu lassen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2011 um 16.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#19163

Aus der Werbung:

... das renommierte Standardwerk "Brockhaus WAHRIG"...

Die Verkaufszahlen vom August bestätigen jedoch, daß das Buch praktisch unverkäuflich ist. Es dürfte auch weitgehend unbekannt geblieben sein. Dieser Plan ist erst einmal nicht aufgegangen.
 
 

Kommentar von Peter Küsel, verfaßt am 13.06.2011 um 14.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18858

In den letzten elf Tagen wurden bei Amazon.de laut Novelrank sieben Exemplare vom Wahrig verkauft (sieben Aufwärtsbewegungen im Verkaufsrang, eine Aufwärtsbewegung im vier- und mehrstelligen Bereich entspricht wohl einem Verkauf), aber viele hundert, wenn nicht sogar über tausend Exemplare vom Duden (264 Aufwärtsbewegungen im unteren dreistelligen Bereich, wo eine Aufwärtsbewegung jeweils mehreren Verkäufen entsprechen dürfte). Brockhaus-Wahrig alle ein bis zwei Tage, Duden mehrmals stündlich.
 
 

Kommentar von Peter Küsel, verfaßt am 02.06.2011 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18779

Auf der Internetseite Novelrank kann man verfolgen und aufzeichnen lassen, wie ein Buch sich in der Verkaufsrangliste von Amazon bewegt. Ich habe das grade mal für Duden (http://www.novelrank.com/asin/3411040157) und Brockhaus-Wahrig (http://www.novelrank.com/asin/3577075902) eingerichtet. Ein Verkaufsrang im unteren dreistelligen Bereich ist meines Wissens sehr gut, einer im mittleren sechsstelligen Bereich dagegen bedeutet in der Tat, daß das Buch sich praktisch gar nicht verkauft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2011 um 07.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18778

Der Verkaufsrang bei Amazon ist bestimmt nicht repräsentativ, aber immerhin ein Hinweis. Zur Zeit steht der Rechtschreibduden bei 136, Brockhaus-Wahrig bei 310.915. Letzteres bedeutet praktisch Unverkäuflichkeit, aber auch Duden kann nicht besonders zufrieden sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.06.2011 um 17.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18772

Der Unmut des Rechtschreibrates über die 3000 Dudenempfehlungen ist ja auch im Abschlußbericht vom Dezember 2010 noch einmal festgehalten:
»Als nicht sehr glücklich wurde angesehen, dass zumindest eines der auch im Rat vertretenen großen Wörterbücher von der „Beobachtungsmaxime“ des Rats deutlich abgewichen ist und – v. a. im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung – die Schreibungen empfohlen werden, die mit der Reform von 1996ff. verbunden sind.«

Zu diesem Zeitpunkt muß die Wahrig-Vertreterin Sabine Krome, die im Rat eine führende Rolle spielt, schon gewußt haben, daß ihr Wörterbuch, der Brockhaus-Wahrig, wenige Wochen später ebenfalls mit 3000 Empfehlungen herauskommen würde. Und wie gesagt: Zehetmair war entzückt. Der Rat nimmt es hin, für dumm verkauft wie eh und je.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.05.2011 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18754

Das stimmt alles ganz genau, und die Erklärung ist, daß im Rat tatsächlich niemand mehr den Überblick hatte. Es wurden ständig Entwürfe und Synopsen vorgelegt, und wie ich schon anderswo erzählt habe, wurde im Plenum manchmal stundenlang diskutiert, bevor jemand merkte, daß man über verschiedene Ausgangstexte redete. Die Abstimmungen galten dann einzelnen Punkten, aber kein Teilnehmer hat sich je die Mühe gemacht, die Folgen für das Ganze zu bedenken. Es gab ja auch mehrere Baustellen gleichzeitig. Das Ganze stand ja immer unter dem Zwang, gewisse Teile der Reform nicht zu ändern. Schon die Urheber der ersten Reform beriefen sich ständig auf den "Kompromiß-Charakter" des Ganzen, um die Unstimmigkeiten zu erklären, aber die Revisionen sind erst recht ein Stückwerk, das keinen Bestand haben kann.

Vielleicht sollten wir in gemeinsamer Anstrengung einmal das gesamte Regelwerk samt Wörterverzeichnis durchkommentieren und unser Ergebnis dann den Kultusministern vorlegen. Wir könnten hier einen Diskussionsfaden und daneben den endgültigen Kommentartext anlegen, in den einer von uns (ich würde es schon machen) die Ergebnisse einträgt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 28.05.2011 um 23.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18753

Lieber Prof. Ickler,

der Fehler mit dem falschen Verweis in § 36 (1.4) war schon in den Regeln von 2004 enthalten. Dort war die entsprechende Regel (zu wissenschaftlich-technisch u. dgl.) deshalb verschoben worden, um aus dem optionalen einen obligaten Bindestrich zu machen. Da § 36 (1.4) in den Regeln von 2006 aber inhaltlich nicht verändert wurde, ist es vielleicht verzeihlich, daß 2006 bei der Schlußredaktion der neuen Regeln kein Anlaß gesehen wurde, diese Regel näher zu prüfen.

Andererseits mag man sich wundern, daß dieser Fehler anscheinend in zwei Jahren keinem der im Rat vertretenen "Fachleute" aufgefallen sein soll. Der bloße Hinweis eines einzigen Ratsmitgliedes hätte ja wohl ausreichen müssen, um diesen offenkundigen Fehler zu berichtigen.

Im übrigen ist die vorgeschriebene Schreibung wissenschaftlich-technisch ein eklatanter Widerspruch zu § 36, egal ob in der Fassung von 1996, 2004 oder 2006. Darauf hatten Sie in Ihrem Kritischen Kommentar ja bereits hingewiesen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2011 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18751

Man muß § 36 (1.4) und (1.5) dazunehmen. Und hier ist ein weiteres Malheur passiert: § 36 (1.4) verweist immer noch auf § 45 (2), aber die einschlägige Bestimmung ist mitsamt den Beispielen längst in § 44 (2) verschoben, so daß der Verweis ins Leere geht. Auch dies ist ein Hinweis darauf, daß der gesamte Komplex bläulich grün hastig und undurchdacht umgearbeitet wurde. Die Wörterbuchmacher müssen das während ihrer Arbeit festgestellt haben.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 27.05.2011 um 00.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18749

Lieber Prof. Ickler,

Ihre ursprüngliche Frage war doch, "worauf die von den Wörterbüchern weiterhin vorgeschriebene Getrenntschreibung von bläulich grün usw." beruhe. Sie sagten ferner, daß es in den Regeln von 2006 keine entsprechende Regel zu geben scheine.

Ich glaube nun dargelegt zu haben, daß es eine solche Regel durchaus gibt, nämlich § 36 (2.2), vorausgesetzt man legt den Begriff "einfach" als "nicht zusammengesetzt und nicht abgeleitet" aus. Insofern könnten sich die Wörterbücher (wie auch die amtliche Wörterliste) mit gewissem Recht auf diese Regel berufen. Daß sie es nicht ausdrücklich tun, steht auf einem anderen Blatt.

Die Frage, warum die Regel (§ 36 (2.2)) so ist, wie sie ist, und warum das Wort "einfach" dort steht, ist eine ganz andere Frage. Da die Protokolle des Rates nicht veröffentlicht sind und der Bericht des Rates kaum nennenswerte Begründungen für seine Vorschläge enthält, könnten allenfalls die Mitglieder des Rats diese Frage beantworten.

Ich möchte noch erwähnen, daß der Begriff "einfach" nicht nur nirgends in den Regeln ausdrücklich definiert, sondern dort auch unterschiedlich gebraucht wird. So wird er in § 59 als "nicht zusammengesetzt und nicht abgeleitet", in § 108 nur als "nicht zusammengesetzt" verstanden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.05.2011 um 07.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18743

Lieber Herr Achenbach,

die Mängel der Regeln haben Sie ja schon genannt: Unklarheit des Begriffs "graduierend" und Nichteinfachheit des Beispielwortes allgemein.
Es geht aber doch um die Frage, warum bläulich grün getrennt geschrieben werden muß, obwohl es strukturell mit blaugrün (§ 36 1.4) übereinstimmt. Diese Frage wird im Regelwerk nicht beantwortet. Eine Auffassung als syntaktische Gruppe ("auf bläuliche Weise grün"?) ist nicht gut möglich. Die Adjektive sind einander genauso zugeordnet wie bei blaugrün. Und was auch immer unter "graduierend" zu verstehen sein mag, die Beispiel schließen den Fall bläulich grün praktisch aus.
Meine Deutung ist, daß die Reformer beim Revidieren der Regeln schnell und flüchtig gearbeitet und die Folgen nicht bedacht haben. Irgendwie spukt das ig/isch/lich noch herum (jetzt im Kriterium der Nichteinfachheit versteckt).
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 25.05.2011 um 01.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18742

Lieber Prof. Ickler,

zur Frage der Getrenntschreibung von bläulich grün:

Mir scheint die von Ihnen zitierte Regel von 2006 zur "graduierenden Bestimmung" (§ 36 (2.2)) doch einschlägig, und zwar wegen des einen Wortes "einfachen".

Zur Erläuterung:

Die amtlichen Regeln behandeln ausdrücklich nur die Zusammenschreibung von "gleichrangigen (nebengeordneten) Adjektiven" (Kopulativkomposita), und zwar in § 36 (1.4). Dagegen werden nachrangige, nachgeordnete Adjektive (Determinativkomposita) merkwürdigerweise nirgends ausdrücklich erwähnt.

Soweit ich erkennen kann, werden solche Determinativkomposita in den Regeln von 1996/2004 nur implizit in der Regel § 36 (1.5) über "bedeutungsverstärkende oder bedeutungsabschwächende" Erstglieder mitbehandelt (bitterkalt, lauwarm). Das erfaßt aber nur einen kleinen Teil der fraglichen Determinativkomposita.

Daraus müßte man strenggenommen schließen, daß alle anderen Determinativkomposita aus zwei Adjektiven getrennt zu schreiben sind - ein höchst erstaunliches Ergebnis.

Mit den Regeln von 2006 ist die Regel zur "graduierenden Bestimmung" (§ 36 (2.2)) hinzugekommen, wonach in diesen Fällen die GZS freigestellt ist. Nun ist der undefinierte Begriff "graduierend" so unklar, daß man bei weiter Auslegung alle Determinativkomposita aus zwei Adjektiven darunter fassen könnte - allerdings nur bei "einfachen" Erstgliedern.

N.B. Die genannte Regel führt auch das Beispiel allgemein gültig/allgemeingültig an. Man könnte aber füglich bezweifeln, daß allgemein ein "einfaches" Adjektiv sei.

An sich ist ja auch nicht definiert, was "einfache" Adjektive sind, aber im Zusammenhang ist wohl klar, daß durch Suffixe abgeleitete Adjektive nicht als "einfach" gelten. Nun ist rötlich demnach weder "einfach", noch ist es bedeutungsverstärkend oder -abschwächend. Also ergibt sich einigermaßen schlüssig, daß rötlich braun nach den amtlichen Regeln nicht zusammengegeschrieben werden "darf".
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.05.2011 um 21.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18731

Es gibt Verbindungen, die kann man einfach nicht getrennt schreiben, und sie wurden auch weder vor noch irgendwann nach der Reform getrennt geschrieben. Sie zeigen das Chaos und die Unsicherheit, die die Reform hinterlassen hat:

Bereits 2008 geriet der Franzose aufgrund einer Sex-Affäre mit einer IWF-Mitarbeiterin in Bedrängnis, wurde jedoch bald darauf von den Vorwürfen frei gesprochen.
(Süddeutsche, 17.5.11, S. 19)
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 22.05.2011 um 11.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18729

Und nicht nur das, Herr Ickler. Wo sonst sind in einem derart kurzen Zeitraum so viele unterschiedliche Wörterbücher herausgekommen? Und da die Reformer von Anfang an mit Lüge und Täuschung gearbeitet haben, finden sich auch nirgendwo im Impressum in den Wörterbüchern Hinweise, um welche Reform es sich jeweils handelt. Welcher Ratsuchende hat schließlich Lust, sich jedesmal ein langweiliges und konfuses Vorwort durchzulesen? Alle Wörterbücher seit 1996 zeigten die angeblich neue Rechtschreibung (irgendwie), waren auf der Grundlage des amtlichen Regelwerks entstanden (auch irgendwie) und damit schließlich irgendwie offiziell. Die Wörterbücher von 1996, 2002, 2004 und nach dem Willen von Duden und Wahrig sogar die von 2006 sind Makulatur geworden. Die von 2006 sogar, obwohl es eigentlich keine Änderung des amtlichen Regelwerks gab. Eine derart kurze Lebenszeit von Wörterbüchern gibt es vermutlich in keinem anderen Land der Welt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.05.2011 um 08.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18728

In sonntäglichem Abstand von den Einzelheiten kommt mir der Gedanke: Was ist das für ein Zustand, wenn man im Rechtschreibwörterbuch nachschlägt, um Antwort auf eine ganz einfache Frage zu erhalten, z. B. wie man wachrütteln schreibt, und dann eine Empfehlung und noch zur Begründung einen Kurzessay geboten bekommt, der fast eine ganze Spalte einnimmt – und so in unzähligen Fällen!? Wo in der Welt gibt es Vergleichbares?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2011 um 17.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18724

Weiß jemand zufällig, worauf die von den Wörterbüchern weiterhin vorgeschriebene Getrenntschreibung von bläulich grün usw. beruht? 1996 war bekanntlich die überraschende – weil ganz willkürliche – ig/isch/lich-Regel (§ 36 E1(2)) eingeführt worden, wonach alle Verbindungen von Verben und Adjektiven mit einem adjektivischen Vorderglied auf diese Endungen getrennt zu schreiben waren. An ihre Stelle ist 2006 die folgende Bestimmung getreten:
„Verbindungen mit einem einfachen unflektierten Adjektiv als graduierender Bestimmung, zum Beispiel: allgemein gültig/allgemeingültig, eng verwandt/engverwandt, schwer verständlich/schwerverständlich, schwer krank/schwerkrank.“ Das ist offenbar nicht einschlägig.

Obwohl also die ig/isch/lich-Regel nicht mehr gilt, sind die Wörterbücher der Meinung, die Getrenntschreibung wirke fort. Unter schmutzig gelb findet man im Brockhaus-Wahrig nun folgende Begründung:
„Verbindungen aus zwei Adjektiven schreibt man getrennt, wenn es sich beim Erstglied nicht um ein einfaches, sondern um ein abgeleitetes Adjektiv handelt.“
Auf das Regelwerk wird nicht verwiesen, und dort gibt es auch keine entsprechende Regel. Anscheinend soll dieselbe Begründung auch auf kombinierte Farbbezeichnungen wie bläulich grün zutreffen. Das Regelwerk spricht jedoch nur von intensivierenden bzw. abschwächenden Erstgliedern, und darum geht es hier ja nicht. Auch der Duden kann die als neu verzeichnete Getrenntschreibung nicht begründen. (Vgl. K 60 in der 24. und 25. Auflage.)
Seit 2006 schreibt das amtliche Wörterverzeichnis zwar weiterhin Getrenntschreibung von bläulich grün, schmutzig grau vor, verzichtet aber darauf, eine entsprechende Regel anzuführen wie noch 2004; es scheint auch keine zu geben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2011 um 10.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18720

Duden, 22. Aufl. 2000:
„In bestimmten Kontexten sehr gebräuchlich, aber sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtschreibregelung nicht korrekt, sind Großbuchstaben im Wortinnern
- zur Vermeidung der Doppelnennung männlicher und weiblicher Formen (BürgerInnen, KollegInnen)
- als gestalterisches Mittel zur Bezeichnung von Firmen, Produkten und Dienstleistungen (DaimlerChrysler, MiniDisc, TeleBanking)“

Duden 23. Aufl. 2004:
„In bestimmten Kontexten gebräuchlich, aber nicht Gegenstand der amtlichen Rechtschreibregelung, sind Großbuchstaben im Wortinnern
- zur Vermeidung der Doppelnennung männlicher und weiblicher Formen (BürgerInnen, KollegInnen)
- als gestalterisches Mittel zur Bezeichnung von Firmen, Produkten und Dienstleistungen (DaimlerChrysler, MiniDisc, TeleBanking)
Solche Schreibungen werden kontrovers diskutiert und für den allgemeinen Gebrauch abgelehnt.“

Wer diskutiert und lehnt ab? Was bedeutet das „aber“ in der neuen Formulierung? Es hatte ja nur in der alten einen Sinn: gebräuchlich, aber nicht zugelassen. Dagegen wäre sinnlos: gebräuchlich, aber keine orthographisch relevante Erscheinung und daher nicht behandelt. Und während bei Warennamen usw. natürlich jeder die Freiheit der typographischen Gestaltung in Anspruch nehmen kann, ist das feministische Binnen-I ja durchaus für den „allgemeinen Gebrauch“ bestimmt.
Das Datum der Änderung (zwischen 2000 und 2004) deutet darauf hin, daß die Zwischenstaatliche Kommission einen entsprechenden Hinweis gegeben haben müßte. In deren Berichten findet sich allerdings nichts dergleichen.
Interessant ist auch der Wandel von „sehr gebräuchlich“ zu „gebräuchlich“, woraus in Gütherts Mitteilung wird, die Verbreitung des Binnen-I sei „nicht so allgemein gebräuchlich, dass es ins Rechtschreibregelwerk aufgenommen werden müsste.“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2011 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18718

Als die Rechtschreibreform bekannt wurde, habe ich mir erlaubt, einiges konsequenter als die Reformer zu Ende zu denken und ihnen das Ergebnis im Sinne einer Reductio ad absurdum entgegenzuhalten. Dazu gehörte morgen Früh. Nach einigen Jahren haben sie es dann ganz ernsthaft übernommen. So geht es nun auch mit Dienstag Abend. 1997 habe in meinem Schildbürger-Büchlein sowie im „Kritischen Kommentar zur Neuregelung“ bereits geschrieben:
„Wenn es heute Abend gibt, muß es auch Dienstag Abend geben. Denn heute und Dienstag gehören als Terminangaben in die gleiche Kategorie (er kommt heute / er kommt Dienstag). Daß es daneben den Dienstagabend – als Bezeichnung eines wiederkehrenden Zeitabschnittes – weiterhin geben muß, steht auf einem anderen Blatt.“

Die Lehrer, denen die Reformer neuerdings Dummheit und Renitenz vorwerfen, müssen nun aber schleunigst darüber belehrt werden, daß die Reformschreibung in wichtigen Punkten anders zu verstehen ist, als sie 15 Jahre lang geglaubt haben. Das wird ihre Begeisterung für die Rechtschreibreform noch einmal enorm steigern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2011 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18717

Danke für den Hinweis! Ja, jetzt fällt es mir wieder ein, ich habe das oft gelesen und immer in dem naiven Sinn verstanden, daß es eben nicht zulässig, weil in der amtlichen Regelung nicht enthalten sei.
 
 

Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 19.05.2011 um 21.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18716

Wo das Zitat im Duden von 2009 stehen soll, weiß ich nicht, in meinem Duden wird jedenfalls das Binnen-I eindeutig als falsch gekennzeichnet.

Es findet sich vor K 67 in den einleitenden Ausführungen zur Groß- und Kleinschreibung (so auch schon 2006):

»In bestimmten Kontexten gebräuchlich, aber nicht Gegenstand der amtlichen Rechtschreibregelung, sind Großbuchstaben im Wortinnern

- zur Vermeidung der Doppelnennung männlicher und weiblicher Formen (BürgerInnen, KollegInnen),

- als gestalterisches Mittel zur Bezeichnung von Firmen, Produkten und Dienstleistungen (ProMarkt, MiniDisc, TeleBanking).

Solche Schreibungen werden kontrovers diskutiert und für den allgemeinen Schreibgebrauch häufig abgelehnt.«

Quelle: http://tinyurl.com/689q8zr
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 19.05.2011 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18715

Da ich weder den Wahrig von 2009 noch den Brockhaus-Wahrig von 2011 besitze, kann ich mich an den Detaildiskussionen hier nicht beteiligen. Aber semantisch liegt hier doch wohl ein Unterschied vor. 2009 ist etwas "nicht zulässig" und 2011 ist es "nicht Gegenstand". Das sind zwei unterschiedliche Aussagen. 2009 war diese Sache nicht erlaubt, und 2011 hat man festgestellt, daß man bei dieser Sache nicht entscheiden kann und darf, ob sie verboten oder erlaubt ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2011 um 17.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18714

Die Reformer haben die Menschheit 15 Jahre lang in dem Glauben gelassen, das große Binnen-I sei falsch. Niemals haben sie mit einer einzigen Silbe zu erkennen gegeben, daß dem nicht so sei. Weder Duden noch Wahrig haben sich je eine Richtigstellung anhören müssen. Und Frau Güthert saß die ganzen Jahre dabei und wußte Bescheid?

Übrigens habe ich ebenso lange argumentiert, daß das ß in den ss-Positionen nur eine Ligatur und folglich als rein typographische ("graphostilistische") Angelegenheit kein Gegenstand der Rechtschreibregelung sei. So könnte man die bisherige s-Schreibung wieder zulassen, ohne einen Irrtum zuzugeben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2011 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18713

Wie ich gerade sehe, ist die neue Sprachregelung mit Frau Krome abgesprochen. Im Wahrig von 2009 heißt es:

"Die sogenannte Binnengroßschreibung, d. h. die Schreibung mit einem großen Buchstaben im Wortinneren, meist dem I zur Kennzeichnung weiblicher Berufsbezeichnungen wie in LehrerInnen ist nicht zulässig."

Brockhaus-Wahrig 2011:

"Die sogenannte Binnengroßschreibung, d. h. die Schreibung mit einem großen Buchstaben im Wortinneren, meist dem I zur Kennzeichnung weiblicher Berufsbezeichnungen wie in LehrerInnen, ist nicht Gegenstand der amtlichen deutschen Rechtschreibung."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2011 um 17.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18712

Wiki schreibt zum Binnen-I:

Insbesondere Gegner des Binnen-I argumentieren damit, dass dieses weder den Regeln der unreformierten noch der reformierten deutschen Rechtschreibung entspreche.
Die Duden-Sprachberatung wertete Anfang des Jahres 2001 in ihrem vierzehntäglichen Newsletter das Binnen-I als Verstoß „gegen die fuer das Deutsche geltende Regel, dass es Großschreibung nur am Wortanfang (eines Substantivs) geben kann“. Als Abhilfe wird, „wenn Sie Frauen und Maenner in der Sprache gleich behandeln moechten“, empfohlen, Klammern oder einen Schrägstrich zu setzen, z. B. „Lehrer(innen)“ oder „Lehrer/-innen“, oder als höflichere Variante die Vollform, also „Lehrerinnen und Lehrer“ zu verwenden.
Im aktuellen Duden (2009)wird dargestellt, dass Großbuchstaben im Wortinnern „in bestimmten Kontexten gebräuchlich“ geworden sind „zur Vermeidung der Doppelnennung männlicher und weiblicher Formen“ und „zur Verwendung als gestalterisches Mittel zur Bezeichnung von Firmen, Produkten und Dienstleistungen“. Im Gegensatz zu 2001 (siehe oben) wird von der Dudenredaktion im Jahr 2009 eine derartige Schreibweise nicht mehr kategorisch als gegen die Rechtschreibung verstoßend angesehen. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass Großbuchstaben im Wortinnern „nicht Gegenstand der amtlichen Rechtschreibregelung“ sind, und dass „solche Schreibungen […] kontrovers diskutiert und für den allgemeinen Schreibgebrauch häufig abgelehnt“ werden. 2011 wurde im ersten Newsletter der Duden-Sprachberatung jedoch erneut festgestellt: „Die Verwendung des großen I im Wortinnern (Binnen-I) entspricht nicht den Rechtschreibregeln.“
Nach Aussage von Wahrig (2009) entspricht das Binnen-I nicht den amtlichen Rechtschreibregeln.
Im aktuellen Österreichischen Wörterbuch (ÖWB, 2009) werden am Beispiel „Schüler/Schülerinnen“ als „Möglichkeiten, Personen beiderlei Geschlechts anzuführen“ verschiedene Varianten mit Klammer bzw. Schrägstrich sowie das Binnen-I dargestellt. Zu letzterem merkt die ÖWB-Redaktion an: „Das große I im Wortinneren wird im amtlichen Regelwerk nicht behandelt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Gebrauch fehlerhaft ist.“ Zu allen Varianten ist abschließend hinzugefügt: „Von den Schreibenden ist zu bedenken, dass die einzelnen Möglichkeiten der Darstellung unterschiedlich bewertet werden.“

Wo das Zitat im Duden von 2009 stehen soll, weiß ich nicht, in meinem Duden wird jedenfalls das Binnen-I eindeutig als falsch gekennzeichnet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2011 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18711

Die Antworten sind zweifellos von Frau Güthert formuliert, und ich glaube nicht, daß der Rat damit befaßt war. Lustig ist auch die Feststellung (ebd.), das große Binnen-I sei nicht falsch, und zwar weil es im Regelwerk schlicht nicht erwähnt werde. Und warum nicht?

"Zum einen hat das Binnen-I, worauf schon seine Nähe zu den Formen mit Schrägstrich weist, graphostilistischen Charakter. Es bewegt sich damit im Bereich der Textgestaltung, der nicht der amtlichen Regelung unterliegt. Zum anderen ist es, aufs Gesamt gesehen, auf bestimmte Gebrauchsbereiche der deutschen Sprache beschränkt. Damit ist seine Verbreitung nicht so allgemein gebräuchlich, dass es ins Rechtschreibregelwerk aufgenommen werden müsste."

So gesehen, wird sehr vieles möglich, ja unendlich vieles ...

Die Mitglieder des Rechtschreibrates sind, das glaube ich zu wissen, ohne Ausnahme der Meinung, das große Binnen-I sei erstens durchaus ein Gegenstand der Rechtschreibregelung und zweitens orthographisch falsch. Aber Frau Güthert wird ihnen auf der nächsten Sitzung schon erklären, daß sie sich geirrt haben, ebenso wie im Falle der Tageszeiten.
 
 

Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 19.05.2011 um 16.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18710

Auch der Rechtschreibduden wird wohl bald mit einer Neuauflage nachziehen und Dienstag Abend anführen müssen, was bislang als »falsch im Sinne der Neuregelung« galt.

Hier die Stellungnahme des Rates zu Dienstag Abend:

»Frage 2: "Wir treffen uns heute Abend" - "wir treffen uns Dienstag Abend?"

Es gibt Tageszeitangaben, bei denen gerät man weniger wegen des Termins, sondern eher wegen ihrer Schreibung ins Grübeln: groß oder klein, getrennt oder zusammen? Dass diese Frage keine triviale ist, zeigt sich schon daran, dass noch 1902, als die erste gesamtdeutsche Rechtschreibregelung erlassen wurde, für dienstags amtlicherseits die Großschreibung vorgesehen war.

Erst in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts setzte sich die Kleinschreibung für dienstags durch. Damit wurde eine Differenzierung in der Schreibung eingeführt, die die Neuregelung 1996/98 vollendete; kleingeschrieben werden ausschließlich Formen, die auf -s enden und allein, d.h. ohne Artikel, Adjektive, Pronomen oder dergleichen, stehen: dienstags, abends vs. (eines) Dienstag(s), (heute) Abend usw.

Bleibt die Frage nach der Schreibung von Verbindungen aus Wochentagen und Tageszeiten. Bei den Formen auf -s ist sie schnell beantwortet, da man analog zu frühabends nun auch dienstagabends schreibt. Bei den anderen liegt die Sache etwas komplizierter, denn es gibt neben den eindeutigen Fällen, bei denen ein Artikel, Adjektiv, Pronomen oder dergleichen vorausgeht und die zusammenzuschreiben sind (vgl. am Dienstagabend, jeden Dienstagabend, eines schönen Dienstagabends), auch solche, die allein stehen: wir treffen uns Dienstag Abend.

In wir treffen uns Dienstag Abend ist Abend eine nähere Bestimmung und dementsprechend wird Abend wie in heute Abend getrennt und großgeschrieben. Merken kann man sich dies daran, dass wie bei heute Abend kein Artikel, Adjektiv, Pronomen oder dergleichen vorausgeht oder verkürzt an folgender Reihe: am/heute/Dienstag Abend

Quelle: http://tinyurl.com/68q5r7n

Eigentlich hätte Frau Güthert einen Satz in etwa wie folgt ergänzen müssen: »Die Schreibung Dienstag Abend gilt seit der Neuregelung von 1996; allerdings haben wir im Rat bis 2011 gebraucht, um dies zu erkennen, da sich nicht einmal deren Urheber darüber im Klaren [sic] waren.«
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.05.2011 um 16.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18698

Manches verstehe ich nicht am neuen Brockhaus-Wahrig.

wach werden ist blau gedruckt, als ob es die reformierte Schreibung wäre, während das schwarz gedruckte wachwerden tatsächlich neu ist und empfohlen wird, aber nur wenn es sich um Erinnerungen und dgl. handelt. (Duden empfiehlt auch dann Getrenntschreibung.)

In Wirklichkeit ist wachwerden selten belegt und dann noch am ehesten in wörtlicher Bedeutung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.05.2011 um 08.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18697

(Fortsetzung zu 607#18696 – weil es nun wieder um Brockhaus-Wahrig geht)

Aus den Empfehlungen 2006:

Kennenlernen kann anhand von grammatischen Proben als ein Verb klassifiziert werden (*ich lerne ihn zu kennen vs. ich lerne ihn zu schätzen).“

Dieser Unterschied wird in Brockhaus-Wahrig als „besonderes grammatisches Verhalten“ bezeichnet. Das ist ein fragwürdiges Verfahren. Es sind eben verschiedene Varianten, vgl. brauchen mit und ohne zu. Außerdem wird kennenlernen niemals „ein Verb“, ob man es nun getrennt oder zusammenschreibt. Bei hängenlassen, sitzenbleiben usw. wird denn auch nicht damit argumentiert, daß es sich um „ein Verb“ handele, sondern stets mit der idiomatischen Bedeutung des Ganzen.

Bezeichnenderweise braucht das Wörterbuch jeweils fast eine ganze Spalte, um die Ausnahmen zu "erklären" – und gibt doch nur die Willkürentscheidungen der Reformer wieder. Allein diese erratischen Einträge bringen die Reform um jede Glaubwürdigkeit.
 
 

Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 16.05.2011 um 22.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18694

Da auch das neue Duden-Universalwörterbuch (7. Aufl. (2011)) – wie berichtet – die sogenannten Ratsempfehlungen berücksichtigt (ohne dies explizit zu erwähnen), hat mich in einer Buchhandlung dann doch die Frage interessiert, ob auch dort Schreibungen wie Dienstag Abend zu finden sind.
Die Antwort auf diese Frage fällt noch bizarrer aus, als ich mir dies vorgestellt hätte: Während das Universalwörterbuch strikt bei Dienstagabend bleibt, wird zum erstenmal überhaupt das Substantiv Dienstagfrüh aufgenommen, sogar lemmatisiert und als »vor allem österreichisch« bezeichnet. Im neuen Wahrig findet sich nichts dergleichen; dafür aber sowohl im sogenannten »Österreich-Duden« (1. Aufl. (2008)) im Kasten zu Dienstag (wir kommen Dienstagfrüh od. Dienstag früh (am Dienstagmorgen), aber nur wir kommen Dienstag früh (am Dienstag schon zeitig)) als auch im neuen ÖWB (41. Aufl. (2009)) ebenfalls bei den Erläuterungen zu Dienstag (sich Dienstagfrüh treffen). In beiden Fällen fehlt Dienstagfrüh aber als eigener Eintrag, was im Universalwörterbuch jetzt nachgeholt ist.
Nachziehen muß der Duden noch bei Dienstag Abend, da nicht davon auszugehen ist, daß es sich hierbei um eine redaktionelle Eigeninitiative der Bearbeiter des Wahrig handelt. Ob diese Fälle jemals im Rat besprochen wurden?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2011 um 15.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18693

Wahrscheinlich haben Güthert und vielleicht noch IDS-Hilfskräfte das zusammengebastelt. Ich weiß nur, daß es ebenso wie der Bericht 2006 dem Rechtschreibrat nicht mehr zur Billigung vorgelegt worden ist. In beiden Dokumenten sind Regelungen enthalten, die im Rat nicht diskutiert worden sind. Es scheint aber auch keine Proteste gegeben zu haben, weil den Ratsmitgliedern, soweit sie nicht wie die Wörterbuchverlage an Entscheidungen interessiert sind, die ganze Rechtschreibung gleichgültig und auch undurchschaubar ist. Man ist einfach froh, wenn irgend jemand die Arbeit macht, und sitzt im übrigen herum und hebt die Hand, wenn es irgendwo zuzustimmen gilt. Ein Drittel der Mitglieder sagt niemals ein Wort, das war damals mein Eindruck.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 16.05.2011 um 14.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18692

Das Wörterverzeichnis ist eine Katastrophe, das sieht man schon bei diesen beiden Stichwörtern. Das Adverb abseits fehlt; abseits wird nur als Verbzusatz ("Verbpartikel") aufgeführt, obwohl dies die Ausnahme ist. Das Adverb daheim ist vorhanden; wie jedoch die dort angegebene Abgrenzung zum Verbzusatz daheim gemeint ist ("aber ..."), muß als Rätsel gelten.

Ursprünglich stammt das Wörterverzeichnis vom Reformer Klaus Heller. Wer hat es denn für die Revision 2006 überarbeitet, ist das bekannt?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 16.05.2011 um 13.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18691

Nein! O Gott. Das hätte ich wohl tun sollen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2011 um 12.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18690

Lieber Herr Wrase, haben Sie auch das amtliche Wörterverzeichnis berücksichtigt?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 16.05.2011 um 10.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18689

Im Kommentar vom 15.05. heißt es im letzten Absatz:

"abseitssitzen usw., daheimsitzen sind gewöhnungsbedürftig, aber seit 2006 ausdrücklich vorgeschrieben."

Es klingt im Kontext des Kommentars so, als ob diese angebliche Vorschrift im Regelwerk stehe. Das trifft jedoch nicht zu. In Paragraph 34 (1.2) weist schon die Formulierung "formgleich mit Adverbien" darauf hin, daß das betreffende Wort, zum Beispiel abseits oder daheim, sowohl ein selbständiges Adverb als auch eine "Verbpartikel" sein kann. Anhaltspunkte für die Unterscheidung liefern dann E1 mit der Betonungsprobe sowie nachfolgend (1) und (2) mit weiteren Proben.

Daraus müßte sich eindeutig ergeben, daß es selbstverständlich auch die Adverb-Verb-Kombinationen abseits sitzen und daheim sitzen gibt, und zwar auch dann, wenn die Betonung auf abseits oder daheim liegt. Einschlägig für das Adverb wäre sowohl die Erststellenfähigkeit nach E1 (1) Abseits wollte sie nicht schon wieder sitzen oder Abseits saß die Oma als auch die Trennbarkeit nach E1 (2) Sie wollte abseits auf dem Sofa sitzen.

Wenn die Wörterbücher eine Pflicht zur Zusammenschreibung angeben, irren sie. Der Regeltext ist dafür nicht haftbar zu machen. Verantwortlich für die Einträge in den Wörterbüchern ist die Redaktion.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2011 um 09.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18688

Das Ausmaß politischer Korrektheit könnte im Wahrig doch größer sein, als es die Zahl der Markierungen vermuten läßt. So ist das Wort Landfahrer seit 2006 gestrichen, offenbar auf Betreiben des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, der auch oft beim deutschen Presserat mit Beschwerden vorstellig wird. Auf Korpusuntersuchungen können solche Streichungen nicht beruhen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2011 um 07.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18685

Je genauer man hinsieht, desto stärker spürt man die Folgen der von Peter Eisenberg gestifteten neuen Verwirrung.

§ 34: „E2: Eine Reihe von Pronominaladverbien mit dem Bestandteil dar- wirft besonders bei der Verwendung als Verbpartikel das a ab, zum Beispiel: darin sitzen – drinsitzen, ähnlich dran- (dranbleiben), drauf- (draufhauen), drauflos- (drauflosreden).“

Brockhaus-Wahrig hat aufgrund dieser Regel (ebenso wie Duden) kommentarlos:darauf losreden und drauflosreden. Andererseits darinsitzen und drinsitzen, wie es auch im amtlichen Wörterverzeichnis ausdrücklich vorgesehen ist. Mit darin sitzen kann also nur das freie Adverb gemeint sein, denn der Verbzusatz wird ja mit oder ohne Synkopierung zusammengeschrieben. Ebenso d[a]raufhauen, d[a]reinsetzen, d[a]runterstellen usw. Daraus folgt aber, daß Synkopierung nicht zwangsläufig mit der Verwendung als Verbzusatz einhergeht, daß vielmehr die Bestimmung E2 nur als Beschreibung einer Synkopierungstendenz zu verstehen ist. Aus der ungeschickten Formulierung „besonders bei der Verwendung als Verbpartikel“ muß man eigentlich schließen, daß die Synkopierung auch beim freien Adverb auftreten kann, während in Wirklichkeit gemeint sein muß, daß die Verbpartikel nur gelegentlich synkopiert wird. Andernfalls widerspräche das Wörterverzeichnis mit seinem fakultativen darinsitzen usw. dem Regelwerk. Unklar bleibt, warum das amtliche Wörterverzeichnis nur synkopiertes drauflos(gehen) kennt und nicht auch darauflosgehen. Für drausbringen im amtlichen Wörterverzeichnis gibt BW die süddeutsche und österreichische Bedeutung „aus dem Takt bringen“.

abseitssitzen usw., daheimsitzen sind gewöhnungsbedürftig, aber seit 2006 ausdrücklich vorgeschrieben. Eisenberg, der sich in Lippenbekenntnissen immer wieder für die Respektierung des Schreibgebrauchs ausgesprochen hat, setzt in Wirklichkeit abwegige Zusammenschreibungen durch. Brockhaus-Wahrig verzichtet in solchen Fällen wohl darauf, sein Korpus zu befragen, denn gegen amtliche Einzelfestlegungen kann man ja nichts machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2011 um 11.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18681

Brockhaus-Wahrig erkennt weiterhin weder Abakusse noch Kaktusse an. Letzteres steht immerhin im Duden, wenn auch nur als "ugs." Der Plural soll Kakteen sein, was natürlich nicht stimmt, denn das gehört zum Singular Kaktee. Als wir Kinder waren, wurden uns solche Weisheiten der Sprachpflege eingeschärft – ebenso wie das wundersame Verschwinden des r in normal, sobald es verneint wurde: anomal. Auf diesem Niveau bewegt sich ja auch das Räsonieren der Rechtschreibreformer.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2011 um 08.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18679

Sollte in dem Riesenkorpus die Winsch nicht vorkommen? Im Duden steht sie seit 1991, allerdings nicht im größeren Universalwörterbuch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2011 um 11.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18664

Im Duden steht bereits seit 2006 das schöne Verb voten, im Brockhaus-Wahrig noch nicht, aber es ist so reichlich belegt, daß es auch im angeblich ausgewerteten Korpus enthalten sein muß. Lass deine Freunde für dich voten! (Werbung „hohes C“)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2011 um 08.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18660

Zu Helikopter enthält das Wörterbuch neuerdings folgenden Kasten:

„Es empfiehlt sich hier die Trennung nach Sprechsilben, weil sie unabhängig von den sprachhistorischen Kenntnissen des Einzelnen ohne weitere Hilfsmittel angewendet und von jeden Leser nachvollzogen werden kann.“

Das ist in einem Rechtschreibwörterbuch eine widersinnige Einlassung, denn ein solches Wörterbuch ist ja gerade das Hilfsmittel, das der Zweifelnde zu Rate zieht, wenn ihm die sprachgeschichtlichen Kenntnisse fehlen. Die Empfehlung könnte sich allenfalls an Lexikographen richten, die zweifeln, welche Empfehlung sie in die Wörterbücher aufnehmen sollen, oder an Rechtschreibreformer. Die Redaktion scheint hier interne Überlegungen unbedachterweise in Ratschläge an den Benutzer umfunktioniert zu haben.

Die empfohlene Trennvariante ist aber nicht durch unterlegtes Blau gekennzeichnet; dasselbe gilt für alle Trennvarianten allgemein. Andernfalls wäre das Buch auch wegen des vielen Blau kaum noch zu ertragen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2011 um 12.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18653

Vereinheitlichung ist sozusagen ein Selbstläufer. Auch wo es keine verbindlichen Normenbücher gibt, ist die Rechtschreibung immer einheitlicher geworden. Bei den anderen Bereichen der Sprache ist es ebenso. Je enger und dichter die Kommunikation, desto stärker die Konvergenz. Die Rechtschreibreformer haben diesen Prozeß gestört. Sie wollten ja ausdrücklich gewissen Tendenzen der Sprachgemeinschaft "entgegenwirken". Gegen den tatsächlichen Schreibgebrauch und damit gegen die Intuitionen der Schreibenden und Belesenen wird ja auch jetzt noch die eine oder andere Schreibweise durchgesetzt, an den Schulen, in den Korrekturprogrammen, durch die Wörterbücher.
Konrad Duden selbst wußte und hat es gesagt, daß die Schreibweisen von selbst einheitlicher werden. Das ist wie bei der Bildung von Marktpreisen als Indikator von Knappheit. Genau dies haben alle Reformer und ihre staatlichen und richterlichen Unterstützer nicht verstanden.
 
 

Kommentar von B.Janas, verfaßt am 12.05.2011 um 11.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18652

Auf der Homepage des "Rates" steht noch immer:
"Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum". Und keiner haut ihm die Wörterbücher um die Ohren, auch nicht die Berichte über schlechte Rechtschreibleistungen.
Daß diese Weltfremdheit, unbeanstandet von der Bildungselite, seit Jahren dort steht, zeigt doch mehr als sonstwas, wie gering die Orthographie geschätzt wird. Hoffnungsloser Fall, die Einheitlichkeit ist vergeigt. Vielleicht wäre sie ja, den Zeitläuften geschuldet, auch ohne Reform den Bach runter gegangen, mit ihr nur etwas schneller.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2011 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18651

Bei den vielen tausend Varianten der Silbentrennung gibt es keine Empfehlungen. Hier steht die sinnvolle neben der manchmal kraß sinnlosen Trennung, ebenso wie im Duden. Aber nicht einmal dies ist konsequent durchgeführt. Aus dem Brockhaus-Wahrig: Bei Kastrat usw. steht nur für diesen einen Stamm ein ganzer Kasten: "Die Buchstabenfolge kas-tr... kann in Fremdwörtern auch kast-r getrennt werden.“ Aber als einziger Anwendungsfall wird Kastrationsangst mit der blauen Raute markiert, die anderen Fälle (Kastrat, kastrieren u.a.) sollen anscheinend nicht von der Freiheit der Silbentrennung profitieren. Vgl. dagegen mikro- usw., wo die Raute bei allen Einträgen steht. (Benutzungshinweise: „Alle Stichwörter, für die mehrere Trennvarianten gelten, sind mit einer blauen Raute gekennzeichnet.“)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2011 um 09.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18649

Zum Fall Zehetmair aus gegebenem Anlaß diese Erinnerung:

„In seiner Sitzung am vergangenen Freitag hat der Rat für deutsche Rechtschreibung die neue Duden-Ausgabe kritisiert: 'Es ist nicht Intention des Rates, dass vom Rat beschlossene Varianten in den allgemeinen Wörterbüchern durch Empfehlungen nur einer Variante eingeschränkt werden', sagte Zehetmair den Medien.“ (Börsenblatt 25.9.2006)
Zum neuen Brockhaus-Wahrig hat er ein überschwengliches Vorwort geschrieben, das ausdrücklich auch die Empfehlungen lobend erwähnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2011 um 09.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18648

Gerade erinnere ich mich an einen Aufsatz, den ein alter Bekannter von mir zum Thema der doppelten Negation und einigen anderen Fragen verfaßt hat: AgelGrammatischeAufklaerung.pdf.

Leider ist der Text nicht leicht zu verstehen. Die einschlägige Fußnote lautet:

„Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Prozess der Aufgabe der aggregativen Negation ist nicht als eine Instanz des Übergangs von doppelter zur einfachen Negation aufzufassen. Einfache und doppelte Negation sind Begriffe, die nicht − wie in den obigen Beispielen − auf zwei, sondern nur auf eine (integrative) Proposition bzw. auf eine (aggregative) Prädikatsstruktur zu beziehen sind. Folglich schließen sich doppelte Negation und Integration keinesfalls aus (s. etwa Russisch, Französisch, Ungarisch).“

Das ist das, was ich selbst in meinem vorigen Eintrag sagen wollte.

(Der von Agel in seiner ganzen Arbeit dargestellte Sachverhalt läßt sich meiner Ansicht nach weniger anspruchsvoll und klarer behandeln, aber das gehört nicht hierher.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2011 um 18.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18647

Die typische doppelte Verneinung im Mittelhochdeutschen, die Sie meinen, ist ja anders und einfacher gebaut und stimmt weitgehend mit der ziemlich universellen Häufung von Negationen (z. B. auch im Griechischen) überein. Die neuere Vermeidung und sprachpflegerische Verurteilung stammt wohl aus der logischen Disziplinierung der neuhochdeutschen Schriftsprache. Ich selbst finde sie natürlich nicht falsch, aber ich würde sie für eine klare und einfache Sachprosa nicht empfehlen und verwende sie auch nicht.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.05.2011 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18646

Es gibt also doch auch in der neudeutschen Hochsprache Satzkonstruktionen, in denen die doppelte Verneinung keine Bejaung bedeutet. Ob das ein Erbe des Mittelhochdeutschen ist?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2011 um 17.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18645

Wie schon gesagt, wird im Brockhaus-Wahrig (seit 2006) die Zusammenschreibung von bankrottgehen usw. mit der angeblich nicht aus den Bestandteilen erschließbaren Gesamtbedeutung begründet. Der Rechtschreibrat hatte aber anders argumentiert: Die Wortart von bankrott sein nicht eindeutig erkennbar. Wahrig hat aber von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, daß hier ein Adjektiv vorliegt, und so wird es auch im Brockhaus-Wahrig genannt. Ich hatte seinerzeit die Empfehlungen des Rates so kommentiert:

"Der Bericht erwähnt „wortartmäßig unklares bankrott in bankrottgehen“; dazu kommt noch pleite, von dem der Rat ebenfalls behauptet, es sei „wortartmäßig unklar“ – ein Armutszeugnis, dem auch die Grammatiker im Rat nicht widersprachen, obwohl sie imstande sein dürften, ein Adjektiv zu identifizieren."

Vielleicht haben sich die Bertelsmänner ein wenig geschämt und sich eine andere Begründung ausgedacht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2011 um 16.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18644

zunichtemachen und zunichtewerden dürfen laut Rechtschreibrat gegen den Sprachgebrauch nur zusammengeschrieben werden, daran kann das Wörterbuch auch nichts ändern; man braucht das Korpus gar nicht erst zu untersuchen. (zunichtewurde ist praktisch gar nicht belegbar.) Ebenso bei hochbegabt (auch getrennt) und hochbetagt (nur zusammen). BW bemüht sich, die systematischen Züge der Rechtschreibung hervorzuheben, aber die willkürlichen Einzelentscheidungen des Rechtschreibrates kommen der Redaktion immer wieder dazwischen. Man kann sich vorstellen, wie die Praktiker während ihrer Arbeit auf den unfähigen Rat geschimpft haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2011 um 16.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18643

Laut Brockhaus-Wahrig wird Kyrilliza mit Betonung auf der vorletzten Silbe gesprochen, und dieses i soll lang sein. Das habe ich noch nie gehört.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2011 um 16.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18642

Aus der Handreichung des Rechtschreibrates 2006:
§ 34(2.1) <fest>, <tot> und <voll>
Zu den resultativen Prädikativen gehören auch Zusammensetzungen mit den ersten Bestandteilen <fest>, <tot> und <voll>. Diese bilden eine Untergruppe, da sie reihenbildend und oftmals idiomatisiert sind. Aus diesem Grunde sind sie fast ausschließlich nur in Zusammenschreibung belegt, während die Getrenntschreibung unüblich ist, vgl. „(ein Brett) fest nageln“, „(einen Passanten) tot fahren“, „(einen Pkw) voll tanken“.
Dieser Befund legt es nahe, bei resultativen Prädikativen mit den ersten Bestandteilen <fest>, <tot> und <voll> im Wörterverzeichnis nur die Zusammenschreibung als die übliche Form anzuführen und einen Verweis auf den Regelteil zu geben.



BW hat nur den Eintrag totfahren, ohne Verweis auf den Regelteil, nach dem auch die Getrenntschreibung zulässig ist. In einem Kasten wird die Handreichung paraphrasiert, es geht aber daraus ebenfalls nicht hervor, daß die Getrenntschreibung falsch wäre. Dieselbe Unstimmigkeit findet sich bei fest und voll. (Es gibt eigentlich keinen Grund, von einer „Sondergruppe“ zu sprechen, die nur die Verben mit fest-, tot- und voll- umfaßt. Dieser Komplex, der die revidierte Neufassung erheblich belastet, ist eigentlich nur ein persönlicher Einfall Peter Eisenbergs, dem die anderen Ratsmitglieder mangels eigener Kompetenz nichts Rechtes entgegenzusetzen hatten.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.05.2011 um 22.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18640

Es ist nicht gerade leicht, nicht nur zwischen richtig und falsch, sondern zwischen richtig, falsch und logisierend zu unterscheiden.
Leider bin ich auf dieses Wort (schon in Verbindlich) nicht eher gekommen, sonst hätte sich meine Frage erübrigt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2011 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18639

Das ist eine gute Frage von Herrn Riemer, und das Beispiel hatte mich auch schon amüsiert, weil nämlich ausgerechnet Wahrig ("Fehlerfreies und gutes Deutsch") diese pleonastische Negation anprangert:
„Folgt ein mit bevor oder ehe eingeleiteter temporaler Nebensatz auf einen verneinten Satz, dann darf der bevor/ehe-Satz nicht gleichfalls verneint werden:
falsch: *Wir fahren nicht in Urlaub, bevor/ehe die Ferien nicht begonnen haben.“ usw. (Wahrig: Fehlerfreies und gutes Deutsch. Gütersloh 2003:487, ähnlich dann auch für bis)
Das ist logisierende Besserwisserei gegenüber einem Sprachgebrauch, der nicht nur im Deutschen üblich ist. Im entsprechenden Dudenband („Richtiges und gutes Deutsch“) wird dasselbe gelehrt, aber im Duden-Universalwörterbuch stehen anstandslos folgende Beispiele: du darfst keinen Urlaub nehmen, bevor deine Probezeit nicht abgelaufen ist; sie darf nicht fernsehen, bevor nicht ihre Hausaufgaben gemacht sind.
Die pleonastische Negation ist in Wirklichkeit völlig normal:
(Der Riss) geht durch den alten Kontinent. Bevor er nicht beseitigt ist, bleibt die Vision von einer gemeinsamen Außenpolitik der Europäischen Union graue Theorie. (NN 19.9.03)
Bevor die Studie nicht fertig ist, passiert gar nichts. (SZ 10.7.08)
Keine Hotelübernachtung mehr, ohne daß der Blick auf den psychedelisch gemusterten Teppichboden auf den Fluren und in den Zimmern nicht üble Schwindelanfälle hervorriefe. (FAS 9.12.01)
Die „überflüssige“ Negation nach Vergleichsformen wird auf französischen Einfluß zurückgeführt: Ich bin kränker als du nicht denkst. (Conrad Ferdinand Meyer) Man kann sie aber auch einfach als eine Konstruktionsmischung verstehen: Ich bin kränker, als du denkst + Du glaubst nicht, wie krank ich bin.
Allein gar oft bringt uns selbst, und andern durch uns, ein augenblicklicher Anlaß mehr Freude als der entschiedenste Vorsatz nicht gewähren kann. (Goethe: Dichtung und Wahrheit. Hamburger Ausgabe I, 5)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.05.2011 um 13.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18637

Wie verhält es sich eigentlich mit diesem Beispiel im Brockhaus-Wahrig (s. #18627):
..., bevor wir nichts Genaueres wissen.?

Muß es nicht richtig heißen: entweder solange wir nichts Genaueres wissen oder bevor wir etwas Genaueres wissen?
Ist das Bsp. als gängige Redewendung zu akzeptieren oder handelt es sich eher um einen häufigen Versprecher?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.05.2011 um 12.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18636

Den Kakao klein zu schreiben, darauf ist noch niemand gekommen, aber ungeschickte Schreiber machen tatsächlich auf die bildliche Sprache aufmerksam, nämlich mit Anführungszeichen:

Er trug mich "auf Händen", und ich fühlte mich "wie im siebten Himmel". Aber gerade als mir "das Wasser bis zum Hals stand", ließ er mich "im Stich". Es war die "Hölle"!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2011 um 12.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18635

Und auch das ist schon oft gesagt worden: Der Schreiber kann noch so viele feinsinnige Unterscheidungen in seinem Text unterzubringen versuchen – wenn der Leser diesen "Code" nicht beherrscht, dann war es für die Katz. Der Brockhaus-Wahrig versucht nun (in Übereinstimmung mit den Absichten des Rechtschreibrates, hier besonders von Peter Eisenberg), idiomatische bzw. metaphorische Bedeutung möglichst weitgehend durch Unterscheidungsschreibung auszuzeichnen. Ein hoffnungsloses Unterfangen! Und auch widersinnig, denn was ist eine Metapher wert, die man ausdrücklich als solche kennzeichnet? In den allermeisten Fällen bietet die Orthographie auch gar keine Möglichkeit, die "übertragene" Bedeutung sichtbar werden zu lassen. Wird jemand zum Beispiel wirklich durch den Kakao gezogen oder nicht? Vielleicht sollte man den Kakao dann klein schreiben? (Aber dann geht wieder mal ein Wortspiel von Erich Kästner verloren – wenn ich mich hier recht erinnere.)
Also damit ist es nichts. Wir haben eine Tendenz, Resultativzusätze, wenn sie nicht zu umfangreich sind, mit dem Verb zusammenzuschreiben. Daher der Rundbogen in meinem Wörterbuch. Was darüber hinausgeht, macht die Sache unnötig schwierig und bringt keinen Gewinn.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.05.2011 um 11.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18634

Ja, ich weiß, deshalb fiel mir auch gerade dieses Beispiel wieder ein. Vielleicht hätte ich ein anderes wählen sollen, denn es ging mir nur ums Prinzip, Resultativzusammenschreibung nur, wenn sie der Unterscheidung dient.

Ich meine auch nicht, daß man unbedingt leeressen schreiben soll. Wenn aus dem Kontext klar ist, worum es geht, und das ist wohl besonders bei leer essen meistens so, dann kann man es dem Fall zurechnen, wo, wie ich schrieb, kein anderer Sinn denkbar ist. Wie gesagt, es gibt bessere Beispiele.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.05.2011 um 11.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18633

Nein, Herr Riemer. Wie oft haben wir das schon besprochen!

Google zeigt, wie wirklich geschrieben wird.
Teller leerisst: 51
Teller leer isst: 42.000

Vielleicht wollen Sie mal nachsehen, ob es bei den 42.000 Fundstellen darum geht, daß ein leerer Teller gegessen wird?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.05.2011 um 10.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18632

Man sollte Resultativverbindungen zusammen schreiben, wenn sich außer dem resultativen auch ein anderer Sinn denken läßt.
Bei pleite gehen oder Pferde scheu machen ist das nicht der Fall (der übertragene Sinn im zweiten Bsp. ergibt sich aus dem Bild, nicht aufgrund der Resultativität), also getrennt. Dagegen kann man einen Teller leeressen oder den Teller leer essen (den leeren Teller essen), letzteres z. B. scherzhaft gemeint oder wenn es sich tatsächlich um einen eßbaren Gegenstand handelt. Hier halte ich die Unterscheidungsschreibung für sinnvoll.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2011 um 09.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18631

Wer den Brockhaus-Wahrig schon hat, sollte nicht zögern, seine Beobachtungen hier mitzuteilen. Ich bin gern bereit, alles aufzunehmen und am Ende in eine kritische Gesamtdarstellung einzuarbeiten.

Noch eine allgemeine Betrachtung: Diese Rechtschreibwörterbücher wirken ja auf den ersten Blick ganz gefällig. Der Brockhaus-Wahrig scheint auch etwas solider gebunden zu sein als der Duden, fühlt sich jedenfalls weniger lappig an als dieser und dürfte seinen Rücken nicht so schnell verlieren. Eigentlich sind ja solche zum ständigen Gebrauch bestimmten Bücher mit mehr als 1200 Seiten nicht gut in einem papierenen Einband untergebracht. Trotzdem wurde der quittegelbe Duden 2000 als eines der "schönsten deutschen Bücher" ausgezeichnet, was mir heute noch absurder vorkommt als damals. Brockhaus-Wahrig sieht deutlich besser aus, nicht gerade preiswürdig, aber immerhin.

Aber der Hauptpunkt ist: Wenn man sich auch nur ein wenig eingehender mit dem Inhalt beschäftigt., stößt man auf unglaubliche Mängel. Zum Teil gehen sie auf die Reform zurück, aber die Durchführung läßt auch zu wünschen übrig. In stiller Komplizenschaft mit den Reformern hudeln die beiden Wörterbücher über Problemfälle hinweg, geben alberne Empfehlungen und rechtfertigen beflissen auch noch den letzten Unsinn.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.05.2011 um 08.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18630

Natürlich ist das alles Blödsinn. Wenn man nur Mehrbeinern zugesteht, daß sie gehen können, müßte man folgern, daß eine Uhr nur exaktgehen und nicht exakt gehen kann. Von derselben Qualität ist die Bewertung von gehen im Zusammenhang mit pleite als "idiomatisch". Bei der Entscheidung der Reformer für pleitegehen hat vermutlich eine geheime Regel mitgewirkt, nämlich daß bei Resultativkonstruktionen möglichst Zusammenschreibung anzuwenden sei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2011 um 06.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18628

Noch zwei Zusammenschreibungen, die Brockhaus-Wahrig empfiehlt, obwohl sie sich kaum oder gar nicht belegen lassen: vermissenließ, sprechenläßt. Es sollte noch einmal erwähnt werden, daß diese übertriebenen Zusammenschreibungen auf Peter Eisenberg zurückgehen. Sie wurden in die Empfehlungen 2006 eingearbeitet, großenteils ohne Kenntnis des Rechtschreibrates und ohne Diskussion.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2011 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18627

In der „Handreichung“ des Rates von 2006 heißt es:
„Die Einstufung als Redewendung übt keinen Einfluss auf die Schreibung aus, d. h., auch in diesem Falle finden die Paragrafen 34(2) bzw. (4) und E7 Anwendung. Infolgedessen ist jeweils zu überprüfen, ob nach § 34(2.1) ein resultatives Prädikativ vorliegt oder nach § 34(2.2) bzw. E7 das Adjektiv bzw. das Verb zusammen mit dem Verb eine neue, idiomatisierte Gesamtbedeutung bildet. Regelgeleitet ergeben sich demgemäß z. B. folgende Schreibungen: ‚die Pferde scheumachen/scheu machen (= jmdn. in Aufregung versetzen)’ nach § 34(2.1), ‚jmdm. die Hölle heißmachen’ nach § 34(2.2).“
Diese Vorgabe ist im Brockhaus-Wahrig getreulich umgesetzt. Zu heiß und scheu gibt es einen erläuternden Kasten; daraus geht aber nicht hervor, wieso die genannten Wendungen von verschiedener Art sein sollten, so daß sich unterschiedliche Schreibweisen ergäben. In beiden Fällen gibt es einen Resultativzusatz, und beide Phraseologismen haben einen Sinn, der nicht aus den Bestandteilen hervorgeht. Dennoch schreibt das Wörterbuch zu heiß:
„Unter den wörtlich gebrauchten Adjektiv-Verb-Verbindungen bilden solche, bei denen das Adjektiv das Ergebnis des durch das Verb beschriebenen Vorgangs bezeichnet, eine Sondergruppe. Hier ist neben der Getrennt- auch die Zusammenschreibung erlaubt: Ich will nur schnell das Essen heiß machen/heißmachen (das Essen ist anschließend heiß). § 34 (2.1) Bei manchen Verbindungen aus Adjektiv und Verb ergibt sich ein neuer Sinn, der nicht aus den Einzelbestandteilen der Verbindungen ersichtlich ist (Idiomatisierung). In diesen Fällen muss zusammengeschrieben werden: (...) jdm. die Hölle heißmachen.“

Zu scheu:
„Unter den wörtlich gebrauchten Adjektiv-Verb-Verbindungen bilden solche, bei denen das Adjektiv das Ergebnis des durch das Verb beschriebenen Vorgangs bezeichnet, eine Sondergruppe. Hier ist neben der Getrennt- auch die Zusammenschreibung erlaubt: Ich fürchte, dass der Lärm die Tiere scheu macht/scheumacht. § 34 (2.1) Dies gilt auch, wenn diese Verbindung als Teil einer Metapher verwendet wird: Lass uns lieber nicht die Pferde scheu machen/scheumachen, bevor wir nichts Genaueres wissen.
Warum führen „ein neuer Sinn (Idiomatisierung)“ und eine „Metapher“ zu verschiedenen Schreibweisen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.05.2011 um 06.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18626

gehen ist nicht im selben Maße wie engl. go zum Kopulaverb geworden, aber immerhin in einigen Wendungen üblich (kaputt, entzwei, verschütt, verloren), noch mehr in den Mundarten und auch kindersprachlich: tot gehen. Dazu kommen noch müßig, los, gut usw. gehen (Zustand gegenüber dessen Eintreten oben).
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 09.05.2011 um 19.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18625

"Idiomatisch" ist pleitegehen im Hinblick auf das Verb gehen. Aus der Sicht der Reformer müßte es pleite werden heißen, gehen für werden ist "idiomatisch". Man kann aufrecht gehen, aber nicht im selben Sinne pleite gehen. Die Argumentation ist nachvollziehbar. Aber es ist graue Theorie.

Der Fehler in der Regel ist das muss: ... muss zusammengeschrieben werden.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 09.05.2011 um 17.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18624

Man gewinnt den Eindruck, die Redaktion habe es schon längst aufgegeben, nach konsistenten und verständlichen Erklärungen zu suchen. Darauf zu verzichten, ist für sie sogar vernünftig. Wenn man stringent durchkommentiert, treten Unzulänglichkeiten nur allzu leicht zutage. Fachsprachliches Bramarbasieren reicht demgegenüber nicht nur völlig aus, unsinnige Erklärungen sind auch besser als zutreffende, wenn man den Wörterbuchnutzer in den Wald schicken will. Wer liest, pleitegeht sei wegen idiomatisierter Gesamtbedeutung so zu schreiben, wird der Begründung in der Regel schon deshalb nicht widersprechen, weil er sie von vornherein nicht verstehen kann.
 
 

Kommentar von B.Janas, verfaßt am 09.05.2011 um 16.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18622

Was diese Verlage sich leisten, ist unsäglich und kann auch nicht der Intention der frühen Reformphase entsprechen, das "Duden-Monopol zu brechen". Diese Machenschaften sind aber die logische Folge aus der Fehlkonstruktion des "Rates" mit der Beteiligung der Verlagsvertreter, was nie hätte passieren dürfen. Unbehelligt können die nun einen Machtkampf austragen oder Schluderei walten lassen, zum Schaden unserer Schriftkultur und nicht zuletzt der Schulen und Schüler. Weil Politik und Öffentlichkeit dies geschehen lassen, bekommen sie, was sie verdienen. Jedes Interesse an und jeder Wille zu einer Lösung ist verlorengegangen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2011 um 16.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18621

Übrigens:
Auch für andere neue fakultative Zusammenschreibungen gibt es keine oder fast keine Belege, z. B. für massivwurde, wissenlasse, lautwird – dieses von BW empfohlen, obwohl sehr selten belegt. dumm kommen ist viel häufiger als dummkommen, aber BW empfiehlt trotzdem Zusammenschreibung, Duden Getrenntschreibung.

Es gibt sehr viele Beweise, daß Brockhaus-Wahrig sich keineswegs auf "Analysen des Schreibgebrauchs" und Auswertung des riesigen Korpus stützt. Die Redaktion will bestimmte Schreibweisen durchsetzen, genauso gewaltsam wie Duden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2011 um 15.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18620

Zu pleitegehen:
„Verbindungen aus einem Adjektiv und einem Verb können immer getrennt geschrieben werden, wenn sie in wörtlicher Bedeutung gebraucht werden: pleite sein, krank werden, viel lesen, gut kochen. § 34 (2.3)
Wenn die Gesamtbedeutung einer Verbindung aus Adjektiv und Verb nicht aus ihren Einzelbestandteilen ersichtlich ist, sondern sich ein neuer Sinn ergibt (Idiomatisierung), muss zusammengeschrieben werden: Es würde mich nicht wundern, wenn der Laden pleitegeht (= zahlungsunfähig wird). § 34 (2.2)“

Aber pleitegehen ist doch (wie bankrottgehen) wörtlich zu verstehen, und die Gesamtbedeutung ergibt sich ebenso wie bei pleite sein – das seinerseits nicht aus dem genannten Grund getrennt geschrieben wird, sondern wegen § 35. Außerdem sind pleite sein, krank werden nicht mit gut kochen zu vergleichen, und es ist irreführend, alles zusammen als „Verbindung aus Adjektiv und Verb“ zu bezeichnen.
Während Duden 2006 die fakultative Zusammenschreibung prallfüllen einführt, aber nicht empfiehlt und nichts zur Betonung sagt, gibt BW ausdrücklich nur die Betonung auf der ersten Silbe an und empfiehlt (daher) die Zusammenschreibung. Auf Beobachtung am Korpus kann das nicht beruhen, denn bei Google gibt es zwar jede Menge prall füllt, aber kein einziges prallfüllt. Vgl. hier, auch zur abwegigen Erstbetonung (Achenbach).
minuziös ist keine Neuschreibung, aber es verstößt – wie BW unter Potenzial ausdrücklich bestätigt – gegen die Grundregel und hätte im Zuge der Reform beseitigt werden müssen. Stattdessen wird es von BW empfohlen, von Duden nicht. (Dasselbe gilt für preziös.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2011 um 09.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18618

„Worttrennungen am Zeilenende, die den Sinn des Wortes entstellen (Frust-ration), sollten vermieden werden. Daher wird hier nur die Trennung Frus-tration angegeben.“
Der Eintrag selbst, ohne den Kasten, enthält keinen Hinweis auf den Empfehlungscharakter.
Bei dem berühmten Druckerzeugnis ('Erzeugnis des Druckens') wird sogar ohne Kasten und ohne jeden Hinweis die zulässige Trennung Drucker-zeugnis verschwiegen.
Damit entspricht das Wörterbuch nicht mehr dem amtlichen Regelwerk und kann an Schulen nicht zugelassen werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2011 um 08.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18616

Problemfälle wie Wir treffen uns jeden Dienstag abend/Abend/früh/Früh bleiben weiterhin ungelöst. Es geht ja nicht nur darum daß wir uns jeden Dienstagabend (= an jedem Dienstagabend) treffen, sondern auch darum, daß wir uns jeden Dienstag, und zwar abend/Abend treffen (natürlich immer nach den Voraussetzungen der Reformer; die bisherige Schreibung hatte ja hier gar keine Probleme). Da außerdem, wie gezeigt, der Weg über das Substantiv Früh/Frühe ausgespart bleibt, ergibt sich eine besondere Paradoxie, weil ausdrücklich die Großschreibung des Adjektivs (!) für zulässig erklärt wird. Das Substantiv wird vielleicht deshalb übergangen, wie die Früh ja nur eine dialektale Kurzform der Frühe ist, aber natürlich niemand daran denkt, die längere Form adverbial zu gebrauchen. *Wir treffen uns jeden Dienstag Frühe.
 
 

Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 08.05.2011 um 20.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18615

Für die Interessierten hier die genaue Veränderung der Einträge zur Schreibung von Tageszeiten von der 7. zur 8. Auflage des Wahrig.

Bei einer solch gravierenden Änderung der Regeln kann es sich keinesfalls um ein »Versehen« handeln. Interessant auch, daß bei den geänderten Vorschriften jeder Hinweis auf einen einschlägigen Paragraphen des amtlichen Regelwerks fehlt, welcher im Wahrig ansonsten im Gegensatz zum Duden akribisch angegeben wird.

Gerade hier wäre jedoch eine Stellungnahme des Rats dringend vonnöten, zumal es sich um wesentlich schwerwiegendere Modifikationen handelt als bei den (Nicht-)Änderungen der Schreibungen von Clementine, Schmand usw. und an einen eigenmächtigen Alleingang der Redaktion nicht zu denken ist.

7. Auflage (2009):

S. 140:

Abend, abends: Bezeichnungen für Tageszeiten werden in Verbindungen mit heute, (über)morgen bzw. (vor)gestern großgeschrieben: heute Mittag, gestern Abend. § 55 (6)
Die substantivische Zusammensetzung von Wochentag und Tageszeit wird in einem Wort geschrieben: am Freitagabend, jeden Freitagabend. § 37 (1)
Dazu: freitagabends, auch: freitags abends. § 56 (3)

Abend m. 1; gestern, heute, morgen Abend; aber: es war an einem Montagabend; jeden Freitagabend; diesen Abend; des Abends; eines Abends; guten Abend!; (jmdm.) guten oder: Guten Abend sagen, wünschen; Abend für Abend; gegen Abend; zu Abend essen

S. 302:

Diens|tag m. 1 (Abk.: Di); des Dienstags, eines Dienstags; aber: dienstags

Dienstagabend: Die Zusammensetzung wird groß- und zusammengeschrieben. Daher: am Dienstagabend, jeden Dienstagabend, an diesem Dienstagabend, eines Dienstagabends. § 37 (1.1), § 55 (4)
Beim Adverb gilt Zusammenschreibung: dienstagabends. Getrennt geschrieben wird hingegen die Fügung dienstags abends. § 56 (3)

Diens|tag|abend m. 1; wir treffen uns an, an einem, an jedem zweiten, jeden Dienstagabend; eines Dienstagabends


8. Auflage (2011):

S. 114:

Abend m. 1; gestern, heute, morgen Abend; ich melde mich Montag Abend; aber: am/diesen/jeden Montagabend; des Abends; eines Abends; diesen Abend; guten Abend!; (jmdm.) guten oder: Guten Abend sagen, wünschen; Abend für Abend; gegen Abend; zu Abend essen

heute Abend ↔ am Dienstagabend

Auch in Verbindungen mit den Adverbien (vor)gestern, heute und (über)morgen werden Bezeichnungen für Tageszeiten (der Morgen, der (Vor-, Nach-)Mittag, der Abend, die Nacht) großgeschrieben: heute Mittag, gestern Abend, morgen Nacht. § 55 (6)

Für Zusammensetzungen aus Wochentagen und Tageszeiten (erkennbar an vorangestellten Artikeln, Adjektiven und/oder Pronomen) gilt hingegen die Zusammenschreibung: am (= an dem) Dienstagabend, jeden Mittwochmorgen, eines schönen Sonntagnachmittags. § 37 (1.1)

! Steht die Bezeichnung für einen Wochentag in Verbindung mit einer Tageszeit allein, d. h. ohne Artikel, Adjektiv oder Pronomen, schreibt man analog zu Verbindungen mit Adverbien getrennt und die Tageszeit groß: Wir treffen uns Dienstag Abend. ↔ Wir treffen uns am/jeden Dienstagabend.

S. 290 f.:

Diens|tag m. 1 (Abk.: Di); des/einen Dienstags, aber: dienstags; wir treffen uns Dienstag Abend; aber: am/jeden/diesen Dienstagabend

Dienstag Abend ↔ am Dienstagabend

Steht die Bezeichnung für einen Wochentag in Verbindung mit einer Tageszeit allein, d. h. ohne Artikel, Adjektiv oder Pronomen, wird getrennt und beides großgeschrieben: Mittwoch Vormittag, Samstag Nacht.
Geht der Verbindung aber Artikel, Adjektiv oder Pronomen voraus, handelt es sich um eine Zusammensetzung, für die Zusammenschreibung gilt: Der Kurs findet Dienstag Abend statt. ↔ Der Kurs findet am/jeden/diesen Dienstagabend statt. § 37 (1.1)

! In beiden Fällen lassen sich Adverbien auf -s ableiten, die je nach zugrundeliegender substantivischer Verbindung entweder nur getrennt oder nur zusammengeschrieben werden: Wir treffen uns dienstags abends. ↔ Wir treffen uns dienstagabends. § 56 (3)
Das zusammengesetzte Adverb sollte jedoch nicht mit der Genitivform des Substantivs verwechselt werden: eines (schönen) Dienstagabends.

Diens|tag|abend m. 1; am, jeden Dienstagabend; aber: vgl. Dienstag; eines Dienstagabends
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 08.05.2011 um 08.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18610

Zu #18608:

Ich habe hier an anderer Stelle schon einmal mein Befremden über die Umschreibung der Bedeutung von kennen lernen/kennenlernen in § 34 E7 geäußert. Wieso »Erfahrung mit etwas oder jmdm. haben«? Wenn ich Erfahrungen mit jemandem (schon) habe, dann kenne ich ihn; wenn ich erst dabei bin, diese Erfahrung zu erlangen, dann lerne ich ihn kennen.

Außerdem frage ich mich nach wie vor, was hier »Dasselbe gilt für« heißen soll. Man kann kennen lernen auch zusammenschreiben, wenn es »übertragen« gebraucht wird? Was wäre denn dann die nichtübertragende Bedeutung? Kann man etwas kennen lernen, so wie man schreiben lernen kann? Kann man zum Beispiel einen Kursus »Menschen kennen« besuchen? Mir scheint, daß die Kategorie übertragen/nichtübertragen in diesem Fall völlig unpassend ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2011 um 06.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18609

Eine fast unbegreifliche Schwäche zeigen die Wörterbücher bei den grammatischen Angaben zur Pluralfähigkeit. So behauptet auch Brockhaus-Wahrig bei Wörtern wie Lehrbefähigung, sie kämen nur im Singular vor. Natürlich ist in der Sprachwirklichkeit ständig vom Erwerb weiterer Lehrbefähigungen usw. die Rede. Woher kommt diese Blindheit oder Verbiesterung?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2011 um 06.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18608

Amtliches Regelwerk:
"34 E7: Bei Verbindungen mit bleiben und lassen als zweitem Bestandteil ist bei übertragener Bedeutung auch Zusammenschreibung möglich. Dasselbe gilt für kennen lernen:
sitzen bleiben/sitzenbleiben
(= nicht versetzt werden), stehen lassen/stehenlassen (= nicht länger beachten, sich abwenden), liegen bleiben/liegenbleiben (= unerledigt bleiben); kennen lernen/kennenlernen (= Erfahrung mit etwas oder jmdm. haben)."

Das Wörterverzeichnis sieht jedoch ausdrücklich vor, daß bei die Maske fallen lassen getrennt geschrieben werden muß, obwohl die ganze Wendung übertragen gebraucht wird. So auch ausdrücklich im Brockhaus-Wahrig: „die Maske fallen lassen übertr.“. In allen übrigen Fällen von „übertragener“ Bedeutung empfiehlt BW die Zusammenschreibung, aber die mechanisch wiederholte Begründung ist hier abwegig: „Bei übertragener Bedeutung empfiehlt sich die Zusammenschreibung. Sinnunterschiede können auf diese Weise bereits orthografisch angezeigt werden, und dem Lesenden wird das Textverständnis erleichtert: Wir sollten dieses Vorhaben fallenlassen.“
Niemand würde auf den Gedanken kommen, das Vorhaben, die Bemerkung usw. sei buchstäblich „gefallen“ wie eine Tasse (eine Tasse fallen lassen ist das einzige konkrete Gegenbeispiel).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2011 um 11.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18602

Wenn man wie Duden, Bertelsmann und eigentlich fast jedermann selbständig und selbstständig für verschiedene Schreibweisen desselben Wortes hält, obwohl ja schon der bloße Augenschein dagegen spricht, dann sollte man vom Brockhaus-Wahrig erwarten, daß er seine Empfehlung für selbstständig mit einem Hinweis auf seine statistischen Erhebungen begründet. Das geschieht aber nicht. Der Grund könnte sein, daß der Befund nicht in die erwünschte Richtung zeigt. Die Wortbildungsvariante selbstständig durchzusetzen scheint der gemeinsame Wunsch von Duden und Bertelsmann zu sein, vielleicht nur damit sich möglichst etwas Sichtbares ändert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2011 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18600

Kaum hatte ich meine Vision niedergeschrieben (siehe hier), stieß ich auf in Interview mit dem Medienpädagogen Stefan Aufenanger.

"Welche Vorteile haben digitale Veröffentlichungen gegenüber klassischen Büchern?"
" (...) Man muss nicht länger warten, bis eine neue Auflage gedruckt wird, sondern lädt sie sich aus dem Internet herunter. Denken Sie nur einmal an die Reform der deutschen Rechtschreibung im Jahr 1996 – wie schnell hätte man E-Books aktualisieren können!"

(Sigmar Salzburg hat den Text auch schon aufgegriffen: http://www.rechtschreibung.com/Forum/neueste_Eintraege.php)

Was für eine Auffassung von Rechtschreibung! Freilich bei einem Medienpädagogen nicht so überraschend. Trotzdem ist es schwer, keine Satire zu schreiben. Man könnte ja auch die politische Korrektheit auf diesem Wege durchsetzen. Die Kultusminister beschließen etwas, und am nächsten Morgen sind alle Texte angepaßt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2011 um 12.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18598

Das Ziel der 3 000 Empfehlungen kann ja nur sein, die nichtempfohlenen Schreibweisen allmählich auszuschalten. Nach dem Willen der Kultusminister sollen sie jedoch nicht als falsch angerechnet werden. Man braucht also weiterhin die Wörterbücher, um in jedem Falle festzustellen, ob ein nur Verstoß gegen die Empfehlung oder aber ein Verstoß gegen jede zulässige Schreibweise vorliegt.
Die empfohlenen Schreibweisen sind für sich genommen nicht lernbar. Aus den Hunderten einschlägiger Fälle greife ich nur diese Empfehlungen des Brockhaus-Wahrig heraus: spätgeboren, früh verstorben. Auch bei spät gebärend ist Zusammenschreibung möglich, aber das kommt nur im Kasten zu spät vor, und es gibt keine Empfehlung. frühblühend ist in keiner Schreibweise eingetragen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2011 um 12.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18597

Aus dem Internet:
„Nun gibt es eine kostenlose Rechtschreibprüfung auf duden.de. Das Bibliographische Institut, das seit Jahren den Duden herausgibt, erklärte jetzt, dass alle Informationen in bezug auf Rechtschreibung auf dieser Seite gesammelt werden sollen. Das bedeutet, dass Änderungen in den Rechtschreibregeln sofort übernommen werden. Die kostenlose Rechtschreibprüfung bleibt so immer auf dem neuesten Stand.“
Das ist in der Tat ein großer Fortschritt, denn täglich, ja stündlich kann sich die Rechtschreibung ändern! Zum Beispiel könnte "in bezug auf" wiederhergestellt werden, und dann wäre es wirklich gut, sofort reagieren zu können. Alle E-Bücher könnten in Sekundenbruchteilen umgestellt werden!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2011 um 08.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18595

Der Text von Zimmer war mir nicht bekannt. Er zeigt auch noch einmal, was für sonderbare Vorstellungen Zimmer über die Geschichte der deutschen Rechtschreibung hatte: "Als im Schriftdeutsch Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch alles drunter und drüber ging" usw.
Hat er denn nie Texte aus jener Zeit gelesen?

Zur Zahl der Bertelsmann-Ausgaben: Wie ich auf die "10. Ausgabe" gekommen bin, weiß ich nicht mehr, vielleicht durch die Zahlenfolge im Impressum. Reformierte Bertelsmann-Wörterbücher gibt es jedenfalls nicht so viele.

Im Rückblick stellt sich die Sache so dar, daß Bertelsmann bei Gelegenheit der Rechtschreibreform das Wörterbuchgeschäft an sich zu ziehen versuchte und immer noch versucht, mit wachsendem Erfolg. Duden ist kaputt, die Übernahme des Markennamens "Brockhaus" bedeutet vielleicht den endgültigen Sieg für den Bertelsmann-Konzern. Der Rechtschreibrat ist – nachdem früher in Kommission und Rat die Duden-Leute das Sagen hatten – heute weitgehend eine Bertelsmann-Veranstaltung, der Vorsitzende ist gleich mitübernommen worden.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.05.2011 um 21.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18593

Ist es eigentlich noch gültig, daß in der (bayerischen) Grundschule (4. Klasse) das Komma vor "und" und "oder" grundsätzlich verboten wird? (Gegen Vorschriften hilft bekanntlich keine Logik.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 05.05.2011 um 20.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18592

Als er mit »Knaurs Rechtschreibung« herauskam, hat sich Störig seinerzeit um eine Aufhebung des Duden-Privilegs bemüht, was die KMK aber abschmetterte. In der vermeintlich liberalen Zeit sprach sich Dieter Eduard Zimmer gleich gegen jedwede Konkurrenz aus: www.zeit.de/1973/42/konkurrenzunfug.
 
 

Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 05.05.2011 um 19.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18591

Es existieren sogar noch bei weitem mehr Ausgaben (wenn auch nicht Auflagen) dieses Wörterbuchs:

Seit der meistverkauften 1. Ausgabe hat sich das Wörterbuch von Bertelsmann in Hunderten von Fällen stillschweigend an das Leitwörterbuch Duden angeglichen – besonders in der 10. Ausgabe (nicht „Auflage“ – es war immer noch die erste!), die immerhin den winzigkleinen Vermerk „neu durchgesehen“ trägt. Mehr als eine Million Bertelsmann-Käufer wußten nicht, daß sie ein längst überholtes Wörterbuch besaßen.

Quelle: Ickler, Theodor (2001): Regelungsgewalt: Hintergründe der Rechtschreibreform. Sankt Goar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2011 um 18.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18590

Vielen Dank, Herr Dörner! Mir fehlt anscheinend der Wahrig von 2005 – obwohl ich ihn rezensiert habe. Vielleicht hatte ich ihn bloß ausgeliehen. Aber aus dem Jahre 1996 liegen mir drei leicht verschiedene Ausgaben vor, die zum Teil sozusagen heimlich überarbeitet worden waren, unter derselben ISBN-Nummer. Es gibt also mindestens 9 Reformwörterbücher von Bertelsmann – innerhalb von 15 Jahren!
 
 

Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 05.05.2011 um 16.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18589

Die Auflagennumerierung wird erstmalig bei der 7. Auflage (2009) angegeben, und zwar auf dem Einbanddeckel.

Die Erstauflage erschien 1973 unter dem Titel »Knaurs Rechtschreibung«. Obwohl das Werk damals den gleichzeitig erschienenen Rechtschreibduden (17. Auflage) an Umfang übertraf, keinesfalls schlechter war (auch wenn der Regelteil ein wenig knapp ausfiel) und günstiger angeboten wurde, konnte es sich aus naheliegenden Gründen nie gegen die Konkurrenz, welche »maßgebend in allen Zweifelsfällen« war, durchsetzen.

1996 kam das Wörterbuch als äußerst fehlerhafter und zunächst nur halb auf Reformschreibung umgestellter »Bertelsmann« wieder auf den Markt.

Die Auflagennummern sehen somit folgendermaßen aus:

1. Auflage: 1973 (Knaur)
2. Auflage: 1996 (Bertelsmann), auf Basis der amtlichen Regelung von 1996
3. Auflage: 1999 (Bertelsmann)
4. Auflage: 2002 (Wahrig)
5. Auflage: 2005 (Wahrig), auf Basis der amtlichen Regelung von 2004
6. Auflage: 2006 (Wahrig), auf Basis der amtlichen Regelung von 2006
7. Auflage: 2009 (Wahrig)
8. Auflage: 2011 (Brockhaus/Wahrig), auf Basis der amtlichen Regelung von 2006 mit den eingearbeiteten Ratsempfehlungen von 2010
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2011 um 15.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18588

Während sich der Duden (vor allem im Synonymwörterbuch) bis zur Lächerlichkeit auf die Politische Korrektheit eingelassen hat, spielt sie im Brockhaus-Wahrig praktisch keine Rolle. Es gibt einen Hinweis bei Neger und noch ein paar andere, aber Zigeuner und türken stehen einfach da, wie es sich ja für ein deskriptives Wörterbuch auch gehört. Der Negerkuß fehlt allerdings gänzlich, und das ist einer der vielen Punkte, an denen man die Berufung auf ein sagenhaft umfangreiches Textkorpus in Zweifel ziehen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2011 um 15.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18587

Der Brockhaus-Wahrig wird als "8. Auflage" bezeichnet, die Vorgänger tragen keine entsprechende Kennzeichnung. Seit Beginn der Reform 1996 sind nach meiner Zählung 7 verschiedene Auflagen von Bertelsmann (Wahrig usw.) erschienen und 5 verschiedene Duden. Jedenfalls stehen diese bei mir herum – habe ich richtig gezählt? Es ist in jedem Fall eine stolze Bilanz der Reformer.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2011 um 15.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18586

Wenn ich nichts übersehen habe, kommt die Großschreibung morgen Früh in keinem amtlichen Dokument vor, sondern ist eine Extrapolation der Wörterbuchmacher. Brockhaus/Wahrig schreibt unter diesem Stichwort:

„In Verbindung mit den genannten Zeitadverbien kann das Adjektiv früh auch als substantivische Tageszeit gesehen werden. Deshalb ist neben der üblichen Kleinschreibung auch die Großschreibung zulässig: morgen früh/Früh. Im Schreibgebrauch ist die Großschreibung allerdings kaum belegt.“

Das Adjektiv kann auch als substantivische Tageszeit gesehen werden! Man muß es sich auf der Zunge zergehen lassen.

Kap Verde soll auf dem ersten Wort betont werden (in der phonetischen Transkription dagegen auf dem zweiten).
Warum jedesmal immer noch verboten ist, keinmal aber nicht, geht aus dem Kasten zu mal/Mal nicht hervor. Es soll zusammengeschrieben werden, „wenn Wortart, Wortform oder Bedeutung der einzelnen Bestandteile nicht mehr erkennbar ist“. Wieso folgt daraus diesmal, keinmal, aber jedes Mal?

Unter Marathon laufen wird nicht klar, ob tatsächlich, wie das amtlichen Regelwerk es vorsieht, auch marathonlaufen als untrennbare Zusammensetzung möglich sein soll. Der Eintrag zum Stichwort selbst behauptet:" marathonlaufen oder Marathon laufen, aber nur: er läuft Marathon". Nach § 33 des Regelwerks müßte er marathonläuft zulässig sein. Dies ist ja das Kriterium der untrennbare Zusammensetzungen.(Ebenso: sie brustschwimmt usw.) Vgl. die Handreichung des Rates und meinen Kommentar dazu.
Es wird zwar zutreffend dargestellt, daß das meinige neuerdings auch klein geschrieben werden darf, aber eine Begründung bietet auch der betreffende Kasten nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2011 um 05.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18585

Brockhaus-Wahrig und Duden lassen sich nicht zusammenführen, da sie nicht nur in (wichtigen!) Einzelheiten wie Dienstagabend/Dienstag Abend die Regeln verschieden auslegen, sondern auch mit den Empfehlungen grundsätzlich andere Wege beschreiten. Der Duden verfolgt bei der GZS die rigorose Linie der Reformer um Schaeder: sitzen bleiben – egal, ob wörtlich oder übertragen: „Die Grundregel, nach der zwei Verben getrennt geschrieben werden, ist so eindeutig und einfach, dass wir ihre Anwendung auch bei übertragenem Gebrauch empfehlen.“ Dagegen will Brockhaus-Wahrig – noch über den Stand vor der Reform hinaus – so viele Unterscheidungsschreibungen wie möglich einführen: „Bei übertragener Bedeutung empfiehlt sich die Zusammenschreibung. Sinnunterschiede können auf diese Weise bereits orthografisch aufgezeigt werden, und dem Lesenden wird das Textverständnis erleichtert.“

Übrigens: Daß der gedruckte Duden einmal vom Markt verschwinden könnte, war so lange nicht denkbar, wie "Wahrig" der Name des Konkurrenten war. Aber unter dem Titel "Brockhaus" könnte es gelingen, die Ära Duden zu beenden. Das kostenlose Online-Angebot des Duden ist ein weiterer Schritt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.05.2011 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18582

Anmerkungen zu Brockhaus-Wahrig, Die deutsche Rechtschreibung (Gütersloh/München 2011)

Die nichtreformierten Schreibweisen sind noch vorhanden, sofern sich durch die Neuregelung die alphabetische Reihenfolge geändert hat, und werden als „alt“ gekennzeichnet.
Die amtliche Regelung ist weiterhin abgedruckt.
In den Benutzungshinweisen wird der Rechtschreibrat als verbindliche zwischenstaatliche Instanz bezeichnet. Laut Statut gehört aber zu den Aufgaben des Rechtschreibrates nur „die Erarbeitung und wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache. Diese Vorschläge sind den zuständigen staatlichen Stellen in den regelmäßigen Berichten nach Ziff. 3.5 vorzulegen und zu begründen.“
Dieses Statut ist bisher nicht geändert worden.
Außerdem ist dort von den im Dezember 2010 „beschlossenen Änderungen“ die Rede; im Abschlußbericht sind aber nur Vorschläge unterbreitet, von einer neuen Beschlußlage der KMK ist nichts bekannt geworden. „Wahrig Die deutsche Rechtschreibung führt alle verbindlichen Schreibungen der aktuellen Regelung des Rats für deutsche Rechtschreibung 2011 vollständig auf.“
Was ist das für eine Regelung? Gibt es etwa eine Neuausgabe des amtlichen Regelwerks, von der die Öffentlichkeit nichts erfahren hat?
Klaus Heller ist jetzt Mitglied der Redaktion, vorher war er wissenschaftlicher Berater. Als Berater ist immer noch Lutz Götze erwähnt, weiterhin mit dem diskriminierenden Hinweis: „Er war Herausgeber der Neuausgabe 1996 unter dem Titel 'Bertelsmann Die neue deutsche Rechtschreibung', die von ihm völlig neu bearbeitet und erweitert wurde.“ Der Verlag vertraut wohl darauf, daß sich die Leute nicht mehr an dieses extrem fehlerhafte Werk erinnern.

Brockhaus-Wahrig gibt nun durchgehend Empfehlungen (blau unterlegt): „Empfehlungen für eine Schreibweise werden aus Gründen der Systematik in allen Fällen gegeben.“ Es sollen rund 3000 sein, denn so viele Varianten enthält das Wörterbuch. Das entspricht dem 2006 erschienenen „Wahrig kompakt: Ein Wort – Eine Schreibung“. Die Flut von Varianten, eine Folge der Reform, bedeuten entgegen der Reformpropaganda keine Liberalisierung und Erleichterung, da man nicht vorhersagen kann, an welchen Stellen sie auftreten. Genau dies ist der Grund, warum sie nun durch eigenmächtige Empfehlungen der Wörterbuchverlage wieder eingedämmt werden sollen – eine Aufgabe, zu der sich der Rechtschreibrat bisher nicht durchringen konnte. Zwischen Duden und Bertelsmann gibt es bisher aber auch keine Einigkeit. Nach früheren Zählungen stimmten nur 2000 von den 3000 Empfehlungen überein.
Als Duden mit seinen 3000 Empfehlungen voranging, war der Ratsvorsitzende Zehetmair noch sehr erzürnt. Zum neuen Wahrig hat er sein rühmendes Vorwort geschrieben, das ausdrücklich auch die Empfehlungen lobend hervorhebt.
Die Empfehlungen stützen sich auf die „Analyse des Schreibgebrauchs“. Diese oft wiederholte Formel soll dem Werk einen empirischen Anstrich geben, ganz in Übereinstimmung mit der erklärten Aufgabe des Rechtschreibrates, die Sprachentwicklung zu beobachten. Allerdings ist der Schreibgebrauch inzwischen durch die Rechtschreibreform in ihren verschiedenen Versionen gesteuert, besonders wirksam durch die Reform von 1996, die vor den wenig beachteten Revisionen in die Presseorthographie Eingang gefunden hat. Unabhängig von der Intuition der Schreibenden sorgen Textprogramme und interne Festlegungen der Agenturen und Zeitungen dafür, daß die Befunde in Richtung der Reformschreibungen verschoben sind. Zu erforschen bleiben da nur noch die Abweichungen von der amtlichen Vorschrift, denn nur sie entsprechen zweifelsfrei der Intuition.

Die alte, seit je umstrittene Getrennt- und Zusammenschreibung bei Verbzusatzkonstruktionen in wörtlicher und übertragener Bedeutung (sitzenbleiben usw.) wird exzessiv ausgebaut. So empfiehlt Wahrig (wie schon in den vorigen Ausgaben) wach rütteln in wörtlicher Bedeutung getrennt zu schreiben, in übertragener zusammen. Der blau unterlegte Kasten dazu ist erheblich erweitert (fast eine ganze Spalte) und findet sich mit ähnlichem Inhalt an vielen Stellen.
Erstaunlich ist die durchgehende Bevorzugung der Zusammenschreibung von Verbindungen wie grellbeleuchtet. In solchen Fällen findet sich nicht einmal ein Hinweis auf die alte betonungsabhängige Unterscheidung: die grellbeleuchtete Bühne vs. die Bühne war grell beleuchtet. So wird auch frühverstorben empfohlen, während der alte Duden stets mit Recht auf den prädikativen, nichtklassifizierenden Gebrauch mit entsprechender Betonung hingewiesen hatte: der frühverstorbene Schubert/Schubert ist früh verstorben.
Auch in anderen Bereichen ist die Unterscheidungsschreibung weiter getrieben als je im alten Duden.
Die Zusammenschreibung von bankrottgehen wird mit dem „neuen Sinn (Idiomatisierung)“ begründet. Aber bankrott hat, wie ausdrücklich eingetragen ist, die Bedeutung „zahlungsunfähig“, und die Verbindung mit gehen (statt werden) kann auch nicht als einzigartig angesehen werden; der gesamte Komplex hat also eine ganz unidiomatische Bedeutung, gerade in dem angeführten Beispielsatz: Er geht davon aus, dass die Firma bald bankrottgeht. (Duden hat bankrottgehen überhaupt nicht.)
ewiggestrig ist inzwischen nachgetragen, die Fritfliege nicht. Das amtliche Regelwerk ist also entgegen der Behauptung in den Benutzungshinweisen nicht vollständig eingearbeitet.

„In der Regel werden Adjektive auch in festen Verbindungen mit Substantiven kleingeschrieben: der dritte Stand. In Eigennamen hingegen schreibt man Substantive groß: Ludwig der Dritte, das Dritte Reich, die Dritte Welt.“
Aber wie verträgt sich damit die Empfehlung Schwarzes Brett? Der Kasten dort erläutert, daß es sich um eine übertragene, idiomatische Bedeutung handele. Das ist allerdings bei „festen Wendungen“ nicht selten. Weitere Komplikationen ergeben sich durch die Fachsprachen, die hier „uneinheitlich“ verfahren, vgl. Kasten zu graue Zellen (grauer Star). Auch die Aktuelle Stunde (im Bundestag usw.) soll wegen Fachsprachlichkeit groß geschrieben werden. Es fehlt eben seit Beginn der Reform der Begriff des Nominationsstereotyps; die Reformer um Nerius haben sich mit dem Kriterium des Eigennamens abgemüht, was natürlich nicht zu einer sachgerechten Lösung führen konnte.
Spiritus Rector soll nur so geschrieben werden dagegen Agent provocateur oder Provocateur. (Und das soll man lernen?)
Bei recht haben/Recht haben wird die Großschreibung empfohlen. „Aus Analysen zum Schreibgebrauch geht hervor, dass die Wahl dort, wo Groß- und Kleinschreibung möglich sind, wesentlich häufiger auf die Großschreibung fällt.“ Das ist ein Beispiel dafür, daß der Schreibgebrauch bereits durch die Reform gesteuert ist. Die Redaktion äußert sich nicht zu Fällen wie du hast ganz Recht und wie Recht zu doch hattest!, führt auch keine solchen Beispiele an. Übrigens stehen alle Beispiele mit neuer Großschreibung unter dem Adjektiv recht, nicht unter dem Substantiv Recht, wie es ja nach den eigenen Vorgaben sein sollte.

Noch immer ist bei Trichine usw. irrigerweise der ach-Laut statt des ich-Lautes angegeben.
Das Wörterbuch kennt Justitium und Justizium (empfohlen), aber nur Solstitium, obwohl es ebenso gebildet und Solstiz durchaus üblich ist.
„Da die Verbindung von braun und gebrannt gemäß Schreibgebrauch als zusammengehöriges Adjektiv empfunden wird, empfiehlt sich hier die Zusammenschreibung.“
(Außer der Zirkelhaftigkeit stört der Ausdruck „zusammengehörig“, es müßte „zusammengesetzt“ heißen.)
großschreiben soll deshalb zusammengeschrieben werden, weil „mit großem Anfangsbuchstaben schreiben“ eine übertragene Bedeutung sei. Demnach wäre Großbuchstabe auch schon eine übertragene Verwendung, obwohl die Großbuchstaben normalerweise tatsächlich größer sind. Der Unterschied besteht nur darin, daß nicht das ganze Wort, sondern nur der erste Buchstabe groß geschrieben wird – und das soll „übertragen“ sein? Ebenso soll aber in Fällen wie Sauberkeit wird hier großgeschrieben zusammengeschrieben werden. Die Redaktion subsumiert auch dies unter übertragene Bedeutung, obwohl es etwas ganz anderes ist als der erste Fall: es ist nämlich die übertragene Bedeutung des eigentlich getrennt zu schreibenden groß schreiben im Sinne von ‚mit großer Schrift schreiben‘. In Wirklichkeit war großschreiben/kleinschreiben einfach ein Fehler der Reformer, und darum wird nun herumgeredet, als gäbe es den Schein einer Begründung.
„Den auf das Substantiv Preis zurückgehenden ersten Teil der Fügung preisgeben schreibt man auch in getrennter Satzstellung klein.“ (Ähnlich unter „Desubstantivierungen“ in der „Grammatik im Überblick“.) preisgeben (nach frz. donner prise) hat mit Preis (lat. pretium) nichts zu tun.
Für dagewesen, einen erratischen Eintrag im amtlichen Wörterverzeichnis, wird ausdrücklich behauptet, nach § 36 2.1 sei hier auch Zusammenschreibung möglich, und sie wird sogar empfohlen. Aber das widerspricht dem § 35, der in durchaus prominenter Weise ausschließlich die Verbindungen mit sein regelt und ausnahmslos Getrenntschreibung festlegt.
Empfohlen werden:gleich gelagert, gleichgeartet, gleich beschaffen, gleichgesinnt. In diesen Fällen verzichtet das Wörterbuch auf eine Begründung.
Das Wörterbuch gibt Dienstag Abend usw. als allein gültige Schreibweise an, wenn der Artikel fehlt: Wir treffen uns Dienstag Abend (aber: am Dienstagabend usw.). Dafür gibt es im amtlichen Regelwerk keinerlei Anzeichen. Die Großschreibung der Tageszeit wird dort ausschließlich in Verbindung mit Adverbien wie heute, gestern, morgen angesetzt (schon nicht mehr mit neulich – diese Frage bleibt wie bisher offen). Die Großschreibung des Adjektivs (!) früh wird in solchen Verbindungen für zulässig erklärt, der notwendige Bezug auf die Früh(e) jedoch nicht hergestellt. Das amtliche Regelwerk weiß davon ohnehin nichts. Duden schreibt vor Sie kommt Dienstagabend. Es ist erstaunlich, daß selbst nach jahrelanger Zusammenarbeit im Rechtschreibrat die beiden großen Wörterbücher in einer so zentralen Frage nicht zu übereinstimmender Auslegung des Regelwerks gelangen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2011 um 16.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18577

Duden teilt auf Anfrage mit:

"Das amtliche Wörterverzeichnis ist noch auf dem Stand von 2006. Wir haben zwar die Neuerungen im Duden-online-Wörterbuch berücksichtigt (unter www.duden.de), sehen aber wegen der Geringfügigkeit der Veränderungen keine Notwendigkeit für kurzfristige Neuauflagen unserer Wörterbücher. Die neu nicht mehr gewünschten Schreibvarianten hat ohnehin niemand verwendet, der nach den Duden-Empfehlungen schreibt."

Diese Argumentation scheint mir nicht unberechtigt. Das amtliche Regelwerk nebst Wörterverzeichnis ist in der Tat noch nicht geändert worden. Interne Mitteilungen der KMK an die Mitglieder des Rechtschreibrates können für Wörterbuchverlage nicht verbindlich sein. Ich werde mich nun noch an die KMK wenden, um dieses Problem zu klären, und melde mich dann wieder.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2011 um 10.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18568

Inzwischen ist der Rechtschreibduden auf der Verlags-Website wieder auffindbar, das scheint gestern nur eine vorübergehende Sache gewesen zu sein. Aber gültig ist er nicht mehr.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2011 um 10.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18567

Bei der ZEIT kann man Scrabble spielen:
„Es gelten nur Wörter, die im Duden, »Die deutsche Rechtschreibung«, 25. Auflage, verzeichnet sind, sowie deren Beugungsformen.“ (http://www.zeit.de/2011/18/Spiele-Scrabble-18)
Der Duden ist aber doch gar nicht mehr gültig, denn er hat die "Beschlüsse von 2011" noch nicht aufgenommen ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.04.2011 um 09.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18559

Was ist eigentlich bei Dudens los? Wenn ich
http://www.duden.de/deutsche_sprache/index.php?nid=225
anklicke, werden die Rechtschreibung und andere Produkte "nicht gefunden". Hat das Ende begonnen?
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 27.04.2011 um 14.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18553

Die Antwort ist in der Tat rätselhaft. Wie will die Wahrig-Redaktion eine Bestätigung vorweggenommen haben können, die sie erst vor einem Monat erhielt? Die Sache nimmt nur dann Sinn an, wenn man die von der KMK im Dezember eingeräumte "Entscheidungskompetenz über kleinere Veränderungen des Wörterverzeichnisses" als Ermächtigung zu den Änderungen bei einigen Varianten (keine "Maläse" mehr, dafür "Clementinen") versteht, die der Rat zu diesem Zeitpunkt jedoch nur als "Empfehlungen" hatte unterbreiten können. In seiner März-Sitzung hätte er dann lediglich formell die Umwandlung der Empfehlungen in einen Beschluß vollzogen und damit die Wirksamkeit der kultusministeriellen Bestätigung hergestellt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.04.2011 um 13.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18552

Auf meine Nachfrage wegen der "Beschlüsse 2011" antwortet Bertelsmann:

»Der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ hat im Juli 2010 Beschlüsse gefasst, die in die „Empfehlungen des Rats vom Dezember 2010“ eingegangen sind. Diese können Sie z. B. auf der Internetseite des Rats unter „Ratsempfehlungen“ einsehen. Die Beschlüsse enthalten Variantenstreichungen sowie die Zulassung einiger neuer Varianten. Die Empfehlungen sind von der KMK auf der konstituierenden Sitzung der 2. Amtsperiode des Rats im März 2011 bestätigt worden.
 
Da die WAHRIG-Redaktion Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung ist, konnten die Empfehlungen in die Neuausgabe von „Brockhaus WAHRIG Die deutsche Rechtschreibung“ bereits eingehen, s. dazu auch S. 8 der „Hinweise zur Benutzung“.«

Das sind Vorgänge, von denen die Öffentlichkeit, soweit ich sehe, nichts erfahren hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2011 um 08.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18498

Ebenfalls aus der Werbung für "Brockhaus-Wahrig":

"Schief liegen und schiefliegen – Kennen Sie den Unterschied zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung? Damit Sie garantiert die richtige Schreibweise anwenden, erhalten Sie in den blauen Infokästen wertvolle Tipps, mit denen Sie sprachlich nicht schiefliegen."

Nun, das ist Duden 1991. Sinnfälliger kann man nicht zeigen, was die Reform gebracht hat!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2011 um 08.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#18497

"Unter der Dachmarke Brockhaus erscheint der Klassiker in neuem Layout, grundlegend erweitert auf rund 140.000 Einträge und topaktuell – auf der Basis der Beschlüsse des Rats für deutsche Rechtschreibung 2011." (Aus der Verlagswerbung für die Neuausgabe der Rechtschreibung)

Nanu? Hat der Rat 2011 schon wieder etwas beschlossen? Die letzten Beschlüsse waren doch 2006 – aber das liegt schon so lange zurück, daß der reformgestählte Kunde es für nicht mehr aktuell halten dürfte. Die Täuschung geht weiter.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 07.02.2011 um 07.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#17969

Vom sechsbändigen Brockhaus-Wahrig hätte ich ein vollständiges Exemplar abzugeben. Bei Interesse bitte melden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.02.2011 um 09.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#17937

Aus dem Interview:
„Wir zweifeln nicht an der Zukunft von Brockhaus, sind aber überzeugt davon, dass wir der Marke neues Leben einhauchen und sie modernisieren können. Die Marke ist so tief in der Gesellschaft verankert und mit Werten wie Zuverlässigkeit und Kompetenz verknüpft, dass ich zuversichtlich bin, dass eine solche Neupositionierung gelingt.“ (Hünermann)

Ja, wenn es noch genug Menschen gäbe, die solche Werte schätzen! Und dann wäre immer noch unsicher, ob nicht im Internet ebenfalls zuverlässige Information zu finden ist.
Wer erhebt sich vom Schreibtisch, um den Brockhaus aus dem Regal zu holen, wenn er nach einem Klick auch gut bedient wird?

Also ich glaube nicht, daß es zu der angekündigten Print-Ausgabe kommen wird. Die Ankündigung selbst mit ihrem Hinweis auf ein Book-on-demand-Unternehmen ist ja auch schon ein halber Rückzug.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.02.2011 um 08.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#17928

Im Buchreport sind zwei interessante Beiträge erschienen:

brockhaus-ist-nicht-mehr-klar-positioniert.htm

die-suchmaschine-ist-der-brockhaus-von-heute.htm
 
 

Kommentar von K.Bochem, verfaßt am 22.01.2011 um 01.52 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#17870

"Kommerz- und Marketingsprache"

Diese Texte kommen mir vor wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Man will schlichtweg ignorieren, daß Fusionen selten die erhofften wirtschaftlichen - und schon gar nicht bildungsträchtigen - Wirkungen hervorbringen.
 
 

Kommentar von Kurt Albert, verfaßt am 21.01.2011 um 18.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#17869

"Sprach-Brockhaus" ...? Durchaus, ich vermisse ihn. Ebenso das "Deutsche Wörterbuch" von Brockhaus-Wahrig (!!) aus den 80er Jahren, es wird nicht wiederkommen.

Allgemein: Die obwaltende Kommerz- und Marketingsprache demonstriert, wie Buchproduktion und -vermarktung funktionieren ("Allianz", "Premium-" und "Dachmarke", "Strategie", "erweiterte Serviceangebote", "exklusive Online-Angebote" etc.).
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.01.2011 um 23.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#17867

Ob sich noch jemand an den Sprach-Brockhaus erinnert?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2011 um 18.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1405#17864

Buchreport:

Wissenmedia führt Wahrig- und Brockhaus-Marken zusammen

Duale Strategie

Zwei Jahre nach der Übernahme der Brockhaus-Marke und Substanzen verlängert die Bertelsmann-Tochter Wissenmedia die Traditionsmarke. Künftig soll auch auf den Wahrig-Wörterbüchern das Lexika-Logo erscheinen.

Die Zusammenführung der beiden Premiummarken – Dachmarke ist Brockhaus – wird mit dem Frühjahrsprogramm umgesetzt. „Wir entwickeln das Brockhaus-Programm konsequent weiter in Richtung Wissen, Lernen, Bildung“, begründet Wissenmedia-Geschäftsführer Christoph Hünermann die Programmentscheidung in einer Pressemitteilung.

Das Wahrig-Frühjahrsprogramm 2011 umfasst fünf Titel, darunter der Top-Titel „Die deutsche Rechtschreibung“.
 
 

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