Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag
Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben
05.10.2010
Weltuntergang steht bevor!
Die Kunst der Übertreibung
Zum Stuttgarter Bahnhofsprojekt kann ich nichts sagen, es wäre auch unpassend. Aber wenn Bahnchef Grube sagt, nach einer Absage an Stuttgart 21 wäre überhaupt kein Großprojekt in Deutschland mehr möglich, dann zieht er dasselbe Register, das sich schon so oft als mißtönend erwiesen hat.
Kultusminister Meyer hat als KMK-Präsident seinerzeit gesagt, die Rechtschreibreform sei ein Test auf die Reformfähigkeit der Deutschen. Stoiber äußerte sich ähnlich, und die Journaille stimmte teilweise zu. Nun, wir haben die Reform und die Reform der Reform und die Reform der Reform der Reform bekommen und werden auch die nächste hinnehmen. Insofern hat Deutschland den Test bestanden. Ähnlich aufgebauscht waren der Schnelle Brüter und die Wackersdorfer Anlage und die Transrapidstrecke in Deutschland – alles Windeier. Es ist immer dasselbe: einen Plan machen und sofort behaupten, es gebe keine Alternative.
Diesen Beitrag drucken.
Kommentare zu »Weltuntergang steht bevor!« |
Kommentar schreiben | neueste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben |
Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.10.2010 um 10.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16853
|
Grundsätzlich ja. Aber bei der Rechtschreibreform waren die Fronten noch viel krasser: die breite Mehrheit der Bevölkerung dagegen, alle Parteien dafür. Alle Argumente auf der Seite der Gegner, null Vorteile der Reform – das sieht bei Stuttgart 21 etwas anders aus. Die Rechtschreibreform hatte im Jahr 1996 auch keine über 10-jährige Projektphase, in der alle möglichen Unternehmen mit Verträgen im Milliardenumfang bereits eingebunden gewesen wären; stattdessen wurde das in Hinterzimmern schlampig zusammengeschusterte Projekt einer überraschten Öffentlichkeit überfallartig aufgenötigt, noch bevor sich irgend jemand ein genaueres Bild vom Inhalt und den Auswirkungen hätte machen können. Zudem war bei der Rechtschreibreform die gesamte Bevölkerung im deutschsprachigen Raum betroffen, was man von einer Baustelle in Stuttgart nicht behaupten kann. Und wer ist für große Infrastrukturprojekte zuständig? Sie werden sinnvollerweise nicht unmittelbar von Bürgergruppen, sondern von der Regierung und/oder ihrem Verwaltungsapparat beschlossen, organisiert und durchgeführt: Das kann man wiederum von sprachlichen Strukturen nicht sagen.
Fazit: Wenn die Bevölkerung bei der Rechtschreibreform nichts zu melden hatte, dann hat sie erst recht bei Stuttgart 21 nicht zu stören. Oder besser umgekehrt: Wenn man geneigt ist, den Bürgerprotest bei Stuttgart 21 durchaus ernst zu nehmen, dann hätte es die Rechtschreibreform nie und nimmer geben dürfen.
Vielleicht hätten wir uns mit Trillerpfeifen, Rasseln und Trommeln versammeln sollen. Aber wo? In Mannheim? In den Gängen der Parlamente? Vor den Privatwohnungen der Kultusminister? An den Verlagssitzen? Überall? Da haben es die Stuttgarter leichter: Sie versammeln sich in der Nähe des Bahnhofs, und die Fensehteams wissen, wo sie filmen müssen.
|
Kommentar von M. Schuchardt, verfaßt am 05.10.2010 um 10.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16854
|
Ich kann die Meinung nur teilweise teilen. Ich habe ja vor einigen Jahren an Walter Kempowski einen Brief geschrieben und ihm vorgeworfen, daß sich die Schriftsteller u. a. zu spät gegen die Reform gestellt hätten. In seiner Antwort hat er das empört zurückgewiesen. Und er hatte recht. Aber wie ist das gewesen?
Da haben kluge Leute wohlbegründete Briefe an die Kultusminister, die KMK und Leserbriefe u. ä. verfaßt. Des weiteren hat man in Schleswig-Holstein in der rechtlich dafür vorgesehen Weise eine Volksbefragung initiiert. Anderswo ist man damit gescheitert – aus unterschiedlichen Gründen. Die Bevölkerung hat leise gemurrt, sich aber schließlich damit abgefunden. Mehrere Re-Reformen haben stattgefunden, die man auch geschluckt hat. Ende.
Wie war es dagegen bei Wackersdorf und ähnlichen Bauprojekten? Eine von politischen Kräften (Grüne, Links-SPD u. a.) getragene "Bewegung" blockierte die Zufahrten, Anschläge auf Strommasten wurden verübt. Es kam zu bürgerkriegsartigen Zuständen an den Baustellen. Die Presse kritisierte die "überzogene" Gewalt gegen "friedliche Demonstranten". Eine sachliche Auseinandersetzung habe ich nirgends gesehen.
Hätten die RSR-Gegner die gleichen Mittel angewandt, dann wären sie erfolgreich gewesen. Darüber hinaus gibt es für die kritisierten Baumaßnahmen (ob Stuttgart 21 oder Wackersdorf ist egal) eine rechtliche Grundlage, daß der Staat so etwas machen kann, weil gewählte Parlamente dafür zuständig waren und es beschlossen haben. Bei der RSR dagegen ist das nicht der Fall.
Die Erkenntnis lautet: unser glorreicher Rechtsstaat geht vor der Gewalt genauso in die Knie wie die vielgescholtene Weimarer Republik. Insofern muß ich Herrn Grube recht geben.
|
Kommentar von M. Schuchardt, verfaßt am 05.10.2010 um 11.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16855
|
"Wenn man geneigt ist, den Bürgerprotest bei Stuttgart 21 durchaus ernst zu nehmen, dann hätte es die Rechtschreibreform nie und nimmer geben dürfen."
Das trifft es auf den Punkt.
Über ein Medikament und andere hochkomplizierte Sachen können nur Sachverständige entscheiden. Diese müssen von Politikern gehört werden und dann muß entschieden werden. Oder anders: ob die Mondrakete, die W. v. Braun zum Mond schicken wollte, fliegen würde oder nicht, ließ sich nicht per Volksentscheid klären. Aber bei der Sprache ist das anders: Lesen und Schreiben können die allermeisten (noch).
|
Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.10.2010 um 11.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16856
|
Immer weniger Deutsche gehen wählen, jedes Jahr sinken die Wahlbeteiligungen noch tiefer. Statt dessen wachen die Leute plötzlich auf, wenn ein Bahnhof gebaut werden soll. Da werden dann die von den Wenigen gewählten Volksvertreter noch mal niedergemacht und ihnen ihre Legitimation abgesprochen. Schüler dürfen zwar noch nicht wählen, aber bei den Massenaufläufen zur Verhinderung demokratisch zustandegekommener Entscheidungen kann man sie ja trefflich mit einspannen. Zumindest das erinnert auch an die Geiselnahme von Schülern zur Durchsetzung der Rechtschreibreform. Ich bezweifle, daß die meisten Demonstranten überhaupt wissen, weshalb sie dagegen sind. Hauptsache dagegen, und immer gegen die Regierung, denn die Politiker sind ja sowieso blöd.
Schaffen wir doch Parlament und Regierungen ab und machen jede Woche eine Demo. Wer die meisten Kinder mitbringt, hat die meisten Stimmen.
|
Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.10.2010 um 11.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16858
|
Ich meine, man versucht, demokratisch zustandegekommene Entscheidungen mit dem gleichen Mittel zu verhindern, mit dem man eine undemokratisch zustandegekommene Reform durchgesetzt hat.
"Deutschland schafft sich ab" hat gerade jemand geschrieben. Die Leute kaufen das Buch wie verrückt, aber kapiert haben sie es noch nicht.
|
Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 05.10.2010 um 12.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16859
|
Ist es aber nicht im Vorfeld stets die falsche (millionenschwere) Information?
In Dresden bei der "Waldschlösschenbrücke" lief dasselbe ab, was in Stuttgart und auch hier sich gerade in München abspielt.
Bei uns in München soll ein zweiter S-Bahn-Tunnel durch die ganze Stadt gezogen werden, Alternativen wurden "geprüft" (3 der 4 Gutachter sind zufälligerweise involvierte Firmen vom Tunnelprojekt) und siehe da: die Alternative wäre die "teuerste Bahnstrecke der Welt" (Ring um München, überirdisch und genau das, was man hier braucht, anstatt immer den Umweg über die Stadt zu nehmen, einen Außenstadtring) geworden, na so was, wie kann das sein?!
Also überzogene, falsch berechnete Kosten bei dem, was man braucht und ein echtes Schnäppchen, was niemand braucht, aber gewollt war. Kostennutzenrelation, mal ausnahmsweise vom Superstar Ude. Läppische 4 Milliarden übrigens, Kostenvoranschlag. (Die überflüssige "Polierung" an der Münchner Freiheit, kaputt; Marienplatz, das ist jetzt wirklich der teuerste U-Bahnhof der Welt, Wasserlecks an allen Ecken; Stachus, öffentlicher Eigentum verschachert, jetzt seit Jahren Baustelle, unfertig und kaputt an allen Ecken.)
Ich sehe also durchaus Parallelen, der politischen Vorgänge, wenn man so will.
Hier möchte ich insbesondere Herrn Manfred Riemer widersprechen, denn im Vorfeld lief es ähnlich wie in Dresden, nur, daß diese dann nicht mehr demonstriert haben. In München wird das gebaut, Punkt, egal, was wir hier in München dazu sagen. Hieraus entsteht Politikverdrossenheit, nicht umgekehrt. Die DDR ist untergegangen, weil alle Leute auf ungenehmigte Demos gingen, das war sehr riskant damals. Und wer hat denn auf die Schüler gehört in Stuttgart, haben Sie mal nachgefragt? War es nicht gerade einmal wieder die SPD, die das ganze hofiert und gepriesen haben (Zukunft Bahn und blabla)?! Und mit falschen Berechnungen gewürzt usf. Eines ist klar, wird das gebaut, steht denen das Trinkwasser bis zum Kragen, und es wird sehr, sehr teuer werden. Also bitte nicht Ursache und Wirkung verwechseln und sachlich dabei bleiben. Die Schüler können beileibe nichts dafür, das ist aber kein Grund, so und ohne Sicherheitsmaßnahmen (Rettungsfahrzeuge etc.) vorzugehen. In Bayern haben die Münchner ja eine Volksabstimmung wegen der Magnetbahn unternehmen und alles erreichen können (obwohl ich diese Entscheidung für einen Schildbürgerstreich halte, finde ich das in Ordnung, auch das ist Demokratie).
Und wegen dem Buch: sie kaufen das, weil sie informiert werden möchten, das ist der einzige Grund, niemand hat bisher über dieses Thema mit realen Zahlen geredet. Es sollen also nicht die schimpfen, die es unterlassen haben. Deswegen muß ich ja das Buch nicht für gut heißen. Aber die Sogwirkung ist mir plausibel. Jetzt sind es also wieder die blöden Leser! Oder die "Verführten" und so ein Schmarrn. Es ist leider eine Unterstellung, daß die Leute nichts kapiert haben, die "Leute" haben Angst und fühlen sich nicht wohl, nicht wahrgenommen. Ich finde diese Art der Argumentation wie die ganze Stimmung drumherum höchst gefährlich mittlerweilen, und nicht nur ich, lesen Sie dazu mal im Spiegel die Kommentare! Selbst in der taz.
Tut mir leid, wenn ich etwas aus der Fassung geraten bin, es war nicht gegen Sie, Herr Manfred Riemer, persönlich gerichtet.
|
Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 16.10.2010 um 17.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16924
|
Kleines Nachhaken: Warum erinnert mich das an die Rechtschreibreform, wo bleibt die sachliche Ebene, wo die angebrachte Netiquette?
Sachebene zum Nachdenken:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/4247/stuttgart-21-der-bahnhof-den-niemand
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2010 um 14.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16948
|
Eine verblüffene Parallele drängt sich auf, wenn man den gründlich recherchierten Artikel von Andreas Zielcke in der SZ vom 19.10.10 liest. Leider steht er nicht im Netz, ich zitiere nur ganz wenig:
„Wann also konnten die Bürger frühestens mitreden? Nachdem interne Planspiele diverser Ingenieurbüros vorausgegangen waren, erblickte Stuttgart 21 am 18. April 1994 das politische Tageslicht. An diesem Tag gaben der Bahnchef, der Oberbürgermeister, der Ministerpräsident, der Bundes- und der Landesverkehrsminister eine 'kurzfristig anberaumte Pressekonferenz' in Stuttgart. Wie es ein Reporter damals beschrieb, war den Herrschaften 'eine diebische Freude über ihren geglückten Überraschungscoup anzumerken'. Denn 'unbemerkt von der Öffentlichkeit hatten sie ihre konzertierte Aktion seit längerem vorbereitet'. Nun aber lüftete sie den Vorhang und gaben ihren Plan bekannt, 'Stuttgart für Fernzüge zu untertunneln und einen achtgleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu errichten'.“ (Andreas Zielcke: „Geistige Kessellage“, SZ 19.10.10)
Es wird dann noch gezeigt, wie gleichmütig die Bürger die Berichte hinnahmen, auch weil die Verwirklichung noch in weiter Ferne zu liegen schien.
Wer sich diesen Beitrag noch besorgen kann, sollte ihn lesen, es lohnt sich! (Gerade weil Zielcke selbst keinen Vergleich zieht.)
|
Kommentar von Peter Küsel, verfaßt am 20.10.2010 um 15.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16950
|
Der Artikel steht im Netz, hier: http://tinyurl.com/3akhpyd (2. Seite)
Und er ist passenderweise aufgemacht mit einem Foto, auf dem Demonstranten ein Schild hochhalten mit dem Text: Kopf bleibt Oben.
|
Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.10.2010 um 00.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16951
|
Der Artikel endet so:
"Wer weiß, ob Stuttgart 21 nicht die beste Lösung ist. Doch der vorausgehende Hauruck-Prozess hat sie demokratisch auf Dauer diskreditiert. Nicht richtige Entscheidungen, sondern richtige Verfahren befrieden."
Kratzbaum hat da ein sehr gutes Argument: Die Schweizer können vorher abstimmen, wogegen sollten sie später noch demonstrieren? Sehr richtig, und ich würde natürlich auch zu Volksabstimmungen gehen, wenn es denn so wäre. Aber wir haben ein anderes System, für das es auch gute Gründe gibt, das sich jahrzehntelang bewährt hat, und, auch wenn es ein bißchen pathetisch klingt, aber es ist so, auf das ich immer sehnsuchtsvoll geblickt habe, solange ich noch scheinbar aussichtslos in einer Diktatur gefangen war. Ich war zu DDR-Zeiten immer stolz darauf und es gab mir Hoffnung, daß es da draußen auch noch dieses andere Deutschland gab.
Ich habe den Eindruck, daß manche, die jetzt in Stuttgart nicht nur demonstrieren, sondern besetzen, blockieren, zerstören, auf Polizisten losgehen, daß die schon besoffen von Demokratie sind, daß sie gar nicht mehr wissen, was für ein Glück es ist, frei gewählte Politiker zu haben.
Ich finde, es ist nicht fair, was in dem genannten Artikel steht:
"Wann also konnten die Bürger frühestens mitreden? Nachdem interne Planspiele diverser Ingenieurbüros vorausgegangen waren, erblickte Stuttgart 21 am 18. April 1994 das politische Tageslicht ...
Die erste und, wie sich nachher herausstellte, einzige Gelegenheit für die Bürger Stuttgarts, wenn schon nicht durch direkte Beteiligung, dann wenigstens in einer Kommunalwahl auf das Projekt Einfluss zu nehmen, bevor der Hammer ein für allemal gefallen ist, bot die Wahl des Gemeinderats am 12. Juni 1994."
Hat es nicht alle vier Jahre davor auch schon freie Kommunalwahlen, Landtags- und Bundestagswahlen gegeben? Wir haben nun mal Parlamente und Regierungen, denen man für vier Jahre das Vertrauen ausspricht, es bedeutet, wir haben euch gewählt, nun habt ihr 4 Jahre lang das Sagen, zeigt, daß ihr des Vertrauens würdig seid. Wenn nicht, seid ihr in vier Jahren wieder weg vom Fenster!
So funktioniert unsere Demokratie, und eine bessere hat bisher niemand erfunden, meines Erachtens auch die Schweiz nicht.
Darüber kann man natürlich streiten, man kann es auch ändern, vielleicht verbessern. Aber nicht, indem man auf Polizisten losgeht, die nur die Einhaltung der bestehenden Gesetze durchzusetzen haben.
Es ist wahr: "die Rechtschreibreform ist ebenfalls durch demokratisch einwandfrei legitimierte Instanzen und Verfahren beschlossen worden" (Prof. Ickler), aber so wie dieser Eingriff in die Sprache unzulässig war, so wäre auch niemand, der die Reform blockiert hätte (außer vielleicht Lehrer), mit einem Gesetz in Konflikt gekommen.
Die Rechtschreibreform wurde nicht mittels absichtlich geringer Bürgermitbeteiligung durchgedrückt, sondern sie kam ganz im Gegenteil durch das Desinteresse der Masse der Bevölkerung und wegen des freiwilligen Kuschens von Buch- und Zeitungsverlagen und des Fernsehens zustande. Niemand hätte für einen Boykott bestraft werden können, und in ein bis zwei Jahren hätten die Kultusminister ihre lächerliche Show aufgegeben. Es gibt also einige Unterschiede zu Stuttgart 21!
|
Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 21.10.2010 um 06.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16953
|
Es kommt nicht einfach nur auf die richtigen Verfahren an, sondern auch auf den richtigen Gebrauch von ihnen. So ist Böckenfördes Satz von der offenen Gesellschaft zu verstehen, die von Voraussetzungen lebe, welche sie selbst nicht zu garantieren vermag. Unter dem reinen Verfahrensgesichtspunkt ist eine politische Entscheidung spätestens dann "demokratisch" zustandegekommen, wenn das Bundesverfassungsgericht dies feststellt – völlig unabhängig von der Gediegenheit der Begründung. Die weitere, nachträglich in das Grundgesetz eingebaute Selbstgarantie durch das Widerstandsrecht greift nicht. Es kann frühestens zum Zuge kommen, wenn der Instanzenweg bereits abgeschlossen ist, was aber einschließt, daß das Bundesverfassungsgericht bereits versagt hat. Von ihm ist dann nicht mehr zu erwarten, daß es Widerstand gegen eine durch sein Urteil bestätigte Entscheidung für rechtmäßig erklärt.
Es gibt gewiß gute Gründe, den Bürgerwillen nicht unmittelbar auf die politischen Entscheidungen durchschlagen zu lassen; der wichtigste ist die nur begrenzte Verträglichkeit von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Etwas ganz anderes ist es aber, die zu diesem Zweck ersonnenen Verfahren als Gebrauchsanweisung zu deuten, wie der Bürger gänzlich von der Entscheidungsfindung fernzuhalten ist. In diesem Augenblick erlischt die demokratische Legitimation der politisch Handelnden. Die Voraussetzung, die sie vermissen lassen und die eine Wahl schon gar nicht garantieren kann, ist Scham.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2010 um 09.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16954
|
Ich möchte diese Diskussion nicht für allgemeine politische und philosophische Überlegungen mißbrauchen, aber ich möchte zu Herrn Riemers Ausführungen doch etwas in Erinnerung rufen. Erstens muß man natürlich den gewählten Politikern ein gewisses Vertrauen entgegenbringen und sie für die Wahlperiode gewähren lassen. Bekanntlich sind die Parteien und ihre Abgeordneten aber keineswegs so frei, wie man es wünschen möchte. Von den vielen Gesichtspunkten, die hier zu nennen wären, will ich nur die Eigendynamik solcher Organisationen erwähnen. Wie gesagt: fast niemand wollte die Rechtschreibreform, und hätte sie zur Wahl gestanden wie die Parteien, so wäre sie nicht über die Fünfprozenthürde gekommen. Trotzdem haben z. B. in Schleswig-Holstein alle Landtagsparteien, auch die der Opposition, für die Annullierung des Volksentscheids gestimmt. Der Bürger hatte also keine Möglichkeit, etwa bei der nächsten Wahl seine Mißbilligung auszudrücken.
Und man kann auch nicht sagen, daß die Mehrheit hier möglicherweise wie bei der Todesstrafe durch die Elite im Zaum zu halten gewesen wäre. Vielmehr lag sie auch sachlich vollkommen richtig, und die Fraktionen haben aufgrund ihrer Eigendynamik falsch gehandelt. Stoiber hat es auf den Punkt gebracht, Wanka dasselbe später noch einmal formuliert: die Staatsräson, d. h. das Interesse der Parteien daran, niemals einen Fehler zuzugeben, sondern stets die Bürger im Griff zu behalten – das ist der Tenor so vieler Entscheidungen (z. B. auch bei der Festlegung des Nationalfeiertags: nicht die Bürgerrechtler und Freiheitskämpfer, sondern die Politiker und Bürokraten lassen sich feiern).
Herr Riemer hat auch vielleicht die Anfänge nicht mehr Erinnerung, all die Tricks zur Geheimhaltung des Projekts, das Schaffen vollendeter Tatsache, RSR als Überraschungsmanöver (von Herrn Munske bloßgestellt, der es wissen muß). In meinen fünf Büchern habe ich mich bemüht darzustellen, was herauszufinden war.
Die repräsentative Demokratie braucht ein Korrektiv, sonst degeneriert sie. Die ökologische Bewegung schießt manchmal übers Ziel hinaus. Sie war lange außerparlamentarisch aktiv. Heute bescheinigt sogar die CDU/CSU ihrem abtrünnigen Mitglied Herbert Gruhl, damals die richtigen Fragen gestellt zu haben ("Ein Planet wird geplündert"). Ohne ihn (wie in Amerika ohne Rachel Carson) wäre gar nichts geschehen. Bayern hatte dann sogar den ersten Umweltminister.
Wie Herrschaftsformen degenerieren, hat übrigens Platon im achten Buch der Politeia dargestellt, auch das Entstehen der Oligarchie, wobei er zu bemerkenswert modernen Feststellung kommt, daß Arm und Reich eigentlich zwei Staaten auf demselben Territorium bilden – also genau das, was Andreas Zielcke kürzlich dargestellt hat. („No-Go-Area am oberen Ende“; SZ 7.10.2010)
Aber ich schweife ab. Es geht eigentlich um die Degeneration der repräsentativen Demokratie zur reinen Parteienherrschaft, die selbst dann weitergehen würde, wenn kein einziger Bürger mehr zur Wahl ginge. Siehe im übrigen Hans Herbert von Arnims Schriften über den Staat als Beute usw.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2010 um 09.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16955
|
Noch ein Nachtrag zu Böckenförde: Der hat kürzlich etwas sehr Gutes gesagt, was man hier nachlesen kann:
http://hpd.de/node/10487
Leider ist das berühmte Böckenförde-Diktum nicht in der klaren Sprache gehalten, die man sich wünschen möchte. Aber jedenfalls sollte man sofort abschalten, wenn jemand von "Werten" faselt oder von der "Zugehörigkeit" des Islam zu Deutschland, des Christentums zur Türkei – warum nicht auch des Nationalsozialismus zu Deutschland? Die Leute sollten sagen, was sie genau meinen und was sie damit bezwecken. Und sie sollten den Bindestrich nicht mißbrauchen, um ein zweitausend Jahre langes Blutvergießen zuzukleistern ("christlich-jüdische Grundlagen"). Wer hätte gedacht, daß Zeichensetzung eine moralische Seite hat!
Das vielbemühte Grundgesetz ist einer der unbekanntesten Texte. Die meisten Leute, auch Journalisten, glauben ja, es sei ein Katalog von "Rechten und Pflichten" der Bürger und enthalte überdies ein Verzeichnis von "Werten", eben jenen "christlich-jüdischen". Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
Zur der fatalen Gründung des Rechtsstaates auf angeblich religiöse "Werte" hat ausgerechnet ein Theologe, Friedrich Wilhelm Graf, kürzlich in der SZ einen hervorragenden Beitrag geleistet, der manchem Politiker die Schamröte ins Gesicht treiben könnte.
|
Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 21.10.2010 um 10.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16956
|
Die Interpretation Böckenfördes im ersten Absatz meines vorangegangenen Beitrags ist von ihm selbst autorisiert. Als ich in einem seiner Seminare die These von der Unmöglichkeit einer Selbstgarantie des Grundgesetzes vorgebracht hatte, erklärte er, dies mit seinem Diktum gemeint zu haben. Es war damals wohl noch nicht ganz so berühmt wie heute; zumindest ich kannte es noch nicht. Mir als Erstsemester mußte sich das mit Böckenfördes Zustimmung verbundene Lob natürlich trotzdem unauslöschlich einprägen.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2010 um 16.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16958
|
Wenn man nur wüßte, was "garantieren" hier heißt ... (Und: "lebt von Voraussetzungen" – eine Metapher, die ziemlich schillert.)
|
Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 21.10.2010 um 18.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16961
|
Die Aussage, der "freiheitliche Staat" (wie ich korrekt hätte zitieren müssen) lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann, schließt zumindest eine Inanspruchnahme von seiten des Staates aus. Ansonsten mag sich als Garanten der Voraussetzungen des freiheitlichen Staates ins Spiel bringen wer will; ein Privileg erwächst ihm daraus nicht, sondern nur der Verdacht usurpatorischer Absichten. Wenn schon der freiheitliche Staat seine Voraussetzungen nicht selbst garantieren kann, wer oder was dann? Etwas altmodisch ausgedrückt: die Tugend seiner Bürger. In einem freiheitlichen Staat ist diese Tugend notwendigerweise die Freiheitsliebe. Eben sie läßt sich nicht verordnen. Ich glaube, was Sie, Herr Ickler, mit dem erforderlichen "Korrektiv" der parlamentarischen Demokratie meinen, ist davon nicht weit entfernt.
|
Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 21.10.2010 um 22.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16963
|
Auch das Funktionieren direkter Demokratie hängt von Voraussetzungen ab, die der Verfassungsgeber oder der Verfassungsänderer nicht herbeiführen kann. In der Schweiz scheint es ja so einigermaßen zu funktionieren, auch wenn einige vielleicht meinen, daß die Volksabstimmung über die Minarette dafür nicht das beste Beispiel war. Ich vermute, daß bei uns das Bundesverfassungsgericht einen solchen Volksentscheid kassieren würde. Das wäre vielleicht auch gut so, es wäre aber zugleich die Abdankung der Poltik vor dem Verfassungsgericht.
In Kalifornien scheint es mit der direkten Demokratie weniger gut zu funktionieren, jedenfalls steht der Bundesstaat anscheinend vor dem Bankrott.
Ich bilde mir als ein Bürger unter 80 Millionen nicht ein, wesentliches in der Politik mitbestimmen zu können. Ich bin aber froh, nicht in einer Diktatur zufälliger Abstimmungsmehrheiten zu leben. Ich hoffe darauf, daß die Politiker im wohlverstandenen Eigeninteresse die Minderheiten, die auch zu ihrem Wählerpotential gehören, nicht unnötig verprellen wollen. Mir reicht es schon, wenn ich einer Partei oder einem Politiker, von dem ich vermute, daß er meinen Grundeinstellungen näher steht als andere Politiker, meine Stimme geben kann.
Ich gebe allerdings zu, daß das voraussetzt, daß die Politiker die Grundeinstellungen (ich könnte auch sagen: die Werte), wegen derer sie gewählt wurden, auch so gut es eben geht vertreten und nicht außer Acht lassen, um schwankende Wechselwähler zu gewinnen oder der veröffentlichten Meinung und der politischen Korrektheit hinterherzurennen, weil sie sich ihrer Stammwähler sicher wähnen. Daß dieser Eindruck gelegentlich entstanden ist, das scheint mir eine der Gründe für den gegenwärtigen Mißmut in manchen Kreisen zu sein, so etwa die Diskussion über das Konservative in der CDU oder auch über Sarrazin. Die letzten Äußerungen der Bundeskanzlerin, etwa zu MultiKulti, zu Integration und zu PID scheinen zu belegen, daß sie sich das zu Herzen nimmt. Auch der SPD-Vorsitzende scheint, etwa zur Integration, neue Töne anzuschlagen. Wie glaubhaft das alles ist, mag jeder selbst entscheiden.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.10.2010 um 09.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16965
|
Es ist ja offensichtlich, daß wir in der Sache ziemlich einig sind, und wo es nicht der Fall sein sollte, wäre dieses Forum kaum der geeignete Ort, eine Diskussion zu führen. Mir kam es auf die Formulierungen an. Ganz ohne Not, wenn auch sicher nicht ohne Absicht, werden von Politikern und anderen Leuten Schlagworte in die Debatte geworfen, aus denen man alles oder nichts folgern kann, und dann schließen sich Diskussionen an, bei denen alle aneinander vorbeireden. Das klassische Böckenförde-Zitat hat so eine sinnlose Diskussionswelle hervorgerufen.
Im Augenblick beunruhigt mich aus gegebenem Anlaß wieder mal die geplante Haushaltsabgabe fürs Fernsehen. Ich soll für das Fernsehen zahlen, obwohl ich kein Fernsehteilnehmer bin. An anderer Stelle habe ich mich vor Jahren mal mit dem Begriff der "Grundversorgung" beschäftigt, der listig erfunden wurde, um die Fernsehverweigerung als geradezu asozial darzustellen, natürlich mit dem Blick auf die Gebühren. Ohne Grundversorgung (wozu ausdrücklichauch die Unterhaltungssendungen gezählt werden, also fast alles, was im Fernsehen so läuft). Im Gebührengutachten heißt es sinngemäß, auch wer nicht fernsehe, profitiere indirekt vom Öffentlich-Rechtlichen. Mit derselben Begründung wäre ich auch kraftfahrzeugsteuerpflichtig, obwohl ich nicht Auto fahre. Auch wer keine Zeitung liest, muß dafür zahlen, denn die Existenz von Zeitungen nutzt allen. Das bloße Angebot soll mich schon zur Zahlung verpflichten? Dann kann ich an keinem Schaufenster mehr vorbeigehen, ohne zu zahlen.
Ich wundere mich, wie selten auf die Interessen der zwei Millionen Nichtfernseher eingegangen wird, es geht immer nur um die Wirtschaftsunternehmen. Ehrlicher wäre es, das Fernsehen aus Steuern zu finanzieren, dann hätten wir eben ein Staatsfernsehen.
Hier gibt es auch in der Argumentation manches zu entlarven, zuerst den Begriff der "Grundversorgung".
|
Kommentar von F.A.Z., 27.10.2010, Nr. 250 / Seite N3, verfaßt am 27.10.2010 um 16.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16983
|
Das Böckenförde-Paradox
Ökologisch
Die Kommentatoren nennen es das Böckenförde-Paradox. Oder das Böckenförde-Dilemma. Auch als Böckenförde-Doktrin, -These, -Theorem oder -Diktum ist die Formulierung schon bezeichnet worden. Der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde hat sie 1967 in einem Aufsatz hingeschrieben und schon damals kursiv drucken lassen. Sie lautet: "Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann." So steht der Satz in einer Abhandlung über "Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation", die historisch nachzeichnete, wie Religion und Politik im Verlauf der europäischen Geschichte immer stärker auseinandergetreten sind, bis schließlich das religiöse Bekenntnis zu einer Privatsache geworden ist.
Wie konnte aus diesem Satz einer der am meisten zitierten in der Ideengeschichte der Bundesrepublik werden? Bei einem Kolloquium, das zu Ehren des achtzigsten Geburtstags von Ernst-Wolfgang Böckenförde in Münster, an seiner Heimatuniversität, vom dortigen Exzellenzverbund "Religion und Politik" ausgerichtet wurde, stand das Diktum jetzt erneut im Zentrum der Diskussionen. Wer es an seinem ursprünglichen Ort aufsucht, wird finden, dass Böckenförde nichts darüber sagt, welches jene Voraussetzungen des Staates sind, über die er selbst nicht zu verfügen vermag. Es wird nur von "inneren Bindungskräften" gesprochen, die der Staat benötige, die er einst von der Religion und dann von der Nation erhalten habe, die er jetzt aber aus diesen Quellen nicht mehr erhalte.
Denn selbstverständlich ist der säkulare Staat einer, der Uneinigkeit in religiösen Fragen und sogar darüber voraussetzen muss, ob religiöse Fragen überhaupt von Interesse sind. Und selbstverständlich ist er auch ethnisch inhomogen. Der Individualismus der Menschenrechte, heißt es bei Böckenförde, emanzipiere von Religion und Nation. Allein aus der Freiheit seiner Mitglieder, heißt das, integriert sich ein Gemeinwesen nicht.
Der Staatsrechtler Christian Walter (noch Münster, bald München) ging in seinem Kommentar noch weiter. Anders als es eine amtskirchliche Lesart des Böckenförde-Diktums nahelege, lebe der Staat auch von Voraussetzungen, die Religion nicht garantieren könne. Alle Formeln von einer christlich-abendländischen oder sonstwie bestimmten Kultur treffen nicht, was ihn stabil macht. Denn abgesehen davon, dass diese Kultur immer nur angerufen, aber nicht expliziert wird, muss auch niemand Träger einer solchen Kultur sein, um sich den Titel eines Staatsbürgers zu verdienen. Und sollte ein Staat im Augenblick der Krise wirklich auf den Glauben seiner Bürger an etwas anderes als ihn oder künftige Wohlfahrt setzen?
Eine Rechtfertigung der Kirchensteuer aus dem Böckenförde-Theorem leuchtet insofern nicht ein, auch ein Gemeinwesen aus religiös Indifferenten wäre lebensfähig. Ihrerseits, so Walter, lebten auch die Religionen und Kirchen von Voraussetzungen, die der Staat nicht garantieren könne. Man konnte hier an Staaten denken, die bestimmte Religionen begünstigen, ohne dass diese darum dann schon lebendiger wären als die nicht begünstigten.
Von hier aus war es eigentlich nur noch ein kleiner Schritt zur gewissermaßen sozial-ökologischen Generalisierung des Böckenförde-Satzes: Schlechterdings alles lebt von Voraussetzungen, die es selbst nicht garantieren kann. Nichts Irdisches ist causa sui und außer der "Welt" hat alles etwas außer sich, auf das es nicht steuernd zugreifen kann und von dem doch seine Existenz abhängt.
Doch so allgemein und gewissermaßen spinozistisch war es vom Katholiken Böckenförde selbstverständlich nicht gedacht. Das merkt man in den Münsteraner Unterredungen spätestens, als er sich dagegen wehrte, die Religion in der Gesellschaft und die Kirchen als Vertreter "religiöser Interessen" unterzubringen. Sie seien, so habe er jedenfalls lange gedacht, doch etwas anderes als Gewerkschaften oder die Arbeitgeberverbände.
Hier hörte man das neunzehnte Jahrhundert aus Böckenförde heraus. Denn nur dann, wenn die zentrale politische Unterscheidung jene von Staat und Gesellschaft ist, fällt es schwer, die Religion dem gesellschaftlichen "System der Bedürfnisse" (Hegel), der Partikularismen und Egoismen zuzuschlagen. Und nur dann lässt sich daraus, dass Religionen und Moralvorstellungen Allgemeinheit beanspruchen, ein nobles Sondermerkmal machen. Schließlich gilt der Anspruch auf Allgemeinheit auch für wissenschaftliche Weltbilder oder sozialistische Parteien oder liberale Utopien. Es sind eben alles nur besondere Allgemeinheiten.
Und genau das gilt auch für den Staat, was ja das Thema von Böckenfördes Säkularisierungstheorie war. Der Staat entscheidet kollektiv verbindlich, aber eben nicht über alles. Freundliche Einstellungen von Politik gegenüber Religion unterscheiden sich darum, wenn man den Staat selbst als eine gesellschaftliche Tatsache unter anderen behandelt, durchaus nicht von freundlichen Einstellungen gegenüber der Wirtschaft, gegenüber der Forschung oder gegenüber Meinungen, die ebenfalls frei sind. Jürgen Kaube
|
Kommentar von Rumpel, verfaßt am 28.10.2010 um 16.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#16984
|
Geistige Kessellage
der von Herrn Ickler zitierte Text hier komplett:
http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/513058
Auszug:
3. Wann also konnten die Bürger frühestens mitreden? Nachdem interne Planspiele diverser Ingenieurbüros vorausgegangen waren, erblickte Stuttgart 21 am 18. April 1994 das politische Tageslicht. An diesem Tag gaben der Bahnchef, der Oberbürgermeister, der Ministerpräsident, der Bundes- und der Landesverkehrsminister eine 'kurzfristig anberaumte Pressekonferenz' in Stuttgart.
Wie es ein Reporter damals beschrieb, war den Herrschaften 'eine diebische Freude über ihren geglückten Überraschungscoup anzumerken'. Denn 'unbemerkt von der Öffentlichkeit hatten sie ihre konzertierte Aktion seit längerem vorbereitet'. Nun aber lüfteten sie den Vorhang und gaben ihren Plan bekannt, 'Stuttgart für Fernzüge zu untertunneln und einen achtgleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu errichten'.
Damit war die 'packende Idee' wie aus dem Zauberhut auf dem Tisch. Dass dies selbst nach damaligen Maßstäben euphorisch-vorschnell geschah, zeigt ein Vergleich: Die beiden Parallelprojekte, 'München 21' und 'Frankfurt 21', wurden erst zwei Jahre später, im Juni 1996, der Öffentlichkeit vorgestellt. Dort trafen sie in den beiden Kommunen auf einen völlig anderen politischen Beratungskontext - und wurden beide später verworfen. Allein dieser Vergleich wäre eine historische Vertiefung wert.
4. Die erste und, wie sich nachher herausstellte, einzige Gelegenheit für die Bürger Stuttgarts, wenn schon nicht durch direkte Beteiligung, dann wenigstens in einer Kommunalwahl auf das Projekt Einfluss zu nehmen, bevor der Hammer ein für allemal gefallen ist, bot die Wahl des Gemeinderats am 12. Juni 1994. Das war freilich nur acht Wochen nach der Pressekonferenz.
Nach allen damaligen Medienberichten spielte der 'große Wurf Stuttgart 21' (Erwin Teufel) noch keinerlei auffällige Rolle im Wahlkampf. Offensichtlich erschien er als kühne, aber unausgegorene Zukunftsvision noch viel zu weit entfernt zu sein von den konkreten politischen Sorgen, die die Wähler im Sommer 1994 drückten. Wahlbeeinflussende Kontroversen löste sie noch nicht aus, planerische Alternativen zirkulierten nicht. Die Idee war bei den Bürgern politisch noch nicht als entscheidungsrelevanter Ernstfall angekommen.
Die erste Machbarkeitsstudie wurde erst sieben Monate später veröffentlicht, am 16. Januar 1995.
Noch krasser war es auf der Ebene des Landes, das ja durch Stuttgart 21 wegen der enormen finanziellen Beteiligung, aber natürlich auch wegen der überregionalen verkehrspolitischen Implikationen stark mitbetroffen ist. Hier aber besaßen die Wähler überhaupt keine Möglichkeit, zumindest mittels des Wahlzettels rechtzeitig mitzuwirken. Die letzte Landtagswahl lag bereits zwei Jahre zurück (1992), die nächste, 1996, kam dafür zu spät. Die Würfel waren, wie gesagt, im November 1995 gefallen.
5. Von Anfang an, also seit dem 18.April 1994, weigerte sich die Bahn mit hartnäckiger Konsequenz, alternative Pläne für die Einbindung Stuttgarts in eine schnelle Fernverkehrsmagistrale Paris - Budapest oder eben nur für die Modernisierung des Stuttgarter Knotenpunkts zu entwickeln. Die absolutistische Ja/Nein-Logik, die heute den Konflikt so unlösbar erscheinen lässt, war dem Projekt vom ersten Tag an aufgebürdet.
...
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2010 um 16.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17074
|
Noch einmal zum Bindestrich bei "jüdisch-christlich": Heribert Prantl, Jurist und Kirchenmann, hat in der heutigen Süddeutschen einen Artikel, den ich ausgezeichnet finde. Da andere ihn auch schon ins Netz gestellt haben, spricht wohl nichts dagegen, es hier ebenfalls zu tun:
Christlich-jüdische Tradition ist „gewaltige Heuchelei“
Von Heribert Prantl
Gedenken an die Pogromnacht: Im Namen christlich-jüdischer Kultur werden Muslime ausgegrenzt und die Juden durch die Politik missbraucht
So innig wie heute war die Beziehung zwischen Christen und Juden in Deutschland noch nie. Die neue Innigkeit ist nicht von Theologen und Pastoralklerikern ausgerufen worden, sondern von Politikern. Im Jahr 72 nach der Reichspogromnacht haben sie etwas entdeckt, was es nicht gibt: eine christlich-jüdische Tradition, eine gemeinsame Kultur. In Kürze soll diese auf dem CDU-Parteitag halbamtlich dekretiert werden. Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, weil die nun beschworene Gemeinsamkeit über Jahrhunderte hin die Gemeinsamkeit von Tätern und Opfern war.
Die christliche-jüdische Geschichte besteht vor allem in der Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden und in der Verketzerung des Talmud. Und wo es gemeinsame Wurzeln gab, hat die Mehrheitsgesellschaft sie ausgerissen. Wenn Juden anerkannt wurden, dann nach ihrem Übertritt zum Christentum. Und dieses Christentum hat bis in die jüngste Vergangenheit nicht die Gemeinsamkeit der Heiligen Schrift, sondern den Triumph des Neuen über das Alte Testament gepredigt. Die christlich-jüdische Geschichte ist also eine bittere, furchtbare Geschichte. Erst nachdem die Nationalsozialisten sechs Millionen Juden erschlagen, erschossen und vergast hatten, begann (auf amerikanischen Druck hin) das, was christlich-jüdische 'Versöhnung' heißt.
Ist die Geschichtsvergessenheit des Gemeinsamkeitgeredes womöglich ein neuer Akt der Wiedergutmachung, eine philosemitische Fiktion aus schlechtem Gewissen? Handelt es sich um den Versuch, nachträglich alles richtig zu machen? Es wäre schön, wenn es nur so wäre. Beim Reden von der christlich-jüdischen Tradition handelt es sich aber um eine gewaltige Heuchelei. Die deutsche Politik drückt die alte, früher stigmatisierte Minderheit der Juden an die Brust, um die neue Minderheit, die Muslime, zu stigmatisieren. Die Juden werden missbraucht, um die Muslime als unverträglich zu kennzeichnen. Zum 72. Jahrestag der Reichspogromnacht wird eine neue Kategorisierung der Minderheiten propagiert (nicht nur von scharfen Islamkritikern wie Geert Wilders und Thilo Sarrazin): in gute und schlechte, in kluge und dumme Minderheiten. Diese Sortierung wird nicht dadurch besser, dass muslimische Milieus oft sehr antisemitisch sind. Weil aber dieser Antisemitismus von der deutschen Mehrheitsgesellschaft lange kaum beachtet wurde, gibt es in jüdischen Gemeinden Sympathien für die gesellschaftliche Ausgrenzung deutscher Muslime.
Juden sind in jüngerer Zeit immer wieder genötigt worden, Selbstverständliches einzuräumen: Dass man, ohne als Antisemit zu gelten, Israel kritisieren dürfe. Ähnliches wird nun von den Muslimen verlangt: Sie sollen und müssen erklären, dass sie sich vom Terrorismus distanzieren. Ausdruck eines vertrauensvollen Miteinanders ist das nicht. Es muss nicht eine ominöse christlich-jüdische Tradition gegen Muslime verteidigt werden, sondern die offene Gesellschaft gegen neue Formen der Ausgrenzung.
|
Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 10.11.2010 um 19.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17103
|
Da meint Herr Heribert Prantl nun, den Bundespräsidenten und uns alle darüber belehren zu müssen, daß es mit dem Verhältnis zwischen Christentum und Judentum nicht immer zum besten stand, ja daß dabei auch Ungeheurliches geschehen ist.
Wie gut, daß der Bundespräsident und wir alle es nun endlich wissen!
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.12.2010 um 10.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17579
|
„Juristisch sind Großprojekte in Deutschland so gut wie nicht zu stoppen, selbst wenn gewichtige Argumente gegen sie sprechen.“ (Untertitel SZ 17.12.10)
Bezieht sich auf Stuttgart 21 usw., die RSR wird nicht erwähnt, es paßt aber auch hier.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.01.2011 um 17.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17701
|
Ein weiteres schönes Beispiel für die perverse Logik der Geldeintreiber:
"Nach Ansicht der neuen ARD-Vorsitzenden Monika Piel ist Fußball für den öffentlich-rechtlichen Sender auch in Zukunft ein unverzichtbarer Bestandteil des Fernsehprogramms.
'Wir brauchen den Spitzenfußball. Das hat etwas mit Gebührenakzeptanz zu tun. Wer die Gebühr zahlt, möchte auch seinen Lieblingssport sehen. Es ist eines der Programmangebote, bei dem wir auch junges Publikum erreichen', sagte Piel. Die Bundesliga kostet die ARD rund 100 Millionen Euro im Jahr."
Wenn jeder nun Gebühren zahlen muß, dann wäre Fußball der Lieblingssport aller Deutschen, oder gibt es auch ein paar unpatriotische Sonderlinge, die keinen Fußball sehen und vielleicht gerade deshalb auch keine Gebühren zahlen wollen?
Weiter geht's:
"Die Haushaltsabgabe für ARD und ZDF ab 2013 bezeichnete Piel als 'Infrastrukturmaßnahme'. Sie fügte hinzu: 'Ich finde es aber angemessen, dass in einer Demokratie nicht nur Straßen mitbezahlt werden, ob man nun ein Auto hat oder nicht. Dass auch Information und deren Vermittlung ein Infrastrukturbeitrag ist, ist folgerichtig'. (4.1.11)
Ich möchte in Zukunft auch Kraftfahrzeugsteuer zahlen, obwohl ich kein Auto habe! Und Benzinsteuer! (Vielleicht auf die Milch umlegen?)
Man sieht hier sehr gut, wie Kirchhofs verrückte Argumentation Kreise zieht.
|
Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.01.2011 um 18.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17703
|
Anscheinend verstehehen sich die Nicht-Fußballfans noch nicht als einheitliche Gruppe unter einem eingängigen Namen wie z.B. die Nichtraucher. Ein politischer Newcomer könnte sich mit einem Volksbegehren gegen zuviele Fernseh-Fußballsendungen einen Namen machen.
|
Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 04.01.2011 um 20.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17706
|
Ich bin Nichtraucher und muß mit meinen Krankenkassenbeiträgen die Krebstherapie von Rauchern mitfinanzieren. So ist das in einer Solidargemeinschaft.
Der Staat hat mit unser aller Steuergeld die KMK bezahlt, die uns die Rechtschreibreform eingebrockt hat.
Ob es Sache des Staates ist, für den Rundfunk zu sorgen, kann man so oder so sehen. Wenn sich der Staat jedoch dazu aufschwingt, ist eine allgemeine Steuer dafür das geeignete Mittel; die geplante Pauschalabgabe ist dabei gerechter als das alte System, in dem vieles unverständlich ist – etwa, daß ein Fernseher so viel teurer ist als ein Radio oder daß bei nichtehelichen Gemeinschaften das Autoradio des einen im Monatsbeitrag inbegriffen ist, das des anderen aber nicht.
Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender nun aber abgaben- oder steuerfinanziert sind, müssen sie auch das Programm entsprechend gestalten. In einer Demokratie heißt das Herrschaft der Mehrheit. Wenn der beliebteste Sport nun einmal Fußball ist, muß auch die Berichterstattung vom Fußball überwiegen. Wenn die Mehrheit Volksmusik will, müssen ARD und ZDF sie bringen.
Es gab im übrigen schon etliche Pay-TV- und Pay-per-View-Modelle, um den Zuschauer wählen zu lassen, wofür er zahlt. Sie sind so gut wie alle vom Zuschauer nicht angenommen worden – und der einzige deutsche Bezahlsender hat sei Anbeginn finanzielle Probleme.
Alleinstehende zahlen bei gleichem Verdienst mehr Einkommensteuer als Verheiratete mit Kindern, auch wenn sie äußerst unfreiwillig alleinstehend sind. Der Geringverdiener hat bei gleicher Arbeitsstrecke weniger von der Pendlerpauschale als der Spitzenverdiener. Die Welt ist ungerecht. So mancher Versuch, sie gerechter zu machen, hat zu noch mehr Ungerechtigkeit geführt.
Ich zahle mit meinen Steuern für das Stadttheater, ob ich es besuche oder nicht. Ich zahle für das Schwimmbad, ob ich es nutze oder nicht. Ich zahle auch für die öffentlichen Grün- und Naherholungsanlagen, ob ich sie benutze oder nicht.
Für die Möglichkeit zu zahlen, mich zu informieren oder mich unterhalten zu lassen, erscheint mir deshalb keineswegs absurd – zumal ich bei Theatern und Schwimmbädern anders als bei ARD und ZDF durch das Eintrittsgeld sogar zweimal zur Kasse gebeten werde.
|
Kommentar von www.ardzdf.de/www/FAQ, verfaßt am 04.01.2011 um 22.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17707
|
...
"Statistisch gesehen befindet sich in fast 100 Prozent der Wohnungen in Deutschland ein Empfangsgerät. Laut Bundesverfassungsgericht darf der Gesetzgeber eine Zahlungspflicht grundsätzlich festlegen, sobald mehr als 90 Prozent aller Zahler betroffen sind."
...
"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird solidarisch finanziert, und zwar von der gesamten Bevölkerung. Mit ihren Rundfunkbeiträgen stellen die Menschen in Deutschland eine vielfältige Medienlandschaft sicher, in der sich jeder umfassend informieren kann. Mit ihrem Beitrag zahlen sie nicht für bestimmte Programme, sondern finanzieren ein Gesamtangebot, von dem alle profitieren.
Deutschland ist eine Wissensgesellschaft. Der Rohstoff Nummer eins steckt in den Köpfen der Menschen: Information und Bildung. Ein vielfältiges Angebot unabhängiger Medien ist dafür unverzichtbar. Ist die Gesellschaft als Ganzes interessiert und informiert, haben schließlich auch diejenigen etwas davon, die das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen nicht nutzen."
...
"Dass nun auch diejenigen, die ausschließlich Hörfunkangebote nutzen, nach dem Willen des Gesetzgebers den vollen Beitrag zahlen sollen, macht die Rundfunkfinanzierung gerechter. Gerade die von dieser Gruppe gern genutzten Wort- und Informationsradios erreichen selten massenhaft Zuhörer, sie verursachen aber vergleichsweise hohe Kosten."
...
|
Kommentar von Red., verfaßt am 05.01.2011 um 00.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17708
|
Die Kommentarfunktion ist nicht dazu gedacht, offiziösen Verlautbarungen ein größeres Publikum zu verschaffen.
|
Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 05.01.2011 um 00.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17709
|
"Dass nun auch diejenigen, die ausschließlich Hörfunkangebote nutzen, nach dem Willen des Gesetzgebers den vollen Beitrag zahlen sollen, macht die Rundfunkfinanzierung gerechter. Gerade die von dieser Gruppe gern genutzten Wort- und Informationsradios erreichen selten massenhaft Zuhörer, sie verursachen aber vergleichsweise hohe Kosten."
Diese Sätze ärgern mich besonders.
Wieso muß jede Sendeanstalt gleich vier oder mehr Programme ausstrahlen, wenn sowieso keiner zuhört? Kein Wunder, wenn der Durchschnittsdeutsche täglich xx-Stunden vor der Glotze sitzt, wann soll er dabei denn noch radiohören! Noch keinen Politiker habe ich vernommen, der hier den Rundfunkanstalten mal auf die Finger geklopft hätte: Er würde ja auch in der Öffentlichkeit zerrissen. Gebührenerhöhungen werden mit der Sicherstellung der ominösen öffentlichen Grundversorgung begründet. Man macht höhere Ausgaben und verlangt mehr Geld, eine frappierende Logik!
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.01.2011 um 09.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17710
|
Wenn wir ein Staatsfernsehen hätten, wäre gegen die Argumentation von Herrn Mahlmann nichts einzuwenden.
Daß mit der Finanzierung mancher anderen Unternehmung alles in Ordnung wäre, kann man wohl auch nicht behaupten.
Übrigens werden die Hörfunkgebühren schon jetzt teilweise zur Finanzierung des ungleich teureren Fernsehens verwendet, nicht umgekehrt.
Ich bestreite, daß das Fernsehen eine unentbehrliche Quelle der Information ist, und den öffentlich-rechtlichen Unterhaltungsauftrag halte ich für absurd. Es geht immer wieder um den listig erfundenen Begriff der "Grundversorgung", der die Teilnahme am TV in die Nähe der Wasserversorgung, Müllentsorgung usw. rückt. Wir Fernsehverächter aus Überzeugung können das Fernsehen einfach nicht ernst nehmen, aber manche Fernsehteilnehmer können sich anscheinend nicht vorstellen, wie ungerecht sich die Fernsehabstinenzler durch die Haushaltsabgabe behandelt fühlen. Uns ist es auch egal, ob im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Werbung läuft oder nicht. Wir wollen einfach nicht gucken. Und deshalb wollen wir auch nicht dafür bezahlen, daß andere gucken.
An die geschätzte Red.:
Ich habe den Verlautbarungstext als Realsatire gelesen und genossen.
|
Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 05.01.2011 um 11.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17712
|
Der Standpunkt von Prof. Ickler ist klar und logisch.
Wenn es andererseits stimmt, daß in fast 100% aller Wohnungen die betreffenden Angebote konsumiert werden, dann ist eine wie bisher im wesentlichen auf der Geräteanzahl basierende Verrechnung extrem aufwendig (wenn man sie ernst nimmt).
Hier bietet sich der umgekehrte Ansatz schon an. Allerdings sollte dann die Möglichkeit bestehen, daß Nichtkonsumenten ihre Wohnungen abmelden, gegebenenfalls getrennt nach Radio und TV.
Man sähe dann sehr schnell, ob der Abmeldungsprozentsatz einen realistischen Wert ergibt oder nicht. Diese Feststellung könnte bei geplantem Umstellungsdatum 2012 bereits 2011 geschehen. Ergäben sich unrealistische Werte, könnte man immer noch auf ein anderes Modell umsteigen, u. a. auch auf die vollständige Sozialisierung, dann wären die Bösen aber nicht die Gesetzgeber, sondern die Schwarzseher.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.01.2011 um 09.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17730
|
Wer ein Angebot annimmt, soll dafür bezahlen. Das war bisher völlig klar, und es sollte dabei bleiben. Wie die GEZ die Schwarzseher zum Zahlen bringt, ist ihr Problem, nicht meins.
Neu ist die Vermischung mit der Internetnutzung. Wie ihr alle seht, nutze ich das Internet. Ich kaufe auch über das Internet ein und habe schon Tausende von Aufsätzen usw. heruntergeladen. Manche Dienstleistungen gibt es nur noch übers Internet, und es werden tägllich mehr. Mit Fernsehen hat das nichts zu tun. Ich habe die Rundfunkanstalten nicht gebeten, ihre Sachen ins Netz zu stellen.
Ich wäre damit einverstanden, meinen PC mit einer Sperre für TV zu versehen. Übrigens habe ich noch nie versucht, mit meiner Ausrüstung TV zu sehen, weiß nicht einmal, ob es geht, nehme es aber an.
Die "verschwindende Minderheit" der Nichtfernseher liegt zwischen 1 und 2 Millionen, ich habe keine genauen Zahlen finden können. Aber so viele Menschen einfach für verschwindend zu erklären ist ein starkes Stück!
Zur Zeit säuseln die Fernsehleute gar, ab 2013 könnten die Gebühren sinken! Das wird niemals geschehen, außer in größter Legitimationsnot. Der Mechanismus sieht ja vor, daß die Anstalten ihren Bedarf berechnen und danach dann die Haushaltsabgabe festgelegt wird. Nun, die Anstalten werden immer neue Angebote ersinnen, die dann natürlich auch etwas kosten. Sport geht immer, der wird entsprechend auch teuerer werden, denn es gibt ja keine Bremsen mehr, wie sie der Markt setzen könnte.
Überall wird liberalisiert, nur auf diesem Gebiet werden Zwangsmaßnahmen gefordert und befürwortet. Ich verstehe manche Leute nicht. Pay-TV kommt bei den Leuten nicht an? Sieh mal da!
Wer fernsieht, kann sich wohl kaum noch vorstellen, wie wenig man das Fernsehen braucht, um wohlinformiert zu sein. Daß ich es nicht brauche, werden die geneigten Leser mir zugestehen, aber auch meine Kinder haben es nie gebraucht. In unserem Tagesablauf hat es auch nie eine Lücke gegeben für die täglichen zwei bis drei Stunden Fernsehen (Durchschnittswerte). Wer nicht fernsieht, macht in diesen Stunden was anderes, und es muß nicht schlechter sein.
|
Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 06.01.2011 um 10.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17732
|
Gem. Destatis gibt es ca. 80 Mio. Menschen in ca. 40 Mio. Haushalten in Deutschland, also etwa 2 pro Haushalt. Eine weitere Angabe aus 2010 spricht von einer ca. 96%igen Ausrüstung der Haushalte mit Fernsehgeräten. Das ergibt unbewertet eine Zahl von 3,2 Mio. Nichtfernsehern.
|
Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 06.01.2011 um 11.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17734
|
Zu Information per Fernsehen:
In den üblichen Nachrichtensendungen ist die Informationseffizienz, also Nettoinformation pro Zeiteinheit, ziemlich schlecht, und zwar deshalb, weil man meint, jeder noch so geringfügige Beitrag muß mit einem Bildbericht unterlegt werden. Es wird also anmoderiert, dann kommt der Bildbericht, der häufig auch wieder Einleitung, Hauptteil und Fazit hat, und erst dann kommt das nächste Thema. In der Frühzeit des Fernsehens wurden Nachrichten einfach verlesen.
Dazu kommt, daß es für verschiedene Themengebiete in den Programmen unterschiedliche Sendungen gibt. Die müßte man sich alle ansehen, wenn man per Fernsehen informiert sein wollte.
Wer also einen vernünftigen Überblick in kurzer Zeit haben will, kommt an Zeitungen (oder deren Internetableger) nicht herum. Mit dem Vorteil, daß man per Diagonallesen einen schnellen Überblick bekommt und Beiträge von Interesse dann detailliert lesen kann.
Skepsis, bezüglich dem, was einem aufgetischt wird, muß sowieso immer angesagt sein, egal welches Medium.
Die meisten Seher konsumieren Fernsehen aber wohl nicht vorrangig wegen der Information, sondern wegen der Unterhaltung.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.01.2011 um 12.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17735
|
Herr Strasser hat vollkommen recht. Es gibt auch eine Menge Literatur darüber, daß selbst die Information unterhaltsam aufgemacht werden muß. Es geht ja um Einschaltquoten, um die "Ressource Aufmerksamkeit". Ich will aber nicht unterhalten werden. Schon gar nicht durch öffentlich-rechtliche Unternehmen, die behaupten, Unterhaltung gehöre zur "Grundversorgung".
(Besorgten Lesern sei verraten, daß mein Leben trotzdem nicht ganz freudlos ist.)
|
Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 06.01.2011 um 12.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17736
|
Stichwort: Infotainment. S. hierzu Neil Postman bei Wikipedia.
|
Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.01.2011 um 13.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17737
|
Hat schon jemand versucht, mit der Antennenenergie statt des Fernsehers Leuchtdioden zu betreiben? Z.B.nachts als Dauer-Notbeleuchtung.
|
Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 06.01.2011 um 13.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17739
|
Lieber Germanist, sparen Sie sich den Aufwand und kaufen Sie sich bei Conrad eine Notbeleuchtung, wird in eine Steckdose gesteckt, Verbrauch 0,5 W. Die hat einen Helligkeitssensor und ist außerdem wieder eine Steckdose.
|
Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 06.01.2011 um 14.25 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17740
|
Die Unterhaltung der Bürger ist nicht Aufgabe des Staates. Die ganze Konstruktion ist nicht sauber, und das hat vor allem mit dem hohen Anteil von Unterhaltung in den öffentlich-rechtlichen Programmen zu tun. Ich frage mich, wie es aussähe, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender sich möglichst auf Information und Bildung beschränkten, anders gesagt, wenn sie auf Unterhaltung verzichteten. Wäre es dann für Sie in Ordnung, lieber Tagebuchschreiber, die Finanzierung von allen Bürgern oder wahlweise von allen Haushalten einzutreiben?
Vielleicht scheitert eine solche Idee daran, daß es nicht möglich ist, eine allgemein anerkannte Grenze zwischen Bildungsangebot und Unterhaltung zu ziehen. So ähnlich wie bei der klassischen Musik, die ja nicht nur pädagogisch und kulturell wertvoll, sondern meistens auch angenehm und schön ist (von der Zwölftonmusik abgesehen). Gehört es nicht auch zur Bildung, einen wertvollen Spielfilm gesehen zu haben? Hat es nicht auch etwas mit einem Informationsbedürfnis zu tun, wenn man hochrangige Sportveranstaltungen live verfolgen kann?
Man müßte die ganzen Daily Soaps, die Krimis, die mittäglichen Plauderstunden und ähnliches Geflimmer aus dem Programm von ARD und ZDF entfernen und sie den Privaten überlassen. So wie bei Phoenix, wo man beispielsweise die hochinformativen Schlichtungsgespräche zu Stuttgart 21 in voller Länge verfolgen konnte – ein durchaus unterhaltsames, spannendes Erlebnis im Dienst von Aufklärung und Demokratie. Mit einem solchen ernsthaften Programm wäre die Argumentation von wegen Grundversorgung keine Realsatire, sondern sie hätte etwas für sich. Oder irre ich mich?
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.01.2011 um 15.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17741
|
Selbst dann wäre ich nicht einverstanden, weil ich nicht einsehe, warum Information eine staatliche Aufgabe sein sollte. Nur so wäre ja wohl eine Art Anschlußpflicht durchzusetzen. Dagegen spricht, daß es Zeitungen gibt.
In einer Diktatur könnte der Herrscher Wert darauf legen, daß jeder Haushalt seinen Volksempfänger hat, um die Botschaften des Führers zu empfangen. Wir sind ja bald wieder so weit, ganz freiwillig. Heute sollen uns die Wahlkampfsendungen und sonstigen Erklärungen der Politiker erreichen, nicht wahr? Auch den Kirchen ist ihr Plätzchen garantiert. Und ausgewogen muß alles sein, damit die gesellschaftich relevanten Kräfte in den Rundfunkräten zufrieden sind.
Es gibt auch ein Recht des Bürgers, nicht behelligt zu werden, auch nicht mit "Informationen". (Von denen uns 99 Prozent nichts angehen.)
Bildung ist jenseits der Schule auch nicht Sache des Staates. Welche Filme man gesehen haben muß, entscheiden wir selbst, d. h. die Gesellschaft freier Menschen.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2011 um 16.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#17775
|
Eine gewisse Parallele sehe ich in den Forderungen nach Enteignung der Landwirte, die ihre Grundstücke nicht für das kommerzielle Projekt Olympische Winterspiele hergeben wollen. In "Cicero" veröffentlicht ein gewisser Ulrich Hottelet einen sehr rabiaten Artikel in diesem Sinne. Er definiert das Projekt schnell zum Gemeinwohlbelang um, das kennen wir ja alles schon. Vor dem Bundesverfassungsgericht haben unsere famosen Rechtsprofessoren die Rechtschreibreform zum Gemeinwohlbelang erklärt.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2011 um 16.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#18512
|
Das Hauptargument für die neuen flächendeckenden Rundfunkgebühren ist die "Vereinfachung" des Einzugsverfahrens. Um diese Vereinfachung zu bewältigen, wird die GEZ, wie sie gerade mitteilt, 2013 erst einmal 400 zusätzliche Stellen schaffen. Geld wird ja dann auch genug vorhanden sein.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2012 um 08.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#21235
|
In der Süddeutschen Zeitung führt ein Rundfunkjurist zur Rechtfertigung der Haushaltsabgabe die üblichen Phrasen (Nutzen auch für Nichtteilnehmer, Erhalt der Meinungsvielfalt usw.) und ein besonders abgelegenes Argument an: Schon jetzt würde manches Hörspiel aus Fernsehgebühren finanziert. Abgesehen davon, daß ich mich auch für Hörspiele noch nie interessiert habe – was geht mich die Querfinanzierung innerhalb der Rundfunkanstalten an?
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.09.2012 um 07.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#21435
|
Wie bei der neuen Rundfunkgebühr muß der Begriff der "Solidarität" auch herhalten, um das Semesterticket für Studenten zu rechtfertigen. Die Medien haben sich sehr auffallend auf die Befürwortung geeinigt, während die betroffenen Studenten, die viel Geld für eine Leistung zahlen sollen, die sie nicht in Anspruch nehmen, durchaus geteilter Meinung sind. Die Unsitte, Zwangsbeiträge für nicht genutzte Leistungen einzuziehen, greift immer mehr um sich, und manche Juristen bringen es fertig, eine Begründung dafür zu ersinnen, stets um den Begriff der Solidarität kreisend.
Hier in Erlangen zum Beispiel sind die Wege meistens kurz, Tausende fahren mit dem Rad oder gehen zu Fuß, einige leiden allerdings unter der "Bilokalität" der Studienorte Erlangen und Nürnberg, die sie nicht verschuldet haben. Hier könnte der Staat die Fahrtkosten ganz oder teilweise übernehmen. Die Studienbeiträge werden ohnehin teils zweckentfremdet, teils gar nicht verbraucht, da ist auch noch Spielraum.
Die Umlage im Namen der "Solidarität" verschleiert die wirklichen Verhältnisse. Wenn alle gezahlt haben, scheint die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel dann "kostenlos" zu sein. Betroffene haben mit Recht darauf hingewiesen, daß einige sich billigere Zimmer auf dem Lande suchen und dann zum Fahren gezwungen sind, während andere die teuren Wohnungen in der Stadt bewohnen und zu Fuß gehen - und nun dafür noch mit Zwangszahlungen an die anderen bestraft werden sollen. (Dasselbe Argument gilt bei den Pendlerpauschalen. Ich selbst hätte mir vor 25 Jahren auf dem Lande zum halben Preis ein schönes Haus kaufen können, wenn ich mich zum Pendeln entschlossen hätte.)
Man muß sich die "Solidaritäts"-Predigten in den Zeitungen ansehen, um einen Begriff von der Wortverdrehung zu bekommen. Natürlich ist es sehr verlockend, andere für sich zahlen zu lassen, und so ist es manchenorts zu Mehrheiten für das Semesterticket gekommen, aber ungerecht bleibt es trotzdem.
|
Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 11.09.2012 um 17.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#21438
|
Das Semesterticket in Bielefeld kostet 94,85 Euro, das dazugehörige NRW-Ticket kostet 42,40 Euro. Für insgesamt somit 137,25 Euro fährt man ein halbes Jahr lang in allen Bussen und Bahnen in Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Gebieten in anderen Bundesländern ohne weitere Kosten mit; sogar die Stadtbusse in Osnabrück sind mit drin.
Man muß schon ein ausgewiesener Stubenhocker sein, um damit einen Verlust zu machen. Zum Bundesligaspiel irgendwo in NRW? Zum Drachenfels? Kölner Karneval? In den Zug und ab! Für lau!
Ich kann bei größter Anstrengung nicht erkennen, wie ein solch unschlagbar günstiges Angebot für den Öffentlichen Personennahverkehr die Solidarität der Studenten belasten oder gar überstrapazieren soll.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.10.2012 um 14.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#21713
|
Hans Dieter Zimmermann schrieb vor zehn Jahren:
"Die Regierung können wir abwählen, die Fernsehgewaltigen nicht. Wir sind gezwungen ein Programm auch dann zu finanzieren, wenn es uns nicht passt. Wenn wir nur private Fernsehsender sehen, die sich selbst finanzieren, auch dann müssen wir die Rundfunkgebühren zahlen, mit denen ARD und ZDF ihre riesigen Apparate unterhalten. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat dies merkwürdigerweise bestätigt. Die Grundversorgung müsse sicher gestellt sein. Sind fünf Hörfunkprogramme, wie sie der WDR anbietet, eine Grundversorgung? Die Einnahmen von ARD und ZDF betragen im Jahr 7,5 Milliarden Euro, damit ließe sich der Etat von Berlin mühelos sanieren. Jeder Rundfunk-Teilnehmer zahlt 16,15 Euro im Monat an diese Sender. Die nächste Gebührenerhöhung wird für nächstes Jahr erwartet. Alle öffentlichen Haushalte sind pleite, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aber wirtschaften aus dem Vollen."
Er hätte sich wohl nicht träumen lassen, daß zehn Jahre später auch über eine Million Haushalte Fernsehgebühren zahlen müssen, obwohl sie überhaupt kein Empfangsgerät besitzen.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.11.2012 um 13.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#21983
|
Soeben brachte Bayern 5 einen Beitrag über die künftige Fernsehgebühr – eine einzige Werbesendung. Die Tatsache, daß ein bis zwei Millionen Bürger überhaupt kein Fernsehen haben, wurde mit keinem Wort erwähnt. Von dieser Seite ist auch nichts zu erwarten.
Wie kann man sich dieser Abzockerei entziehen? Nur unter Vorbehalt zahlen? (Wie macht man das juristisch hieb- und stichfest?) Oder gar nicht zahlen und sich verklagen lassen? Ich bin für Hinweise dankbar.
|
Kommentar von R. M., verfaßt am 24.11.2012 um 15.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#21984
|
Vielleicht hätte die Klage eines Einsiedlers, der weder Smartphone noch Rechner mit Netzanschluß besitzt, gewisse Chancen . . .
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.11.2012 um 16.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#21985
|
An Argumenten fehlt es eigentlich weniger, auch für normal lebende Menschen wie mich, die nur eben Internet und Fernsehen für völlig verschiedene Dinge halten, vgl. auch: www.faz.net.
|
Kommentar von R. M., verfaßt am 24.11.2012 um 17.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#21986
|
Es war ja bisher schon nicht aussichtsreich zu argumentieren, daß man nur die Programme der Privatsender ansehe oder -höre. Genauso verhält es sich im Prinzip auch mit den Internetangeboten der öffentlich-rechtlichen Sender. Der Unterschied besteht nur darin, daß diese einen weit geringeren »Marktanteil« haben.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.01.2013 um 07.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#22271
|
Soweit ich sehe, ist das Argument mit den internetfähigen und daher empfangsbereiten Geräten nun aufgegeben worden. Vielleicht weil die Gegenfrage nach der Verschlüsselung sehr nahe liegt. Stattdessen wird der Beitrag des Fernsehens zur Demokratie herangezogen, um die allgemeine Zahlungspflicht zu begründen. Das ist natürlich angreifbar.
Manche Leute sind noch glücklich darüber, daß nun die "Schnüffelei" entfalle. Mich hat die Schnüffelei nie gestört.
Ich hoffe, daß ich mit einem Brief an die GEZ-Nachfolgebehörde meine Rechte wahren kann, indem ich meine Zahlungen unter den Vorbehalt künftiger Gerichtsurteile und anderer Schritte zur Rücknahme der Gebühr stelle. Zur eigenen Klage fehlen mir die Zeit und der jugendliche Schwung.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2013 um 05.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#22999
|
Unser Freund Friedrich Denk hat gerade sein neues Buch veröffentlicht: Wer liest, kommt weiter. Gütersloher Verlagshaus 2013.
Keine Angst wegen des Verlags! Es ist natürlich in klassischer Rechtschreibung.
Herr Denk plädiert leidenschaftlich für das Lesen, für das Buch. Der Gedanke, daß ein Amerikaner, uns wie immer etwas voraus, durchschnittlich 38 Jahre seines Lebens vor dem Fernseher sitzt, bereitet ihm verständlicherweise große Sorge. Schöne Stellen und wahre Schätze aus seiner lebenslangen Lektüre breitet Denk hier aus und macht große Lust aufs Lesen. Seine eigene, trotz deprimierender Erfahrungen ungebrochene Begeisterungsfähigkeit kann er immer noch übertragen. Originell sind auch die Berichte von Begegnungen im Umkreis der Weilheimer Veranstaltungen, die Denk viele Jahre organisiert hat. Er ist überhaupt der größte Vermittler zwischen Schriftstellern und Schülern, den es in Deutschland gibt.
Das Buch ist auch sehr gut geschrieben, man liest es in einem Rutsch durch. Nur eins hat Herr Denk vergessen: daß Lesen auch ein großes Laster sein kann und lange so angesehen wurde, vor allem das Lesen der Romane, die er doch so sehr schätzt...
(Auf S. 59 kommt etwas vor, was wir hier auch schon irgendwo besprochen haben: faber heißt lateinisch Schmied Klingt seltsam, denn eigentlich heißt faber auf deutsch Schmied, nicht wahr? Aber wir verstehen schon, was gemeint ist.)
Das Buch wendet sich auch an ältere Schüler, aber hauptsächlich an Eltern. Denen sollte man es schenken.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2013 um 20.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#23005
|
Im Anhang gibt es eine Liste „Lieblingsbücher für junge Leser“, die Friedrich Denk nicht selbst zusammengestellt hat. Über 100 Autoren, Verleger usw. nennen je drei Bücher, die sie beeindruckt haben und die sie jungen Lesern empfehlen möchten. Unter den außereuropäischen Texten bis 1914 ist außer Bibel und Talmud (anscheinend jeweils der Gesamttext) nur das I Ging zu finden, empfohlen vom Komponisten Hamel. Am I Ging kommen Sinologen nicht vorbei, aber welchen Wert hat ein altchinesisches Orakelbuch für junge Leute in Deutschland – abgesehen davon, daß man es eigentlich gar nicht „lesen“ kann. Ich würde vorschlagen: ein paar Seiten aus Konfuzius, dann einen klassischen Roman („Traum der roten Kammer“, gekürzt) und zum Schluß Jung Changs „Wilde Schwäne“. Dann weiß man über China schon ziemlich viel.
Wer hat die ganze Bibel und den Talmud gelesen (aber nicht den Koran, obwohl es hierzulande viel mehr Muslime als Juden gibt)?
Von den Griechen gibt es die Odyssee, die Orestie und Platons Gorgias und Symposion. Ich kann verstehen, warum Christian Meier Aischylos empfohlen hat, aber ich würde trotzdem Sophokles (Ödipus und/oder Antigone) vorschlagen und anschließend die kurze Poetik des Aristoteles (der in der Liste gar nicht vorkommt). Ich würde auch den Talmud weglassen und Thukydides sowie die ersten Bücher von Herodot aufs Programm setzen, davon hat man doch viel mehr.
(Die Leichenrede des Perikles bei Thukydides ist einer der einflußreichsten Texte überhaupt. Meine Frau hat sich kürzlich von einer früheren Klassenkameradin Elvis Presleys erzählen lassen, daß in den amerikanischen Gymnasien Lincolns Gettysburg Address so gut auswendig gelernt wurde, daß die Schüler sie heute noch aufsagen können. Über diese Ansprache und ihre Beziehungen zu Thukydides/Perikles gibt es jetzt ein ausgezeichnetes Buch von Garry Wills. Natürlich bezieht sich auch Martin L. Kings berühmte Ansprache ausdrücklich darauf.)
Latein kommt noch schlechter weg. Von den klassischen Autoren ist nur Seneca erwähnt, dann erst wieder Augustinus und Sulpicius Severus wegen seiner Biographie des heiligen Martin (muß man die kennen?), und damit ist Schluß. Kein Vergil, Ovid, kein Lyriker, Redner oder Historiker. Kann man das ernst nehmen?
Das deutsche Mittelalter fehlt ganz (falls man nicht in Conradys Gedichtbuch etwas findet, das aufgenommen ist), ebenso Luther; die deutsche Literatur beginnt mit Grimmelshausen.
Bei der neueren fremdsprachigen Literatur wird man natürlich kaum Einigkeit erzielen. Einige Bücher sind im Original angegeben („Portnoy's Complaint“). Wie jeder weiß, ist „Harry Potter“ von mehr Jugendlichen gelesen worden als irgendein anderes ausländisches Buch, sogar auf englisch, und wird sehr geliebt, aber für die Liste von Lieblingsbüchern war es wohl nicht edel genug.
Indien hat weder in der Neuzeit noch früher etwas Lesenswertes hervorgebracht (Kalidasa, Rushdie?). Wo bleiben die Erzählungen aus 1001 Nacht? Boccaccio? Obwohl Soyinka zur Jury gehört, kommt Afrika nicht vor (Achebe? Soyinka selbst?).
Wiederum Hamel empfiehlt unter „deutschsprachige Literatur seit 1945“ Jean Gebsers „Ursprung und Gegenwart“ – daß dies zum Lieblingsbuch eines Jugendlichen werden könnte, ist eine extravagante Vorstellung. Vereinzelt sind weitere Sachbücher beigemischt: Max Weber, Sebastian Haffner, bei den Ausländern James Watson (aber nicht Darwin). Es gibt Kehlmann, aber nicht Doderer. Abt Notker Wolf empfiehlt den YOUCAT – ist das Literatur des 20. Jahrhunderts?
Das sind natürlich die alten Probleme mit dem Kanon. Offensichtlich kann aus den Lieblingsbüchern vieler Leute kein Kanon entstehen, das muß ein einzelner Kopf machen wie seinerzeit Hermann Hesse (dessen Heft Denk übrigens erwähnt; wir haben es in der Schule behandelt).
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.07.2013 um 11.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#23706
|
In seinem Büchlein "Deutsch für junge Profis" schreibt Wolf Schneider:
„Meistens ungelesen weggeworfen werden Kundenzeitschriften und Prospekte.“
Stimmt das? Ich habe mir auch schon lange vor der Abfassung meines Rechtschreibwörterbuchs (und der Wahl der Zeitung als Hauptquelle) Gedanken gemacht über die Relevanz der verschiedenen Textsorten oder Textvorkommen. Es ist wahr, daß wir die Werbung, die unseren Briefkasten verstopft, meistens ungelesen wegwerfen, aber Kundenzeitschriften sind etwas anderes. Da gibt es die unfreiwillig in Kauf genommenen, etwa vom Energieversorger. Das ist keine sehr attraktive Lektüre, aber immerhin und auch etwas suspekt (Energiespartips vom Energieverkäufer ...). Eine hohe Auflage haben die Zeitschriften von der Apotheke und vom Reformhaus (Naturkost, Dritte-Welt-Laden u. ä.). Die Kunden nehmen diese Gratisblätter absichtlich mit, fragen sogar ausdrücklich danach und lesen sie wahrscheinlich auch. Man sollte also Kundenzeitschriften und Prospekte nicht in einen Topf (bzw. Papierkorb) werfen.
(In den Apothekenzeitschriften stehen auch ganz vernünftige Beiträge, allerdings untermischt mit Wellness-Geschwätz und sehr weitherzig ausgelegter, halb-okkultistischer Beratung ...)
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.09.2013 um 07.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#24111
|
Die Böckenförde-Formel findet man inzwischen auch bei der FDP, z. B. in ihrem "Bürgerprogramm". Damit ist der letzte Rest jenes Liberalismus beseitigt, den es neben dem Wirtschaftsliberalismus einmal gab und der untrennbar mit der Trennung von Kirche und Staat verbunden ist. Christian Lindner hat vor Jahren mal einen Vorstoß unternommen (Laizismus-Debatte), wurde aber gleich zurückgepfiffen und wird wohl auch jetzt nicht mehr darauf zurückkommen.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.11.2013 um 06.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#24433
|
Ab und zu gibt die FAZ dem Tegernseer Studienrat Josef Zellner Gelegenheit, sich über den Untergang der Menschheit zu verbreiten. Gestern ging es um die Conditio humana und die blöden Eltern oder so ähnlich. Vor einiger Zeit konnte man in vielen Medien ein und denselben Aufsatz „Erstarrte Sprache, erstarrte Republik“ lesen, sogar in "Forschung und Lehre". Das platte Lamento läßt kein Klischee aus, Sick ist erholsam dagegen. Der letzte Absatz lautet:
Nur wer mit der Frage ringt, was die Welt im Innersten zusammenhält, vermag die alte Welt neu zu sehen und sie durch einen neuen Sinn des alten Wortes anders zu akzentuieren. Reine Sprachtechnik ohne das Herzblut der Empathie dagegen bleibt ephemer. Mit einer neuen Weltsicht erst wird auch die Sprache wieder lebendig. Und umgekehrt setzt eine neue Weltsicht eine neue Sprache voraus. Deshalb ist es höchste Zeit für eine Renaissance der Sprache.
Wie man sieht, lebt der Mann geistig über seine Verhältnisse. Darum schreibt er auch so schlecht.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.07.2014 um 09.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#26218
|
Kretschmann paraphrasiert im religionspolitischen Papier der BW-Grünen die Böckenförde-Formel so lange und so kunstreich, bis herauskommt, daß die Nichttrennung von Kirche und Staat die eigentliche Religionsfreiheit ist. Zum Beweis der Schrecklichkeit des Laizismus verweist er wieder mal auf Frankreich.
Gabriel fordert mehr Muslime im öffentlichen Dienst. Vielleicht würde eine Quote helfen? Wären die Atheisten organisiert, würden sie vielleicht auch eine Quote fordern, aber das wäre praktisch der Untergang jeder Moral.
"Woher kommt es eigentlich?" fragt Gabriel und meint das Vorurteil, alle Muslime seien Radikale. Das sind sie natürlich nicht, aber woher das Vorurteil kommt, könnte man ihm erklären.
|
Kommentar von Pt, verfaßt am 03.07.2014 um 09.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#26219
|
Natürlich sollten auch die Satanisten nicht vergessen werden, nebst entsprechender Quote!
|
Kommentar von Pt, verfaßt am 03.07.2014 um 10.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#26221
|
http://thesatanictemple.com/
http://thesatanictemple.com/about-us/our-mission/
The Satanic Temple (TST) facilitates the communication and mobilization of politically aware Satanists, secularists, and advocates for individual liberty. TST consists of individual Satanists worldwide dedicated to participating in and/or identifying with the activities of TST
The mission of The Satanic Temple is to encourage benevolence and empathy among all people. In addition, we embrace practical common sense and justice.
http://thesatanictemple.com/category/campaigns/oklahoma-city-statue/
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.09.2015 um 10.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#29851
|
Im Jahre 2004 hat der Österreicher Robert Saxer einen schwungvollen Text über die Rechtschreibreform verfaßt, den wir hier noch nicht genannt haben. Aus dem zeitlichen Abstand lesen sich solche Sachen schon wieder anders.
(www.uni-klu.ac.at/daf/Resources/Rechtschreibung-ide.doc)
Noch früher hat Csaba Földes abwiegeln wollen: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/9990
Er ist jetzt in Erfurt und wurde kürzlich von der Thüringer Allgemeinen zu verschiedenen Fragen interviewt:
Regina Eberhardt: 20 Jahre Rechtschreibreform – brachte sie eher negative oder positive Veränderungen?
Da kann man ein eindeutiges Jein antworten. Es trifft beides zu. Es gibt massenweise Publikationen von Meinungen, aber nur sehr wenige verlässliche praktische Studien dazu. Die Rechtschreibkompetenzen gehen zurück, besonders bei kleineren Kindern. Denen sind die Wahlmöglichkeiten der Schreibweise keine große Hilfe. Sie wollen nicht wissen: Wie darf ich das schreiben, sondern: Wie muss ich das schreiben? Den größeren Kindern und jungen Erwachsenen sind die Optionen schon eine Hilfe. Insgesamt gehen die Deutschkenntnisse der Jugendlichen wohl nicht zurück. Ihre Satzbildung, ihre Argumentationsfähigkeit hat sich gegenüber den Aufsätzen vor 20 Jahren verbessert. Die Textkompetenz ist größer geworden, die Rechtschreibung schlechter. (usw.) (5.9.15)
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.03.2018 um 04.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#38169
|
„Niemand hat diese große Koalition gewollt.“ (Rheinische Post 14.3.18)
Manchen Journalisten steigt ihre Macht zu Kopf. Sie haben die Erfahrung gemacht, daß sie jeden Unsinn schreiben dürfen. In einem ordentlichen Unternehmen würde man sie entlassen.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2018 um 04.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#38744
|
In der FAS wird gezeigt, wie die Rechten aus einer hingeworfenen Assoziation Robert Habecks dessen Absicht destillieren, er wolle das deutsche Volk abschaffen. Die Unterstellung von Abschaffungsabsichten ist ein Dauerbrenner dieser Leute, spätestens seit Sarrazin. Prävention ist geboten: Abschaffung der Abschaffer. Das macht man überall auf der Welt so.
|
Kommentar von R. M., verfaßt am 14.05.2018 um 14.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#38753
|
Laut Habeck ist die Abschaffung nicht nötig, da es ein deutsches Volk gar nicht gebe. Darauf scheint ihn Hitlers »Erscheinungsbild« gebracht zu haben. Es lebe die Bevölkerung!
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2018 um 17.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#38754
|
Dafür gibt es die Innovation Nation (Motto des FDP-Parteitags).
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2018 um 13.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#38855
|
In einer Zeit, in der Terroristen die ganze Wachsamkeit des Staates fordern, sieht sich die Polizei einer gewaltsamen Abneigung derer gegenüber, die sie schützen soll. So schafft Deutschland sich tatsächlich ab. (Reinhard Müller FAZ 5.6.18)
Es geht um einen Krawall in Darmstadt...
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.10.2018 um 08.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#39720
|
In einem wenig kenntnisreichen Beitrag der Tiroler Tageszeitung liest man:
Auch wenn Hans Moser, emeritierter Germanistikprofessor und ehemaliger Rektor der Uni Innsbruck, die große Ablehnung der Reform durch Schriftsteller oder Verlage vor 20 Jahren als deren Versuch deutet, die Orthographie als elitäres Instrument zu erhalten: Den Verlust der Verbindlichkeit bedauert er schon ein wenig: „Ich bin noch mit der Überzeugung aufgewachsen, dass Kommunikation höflicher, friktionsfreier und leichter ist, wenn man einen gemeinsamen Code hat.“
(Ich bin etwas überrascht, daß Moser so etwas sagt.)
Der Wunsch nach Erhaltung eines elitären Instruments ist damals oft unterstellt worden, aber ich kann mich nicht erinnern, in der Szene der Reformgegner, die ich ja recht gut kannte, ein solches Motiv bemerkt zu haben, nicht einmal unterschwellig. Die Reformschreibung mit ihrer bekannten Regelungsdichte war ja auch zu keinem Zeitpunkt eine Nivellierung nach unten, wie sie es ursprünglich sein wollte (GEW-Ideologie). Wir haben vielmehr früh erkannt, welche exorbitanten Schwierigkeiten die Reform einführte. Ich erinnere nur an die Fremdwortschreibung und die vielen Fälle, die statt der gar nicht so unweisen Intuition nun Regeln zu befolgen nötigten.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.11.2018 um 08.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#40106
|
Zum Literaturkanon:
Der "Traum der roten Kammer" (Hong-lou meng) war in China so populär, daß sich im 19. Jahrhundert gesetzte Herren im Streit darüber prügelten, welcher von zwei weiblichen Hauptfiguren der Vorzug zu geben sei. Es gibt sicher schlechtere Gründe, sich zu prügeln.
Übrigens bekennt der Verfasser sich zu der späten Einsicht, daß die Frauen, insbesondere die Mädchen seiner Jugend, ihm moralisch und intellektuell weit überlegen gewesen seien. Ihnen ein Denkmal zu setzen sei das Hauptmotiv für die Abfassung seines Werkes.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2020 um 17.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#42791
|
Saxers Text (der Verfasser ist inzwischen verstorben) von 2004:
Rechtschreibreform: Die Schlacht auf dem Wörterfeld
Diskussionsstand: Anfang September 2004
SAXER, Robert: Rechtschreibreform: Die Schlacht auf dem Wörterfeld. Diskussions-stand Anfang September 2004. In: Informationen zur Deutschdidaktik. Aktuelles. www.uni-klu.ac.at/die/saxer.pdf, p. 1-5;
Das letzte Gefecht der Verhinderer
Das Jahr 2005 naht und die Gegner der Rechtschreibreform geraten in Torschlusspanik. Während in Schulen, Ämtern und Printmedien die neue Rechtschreibung kontinuierlich verwendet und vermittelt wird, haben die Reformgegner offensichtlich acht Jahre lang darauf gewartet, dass Kaiser Barbarossa je nach nationaler Zugehörigkeit aus dem Kyffhäuser oder aus dem Untersberg bei Salzburg rechtzeitig hervorbricht – mit seinem mittlerweile dreimal um den Tisch gewachsenen Bart - und mit seinem Kriegsschrei die gute alte Rechtschreibordnung wiederherstellt. Das Erschreckende an der gegenwärtigen Diskussion ist die Tatsache, dass sich seit 1996 nichts geändert hat - sie entspricht spiegelgleich den damaligen Auseinandersetzungen: Die Reformgegner verhalten sich emotional, aggressiv und argumentationslos. Wo sie zu argumentieren glauben, hängen sie sich – häufig in polemisch verzerrter Form - an Marginalien wie den ‚Tollpatsch’, die ‚Gämse’ oder die drei aufeinander folgenden Konsonanten; oder sie reagieren mit Kulturjammer, unüberprüften und oft falschen Behauptungen und unsachlichen Vorwürfen wie Geschäftemacherei, Beamtenunterwürfigkeit, ideologische Linkslastigkeit u.a. Die strukturellen Änderungen und Fortschritte in den Bereichen der Groß-/Kleinschreibung, der Getrennt-/Zusammenschreibung, der Zeichensetzung und der Worttrennung am Zeilenende sind fast spurlos an ihnen vorbeigegangen. Sie beklagen die Verwirrung und Verunsicherung, die sie zuvor selbst herbeigeführt haben. Ein Fortschritt in der Diskussion ist nicht in Sicht. Im Gegensatz dazu wird im Ausland im Fachbereich Deutsch als Fremdsprache die Reform von Deutschlehrern und wissenschaftlichen Beurteilern durchaus sachlich gesehen und an konkreten Details analysiert, wie etwa der Beitrag eines ungarischen Germanisten zeigt (siehe Literaturverzeichnis: Csaba Földes vom Germanistischen Institut der Universität Veszprém).
Ungeachtet dessen wächst Barbarossas Bart weiter: Gleichzeitig mit den geplanten offiziellen Vorbereitungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, die Zwischenstaatliche Rechtschreibkommission durch einen ‚Rat für deutsche Rechtschreibung’ zu ersetzen, der in Hinkunft für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Rechtschreibung sorgen soll, wurden in verschiedenen Regionen Deutschlands (u.a. München, Hamburg, Niedersachsen) und auch in Österreich Initiativen und Organisationen mit dem erklärten Ziel der Rückkehr zur alten Rechtschreibung ins Leben gerufen - zum Teil ebenfalls unter dem Namen ‚Rat für deutsche Rechtschreibung’: offensichtlich ein Akt weiterer Verwirrungsstiftung. Die Gründungsversammlung des Münchner ‚Rates’ erklärte sinnwidrig und erwartungsgemäß ohne Argumentation, „die Rückkehr zur alten Rechtschreibung...sei der einfachste, sicherste und wirtschaftlich vernünftigste Weg zu einer zweckmäßigen und modernen (sic!) Orthographie“.
Die Vorarbeit der Reformer
Die Ursachen für diesen Zustand liegen nicht nur in einem gestörten Verhältnis der Öffentlichkeit und ihrer Vorzeige-Repräsentanten zur Rechtschreibung und ihrem gesellschaftlichen Stellenwert, sondern zu einem guten Teil bei den Experten der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission selbst, die ihren Gegnern das Material für den Gegenangriff förmlich vor die Füße gelegt haben. Zum einen ist es die Halbherzigkeit und teilweise Inkonsequenz der Reform, was man den Reformern freilich nicht vorwerfen kann, da sie diesbezüglich von den Vertretern der Politik – teils aus deren konservativ-beharrender Sprachauffassung, teils aus deren Angst vor der vermuteten ‚Stimme des Volkes’, d.h. vor ihrer potenziellen Wählerschaft heraus – in ihrem Reformeifer eingebremst wurden. Zum anderen aber sind es zwei Sachverhalte, die die Reformer zur Gänze selbst zu verantworten haben: die textuelle und sprachliche Gestaltung des amtlichen Regelwerks und die Sache mit den sogenannten ‚Einzelfestlegungen’.
3. Das amtliche Regelwerk
Im Text der amtlichen Regelung überlappen sich zwei Textsorten: der in Paragrafen gegliederte Gesetzes- bzw. Verordnungstext und die Struktur eines wissenschaftlichen Sachtextes mit Vorbemerkungen und Zwischentiteln. Und gerade in den beiden wichtigsten Kapiteln – über die Getrennt-/Zusammenschreibung und über die Groß-/Klein-Schreibung - sind die beiden Textsorten in verwirrender und unübersichtlicher Form ineinander verflochten, zum Teil unterbrochen durch umfangreiche und mangelhaft gegliederte Beispielkomplexe und zusätzlich durch den Dschungel des ‚Kleingedruckten’. Einfache und klare Regularitäten werden durch die komplizierte Darstellung so überlagert, dass man den Blick für die Systematik verliert. Ein klassisches Beispiel ist die an und für sich klare und eindeutige ‚ss-ß’-Regelung (Nach kurzem Vokal steht ‚ss’, nach langem Vokal und Diphthong ‚ß’): Diesen Satz findet man im Regelwerk nicht, man muss sich diese Regel aus zwei Paragrafen – u.a. aus einem kleingedruckten Verweis in Anmerkung – mühsam zusammenreimen.
Natürlich löst die zum Teil auch für Fachleute sehr schwierige Lesbarkeit den frustrierenden Eindruck aus, dass die reformierte Rechtschreibung wirrer und komplizierter sei als die alte, und fordert zudem den Vorwurf heraus, die Sprache werde von amtlicher Seite von oben her dekretiert und gewissermaßen ‚verwaltigt’.
4. Die Einzelfestlegungen
Die auf die Laut-Buchstaben-Zuordnung bezogenen Einzelfestlegungen – im Wesentlichen die Neuschreibung von Wörtern, v.a. auf der Grundlage des ‚Stammprinzips’ – sind Neuerungen, die einfach nicht notwendig gewesen wären, weil sie auch dem Prinzip der klaren und vereinfachenden Strukturbildung widersprechen. Während das ‚Lautprinzip’, das ohnehin schon komplex genug ist, als generelle Grundlage der Rechtschreibung den Sprachbenutzern einsichtig ist, wird das ‚Stammprinzip’ tröpferlweise bei einer kleinen Zahl von Wörtern aus etymologischen Gründen angewandt, zum Teil beruhend auf fragwürdigen etymologischen Auffassungen. Das erzeugt den Eindruck willkürlicher Auswahl und zeigt im Grunde die Absurdität etymologischer Disziplinierung der schriftlichen Darstellung einer Sprache, deren Verschriftlichung primär auf der mündlichen Lautung aufgebaut ist. Das Stammprinzip bringt im Hinblick auf die Laut-Buchstaben-Zuordnung dementsprechend keine Vereinfachung, sondern schafft Verwirrung und ist eher Ausfluss eines bildungsbürgerlichen Erklärungsdranges.
Gerade diese unnotwendigen Einzelfestlegungen aber haben in den letzten Jahren bis heute die Diskussion weitestgehend bestimmt, sowohl in Angriff wie Verteidigung. Hätte man diese Wörter in ihrer alten Schreibweise belassen – mehr als 80% der bisherigen Diskussionen hätten nicht in der Form, wie sie abgelaufen sind, stattfinden können; man wäre vielmehr gezwungen gewesen, sich in erster Linie mit den strukturellen Änderungen bzw. Vereinfachungen der Reform auseinander zu setzen. Und das wäre ein echter Fortschritt gewesen.
Und wie soll es weitergehen?
· Die Reform mit ihren vereinfachten Regeln muss konsequent weitergeführt werden, alles andere würde zu Verwirrung in unkontrollierbarem Ausmaß führen; nicht zuletzt deshalb, weil Ende August 2004 die neueste Auflage des Rechtschreib-Duden auf der Basis der reformierten Rechtschreibung erschienen ist. Dementsprechend will auch der geplante offizielle ‚Rat für deutsche Rechtschreibung’ die „Entwicklung des Schriftgebrauchs beobachten und das Regelwerk gegebenenfalls dort anpassen, wo es notwendig ist“. Unsicherheiten und Verwirrungen, die durch das bisherige Nebeneinander von alter und neuer Schreibung bedingt sind, werden ab 2005, dem Beginn der alleinigen Geltung der neuen Schreibung, abklingen.
· Dazu wäre es freilich auch notwendig, den Text des amtlichen Regelwerks neu, d.h. klarer, übersichtlicher und strukturierter zu fassen und überdies klar zu machen, was eine bindende ‚Verordnung’ und was lediglich eine kodifizierende Darstellung der Regeln ist. Das wäre eine Aufgabe des ‚Rates für deutsche Rechtschreibung’ im Sinn der oben genannten Absichtserklärung. Da dies freilich bei dem trinationalen Unternehmen auch größere Verfahrens-Schwierigkeiten mit sich bringen könnte, wäre eventuell zu überlegen, ob nicht für Österreich auf der Basis des amtlichen Regelwerks ein eigenes Projekt entwickelt werden sollte: einerseits ein kurzer und prägnanter Verordnungstext, der als Rahmenverordnung die wesentlichen Grundlagen enthält, andererseits als Ergänzung dazu ein nicht-amtliches Regelwerk als Kommentar oder noch besser als eigene Publikation, die man zum Beispiel dem Österreichischen Wörterbuch anstelle des bisherigen amtlichen Textes anfügen könnte.
· Ein Ziel der Bildungspolitik muss es in diesem Zusammenhang sein, die Menschen an eine offene, unverkrampfte und liberale Haltung der eigenen Sprache gegenüber zu gewöhnen, getragen vom Bewusstsein, dass im Bereich produktiver Sprachgestaltung durch die Gelegenheit zur orthografischen Variantenbildung neue stilistische Ausdrucksmöglichkeiten geschaffen werden und dass man im rezeptiven Bereich zumindest über Jahrzehnte hinaus - z.B. in der Belletristik und in pragmatischen Sachtexten - mit älteren Texten aus der Zeit vor der Reform konfrontiert sein wird, die ja aufgrund der ‚sanften Reform’ ohne Probleme auch für den Durchschnittsleser lesbar geblieben sind. Dadurch könnte auch die verhängnisvolle gesellschaftliche Rolle der Rechtschreibung als Maßstab für die Persönlichkeitsbeurteilung abgebaut und das Bewusstsein dafür entwickelt werden, dass die Rechtschreibung nicht ‚die deutsche Sprache’, sondern deren unterste Ebene ist.
LITERATUR:
· Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis. Text der amtlichen Regelung. Hrsg. vom Internationalen Arbeitskreis für Orthografie, Institut für deutsche Sprache, Mannheim. – Gunter Narr Verlag: Tübingen 1996
· Gallmann, Peter; Sitta, Horst: Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Regeln, Kommentar und Verzeichnis wichtige Neuschreibungen. Dudenverlag: Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 1996 (Duden-Taschenbücher, Bd.26)
· Duden. Die deutsche Rechtschreibung. 23., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Hrsg. von der Duden-Redaktion auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln (= Duden Band 1). Dudenverlag: Mannheim, Leipzig, Zürich, Wien 2004
· Földes, Csaba: Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung im Kontext von Deutsch als Fremdsprache und Auslandsgermanistik. In: Deutsch als Fremdsprache 37 (2000) 4; S.199-209 (http:// www.vein.hu/german/reform.html)
· Saxer, Robert: Die Rechtschreibreform – Ihre Folgen – Ihre Verfolger. In: Informationen zur Deutschdidaktik (‚ide’), Heft 1/1997, S.62-77
· Cornelia Niedermeier: Für ein Ende der Kriminalisierung. Zwei „Räte für deutsche Rechtschreibung“. ‚Der Standard’ vom 24. August 2004, S.24.
Robert Saxer
Leiter des Universitätslehrgangs ‚Deutsch als Fremd- und Zweitsprache’ und des Sprachzentrums ‚Deutsch in Österreich’ an der Universität Klagenfurt
=============================================================
Dieser Beitrag erscheint in Nr. 4/2004 der „Informationen zur Deutschdidaktik. Zeitschrift für den Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule –‚ide’“ und befindet sich ab 12. September 2004 auf der Homepage:
www.uni-klu.ac.at/daf: Fachbereich Deutsch als Fremdsprache am Institut für Germanistik der Universität Klagenfurt
-
Leider kann ich Saxers Beitrag von 1997 nicht im Netz finden – kann jemand helfen? (Die Rechtschreibreform – Ihre Folgen – Ihre Verfolger. In: Informationen zur Deutschdidaktik (‚ide’), Heft 1/1997, S. 62-77)
Wie gesagt, aus dem Abstand einiger Jahre liest sich alles entwas anders, aber der wüste Ton suchte schon damals seinesgleichen. Ähnlich u. a. im Standard 21./22.8.2004. Und solche Leute mahnen die Kritiker zur Sachlichkeit!
Saxer fand ja von Anfang an die neue s-Schreibung besonders gelungen und schreibt dazu:
Einfache und klare Regularitäten werden durch die komplizierte Darstellung so überlagert, dass man den Blick für die Systematik verliert. Ein klassisches Beispiel ist die an und für sich klare und eindeutige ‚ss-ß’-Regelung (Nach kurzem Vokal steht ‚ss’, nach langem Vokal und Diphthong ‚ß’): Diesen Satz findet man im Regelwerk nicht, man muss sich diese Regel aus zwei Paragrafen – u.a. aus einem kleingedruckten Verweis in Anmerkung – mühsam zusammenreimen.
Leider ganz verkehrt und durch jahrelange Wiederholung nicht richtiger geworden.
|
Kommentar von Gast, verfaßt am 20.01.2020 um 23.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#42794
|
Saxers Beitrag von 1997 ist vielleicht dieser?
https://ide.aau.at/wp-content/uploads/2019/01/1997-1.pdf
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.01.2020 um 06.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1343#42795
|
Danke, ja! Weiß nicht, wieso ich es nicht elbst gefunden habe.
Immer noch lesenswert, weil da alles beisammen ist, sogar dies:
Natürlich kann darüber diskutiert werden, ob es sinnvoll ist, dieses besondere Merkmal der deutschen Sprache, das(ss) sie von anderen europäischen Sprachen abhebt, beizubehalten.
Also schon 1997 macht Saxer den Fehler, den wir für die Heysesche s-Schreibung vorausgesagt haben.
Auch die Majonäse fehlt nicht.
Der Tonfall ist im Laufe der nächsten Jahre immer wilder geworden, auch wilder als bei Földes, mit dem er sich die Bälle zuspielte.
|
nach oben
Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht
|