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31.01.2010
Die Schwierigkeit des Leichten
Gratwanderung der Refomwerbung
In Graz verdient Dagmar Jenner ihr Brot mit Rechtschreibkursen. Aus ihrer Werbung:
»Vor 13 Jahren wurde die deutsche Rechtschreibung trotz hartnäckiger Gegenbewegungen reformiert. Bis heute bereitet sie selbst Sprachprofis oft Kopfzerbrechen. Gleichzeitig sind viele der gängigsten Fehler „alte“ Fehler. Es gilt die Regel: Wer in der alten Rechtschreibung sattelfest war, muss nur in einigen wenigen Bereichen umlernen. Wem die alte Rechtschreibung Probleme bereitete, wird sich über die zahlreichen Erleichterungen und Wahlmöglichkeiten der reformierten Rechtschreibung freuen. In diesem Seminar werden die wichtigsten Änderungen vorgestellt, häufige „klassische“ Fehlerquellen analysiert und anhand praktischer Beispiele veranschaulicht. Sie werden sehen: Die neue deutsche Rechtschreibung ist deutlich besser als ihr Ruf!«
Die reformierte Rechtschreibung ist also leichter, aber doch so schwer, daß man Frau Jenners Seminare besuchen sollte. Denn:
»Wer heute in alter Rechtschreibung kommuniziert, hinterlässt beim Zielpublikum einen unzeitgemäßen
und schwerfälligen Eindruck.«
Da kriegt man richtig Angst. "Unzeitgemäß" finden auch manche Germanistenkollegen die "alte" Rechtschreibung, z. B. in Magisterarbeiten. Allerdings war das Zeitgemäße von 1996 acht Jahre später schon wieder unzeitgemäß, und seit 2006 ist sowieso alles unzeitgemäß – bis auf dass, den guten alten Heyse. Der ist zeitgemäß.
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Kommentar von ppc, verfaßt am 31.01.2010 um 23.05 Uhr
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In der Politik und der Werbung wird von jeher gelogen. So wie Persil besser ist als ein "herkömmliches Waschmittel", ist Reformschrieb besser als herkömmliche Orthographie. Der große Fortschritt ist die rote Schleife auf der Packung; keinen Fortschritt hingegen gibt es in der Intelligenz der Käufer ... pardon: Kaufenden.
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 01.02.2010 um 08.22 Uhr
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Klingt so, als würde Fr. Jenner zuerst die „alte“ Rechtschreibung pauken, um dann auf die Erleichterungen durch die „neue“ hinweisen zu können.
Die Frage ist natürlich nach wie vor, was scheinbare Erleichterungen beim Schreiben bringen, wenn sie den Leser dafür häufiger vor Verständnisprobleme stellen können.
Mir jedenfalls kommt Nußschokolade und Coupé weniger schwerfällig vor als Nussschokolade und Kupee.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2010 um 18.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1273#15895
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"Aufgepaßt beim Anschluß nach Mannheim!" So titelt die Deutsche Bahn (DB Regio Mannheim). Und auch im weiteren Text heißt es konsequent "Anschluß". Sieht gut aus.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2010 um 16.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1273#15905
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Manche schreiben wie ein Über-Mentrup:
Alle Studiengebührengesetze sehen ein "Studienbeitragsdarlehen" vor, dass ermöglichen soll, die Studiengebühren erst nach dem Studium zurück zu zahlen. Ebenso gibt es gewisse Schuldenobergrenzen, überschreitet man diese zusammen mit dem BAföG-Staatsdarlehen, so wird die diese Grenze überschreitende Schuld erlassen. Allerdings sind die Grenzen (außer in Nordrhein-Westfalen) so hoch, dass eine Befreiung nur beim BAföG-Höchstsatz und einem Studium, dass länger als ein Bachelor andauert, wirklich greifen. (...) Auslandssemester (dass in der Studienordnung vorgesehen ist (...)
http://www.bafoeg-rechner.de/Hintergrund/art-667-befreiung_studiengebuehren.php
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.04.2011 um 16.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1273#18479
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"Die Schwierigkeit des Leichten" ist übrigens der Titel eines von mir sehr geschätzen Büchleins mit verhältnismäßig einfachen chinesischen Geschichten, erschienen in Peking 2004. Gleich die erste Erzählung – wie die übrigen im Reader's-Digest-Stil gehalten und vielleicht aus einer nicht angebenen Quelle dieser Art geschöpft – handelt von Bill Gates, der schon als Schuljunge besonders aufgeweckt war usw. Eine solche Person als Held eines chinesischen Lesebuchs – wer hätte das gedacht! Wenn ich an den maoistischen Buchladen in Marburg in den sechziger Jahren zurückdenke!
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2017 um 16.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1273#34290
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„Heute sagt die Forschung: Hohe Erwartungen – verbunden mit guter Unterstützung – sind besonders leistungsförderlich, auch für langsamere Lerner. Insofern war die Rechtschreibreform aus pädagogischer Sicht Unsinn – japanische Grundschüler verdanken ihre Stärken nicht zuletzt der Kompliziertheit ihrer Schriftzeichen.“ (Kölner Stadtanzeiger 11.1.17)
Das wäre nur richtig, wenn die Reform eine Erleichterung gebracht hätte. Das ist aber nicht der Fall, also muß ein solcher Zusammenhang offen bleiben.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.11.2019 um 05.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1273#42364
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Deutsche haben immer noch Probleme mit neuer Rechtschreibung
Vor 23 Jahren wurde die Rechtschreibreform durchgeführt. Viele Deutsche kennen bis heute die Regeln nicht.
Die Deutschen haben 23 Jahre nach der Rechtschreibreform von 1996 immer noch Schwierigkeiten mit Rechtschreibung und Zeichensetzung. Das zeigt eine Auswertung von telefonischen und schriftlichen Sprachanfragen der letzten 30 Jahre, die die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) Ende des letzten Jahres durchführte.
Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Groß- und Kleinschreibung machen der Auswertung zufolge den Deutschen am meisten zu schaffen. Gut ein Drittel aller telefonischen Sprachanfragen sei zu diesen Themen gestellt worden. (Forschung und Lehre 6.6.19)
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Wenn jemand etwas von einer Erleichterung der deutschen Rechtschreibung mitbekommen haben sollte, dürften es die Sprachberatungsstellen und die Lehrer sein. Von dieser Seite ist aber nichts Einschlägiges berichtet worden, eher das Gegenteil.
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