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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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22.05.2009
 

Ruhe an der Front
Herr Zehetmair ist froh und dankbar

Siehe hier: YouTube-Video (Dezember 2007)

Zehetmair spricht hier zunächst über altgriechische Hapax legomena, als wären es einmalige Schreibweisen, während es in Wirklichkeit nur einmal belegte Ausdrücke oder Formen sind. Außerdem gibt er falsche Daten zur Eindeutschung von „Frisör“ (das z. B. schon in meinem Duden von 1941 steht). Über die „Literaten“, wie er die Schriftsteller durchgehend nennt, verbreitet er die reformertypische Ansicht, sie hielten sich sowieso nicht an die Sprach- und Schreibregeln der Allgemeinheit. Das ist stark übertrieben. Reiner Kunze hat dazu Treffendes bemerkt (seine Kleinschreibung in Gedichten funktioniere gerade nur auf dem Hintergrund der üblichen Großschreibung usw.).
Die „Betroffenheiten“ und „Eitelkeiten“, gegen die Zehetmair sich im Rechtschreibrat behauptet durchsetzen zu müssen, stellt er so dar, als gehe es nicht auch um ihn selbst. Hat er vergessen, daß die Rechtschreibreform nicht zuletzt von ihm selbst durchgesetzt wurde? Er behauptet auch, die Schreibweise „behende“ wiederhergestellt zu haben, und will beobachten, was sich durchsetzt. Man sieht auch daran, wie wenig er die Tatsachen kennt. Der Rat durfte bisher dieses Kapitel nicht revidieren, „behende“ bleibt verboten. Es ist kaum auszudenken, welche falschen Ansichten Zehetmair sonst noch über die Revision und seine eigenen Leistungen hegt.

Im Schutze seiner so oft dokumentierten Unwissenheit erlaubt sich Zehetmair einen Zynismus, dessen er sich wohl gar nicht bewußt ist. Welche Verunsicherung sich hinter der "Ruhe an der Front" verbirgt, läßt er nicht an sich herankommen.



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Kommentare zu »Ruhe an der Front«
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Kommentar von Th. Ickler, verfaßt am 23.05.2009 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1161#14491

Zehetmair ist seine ganze Amtszeit hindurch mit falschen Beispielen vor die Kameras getreten, und anscheinend sind weder seine rechte noch seine linke Hand (Eichinger, Eisenberg) ihm mit Korrekturen zu Hilfe gekommen. Bei "behende" und den anderen Augstschen Einfällen halte ich es für möglich, daß Zehetmair wie wir anderen zunächst glaubte, eine Überarbeitung des ersten Kapitels der Neuregelung stehe bevor, und daß er dann vergessen hat, was wirklich geändert werden durfte und was nicht. Ganz sicher ist aber, daß er sich niemals mit den inhaltlichen Einzelheiten befaßt hat. Er hat sich stets als der große Moderator gefühlt, und seine routinierte, selbstgefällige Suada trug ihn ja auch ganz erfolgreich über alle Abgründe hinweg, die ohnehin nur den wenigsten bekannt waren und sind. Wer sich das genannte Video ansieht, wird zustimmen, daß die Hohlheit des ganzen Auftritts nicht so leicht zu durchschauen ist. Eine kleine Hilfe dürfte der Gedanke sein: Das ist der Mann, ohne den die verhängnisvolle Rechtschreibreform überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Wie kommt er denn dazu, jetzt als unparteiischer Retter vor ebendieser Reform aufzutreten?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 23.05.2009 um 11.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1161#14490

Zur Beurteilung der Lage reicht es nicht, auf den Wortlaut der jeweils gültigen Fassung des Regelwerks zu starren. Die 96er Norm, verstanden, unverstanden, vermischt mit allem, was davor war und danach kam, lebt in zahllosen real existierenden Texten fort. Die enorme Verunsicherung, die sich im Schreibvolk breitgemacht hat, läßt sich durch Korrekturen am Regelwerk allein nicht beseitigen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 23.05.2009 um 10.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1161#14489

Die Aussage zu „behende“ könnte auch auf Schusseligkeit beruhen oder auf Wunschdenken. Oder ein Versuch sein, die Verwirrung weiter zu vergrößern und damit die Chancen für fundierte Widerrede zu verringern. Oder ein Versuch, die Staatsraison zu popularisieren, in diesem Fall die Einsicht, daß es töricht ist, überhaupt irgendeine Beziehung zu erwarten zwischen der Wirklichkeit und dem, was ein Politiker sagt.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.05.2009 um 10.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1161#14488

Da haben Sie leider recht, Herr Markner. Die große Abteilung der Augstschen Etymogeleien wurde bis heute nicht angetastet. Und wenn Zeitungen oder Autoren, die sich prinzipiell gleichgeschaltet haben, in Einzelfällen dann doch lieber "aufwendig" oder "behende" schreiben, so bleibt das Regelwerk in diesen Fällen trotzdem noch auf dem Stand von 1996 stehen.

Es spricht freilich nicht gerade für den investigativen Journalismus von Herrn Aust, daß er davon nichts mitbekommen hat. Früher wußten "Spiegel"-Leser bekanntlich immer mehr, aber da steckte auch hinter der F. A. Z. immer ein kluger Kopf. Lang, lang ist's her!
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.05.2009 um 22.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1161#14487

Kürzlich erklärte Stefan Aust in der ZDF-Sendung »Nachtstudio«, die revidierte reformierte Rechtschreibung habe ja nur noch wenig mit der ursprünglichen Version zu tun. Lammfrommes Wunschdenken!
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 22.05.2009 um 21.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1161#14486

Könnte "behende" denn Teil einer noch nicht veröffentlichten weiteren Revision sein?
 
 

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