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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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16.11.2009
 

Doris Ahnen
Aufstieg unter Absteigern

November 2009, Parteitag der SPD: Doris Ahnen hat bei den Vorstandswahlen die meisten Stimmen bekommen. Fünf Jahre zuvor war es Ahnen gelungen, Bundeskanzler Schröder von einer Intervention gegen die Rechtschreibreform abzuhalten.
„Nachdem Gerhard Schröder mit Doris Ahnen, der rheinland-pfälzischen Kultusministerin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, telefoniert hatte, erlahmte sein Elan.
Die zierliche, aber unnachgiebige SPD-Frau legte sich quer. Sie verwies auf Schüler und Schulbuchverlage, die längst auf die neue Rechtschreibung umgestellt hätten. Der Kanzler gab klein bei.
In einem Brief an die Verlegerwitwe zog er die angekündigte Revolte zurück: 'Es war zu spät.'“ (Christof Schmitz im Spiegel, 15.11.2004)

Eine Woche später erschien im SPIEGEL ein Interview mit Ahnen. (Ahnen: „Ich finde, die Reform hat Vereinfachungen gebracht.“ Usw.)
Das Börsenblatt ernannte ebenfalls 2004 Doris Ahnen zum „Kopf der Woche“, in Anerkennung ihrer „Konsequenz“ bei der Durchsetzung der Rechtschreibreform gegen den Widerstand der Schriftsteller. (Vgl. auch hier.)
Zwei Jahre später kam es zur zweiten Revision der Rechtschreibreform, wodurch die Verwirrung der Schüler und Lehrer ebenso wie die Kosten nochmals in die Höhe getrieben wurden. Ahnen sah darin aber kein Problem, sie sagte der Frankfurter Rundschau: „Ich bin sicher, dass die Schulen die neuen Festlegungen ebenso problemlos umsetzen, wie sie die ursprüngliche Reform seit 1998 umgesetzt haben.“ Das zeigt, wie richtig Frau Ahnen die Menschen einschätzt. Natürlich haben die Schulen alsbald Vollzug gemeldet: alles problemlos umgesetzt.



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Kommentare zu »Doris Ahnen«
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Kommentar von Kurt Albert, verfaßt am 17.11.2009 um 17.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1244#15285

Doris Ahnens marginale Änderungen

Beim Lesen von Icklers neuem Tagebucheintrag erinnerte ich mich an den Zeitungsbericht, aus dem ich öfter zur Belustigung bzw. zum Staunen bzw. zum Befremden des Publikums vorgelesen hatte, nach Diskussion der Änderungen 2005/2006.

"Kein Rütteln an Rechtschreibreform" ("Wiesbadener Kurier" vom 4. Juni 2004): Es ging um den letzten Bericht der zwischenstaatlichen Kommission im Zusammenhang mit der Einsetzung des Rats für deutsche Rechtschreibung.
Zitiert wird "die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD)":
"Die Wissenschaftler schlagen [...] einige marginale Änderungen der neuen Schreibweisen und mehr Wahlfreiheit bei der Getrennt- und Zusammenschreibung vor."
 
 

Kommentar von Michael Schuchardt, verfaßt am 17.11.2009 um 16.26 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1244#15283

zu #15280:
"Als ich 1996 den Frankfurter Appell gegen die neue Rechtschreibung mit unterzeichnete, hätte ich mir nicht träumen lassen, daß sich die Reformbestrebungen tatsächlich durchsetzen würden. Seit ich von Reformbefürwortern aus der SPD hörte und las, wie sie sich freimütig dazu bekannten, in Rechtschreibung nie eine Leuchte gewesen zu sein (sie gingen dafür sogar in Fernsehsendungen und schämten sich nicht mal), (...)"

Liebe Frau Mank,

ich möchte Ihnen sagen, warum der "Frankfurter Appell" nichts gefruchtet hat (fast haben Sie es ja schon selbst genannt). Die einen nennen es Staatsräson, die anderen sind auch noch stolz darauf, aber hier wird das Ding beim Namen genannt:
http://curtgoetz.de/praetorius.html

Mir fiel gerade noch Wilhelm v. Humboldt ein, und ich wollte gerade anfügen, daß damals ja ein klügerer Monarch regierte; Pustekuchen, gut daß ich bei der Biographie genauer nachsah. Auch damals war's leider nicht anders. Zum Troste: von Friedr. Wilhelm III. spricht auch kaum einer mehr, aber Humboldt kennen alle. So wird's auch mit Frau Ahnen gehen – bei Frau Wolf kann man's ja schon "ahnen".
 
 

Kommentar von Maria, verfaßt am 17.11.2009 um 11.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1244#15282

Erinnere ich mich recht, daß die Reformer wollten, man solle fortan nicht mehr nachdenken beim Schreiben?
Was muß man von einer solchen Aufforderung – und ihrer weitverbreiteten Einhaltung – halten?
Wem nützt dies?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.11.2009 um 23.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1244#15281

Eine gute Sache breitet sich von selbst aus; eine schlechte Sache muß mit Gewalt durchgesetzt werden. Weil die Rechtschreibreform nicht einmal mit größtem Überredungsaufwand, sondern nur mit größter Gewalt und schlimmsten öffentlichen Beschimpfungen durchgesetzt werden konnte, muß es sich bei ihr zwangsläufig um eine sehr, sehr schlechte Sache handeln. Die fast zeitgleiche französische Rechtschreibreform wurde von vornherein so gestaltet, daß sie sich möglichst von selbst durchsetzt, an eine gewaltsame Durchsetzung wurde bei ihr nie gedacht. Ganz offensichtlich gelten die Franzosen als mündige Bürger und die Deutschen als unmündige Untertanen. Hirnlose Regierende können sich nur behaupten, indem sie ihre Untertanen für unmündig erklären, denn mündige Bürger sind die größte Gefahr für solche Regierende. Deshalb sind unangepaßte Dichter eine große Gefahr für unsere Regierung.
 
 

Kommentar von Edelgard Mank, verfaßt am 16.11.2009 um 22.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1244#15280

Als ich 1996 den Frankfurter Appell gegen die neue Rechtschreibung mit unterzeichnete, hätte ich mir nicht träumen lassen, daß sich die Reformbestrebungen tatsächlich durchsetzen würden. Seit ich von Reformbefürwortern aus der SPD hörte und las, wie sie sich freimütig dazu bekannten, in Rechtschreibung nie eine Leuchte gewesen zu sein (sie gingen dafür sogar in Fernsehsendungen und schämten sich nicht mal), schwante mir allerdings, daß sich die Reformbewegung durchsetzen könnte. Und es war schlimmer: Was sitzen denn da für Banausen in der Politik?! dachte ich – und ich meinte alle Reformbefürworter quer durch die Parteienlandschaft. Regierungspartei und Opposition interessierten aber nicht Sachfragen, sondern nur die eigene Parteipropaganda. Uns sie zogen ihr Ding durch – wie Doris Ahnen gegen Gerhard Schröder.

Folgendes ist längst bekannt, aber ich gebe es gern noch einmal wieder.
Als Pressemitteilung 789 ist am 1. August 2005 von Jörg Tauss zu lesen:
Rechtschreibreform: Sonderweg von Bayern und NRW verunsichert Lehrer und Schüler (AG Bildung und Forschung), 12.08.2004
Anlässlich der verpflichtenden Einführung der neuen Rechtschreibung erklärt der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss:
Die Weigerung der unionsgeführten Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen, den Beschluss der letzten Ministerpräsidentenkonferenz zur verpflichtenden Einführung der neuen Rechtschreibung umzusetzen, kann nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen werden. Erstens ist der Beschluss mit ihrer Beteiligung gefasst worden. Es ist daher ein Affront gegenüber den Ministerpräsidentenkollegen, wenn Stoiber und Rüttgers sich nach Gutdünken ihrer Verantwortung entziehen und gemeinsam gefasste Beschlüsse aus politischer Opportunität einfach über Bord werfen. Dieser Sonderweg schadet dem Bildungsföderalismus und führt direkt zurück in eine lähmende bildungspolitische Kleinstaaterei.
Zweitens ist offenkundig, dass der Sonderweg jeder sachlichen Grundlage entbehrt. Die nun verpflichtend eingeführten Elemente der Rechtschreibreform sind unstrittig und an ihnen wird sich nichts mehr ändern, jeder weiß das. Es ist schon erstaunlich, wie viel Aufwand und Energie die unionsgeführten Länder immer wieder in diese Debatte investieren und das Thema Rechtschreibreform hochziehen. Man könnte meinen, Deutschlands Zukunft hänge allein von dieser Frage ab. Das tut sie nicht.
Stoiber und Rüttgers instrumentalisieren die Rechtschreibreform und versuchen sie immer wieder populistisch auszunutzen. Zurück bleiben weiter verunsicherte Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler, auf deren Rücken Stoiber und Rüttgers eine Scheindebatte anzetteln wollen. Die Zeche zahlen wie so oft bei der Union die anderen.
(www.spdfraktion.de)

Das Abgeschmackteste bei alldem ist für mich eines: die massiven Manipulationen einer politischen Bewegung in eine Sache, die unter keinen Umständen Sache der Exekutive ist.
 
 

Kommentar von RP online, 9. 8. 2004, verfaßt am 16.11.2009 um 21.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1244#15279

"Hochgezogene und politisierende Debatte"
Rechtschreibreform: Schröder gegen Rücknahme - Volksabstimmung?
zuletzt aktualisiert: 09.08.2004

Frankfurt/Main (rpo). Der Streit um die Zukunft der Rechtschreibreform geht unvermindert weiter: Während der Chefredakteur der "Bild am Sonntag" das Volk über die Reform abstimmen lasssen will, lehnt die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Doris Ahnen, dieses ab. Derweil hat sich Kanzler Gerhard Schröder gegen eine Rücknahme der Rechtschreibreform ausgesprochen.

(Bildunterschrift: Von der "überwältigenden Mehrheit der Lehrer" werde die Reform gelobt, Zeitungen hätten sie zu 97 Prozent richtig angewandt, heißt es.)

Seitens der Bundesregierung gebe es keine Überlegungen, die Reform wieder rückgängig zu machen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans Langguth am Montag in Berlin.

Der Chefredakteur der "Bild am Sonntag", Claus Strunz, forderte unterdessen eine Volksabstimmung zu dem Thema. "Es gab nur einen klugen Satz in der Debatte im Bundestag: Die Sprache gehört dem Volk. Dann fragt es", sagte Strunz in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen".

Strunz warf der politischen Klasse "Verhuschtheit" vor, weil sie "die Menschen, um die es geht, gar nicht mehr fragt". Allerdings sieht das Grundgesetz bislang keine Volksabstimmungen auf Bundesebene vor. Die "BamS" will so wie die übrigen Blätter des Springer-Verlags zur alten Schreibung zurückkehren.

Nach Angaben einer Verlagssprecherin soll die Umstellung "in wenigen Wochen" erfolgen. Auch die "Süddeutsche Zeitung" und der "Spiegel" legten sich bislang noch nicht auf einen genauen Tag für die von ihnen geplante Rückkehr zur alten Schreibung fest, wie Sprecher auf Anfrage sagten.

Langguth sagte, es habe schon früher Versuche gegeben, juristische Schritte gegen die seit 1998 an den Schulen geltenden, neuen Rechtschreibregeln einzulegen. Der heutige Bundeskanzler Gerhard Schröder habe es aber damals schon als niedersächsischer Ministerpräsident für falsch gehalten, die Reform rückgängig zu machen. Ein Sprecher des Bundesbildungsministeriums sagte, die Rechtschreibung sei Angelegenheit der Länder.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Doris Ahnen (SPD), lehnte eine Volksabstimmung im Gegensatz zu Strunz ab. Die Mehrzahl der Deutschen habe "ganz andere Sorgen", sagte sie bei "Christiansen". Dabei verwies sie auf den einstimmigen Beschluss der Kultusminister, die Rechtschreibreform zum 1. August 2005 verbindlich einzuführen. "Zur guten Demokratie gehört auch Verlässlichkeit. Wir können nicht alle drei Tage die Pferde wechseln."

In der KMK hieß es in Bonn, dass es mit der geplanten Einführung eines Rats der deutschen Rechtschreibung bereits eine Lösung gebe, mit der die Orthographie auch in Zukunft beobachtet werden soll. Die Zusammensetzung des Rats soll noch in diesem Monat bei Gesprächen mit Vertretern Österreichs und der Schweiz beschlossen werden; Ende des Jahres soll der Rat dann eingesetzt werden.

Der Vorsitzende der zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission, Karl Blüml, warf Springer, "Spiegel" und der "Süddeutschen Zeitung" unterdessen "pädagogische Verantwortungslosigkeit" vor. Sie setzten Kinder, Eltern und Lehrer unter "schweren Druck", sagte Blüml im Deutschlandradio Berlin. Trotz des Umschwenkens dieser Großverlage gehe er davon aus, dass die neue Rechtschreibung Bestand haben werde. Es sei aber auch sicher, dass diese weiter modifiziert und weiterentwickelt werden müsse.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) forderte eine konzertierte Aktion der großen deutschen Verlage. Es bahne sich eine "absurde Situation" an, die nicht der Vorbildfunktion der Medien gerecht werde, erklärte DJV-Chef Michael Konken. Konken warnte vor einem "Waterloo der deutschen Sprache". Er forderte den Bund Deutscher Zeitungsverleger und den Verband der Zeitschriftenverleger auf, sich bei den Verlagen für eine einheitliche Linie stark zu machen, damit es nicht zu einer dauerhaften Konfusion der deutschen Rechtschreibung komme.

(Quelle; verlinkt unter http://www.rp-online.de/personen/Doris--Ahnen)
 
 

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