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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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06.06.2009
 

Deutsche Philologie
Stand August 2006

Die Zeitschrift für deutsche Philologie schreibt in ihren Richtlinen für Autoren:

"1. Neue Rechtschreibung – Die ZfdPh wendet die neuen Regeln der Rechtschreibung an (Stand August 2006). Bitte richten Sie Ihre Manuskripte entsprechend ein.
2. Einheitlichkeit – Achten sie (!) auf eine einheitliche Einrichtung Ihres Manuskriptes."

(Zu den Herausgebern gehört Ratsmitglied Besch.)

Warum machen die Leute das? Warum lassen sie nicht einmal die Wünsche der Autoren gelten?



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Kommentare zu »Deutsche Philologie«
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 06.06.2009 um 13.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1171#14586

Bei diesem unwissenschaftlichen blinden Gehorsam einer philologisch und grammatisch nicht haltbaren Rechtschreibung gegenüber sollte die Zeitschrift auch gleich eine Umbenennung durchführen. Etwa in "Zeitschrift für deutsche Unterwürfigkeit".

Eigentlich ist sie ja mit dieser Entscheidung verpflichtet, in den kommenden Jahren ständig ihre Rechtschreibung zu ändern, denn der Rückbau der Reformfassung von 2006 wird definitiv kommen. Aber wer will das überprüfen! Vermutlich wird es daher bei der einmal gewählten Fassung bleiben. Damit wird die Zeitschrift in wenigen Jahren in einer hoffnungslos historischen Rechtschreibung erscheinen und könnte sich dann gleich noch einmal umbenennen in "Zeitschrift für historische deutsche Philologie". Was "Euphorion" in den 30er Jahren recht war, kann der "ZfdPh" heute nur billig sein. Bekanntlich hatte sich die Wissenschaft schon einmal begeistert gleichgeschaltet. Schön, daß die Gattung "Mensch" so gar nicht lernfähig ist!
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 06.06.2009 um 16.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1171#14588

Ja, so reden sich (unsere ach so wissenschaftlich arbeitenden) Herausgeber eben heraus. Auch hier in den USA. Ich erinnere mit an ein Textbuch, wo also im Vorwort darauf hingewiesen wurde, daß die Rechtschreibung der des Duden-Spellschecks von 2004 entspreche. (Ich will das hier nicht mal genau belegen; die Suche danach kostete mich mehr Zeit als das ganze wert ist. Sachlich ist richtig, was ich hier sage; das möge hier genügen.) —
Zu "Warum machen die Leute das?", "Schön, daß die Gattung 'Mensch' so gar nicht lernfähig ist!" hat Brecht schon was von deren Unlänglichkeit geschrieben: "Der Mensch ist gar nicht gut." Der hatte Humor. Aber es ist natürlich zum Weinen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2009 um 17.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1171#14590

Wir können getrost sagen: Wo immer Zeitungen und Zeitschriften zwangsweise auf Reformschreibung umgestellt werden, geschieht es ohne Befragen und gegen den Willen der meisten Autoren und der Leser. Ich kann und will den Motiven im einzelnen nicht nachgehen, sondern zitiere nur noch einmal den Ausspruch eines Heidelberger Großgermanisten: "Das interessiert uns nicht!"
Woraus eigentlich ebenso gut folgen könnte "Wir machen mit" wie auch "Wir machen nicht mit". Aber es folgt eben unterm Strich, wie die Menschen nun einmal sind, ausnahmslos: "Wir machen mit". Das ist denn auch die kürzeste Formel für die Erfahrung, die ich in diesen gut zwölf Jahren mit meinen Germanistenkollegen gemacht habe: "Eigentlich sind wir dagegen, aber wir machen erst mal mit." Besonders treuherzig jener Kollege, der mir vor etlichen Jahren schrieb, in seinen Seminaren äußere er sich ja auch kritisch über die Rechtschreibreform. Aber in seinen Büchern hat er aufs greulichste mitgemacht und deren völlige Unbrauchbarmachung hingenommen.
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 06.06.2009 um 21.51 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1171#14593

Wie wir schon immer gesagt haben. Hauptsache "dass" und "musst". Der Rest ist wurscht!
 
 

Kommentar von E.GAL, verfaßt am 06.06.2009 um 22.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1171#14594

Kürzlich hat jemand den Begriff "Untertanenschreibung" für die reformierte Schreibung gebraucht. Gefällt mir gut in dem hier diskutierten Zusammenhang.
 
 

Kommentar von Inge Müncher, verfaßt am 14.06.2009 um 23.44 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1171#14622

Zum Beitrag von Karsten Bolz zu „Deutsche Philologie“, 1171#14593, betr. „dass“ und „musst“

Die neue s-Regel (Nach betontem, kurzen Vokal und stimmlosem s-Laut schreibt man ss) wurde bekanntlich deshalb erstellt, damit der Wechsel von ss zu ß fortfällt. Das gilt auch für das von Karsten Bolz erwähnte Wort musst und ebenfalls wie z. B. aus fassen - er faßt, ein fassen - er fasst wird. Man hat bei der Aufstellung der Regel aber wohl nur an sehr häufig vorkommende ss-Stammwörter gedacht wie müssen, fassen, passen, küssen, hassen, nässen, pressen, vermissen, wässern. Doch diese Einheit wird nicht bei essen (er aß), wissen (er weiß), fressen (er fraß), lassen (er ließ), messen (er maß), vergessen (er vergaß) erreicht, auch nicht bei beißen, fließen, schießen, gießen, genießen, sprießen, reißen, schießen, verdrießen, verreißen.

Bei den ß-Stammwörtern ist man sogar von der Einheit zum Wechsel gelangt. Statt schließen - das Schloß entsteht durch die neue s-Regel schließen - das Schloss, so auch bei beißen, gießen, genießen, reißen, schießen, sprießen, verdrießen.

Die neue s-Regel ist also nach einer nur oberflächlichen Prüfung aufgestellt worden. Statt der Einheit aller ss- und ß-Stammwörter mit ihren übrigen Formen, gibt es einen viel stärkeren Wechsel als bisher.

Auch erwähnt die neue s-Regel nicht, daß sie nur für Wörter mit ss- oder ß-Stammwort gilt und nicht für jedes Wort mit betontem, kurzen Vokal und nachfolgendem stimmlosen s-Laut wie die Hast, lustig, er knuspert, Nester, Wespe, Maske, Muskel. Außerdem fehlt der Hinweis auf die Ausnahmen von der s-Regel wie bis, Bistum, Bus, das (Artikel- Relativ- und Demonstrativpronomen), des, es, plus, was, wes (ältere Form von wessen), weshalb und Wörter mit der Endung as, nis, is, os oder us, z.B. Geheimnis. Auch beim langen Vokal mit nachfolgendem stimmlosen (scharfen) s wird nicht erwähnt, daß sie nur für Wörter mit ß- oder ss-Stammwort, im seltenen Fall sogar mit einem tz-Stammwort gilt (fließen - er fließt, essen - sie aß, sitzen - er saß). Hier als Ausnahme von der Regel: aus.

Auch die Konjunktion daß ist ohne sorgfältige Überlegung in dass umgewandelt worden. Man hat einfach wegen des kurzen, betonten Vokals - nicht langen Vokals - und des stimmlosen s auch hier ss geschrieben und sie in die Ebbe, Affe, immer, denn, wann, schlimm, starr u.a. Gruppe hineingedrängt (1.2 §2 in der 23. Auflage, S.1114 und in der 24. Auflage S.1163). Aber man hat nicht bedacht, daß die Konjunktion daß eigentlich eine Ausnahme von der neuen s-Regel ist, denn nach der amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung 1.2 §4,6 (23. Auflage S.1115 oder der 24. Auflage, S.1163/1164) gehört sie zu den betonten, einsilbigen Wörtern mit grammatischer Funktion wie z.B. bis, das (Artikel, Pronomen) des, was, deren nachfolgender Konsonant nicht verdoppelt werden darf, hier dürfen also nicht zwei ß und schon gar nicht zwei fremde s geschrieben werden.

 
 

Kommentar von K.Bochem, verfaßt am 15.06.2009 um 02.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1171#14623

Nach wie vor bleibt zu sagen: Es ist beschämend, daß man Promovierten und Habilitierten dies vorhalten kann. Wenn man nicht mit deren Dummheit rechnen will (- sicherlich auch nicht rundum kann), bestätigt sich einmal wieder die Vermutung, daß bewußt sprachfremde Ziele im Vordergrund standen, mit denen man von vornherein hinterm Berg halten wollte. Da konnte es nicht ausbleiben, daß die Versessenheit dieser Leute sie mit Blindheit geschlagen hat.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 15.06.2009 um 11.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1171#14624

Die amtliche neue S-Regel beschreibt die Verwendung von s, ss und ß schon recht genau und ist eben deshalb deutlich komplizierter als die zu stark verkürzte Umlernhilfe, die landläufig für die neue S-Regel gehalten wird: »nach kurzem Vokal ss, nach langem ß«. Über die Kollateralschäden ist hier hinlänglich berichtet worden.

Die Entstehung des ß scheint zumindest in der Antiqua unstrittig zu sein; insofern findet kein Buchstabenwechsel im eigentlichen Sinne statt, sondern nur einer von langem s auf rundes bzw. umgekehrt.
Frau Müncher hat natürlich recht, wenn sie sagt, daß das Versprechen der Reformer, daß solcherlei Wechsel fortan vermieden würden, nicht eingehalten wurde.
 
 

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