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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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08.04.2010
 

Unerwünschte Mitstreiter
Pressefreiheit?

Vor langer Zeit dachten wir, auch Norbert Geis (CSU) stehe im Kampf gegen die Rechtschreibreform auf unserer Seite. Ich erinnere mich, daß er Friedrich Denk und mir seine Unterstützung zugesagt hatte, als wir ihn mal auf der Straße trafen (in Bonn war es, glaube ich). Und er hat ja auch auf Podien gesessen wie in Aschaffenburg.
Aber wenn man sieht, was er im Laufe der Zeit sonst noch alles unternommen hat, möchte man auf solche Mitstreiter eher verzichten. Im Augenblick versucht er, die Redaktion der "Titanic" hinter Gitter zu bringen (siehe hier).
Was mich immer wieder stört: Die Frommen sollen um jeden Preis, auch den der Pressefreiheit, vor Kritik geschützt werden, aber die Ungläubigen kann man ungestraft als moralfreies Geziefer darstellen, natürlich unter Heranziehung der unseligen Böckenförde-Formel.
(Warum liest Geis eigentlich die Titanic, wenn sie ihm nicht gefällt?)



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Kommentare zu »Unerwünschte Mitstreiter«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2012 um 17.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#20120

Norbert Geis ist gleich zur Stelle und verlangt vom designierten Bundespräsidenten, er solle seine persönlichen Verhältnisse ordnen. Es liegt nahe, daß er selbst bei Gaucks Heirat Trauzeuge wird, damit alles seine Ordnung hat, wie eben bei Geisens.
Allerdings - soweit ich informiert bin, ändern Scheidung und neue Heirat aus katholischer Sicht nichts am Tatbestand, oder? Die erste Ehe ist ja unauflöslich, falls sie nicht nachträglich für ungültig erklärt wird, was aber angesichts von vier Kindern sowie Enkeln und Urenkel nicht so leicht sein dürfte.
Guido Westerwelle und Volker Beck haben aus nachvollziehbaren Gründen gleich gegen Geis Stellung bezogen und die privaten Verhältnisse Gaucks für durchaus geordnet erklärt, nur eben anders geordnet.
Einige Politiker und fast alle Medien tratschen darüber, wie Gauck verhindern könne, daß über ihn getratscht wird. Dabei liegt die Lösung so nahe: einfach mit dem Tratschen aufhören!
Komisch ist auch, daß einige Grüne seinerzeit Gauck vorgeschlagen hatten, weil die Unionsparteien ihn dann nicht wählen konnten, aber jetzt, da sie ihn wählen wollen, Bedenken gegen Gauck anmelden, die sie damals nicht hatten. Geis und Ströbele und natürlich die SED gemeinsam gegen Gauck - das ist allemal sehenswert.
Die eigentliche Aufgabe Gaucks wird darin bestehen, das ganze Geschacher und Getratsch vergessen zu machen.
 
 

Kommentar von Nachfrager, verfaßt am 12.04.2010 um 16.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15998

Wo Sie sie erwähnen, Frau Karin Pfeiffer-Stolz vermisse ich seit längerem, sie hat so wertvolle Beiträge über lange Zeit geschrieben. Vielleicht hat sie ja einfach genug, wie so viele nach den Jahren, wer tut sich das schon so lange und intensiv an. Wir sind irgendwie die letzten Mohikaner scheint mir; zudem hat sie ja einen Schulbuchverlag.

Was haben Sie, Rote Zora, denn gegen unseren Wiener – ich vermisse ihn auch schon seit geraumer Zeit, ein unterhaltsamer Mensch, ich find schoa schad' drum, daß er nicht mehr mit diskutiert.

Deswegen auf ein Verbot zu schließen, wie kommen Sie darauf?
 
 

Kommentar von Red., verfaßt am 12.04.2010 um 11.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15997

Keiner der Genannten hat hier Hausverbot.
 
 

Kommentar von Rote Zora, verfaßt am 12.04.2010 um 11.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15996

1) Herr Faupel
2) Frau Pfeiffer-Stolz
3) (und da ist's nicht schad drum) dieser streitlustige Hobbyschreiber aus Wien
 
 

Kommentar von PL, verfaßt am 10.04.2010 um 03.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15970

Zora schrieb: „Auch dieses Forum hier wurde regelmäßig um ‚unerwünschte Mitstreiter‘ bereinigt.“

Nun wüßte ich gerne, um welche.

Gruß von PL
 
 

Kommentar von Rote Zora, verfaßt am 09.04.2010 um 13.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15964

Die Selbstbezogenheit des Selbstbezogenen...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.04.2010 um 10.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15960

Schon gut, ich will's auch nicht wieder tun.

Unerwünschte Mitstreiter gibt es auch auf der extremen Rechten. Mit denen will ich (wollen wir) auch nichts zu tun haben. Dasselbe hier.

Die Böckenförde-Formel wird regelmäßig herangezogen, um den laizistischen Staat abzulehnen. Keine Moral ohne Religion, so heißt es stets. Moralunfähige Wesen sind keine Menschen, nicht wahr? Wer bis drei zählen kann, muß sich den entsprechenden Reim darauf machen.

Aber es stimmt natürlich: Sobald wir unser gemeinsames Thema verlassen, gibt es Streit, das ist völlig normal. Deshalb: mea culpa ...
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 09.04.2010 um 09.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15959

Die dem Bildchen hier gewidmete Aufmerksamkeit ist ja wohl stark übertrieben. Der Einfall ist etwa so geistreich wie Jürgen von der Lippe als Priester und verfehlt zudem sein Thema um Lichtjahre. Zu kommentieren war die beharrliche Bemäntelung des schwülen, päderasmusfreundlichen Klimas im Zölibat, stattdessen tut die Titanic, als lutsche sich die katholische Kirche am eigenen Heiland fröhlich (wenns mal nur so wäre!). Treffend gewesen wäre naheliegenderweise ein Christus, der ein Kindlein zu sich kommen läßt – aber den Mut hatte die Witzeredaktion denn wohl doch nicht.
 
 

Kommentar von Rote Zora, verfaßt am 09.04.2010 um 08.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15958

Auch dieses Forum hier wurde regelmäßig um "unerwünschte Mitstreiter" bereinigt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 09.04.2010 um 05.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15957

Ich schicke voraus, daß ich das – zudem als Postkarte, Bildschirmschoner und "Riesenposter" vertriebene – Titelbild der Titanic für schlechterdings widerlich halte. Ich vermag auch keinerlei vernünftigen Grund oder berechtigtes Interesse dafür sehen, mit dem Schlüsselsymbol des christlichen (nicht nur des katholischen) Glaubens so umzugehen und damit die religiösen Gefühle vieler Menschen derart zu verletzen.

Unabhängig von dieser meiner persönlichen Meinung halte ich einige der hier vertretenen Auffassungen für verfehlt:

1. § 166 StGB bedroht nicht nur die Beschimpfung des religiösen sondern auch des weltanschaulichen Bekenntnisses anderer mit Strafe. Insofern ist es unrichtig, daß man Ungläubige straflos als "moralfreies Geziefer" darstellen könne. Überhaupt einen Menschen als "Geziefer" – ob moralfrei oder nicht – darzustellen, wäre eine grobe Mißachtung der Menschenwürde, wenn nicht nach § 166 strafbar. Ich kenne allerdings niemanden, der das täte.

2. Auch der Pressefreiheit sind Grenzen gesetzt, etwa wenn die Grenze zur Beleidigung, zur üblen Nachrede oder eben zur Beschimpfung des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses überschritten wird. Wo diese Grenze überschritten wird, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Deshalb ist es zirkulär, jemandem vorzuwerfen, irgendetwas "um den Preis der Pressefreiheit" schützen zu wollen. Damit stellt man bloß die eigene Meinung über die Grenzen der Pressefreiheit als allgemeinverbindlich dar.

3. Ich kann in dem Beitrag von Herrn Geis nichts finden, was darauf hinwiese, daß er "die Redaktion der 'Titanic' hinter Gitter zu bringen" versuche. Der Straftatbestand des § 166 ist meines Wissens ein Offizialdelikt. Die Staatsanwaltschaft muß daher von Amts wegen prüfen, ob eine strafbare Handlung vorliegt. Falls sie das bejahen sollte, müßte sie dann noch prüfen, ob eine Gefängnis- oder Geldstrafe angemessen wäre. Es ist offenbar die Meinung von Herrn Geis, daß ein Straftatbestand vorliegt (über ein angemessenes Strafmaß äußert er sich nicht). Man mag anderer Meinung sein, sollte das aber mit Argumenten und nicht mit Emotionen begründen.

4. Man kann auch ohne besondere religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen ein höchst moralischer Mensch sein. Anscheinend haben aber viele Menschen ein Bedürfnis nach einer transzendenten Grundlage für Ihre moralischen Überzeugungen. Eine solche kann der Staat ihnen nicht bieten. Wenn der Staat die Überzeugungen schützt, die eine solche Grundlage anbieten, so schützt er zugleich das friedliche Zusammenleben der Menschen und damit den Ast auf dem er selbst sitzt. Wo da ein "Mißbrauch Böckenfördes" liegen sollte, kann ich nicht erkennen – ebensowenig was das mit staatlicher "Legitimation" oder mit "Zensur" zu tun hat.

5. Ob Herr Geis die "Titanic" mag oder nicht und ob er sie liest oder nicht, wissen wir nicht. Das ist auch unerheblich.

6. Was all das schließlich mit der Haltung von Herr Geis zur Rechtschreibreform zu tun hat, ist mir rätselhaft.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 08.04.2010 um 22.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15955

Daß der freiheitliche Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht garantieren kann, ist keine "unselige Formel", sondern die an Hobbes, Hegel und Schmitt geschulte Einsicht eines bedeutenden Staatsrechtstheoretikers, ohne die z.B. die Probleme, die wir mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1998 haben, kaum sinnvoll zu diskutieren sind. Deshalb wäre es im gegebenen Zusammenhang besser, von einem Mißbrauch Böckenfördes durch Geis zu sprechen. Denn daß es der moderne Staat in der Hand habe, seine Legitimität (und sei es durch Zensur) selbst herzustellen, meinte Böckenförde ja gerade nicht.
 
 

Kommentar von Thomas Frieling, verfaßt am 08.04.2010 um 22.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15954

Was die Titanic sich da leistet, ist vulgär und beleidigend. Wenn diese Leute keinem Gottesglauben anhängen – wie ich auch –, dann steht es ihnen frei, sich mit etwas anderem zu beschäftigen.

Die Sache läßt mich an Kinder denken, die ihre ersten unanständigen Wörter aus dem Kindergarten mit nach Hause bringen und nun jeden damit belegen. Sie tun dies, um die Großen zu provozieren. Manchmal gelingt das.

Schlau ist es nicht, sich provozieren zu lassen. Aber der Provokateur ist mehr zu verachten. Daher hat Herr Geis mein Mitleid. Pressefreiheit ist das eine. Narrenfreiheit das andere.
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 08.04.2010 um 21.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15953

Durch einen §166-Prozeß würde sich das fragliche Titanic-Titelbild noch jedem Focus-Leser einprägen. Nun ist die Karikatur nach allem, was mittlerweile bekannt wurde, nur eine leichte Übertreibung. Daher würde ein solcher Prozeß, ganz unabhängig von seinem Ausgang, der katholischen Kirche schaden. Und zwar zu Recht.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 08.04.2010 um 21.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15952

Der attackierte Titanic-Titel entlarvt die Phantasie von Opus-Dei-Aktivist Norbert Geis: Auf dem Bild ist nämlich nichts Anstößiges zu sehen.
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 08.04.2010 um 18.11 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1294#15950

Heiland! Da schwingt aber einer gewaltig die Keule.

»Nach Paragraf 166 StGB muss das Tatbestandsmerkmal „beschimpfen“ vorliegen. Damit ist gemeint, dass die Beschimpfung in einer besonders herabsetzenden Weise erfolgt und dass darin eine besondere Missachtung zum Ausdruck kommen muss. Auch dies trifft für das Titelbild der Aprilausgabe der „Titanic“ zu.«

Der Staatsanwalt oder spätestens der Richter dürften das wohl anders sehen. Warum nur will Geis sich auf diese Art und Weise profilieren?
 
 

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